Die Philologische Bibliothek der Freien Universität Berlin

IT-Konzept für die Nutzer-Arbeitsplätze

von Jonas Fansa und Klaus Ulrich Werner

Angesichts der Zukunftsperspektive eines Neubaus für die Bibliotheksintegration von elf Instituts- und Seminarbibliotheken zur Philologischen Bibliothek erschien eine bloße Erneuerung der vorhandenen Arbeitsplatz-PCs für die Bibliotheksnutzer aus Effizienzgründen nicht ratsam. Wir konnten die Chance nutzen, für das neue Haus auch die IT-Infrastruktur von Grund auf neu zu gestalten.

Die IT-Infrastruktur der elf ehemals über den FU-Campus verteilten Institutsbibliotheken war veraltet, die Hard- und Softwareplattformen des Angebots an Rechercheplätzen waren extrem heterogen und kaum mit vertretbarem Aufwand zu administrieren. Die teilweise über fünf Jahre alten Maschinen waren mechanisch verbraucht, Festplatten und Lüfter fielen häufig aus, die Administratoren wurden in den vergangenen Jahren mehr und mehr zu Bastlern im Dienste eines dauerhaften Provisoriums, um die Verfügbarkeit eines minimalen Angebots innerhalb der Bibliotheken zu gewährleisten. Die Rechner waren laut, groß, optisch unattraktiv und mit der alten Softwareausstattung auch nicht zentral administrierbar.

Recherchestationen

Die Angebote "Katalog-Zugriff" und "Internetrecherche" bilden den Kern der neuen Ausstattung. Für die 640 Arbeitsplätze auf fünf Ebenen mit über 6.000 m² und einem Bestand von etwa 700.000 Bänden musste ein angemessenes Angebot entworfen werden. Die offene Architektur gestattete von vornherein ausschließlich eine akustisch unproblematische Lösung, und die Abmessungen der Arbeitsplätze legten für die Gestaltung der Recherchestationen eine kompakte Bauweise fest. Der hohe ästhetische Anspruch der Inneneinrichtung verbot das übliche Design von Standard-PCs. Die konventionelle Maschine mit ihren lärmkritischen Bauteilen (Laufwerke und Lüfter) kam nicht in Frage. Die Lösung schließlich ist so alt wie sie neu ist: schlanke Terminals, sogenannte "Thin Clients", die heute fast den vollen Funktionsumfang von PCs bieten können. Dabei haben sie nach wie vor die Vorteile der klassischen Terminals: Sie sind klein, lautlos und weitgehend verschleißfrei. Sie haben zwar vergleichsweise wenig Rechenpower und nur eine geringe Arbeits- und Massenspeicherkapazität, aber für die Internetrecherche sind alle am Markt verfügbaren Thin Clients mehr als ausreichend ausgestattet. Angepasste Windows CE- oder Embedded Linux-Betriebssysteme liefern die grafische Oberfläche, der Mozilla-Browser vermittelt an den Clients ein vertrautes Look&Feel beim Navigieren im Netz.

Thin Clients können zentral von einem Management-Server aus administriert werden - das umfasst auch das automatisierte Aufwecken und Einschlummern. Wenn keine umfangreiche Softwareausstattung gewünscht ist, und die Thin Clients nur für die Katalog- und Internetrecherche eingesetzt werden sollen, reicht die auf dem Flash-ROM der Systeme bereitgestellte Software, so dass keine Programmpakete von einer Serverfarm bezogen werden müssen - ein Management-Server für die Administration reicht aus. Die Philologische Bibliothek hat 100 großzügig mit Software ausgestattete IGEL 5128LX Premium des Bremer Herstellers IGEL Technology im Einsatz, die mit einem herstellereigenen Embedded Linux, dem Mozilla-Browser, Acrobat Reader und einem Viewer für Textdokumente geliefert werden. Auch Software für Multimediazwecke bietet das Flash-ROM dieser Geräte - Soundfunktionen wurden deaktiviert. Um flexibel zu bleiben und um thermischen Komplikationen aus dem Weg zu gehen, hat man sich für das freie Aufstellen der Clients entschieden - und gegen eine Einbaulösung z.B. unter den Tischen.

Zur Diebstahlsicherung sind "Twin Microsaver" der Firma Kensington im Einsatz. Der Twin Microsaver besteht aus einem Drahtseil mit zwei Schließbolzen, so dass in beliebig wählbarem Abstand (bis zu zwei Metern) Monitor und Client aneinandergekettet und beide Geräte an einem Sicherungsbügel am Tisch fixiert werden können.

Serverless clienting

Spezifische Einstellungen wie die Systemkonfiguration, die Liste der zugänglichen Programme und das Erscheinungsbild der Oberfläche können zentral am Management-Server für komplette Gruppen von Systemen festgelegt und sekundenschnell zur Anwendung gebracht werden - die Administrationsarbeit an den einzelnen Stationen entfällt fast vollständig. Gleichzeitig wird durch die Konzentration des Programmcodes auf den einzelnen Arbeitsplatzmaschinen die kritische Größe "Server" weit weniger problematisch. Ein Serverausfall in einem solchen Netz bedeutet zwar, dass geplante Vorgänge wie das automatische Ein- und Ausschalten, Updates und die Fernwartung der Clients für den Zeitraum des Serverausfalls nicht verfügbar sind, die Arbeitsplätze selber aber verrichten weiter ihren Dienst.

Remote Administration

Darüber hinaus erlaubt das Konzept des zentralen Managements der Clients auch eine ortsunabhängige Fernwartung. Einerseits klassisch per RDP, oder noch einfacher mit einer Remote Management Konsole, die auf jedem beliebigen Rechner installiert werden kann und weitgehend unabhängig von der Geschwindigkeit der Netzanbindung ist. Wenn die auf dem Server generierten Zertifikate für das Clienting auf der Konsole installiert sind und ein VPN-Tunnel ins Netz der Freien Universität aufgebaut werden kann, ist der passwortgeschützte Zugriff auf das Management der Clients von überall aus möglich.

Internetangebote und Authentifizierung

Die Philologische Bibliothek ist eine Bereichsbibliothek in einem zweischichtigen Bibliothekssystem ohne eigene Server, Online-Katalog und Datenbankangebote der Freien Universität laufen auf den Servern des Rechenzentrums der Universitätsbibliothek. Die Philologische Bibliothek kann sich mit ihren Endgeräten auf das Nutzerangebot konzentrieren - die Thin Clients haben dafür ein selbständiges Gateway ins Internet. Gemäß der DFN-Benutzungsordnung ist bei freiem Internetzugriff eine Authentifizierung der Teilnehmer erforderlich, um missbräuchliche Nutzung verfolgen zu können. Das wirft die bekannten Fragen auf, wie man Authentifizierungsverfahren technisch realisiert und für welche Anwendungen man sie fordert.

Zweistufiges System

In der Philologischen Bibliothek kommt ein zweistufiges System für die Internetrecherche zum Einsatz, um das Angebot zu differenzieren:

  1. Alle Nutzer der Bibliothek sollen einen raschen und unkomplizierten Zugriff auf OPACs und Datenbanken erhalten, hierfür stehen von den insgesamt 100 Recherchestationen 14 authentifizierungsfreie Geräte zur Verfügung. Ein Proxy-Server des UB-Rechenzentrums sorgt für die entsprechende URL-Filterung. Sechs dieser Geräte sind als Stehterminals eingerichtet, um langen Nutzungsdauern vorzubeugen und "Katalogzugriff im Vorübergehen" zu ermöglichen. Zwei dieser Stehterminals sind an der Infotheke platziert, vier können bereits vor dem Betreten der Bibliothek genutzt werden.
  2. Alle übrigen Thin Clients stellen ihre Dienste erst nach erfolgter Authentifizierung zur Verfügung - ein Anmeldefenster fordert Login und Passwort an. Die Nutzerdaten werden aus der Datenbank des Bibliothekssystems vom UB-Rechenzentrum bezogen, d.h. nur wer registrierter Nutzer der Bibliothek ist - ganz gleich ob über die Immatrikulation, als Mitglied der FU oder als eingetragener externer Nutzer - hat Zugang zur freien Internetrecherche ohne URL-Filterung.

Die Firma IGEL hat das Authentifizierungsverfahren in das Flash-ROM der Thin Clients integriert. Der Quellcode dazu stammt aus dem UB-Rechenzentrum und wird dort auf Linux-Recherchestationen verwendet. Die Anpassung der Software für die Philologische Bibliothek wurde von Entwicklern des Client-Herstellers in Zusammenarbeit mit dem Rechenzentrum der UB durchgeführt. Einige Sonderwünsche zum Flash-ROM-Image, die in der Philologischen Bibliothek in der Entwicklungsphase des IT-Konzepts aufkamen, wurden dabei ebenfalls berücksichtigt. Ein Wartungsvertrag mit IGEL sichert weitere Anpassungen der Firmware.

Die Entscheidung für IGEL war nach intensiven Tests mit Geräten mehrerer Hersteller gefallen. In erster Linie hat man sich dabei an den Eigenschaften der Hardware orientiert. Ausschlaggebend waren folgende Faktoren:

  1. Die Maschinen sollten robust und schlank sein,
  2. sie sollten frontseitig zugängliche USB-Ports für Memory-Sticks haben,
  3. sie sollten einen digitalen Videoanschluss (DVI) bieten.

Bildqualität

Die Bildqualität war ein entscheidendes Auswahlkriterium - schließlich ist für Philologen die kontrastreiche und scharfe Darstellung von Text kein Luxus, sondern eine Voraussetzung für ergonomisches Arbeiten. Die Authentifizierungs-Clients werden auch für langfristigere Tätigkeiten genutzt: Sichten von Datenbanken, Lektüre von Volltexten, Teilnahme an E-Learning-Projekten. Für die Ausgabe wurden aus Platzgründen 17-Zoll-TFTs von EIZO mit TN-Film-Technologie gewählt, die statt eines Standfußes einen kompakten Faltständer haben. Der EIZO L550K ist überdies mit einem Lichtsensor ausgerüstet - so kann sich die Helligkeit der LCD-Hintergrundbeleuchtung an das Niveau der Raumbeleuchtung anpassen.

Tastaturen

Die Auswahl passender Tastaturen war ebenso langwierig wie die Entscheidung für ein bestimmtes Client-Modell. Größe, Stabilität und die Akustik des Anschlags waren dabei die entscheidenden Faktoren. Gewählt wurden Cherry-Tastaturen des Typs G81-1800LPMDE-2. Der Auerbacher Schalterhersteller hat dieses 19-Zoll-Modell ursprünglich für den Point-of-Sale-Einsatz gefertigt. Aufgrund seiner kompakten Abmessungen und des - trotz robuster Schaltertechnik - leisen Anschlags ist es für den Einsatz in der Bibliothek sehr gut geeignet.

Kopieren, Scannen, Drucken

Für die Repro-Dienste hat die Philologische Bibliothek beschlossen, sich tendenziell von der Einbahnstraße "Papierfotokopie" zu verabschieden und auf ein neues Konzept zu setzen. Die Scan- und Druckdienste wurden nach Öffentlicher Ausschreibung von der Firma alpha Copy- und Reproservice übernommen, die im Haus einen während der gesamten Öffnungszeit der Bibliothek betreuten Copy-Shop und alle Scan- und Kopiereinrichtungen betreut. Neun an zentralen Punkten in der gesamten Bibliothek verteilte Bookeye-Aufsichtscanner der Firma Imageware dominieren das Angebot vor den klassischen Kopierern. Eingescannte Dokumente können an fünf Druckstationen abgerufen und ausgedruckt oder auch als Datenversionen an die eigene E-Mailadresse versendet werden. Alternativ wird die Archivierung auf CD-ROM angeboten. Rechercheergebnisse von Clienting-Arbeitsplätzen können über die Einrichtungen der Firma alpha ebenfalls ausgedruckt werden. Wird der Druck eines Web-Dokuments auf einem Thin Client angestoßen, kann er an den Druckstationen abgeholt werden. Darüber hinaus ist ein räumlich von der Bibliothek separierter Mikroformenarbeitsplatz an das Drucksystem angeschlossen. Mikrofiches und -filme können dort gesichtet, eingelesen und als Hard- oder Softcopy mitgenommen werden.

Für die Abrechnung der Druckaufträge wird ein RFID-Kartensystem eingesetzt. Bibliotheksnutzer können die Karten mit einem beliebig hohen Guthaben aufladen und sie dann für Scan-, Druck- und Kopieraufträge im ganzen Haus verwenden. Eine alphanumerische Karten-ID dient der eindeutigen Zuordnung der Druckaufträge.

PC-Pool, wired LAN und WLAN

Das Thin-Clienting-Netz dient ausschließlich der Internetrecherche. Software, die nicht der Recherche oder der Ausgabe von Volltexten dient, ist auf den Clients nicht verfügbar. Das Angebot von Office-Suiten wäre theoretisch auch auf Thin Clients realisierbar, wenn im Hintergrund eine Serverfarm für die entsprechenden RDP-Pakete sorgen würde. Auf dem Campus der Freien Universität steht allerdings ein Softwareverteilungssystem ("Desktop4all") zur Verfügung, das ein umfangreiches Angebot von Programmen auf Windows XP-Clients nutzbar macht (Internet-, Office- und Multimediasoftware). Das Hochschulrechenzentrum ZEDAT (Zentraleinrichtung für Datenverarbeitung) bietet diese Eigenentwicklung für Schulungsräume und PC-Pools in Instituten an. Für die Philologischen Bibliothek wurde dieses System von der ZEDAT optimiert und läuft auf vierzehn leisen Rechnern vom Typ IBM M51 im "Ultra Small Form Factor" (ca. 27 x 27 x 8 cm). Die PCs sind mit den gleichen Ein- und Ausgabegeräten ausgestattet wie die Thin Clients. Da auch hier freier Internetzugang besteht, ist eine Authentifizierung erforderlich. Die wird aber nicht über die Nutzerdatenbank des Bibliothekssystems durchgeführt, sondern ist ein Verfahren des Hochschulrechenzentrums. Der Account hierzu steht allen Mitgliedern der Freien Universität zu, macht darüber hinaus das Virtuelle Private Netzwerk (VPN) der Freien Universität für alle Notebookbenutzer verfügbar, so dass verkabelt (RJ-45-Verbindung) oder kabellos (802.11b und 802.11g) an den Arbeitsplätzen in der Bibliothek hergestellt werden kann. Für mitgebrachte Notebooks sind auf den Tischplatten Stahlbügel zur Fixierung eines Kensington-kompatiblen Drahtseilschlosses angebracht.

Die Verteilung aller Geräte über alle fünf Ebenen erfolgte jeweils nur in einer Gebäudehälfte, um in der anderen hardwarefreie Bereiche zu erhalten: Aber Nutzer fordern regelmäßig konsequent notebookfreie Zonen. Das Respektieren dieser Arbeitsbereiche ist nicht leicht durchzusetzen, da alle Arbeitsplätze Stromanschluss und WLAN bieten. Allerdings sind in diesen Bereichen keine Sicherungsbügel für Notebooks installiert; das Gebäudeleitsystem muss noch entsprechend angepasst werden.

EDV-Schulungsraum

Für EDV-gestützte Schulungen steht in der Bibliothek ein räumlich separierter Unterrichtsraum zur Verfügung, der mit 13 konvertiblen Computerarbeitsplätzen (zwölf Schulungsplätze, ein Dozentenplatz) ausgestattet ist, für Lehrveranstaltungen gebucht werden kann und für Nutzerschulungen zum Einsatz kommt. Die Arbeitsplatzkonsolen lassen sich in den Tischen versenken, um auch "offline-Unterricht" zu ermöglichen (Bibliothekseinrichtung Lenk). Beamer und Soundsystem komplettieren das Angebot. Die dort installierten Maschinen laufen auf Basis der auch im PC-Pool eingesetzten Desktop4all-Plattform.

Multimedia- und Sehbehindertenarbeitsplatz

Zwei vom Freihand- und Lesebereich abgetrennte, abschließbare Kabinen stellen jeweils Multimediafunktionen und spezielle Arbeitsmittel für Sehbehinderte und Blinde zur Verfügung. In der Multimediakabine können alle Formate an Bild- und Tonmedien (LP, MC, CD, DVD, VHS) des Bestands über einen Kopfhörerverstärker mit zwei Ausgängen und einen großen TFT-Monitor (EIZO L997, 21,3 Zoll) gesichtet werden. Eine leistungsstarke IBM-Workstation steht für digitale Medien bereit. In der Sehbehindertenkabine ist für Brailleschrift-Ausgabe an Braillezeile und -drucker gesorgt. Textvorlagen können mit einem A3-Scanner erfasst und von einem Vorlesesystem über Kopfhörer ausgegeben oder in Brailleschrift ausgedruckt werden.

Unser IT-Konzept hat im Bibliothekssystem der Freien Universität große Beachtung gefunden, so dass es jetzt schon in anderen Bereichs- und Institutsbibliotheken übernommen wurde bzw. werden soll (Bereichsbibliothek Erziehungswissenschaft, Bibliothek des Institut für Theaterwissenschaft, Bibliothek des Instituts für Philosophie).


Zu den Autoren

Jonas Fansa ist System- und Netzwerkadministrator, und

Dr. Klaus Ulrich Werner ist Direktor der

Philologischen Bibliothek der Freien Universität Berlin
Habelschwerdter Allee 45
D-14195 Berlin
E-Mail: wernerku@zedat.fu-berlin.de