Bibliothekarische Verbindungsarbeit in Kasachstan:
von Scholpan Kysaibaewa
Das Umfeld
Kasachstan liegt in Zentralasien und ist mit 2,7 Mio. m² das neuntgrößte Land der Erde, das sich über ca. 3000 Kilometer von der unteren Wolga nach Osten bis an die chinesische Grenze erstreckt. Die Bevölkerung von 15 Mio. Einwohnern, obwohl aus über 130 Nationalitäten ethnisch stark gemischt, weist aufgrund der bestehenden Schulpflicht eine hohe Alphabetisierung auf. Dies wird gefördert durch zahlreiche Hochschulen, aber auch durch ein weites Netz von Bibliotheken.
Abbildung 1: Statistik-Diagramm der Bibliotheken
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Abbildung 2: Blick auf Almaty vor dem Hintergrund des Alatau-Gebirges
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Bibliotheken Kasachstans: Zahlen und Fakten
Eine Führungsrolle im kasachischen Bibliothekswesen nimmt die Nationalbibliothek Kasachstans in Almaty(2) ein, die in ihren Anfängen auf das Jahr 1910 zurückreicht, aber den Status einer Nationalbibliothek erst 1991 erhielt. Sie weist heute einen Bestand von über 5,6 Mio. Medieneinheiten auf, ist Depositar des Pflichtexemplars und bibliothekswissenschaftliches Forschungszentrum. Diese Zeitschrift berichtete darüber in Nr. 3, 2005.(3)
Die Nationale Akademische Bibliothek der Republik Kasachstan (NABRK) in Astana(4) wurde durch die Verordnung der Regierung der RK vom 23. April 2004 gegründet. Seit Beginn des Betriebs zielt die Bibliothek auf die Gründung eines intellektuellen Zentrums in der asiatischen Region ab. Die Richtungen der Bibliotheksentwicklung sind schon bestimmt. Einerseits sind das die Partnerbeziehungen mit Organen der gesetzgebenden und exekutiven Gewalt in der Stadt Astana, mit Nicht-Regierungs-Organisationen, Firmen und Einrichtungen, Privatpersonen. Andererseits internationale fachliche Kontakte (Teilnahme an IFLA(5) und anderen Bibliotheks-Konferenzen). Der Austausch mit ausländischen Bibliotheken sowie die Zusammenarbeit mit den größten Holders von Informationen im nahen und fernen Ausland erlauben den Zugang zu den neuesten Informationsquellen und deren Nutzbarmachung für die nationalen Belange der Republik. An der NABRK wurde ein Kuratorium gegründet, das zur Realisierung der Bibliothekspolitik beitragen und wichtige institutionelle Fragen lösen soll, darunter den Schutz des Urheberrechts, der Gedankenfreiheit, der Erschließung virtuellen Raums und der Zusammenstellung eines korporativen elektronischen Katalogs.
Abbildung 3: NABRK in Astana. Vor der Bibliothek nach Eröffnung des
Dt. Lese -und Infozentrum (DLIZ); v.l.n.r.: Frau Suchai (Sachbearbeiterin der Programmabteilung des Goethe-Instituts Almaty); Frau S. Kysaibaewa (Leiterin I&B
Goethe-Instituts Almaty); Herr Gert Heidenreich (Dichter); Frau R.
Berdigaliewa (Generaldirektorin der NABRK); Herr Iran-Gaiyp
(Dichter); Frau A. Koshabekowa und Frau S. Issabekowa (Stellv. Direktorinnen der NABRK).
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Zu dem Netz der Bibliotheken des Ministeriums für Kultur gehören auch die Staatliche Republikanische Kinderbibliothek(6), die Staatliche Republikanische Jugendbibliothek und die Republikanische Bibliothek für Blinde und Sehbehinderte.
Die größten Bibliotheken in den Regionen sind 14 universelle wissenschaftliche Gebietsbibliotheken (einige davon sind mehr als 100 Jahre alt).(7)
Wie in vielen Ländern, so haben sich auch in Kasachstan, infolge der wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Reformen, Bibliotheken und andere Informationseinheiten in Konsortien zusammengeschlossen und die Tätigkeit der früheren Methodischen Zentren auf diese übertragen, um Entwicklungsstrategien für die Bibliotheken in den 14 Regionen zu entwickeln und durch Projektarbeit zu evaluieren. Besonders zur Überwindung der Grenzen zwischen Zentrum und Provinz hat die Bibliotheksassoziation der Republik Kasachstan (BARK)(8) ein spezielles Programm ausgearbeitet.
Die bibliothekarische Verbindungsarbeit des Goethe-Instituts Almaty im Gastland
Das Goethe-Institut Almaty wurde im Sommer 1994 eingerichtet und ist eine der zwei Filialen (neben dem Goethe-Institut Taschkent) des offiziellen Kulturinstituts der BRD in Zentralasien. Das am 16. Dezember 1996 unterzeichnete kasachstanisch-deutsche Kulturabkommen bildet die Grundlage für den kontinuierlichen Kulturdialog zwischen kasachstanischen und deutschen Partnern auf den vielfältigen Gebieten der Sprachausbildung, der Pädagogik, der Künste und des aktuellen Zeitgeschehens.(9)
Die Bibliothek des Goethe-Instituts Almaty wurde 1996 eröffnet. Sie ist ein öffentliches Informationszentrum für deutsche Literatur, Kultur, Landeskunde und deutsche Sprache in Almaty, das die ganze Woche fürs Publikum geöffnet ist. Die Zielgruppe der Bibliothek sind Studenten, Germanistik-Studenten, Lehrkräfte der Hochschulen und Schulen und andere Interessenten. Hier finden unsere Benutzer eine Vielfalt an Informationsquellen. Die Tätigkeit des Bereichs für Information und Bibliothek deckt folgende drei Richtungen ab: Medienausleihe; Auskunft und Beratungsservice und die bibliothekarische Verbindungsarbeit mit Gastland-Partnern. Die Bibliothek ist mit zwei Mitarbeitern (Ortskraft) besetzt.
Abbildung 4: Bibliothek des Goethe-Instituts in Almaty - Literaturangebot im Lesesaal
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Medienausleihe
Die Vermittlung der deutschsprachigen Literatur ist die wichtigste Aufgabe unseres Bereichs. Der Bestand der Bibliothek enthält ca. 6000 Medieneinheiten in deutscher Sprache. Außer allgemeinen Nachschlagewerken über Deutschland und die Welt findet man hier Literatur aus folgenden Bereichen: moderne deutschsprachige Belletristik, Kunst und Geschichte, Sprach- und Literaturwissenschaft, Landeskunde und Politik Deutschlands, Recht und Kinderliteratur, Spiel- und Dokumentarfilme, CDs und CD-ROMs, Zeitungen und Zeitschriften (Abb. 4). Alle Medieneinheiten (außer Periodika und Nachschlagewerken) sind kostenlos ausleihbar.
Auskunft und Beratungsservice
Abbildung 5: Bibliothek des Goethe-Instituts in Almaty -
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Die Bibliothek des Goethe-Instituts Almaty engagiert sich auch für die bibliothekarische Verbindungsarbeit im Lande, sowie auch im Nachbarland Kirgistan. Die Zielgruppe sind alle Gastlandbibliotheken.
Diese Art der bibliothekarischen Verbindungsarbeit läuft in Richtung Bestandskooperation, Fachaustausch und gemeinsame Projekte; sowie die Förderung der deutschen Minderheit in Kasachstan und Kirgistan.
Eine der wichtigsten Projekte des Goethe-Instituts ist die Bestandskooperation mit den Partnerbibliotheken. Mit einem solchen Netzwerk-Aufbau weltweit mit 57 Lesesälen(10) erreicht das Goethe-Institut sein Ziel - die Informations- und Kulturvermittlung zu erhöhen und einen gegenseitigen Verständigungsprozess einzuleiten.
Auch in Bischkek /Kirgistan wurde 1998 in der Nationalbibliothek Kirgistans(11) ein deutscher Lesesaal eingerichtet. Da dies ein gemeinsames Projekt ist, stellte die Partnerbibliothek die geeigneten Räumlichkeiten und das Personal. Die Aktualisierung des Lesesaal-Bestandes (ca. 5000 Medieneinheiten) und fachliche Fortbildung der Betreuer läuft regelmäßig durch das Goethe-Institut Almaty.
Der deutsche Lesesaal ist der einzige Ort in Bischkek, wo es die aktuellsten deutschlandbezogenen Informationsquellen gibt und freien Zugang zu Informationsquellen. Der Lesesaal ist zu einem Treffpunkt der Multiplikatoren der deutschen Sprache und des Bibliothekswesens geworden. Hier werden ständig thematische Literatur-Ausstellungen und Lesungen organisiert.
Laut einer Vereinbarung aus dem Jahre 1997 mit den Partnerbibliotheken stellt die Bibliothek des Goethe-Instituts Almaty der Republikanischen Kinder- bzw. Jugendbibliothek als Dauerleihgabe die Literatur zur Verfügung.
In der Ost-Kasachstanischen Gebietsbibliothek in Ust-Kamenogorsk(12), sowie in der Nationalen Akademischen Bibliothek der Republik Kasachstan (NABRK) in Astana, wurden 2002 bzw. 2005 sog. "Deutsche Lese-und Infozentren" eröffnet, deren Bestand aktuelle deutschlandbezogene Medien enthält.
Der Bedarf an deutschsprachige Literatur im Lande ist immer noch hoch. Und zur rechten Zeit ist die deutsche Bibliotheksinitiative "Menschen und Bücher" ins Leben gerufen worden, durch die Partnerbibliotheken mit deutschsprachigen Büchern versorgt werden.(13)
Die Partnerbibliotheken sind in andere Aktivitäten des Goethe-Instituts Almaty (Sprachkurskooperation, Kulturprogramm) eingebunden.
Fachaustausch und gemeinsame Projekte
Das Goethe-Institut Almaty organisiert Seminare und andere bibliothekarische Veranstaltungen (Literaturausstellungen, Seminare) zu bestimmten Themenschwerpunkten.
Das Seminar zum Thema "Vom Bibliothekar zum Informationsvermittler: neue Wege der bibliothekarischen Ausbildung in Deutschland und Kasachstan", das in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Bibliothekswesen des Staatlichen Fraueninstituts organisiert wurde, zu dem als Referent Professor Peter Vodosek von der Hochschule für Bibliothekswesen Stuttgart(14) eingeladen wurde. Denn in beiden Hochschulen wurden ähnliche Reformen durchgeführt, wodurch die Zusammenarbeit sinnvoll erschien.
Die Bibliothek des Goethe-Instituts Almaty beteiligt sich auch an Projekten, für die sie keine Federführung hat. Ein Beispiel dafür ist ein Seminar und Meisterklasse des deutschen Kinderbuch-Illustrators Reinhard Michel, das in Zusammenarbeit mit Kulturinstitutionen anderer Länder(15) (Britisch Council, Französische Botschaft, Italienisches Kulturzentrum) anlässlich des World Book Day organisiert wurde.
Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit ist der Fachaustausch. Während der Zusammenarbeit mit den Partner-Bibliotheken wurden vier Praktika des kasachstanischen Bibliothekspersonals in deutschen Bibliotheken, mit Unterstützung der BI-International(16) und der Soros-Stiftung(17), durchgeführt.
Während einer Informationsreise 2004 für Bibliothekarinnen kasachstanischer Bibliotheken durch deutsche Bibliotheken wurden enge Kontakte zu Bibliotheken in Bayern und Baden-Württemberg (Tübingen/Reutlingen) geknüpft und anschließend ein reger Austausch aktiviert.
Abbildung 6: Seminar in Almaty; v.l.n.r.: Frau R. Berdigaliewa (Präsidentin
der BARK, Generaldirektorin der NABRK); Frau M. Smieszkol-Neuleitner
(Stellvertretung der Fachstelle für das öffentliche
Bibliothekswesen Regierungsbezirk Tübingen) und (sitzend) Frau
Kassymshanowa (Direktorin des Zentrums für Entwicklung der
Bibliotheken der Nationalbibliothek Almaty, Direktorin der Höchsten Bibliothekskurse BARK).
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Die Förderung von Deutsch als Fremdsprache und die kulturelle Unterstützung der Minderheit haben dazu geführt, dass Kasachstan in der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik besondere Aufmerksamkeit erfährt.(19)
Durch die Förderung der deutschen Minderheit in der Region, hat das Goethe-Institut Almaty sechs Sprachlernzentren(20) eingerichtet: in Astana, Karaganda, Kostanai, Pawlodar, in Ust-Kamenogorsk (Kasachstan) und in Bischkek (Kirgistan). Die Sprachlernzentren waren zunächst als Förderungsmaßnahme für die deutsche Minderheit gedacht; ihre Angebote stehen aber selbstverständlich allen Interessierten offen.
An jedes Sprachlernzentrum und auch an die Staatliche Universität in Osch (Kirgistan) sind sogenannte Infozentren angegliedert. Sie bieten Zugang zu allgemeinen Informationen über Deutschland, die man im Infozentrum direkt oder im Internet recherchieren kann. Die Bestandspflege der Infozentren und die fachliche Betreuung obliegt der Bibliothek des Goethe-Instituts Almaty.
Aufgrund der stabilen politischen Lage in Kasachstan hat das Goethe-Institut ein großes Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit mit den kasachstanischen Partnern.
Zur Autorin
Scholpan Kysaibaewa ist Leiterin der
Information & Bibliothek des Goethe-Instituts
Dschandosowa 2
050040 Almaty / Kasachstan
E-Mail: kysaibaewa@almaty.goethe.org
www.goethe.de/almaty
Fußnoten