Informationsversorgung im Spannungsfeld zwischen
Markt und öffentlichem Besitz

Bericht von der Online Information 2005, London

von Vera Münch

Kleinere Stände: Die Zeiten, in denen zwei, drei Aussteller das Messebild bestimmten, sind vorbei.
Seit drei Jahrzehnten ist die Londoner Konferenzmesse Online Information Trendbarometer für die Weiterentwicklung der elektronischen Fachinformation. Im Dezember 2005 war es anders. Zwischen High-Tech-Software, die werthaltige Informationsdienste zu Schlüsselelementen im Wettbewerb macht, und der Vision, Wikis, Blogs und Podcasts würden das Wissen der Welt zu einem öffentlichen Besitz machen, blieb die zukünftige Entwicklung des Informations- und Publikationswesens reichlich nebulös.

Bibliotheks-Neubau "so viel wie möglich"

"Wenn Sie heute ein Bibliotheksgebäude neu bauen wollen, planen Sie so viel wie möglich Grundfläche, so viel wie möglich variable Wände und so viel wie möglich elektronische Geräte." Mit dieser Empfehlung eröffnete Michael Gorman seinen Vortrag im Konferenzblock "Die Zukunft der Bibliothek" auf der Online Information 2005. Der Präsident der größten Bibliotheksfachgesellschaft der Welt, der American Library Association (ALA), begründete seinen Aufruf zum maximal Möglichen folgendermaßen: "Kein Mensch kann vorhersehen, was in zehn Jahren sein wird." Am Ende "eines langen Berufslebens in Bibliotheken" sieht Gorman die Art und Weise, wie das Wissen der Menschheit bis heute dokumentiert wird, an ihrem Ende angelangt. Wörtlich sagte er: "The inventories of the human records end up."

Analphabetentum am Computer

Der Präsident der ALA macht sich zudem große Sorgen um die "Gesundheit von Information". Die Menge erarbeiteten Wissens und die Komplexität der Erkenntnisse steige und steige. Viele Menschen könnten nicht mehr damit umgehen. "Ein Analphabet vor dem Computer ist nicht besser als ein Analphabet mit einem Buch in der Hand", sagte er. Gorman fordert ein "21st century literacy program"; eine Alphabetisierungskampagne zur Nutzung von elektronischer Information, wie sie hierzulande unter der Überschrift "Informationskompetenz schaffen" schon seit geraumer Zeit von Fachleuten angemahnt wird. Denjenigen, die in der Informationstechnik die Probleme sehen und von dort deren Lösung erwarten, gab Gorman mit auf den Weg: "Angesichts dieser Dimensionen ist das Datenformat wirklich irrelevant".

Freie Weltinformationsgemeinschaft

Jimmy Wales: "Wikis werden die Informationsbereitstellung und die Art, wie der Mensch Information konsumiert, verändern."
Wenige Stunden später zeichnete Jimmy Wales, Gründer der freien Internetenzyklopädie Wikipedia und Präsident der Wikimedia Foundation Inc., am gleichen Ort beinahe euphorische Visionen einer freien Weltinformationsgemeinschaft. In dieser Welt soll jeder Mann und jede Frau jederzeit an jedem Ort kostenlos auf Information zugreifen und eigenes Wissen sowie seine persönliche Meinung ins Netz stellen können. Die Qualität der eingestellten Information soll durch Selbstkontrolle sichergestellt werden. Wales geht davon aus, dass die "plötzlich auftauchenden, dynamischen Wikis" in Zukunft Wege und Formen der Informationslieferung sowie die Art, wie der Mensch Information konsumiert, verändern werden. Wikis sind die dynamischen Informations- bzw. Publikationsplattformen, die das Softwaregerüst für den Informationsaustausch zwischen Jedermann bilden. In Wikis kann man mühelos mit Hilfe eines normalen Browsers (Internet Explorer, Netscape, Mozilla etc.) eigene Artikel anlegen und Beiträge anderer kommentieren. Die Beiträge und Kommentare kann jeder Netzteilnehmer (mit)lesen. Wikipedia ist das bekannteste Beispiel. Doch es gibt bereits unzählige weitere Anwendungen der Wiki-Technologie.

Sozialisierung des Wissens

David Weinberger, Co-Autor des internationalen Bestsellers "The Cluetrain Manifesto: The End of Business as usual" geht noch einen Schritt weiter. Der Eröffnungssprecher der Konferenz sagt voraus, dass die gemeinsam genutzten, globalen multimedialen Webanwendungen gravierende Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft auslösen werden. Diese Veränderungen werden seiner Meinung nach "tief greifend und nicht steuerbar" sein, weil zum Beispiel Kunden die Möglichkeit bekommen, auf Firmenentscheidungen Einfluss zu nehmen; etwa, wenn der Besitzer eines Neuwagens im "globalen Stammtischgeplauder" per Blog, Wiki oder Podcast erzählt, dass sein neues Auto vor lauter Mängeln ständig in der Werkstatt ist. Weinberger bezeichnet diese Entwicklung als Sozialisierung des Wissens (Socialising knowledge). Und er hat damit auch persönliche Erfahrung: Das von ihm und drei weiteren Mitautoren verfasste "Clutrain Manifesto" wird bei Amazon in zahlreichen Leserkommentaren diskutiert; überwiegend positiv. Es gibt im Web aber auch kritische Stimmen dazu: Der Kolumnist Giesbert Damaschke hat im Jahr 2000, als das Buch erschien, im Online-Dienst "Die Zeit im Internet" eine höchst lesenswerte Rezension dazu verfasst. Sie ist abzurufen unter http://www.zeit.de/archiv/2000/17/200017.cluetrain.xml.

Kostenlose Radioberichterstattung aus dem Internet

Podcasting ist übrigens der letzte Schrei der kostenlosen Teilung von Information im Internet. Der Fachbegriff, ein Kunstwort aus iPod und Broadcasting, bezeichnet die Verbreitung von Audiostücken im Internet. Manchmal sind es speziell für diesen Zweck hergestellte Hörfunknachrichten und -beiträge von Enthusiasten oder kommerziellen Sendern, häufiger jedoch illegale Mitschnitte von Vorträgen, Bühnendarbietungen oder Rundfunksendungen und deren Bereitstellung auf frei zugänglichen Webseiten. Seitdem ein Konferenzbesucher Mitte letzten Jahres auf einer wichtigen, kostenpflichtigen IT-Konferenz einen Vortrag heimlich mitgeschnitten und ohne Genehmigung des Vortragenden wenige Stunden nach der Konferenz im Web hatte, macht man sich nun aber doch auch in dieser Szene Gedanken über Copyrights. In London war zu hören, dass Modelle, wie sie die Musikindustrie für den Vertrieb von MP3-Musikstücken im Internet eingeführt hat, für Podcasting denkbar wären. Das Video-Pendant zu Podcasting heißt übrigens Vodcasting. War aber in London noch nicht vertreten.

Professionelle Atmosphäre auf der Messe

Während auf der Konferenz Wikis, Blogs, Podcasts, "Social Networking" und die Sozialisierung des Wissens zu Hoffnungsträgern einer "gemeinnützigen" Informationszukunft hochstilisiert wurden, führten am anderen Ende der Olympia-Messehalle Softwarehändler und Informationsverkäufer in professioneller Atmosphäre Geschäftsgespräche, verhandelten Konditionen und schlossen Informationslieferverträge ab. 250 Unternehmen stellten dort aus. 9700 Besucherinnen und Besucher ließen sich über Informationsdienste und Content-Management informieren.

So spiegelte die Online Information 2005 das volle Spektrum - oder sollte man besser sagen, das volle Chaos? - der Lage auf dem Weltinformationsmarkt. Zwar war es der Konferenzorganisation wie in den Vorjahren wieder gelungen, große Namen nach London zu holen. Doch der rote Faden fehlte und es blieb offen, in welche Richtung es weiter geht. Aber wer würde sich in der derzeitigen Situation schon wagen, das vorauszusagen?

"Die Information" gibt es nicht

Rüdiger Mack: "Information kann man nicht über einen Kamm scheren."
Rüdiger Mack, Leiter der Stabsabteilung Kommunikation von FIZ Karlsruhe, fasste die Grundproblematik hinter dem Durcheinander in wenigen Sätzen zusammen. "Information kann man nicht über einen Kamm scheren. Man muss diversifizieren; den Zweck anschauen und den Nutzen, den ein Informationsdienst erfüllen soll bzw. erbringt. Erst dann kann man entscheiden, welcher Service wofür geeignet ist." Kostenlose Wikis, so Mack, seien aus heutiger Sicht für wissenschaftliche Fachinformation mit ihren großen Mengen an Faktendaten und dem Bedarf an langfristiger Archivierung und Dokumentation nicht geeignet. Auch nicht für die Patentinformation, wie sie von FIZ Karlsruhe auf dem Host STN International angeboten und von der Industrie und wissenschaftlichen Bibliotheken seit fast drei Jahrzehnten genutzt werden. "Als Kommunikationsmittel für den Informationsaustausch in unbegrenzten Interessensgemeinschaften sind Wikis jedoch hoch interessant", erklärt Mack. Auch Newsletter, Mailinglisten und Webtagebücher (Weblogs, kurz Blogs) würden sicherlich dauerhaft ihren Platz im weltweiten Informationsaustausch einnehmen. Nur sei eben noch nicht klar, welchen. "Es ist spannend, die weitere Entwicklung und den Einfluss der neuen Webdienste auf die globale Kommunikation zu beobachten", so Mack.

Wikis für Social Computing

Wikis gelten unter anderem deshalb als Trendtechnologie, weil sie "eine beinahe weltweite 1:1-Kommunikation von Person zu Person" möglich machen und damit eine wichtige Grundlage für Social Computing/Social Networking sind. Dies erklärte Euan Semple, Leiter des Bereiches Knowledge Management Solution bei der BBC. Semple hat bei der BBC Social Computing eingeführt und nicht nur intern, sondern auch schon auf der Homepage der BBC realisiert. Dort läuft ein (legaler) Podcast-Versuch (www.bbc.co.uk). Für seine Leistung wurde Semple auf der Online 2005 mit dem "IWR Information Professional of the year"-Award, ausgezeichnet. Traditionell werden auf der Konferenz eine Reihe von Preisen für "Exzellenz in der Informationsindustrie" in verschiedenen Kategorien vergeben. Die Gewinner sind unter www.online-information.co.uk, Stichwort: Awards veröffentlicht oder können in der Fachzeitschrift Information, Wissenschaft und Praxis (IWP), Ausgabe 1/2006 auf Seite 49 nachgelesen werden.

Social Computing, Social Networking

"Social Computing/Social Networking" ist als Fachbegriff noch nicht eindeutig definiert. Zur Zeit werden damit verschiedene Ansätze bezeichnet, die darauf ausgerichtet sind, per Webtechnologie Interessensgruppen jedweder Art zusammenzubringen, indem man in einem Netz (Web, Intranets, Extranets u.ä.) ein Forum einrichtet, in das sich Teilnehmer einklinken können, wann immer es ihnen beliebt. Sie können sich dort Informationen holen und selbst Informationen einstellen sowie mit Gleichgesinnten in öffentlichen Foren, per Chat oder Mail Kontakt aufnehmen. Um dies zu tun - und das ist einer der wesentlichen Punkte - müssen sich die Teilnehmer vorher nicht kennen. Wikis sind die Basistechnologie dafür. Nachdem sie das Web erobert haben, sollen Wikis nun in Unternehmensnetzen Mitarbeiter, Kunden und Zulieferer im lockeren Informationsaustausch zusammenbringen. Bereits erwiesen ist, dass dieser Versuch für die Veröffentlichung des Wochenmenüs aus der Betriebskantine bestens funktioniert. In Campusnetzen sollen durch Wikis Kommunikations-Communities entstehen. Vielleicht auch eine Idee für Bibliotheken?

Mehr Software als Content

London 2005 war anders. Social Networking, Wikis, Blogs und Podcasts… Doch nicht nur die Zweiteilung zwischen der Betrachtung von Information als öffentlichem Gut und Information als Handelsware fiel auf. Auch das Angebot auf der Messe war anders als bisher. "Der Schwerpunkt hat sich verschoben. Es wird immer mehr Informationsmanagement und immer weniger Content angeboten", so Dr. Jost Bohlen, Abteilungsleiter Produktentwicklung beim Fachinformationszentrum (FIZ) Chemie Berlin. Bohlen vertritt das FIZ Chemie seit vielen Jahren in London. Er berichtet, dass das veränderte Angebotsspektrum mit viel Software und wenig Inhalten auch die Besucherstruktur verändert hat. "Wir haben neben den üblichen Gesprächen mit Informationsprofis auch viel Kontakt mit Leuten aus der Software- und IT-Ecke gehabt", so Bohlen. Für die IT-Leute sei Content vor allem das, was in Firmen an Geschäftspost anfalle, also Lieferschiene, Rechnungen, Aktennotizen, E-Mails, Produktionsanweisungen, technische Dokumente, Gehaltsabrechnungen usw. Über kommerziell angebotene Fachinformation zur Einbindung in die Systeme hätten die meisten noch nicht nachgedacht und auch das internationale Angebot an Fachinformationsdiensten und -datenbanken sei nur wenigen bekannt.

Die Konvergenz der Systeme bringt jedoch IT und Content immer stärker zusammen. Das drückt sich in der Branche auch in Kooperationen aus: Zur Messe kündigte FIZ Chemie eine Kooperation mit der Software AG Darmstadt (SAG) an. Die Berliner und die Darmstädter entwickeln gemeinsam eine intranetfähige Inhouse-Version der Stoffdatenbank Infotherm. Sie wird die thermophysikalischen Eigenschaftsdaten von rund 26.000 Gemischen und Reinstoffen in Unternehmens- und Campusnetze bringen.

Nur noch vier deutsche Messestände

FIZ Chemie stellte wie schon im vergangenen Jahr auf einem gemeinsamen Stand mit FIZ Karlsruhe aus. In einer anderen Ecke der Messehalle präsentierte der Stuttgarter Thieme Verlag sein Produktportfolio und als vierten deutschen Content-Anbieter fand man Springer Science + Business Media am gewohnten Messeplatz. Das war es aber auch schon mit der deutschen Präsenz in London. Von ehemals rund 20 sind gerade mal vier Anbieter von wissenschaftlichen Inhalten übrig geblieben, wobei Springer im Ausstellungskatalog nicht als deutscher, sondern als holländischer Aussteller aus Dordrecht aufgelistet war. Die deutschen Lieferanten von Wirtschaftsinformationen fehlten völlig und auch aus anderen Ländern außer England waren nur einzelne Anbieter da, zum Beispiel Bureau van Dijk, und solche, die Wissenschafts- und Wirtschaftsinformationen im Programm haben, etwa Wolters Kluwer.

Trends und Weiterentwicklungen

Wie schon im letzten Jahr hatte keiner der Aussteller eine herausragende neue Technik zu bieten. Wohl aber gab es eine Vielzahl neuer, intelligenter Anwendungen verfügbarer technischer Lösungen. Im Folgenden sind einige Neuheiten und Weiterentwicklungen in loser Folge ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufgeführt. Auch in den neuen Angeboten schlägt sich die zunehmende Konvergenz der Systeme nieder. Sie wird elektronische Informationsdienste jedweder Art über kurz oder lang zum Angebotsspektrum einer Zulieferindustrie machen wird, für die sich der Endverbraucher wenig interessiert. Von Informationsfachleuten, Bibliothekarinnen und Bibliothekaren, Unternehmensberatern und Einkäufern wird erwartet, dass sie dem Benutzer am Ende der Lieferkette werthaltige Informationen in leistungsstarken Enterprise Content Management Systemen automatisch zur Verfügung stellen.

CAS goes mobile

Das schönste Beispiel für die innovative Ausnutzung verfügbare Technik ist die Zusammenführung von Mobiltechnologie (Blackberry, iPod, Palm, Dell AXIM u.ä.) mit chemischer Fachinformation, vorgestellt vom renommierten Lieferanten Chemical Abstracts Service (CAS). CAS mobile war die einzige überraschende Produktvorstellung in London, und, ja, es geht: man kann chemische Strukturen auf dem iPod darstellen! Gedacht ist die Anwendung für Manager, die sich unterwegs oder in Vorbereitung auf eine Konferenz schnell noch aktuelle Informationen über Gesprächsteilnehmer, Vortragende oder Fachthemen besorgen wollen. Die Amerikaner bieten den Service derzeit allerdings nur in Kombination mit einem Kundenvertrag zur Nutzung von CAS-Datenbanken an (www.cas.org).

Software analysiert Rechercheergebnisse

CAS und FIZ Karlsruhe hatten in London noch weitere High-Tech-Software im Gepäck: STN AnaVist, ein brandneues Werkzeug zur Analyse und Visualisierung von Rechercheergebnissen. Die Client-/Server-Software kann als Trendanzeiger für strategische Geschäftsentscheidungen genutzt werden. STN AnaVist analysiert die in der Ergebnismenge der Datenbankrecherche vorhandene Information, verdichtet sie und stellt die gewonnenen Extrakte in interaktiven dynamischen Charts und Topic Maps (Research Landscapes) dar. Richtig benutzt, zeigen die Histogramme zum Beispiel Technologietrends, Entwicklungen im Bereich Unternehmensfusionen, Forschungs- und Patentierungstrends und noch einiges mehr an. Die Software greift derzeit auf drei Online-Datenbanken von STN International direkt zu (CAplus, USPTO Fulltext/USPATFULL und WIPO/PCTFULL). Weitere sollen folgen. CAS betreibt den wissenschaftlich-technischen Datenbankverbund STN International im trilateralen Verbund mit der Japan Science and Technology Agency (JST) und FIZ Karlsruhe. FIZ Karlsruhe ist für Europa zuständig (www.stn-international.de).

FIZ AutoDoc für Intranets mit Open URL 1.0

STN AnaVist stand denn auch bei FIZ Karlsruhe im Mittelpunkt des Ausstellungsprogramms und des European STN User Meetings, das die Karlsruher traditionell einen Tag vor der Messe in London veranstalten. Als zweites Highlight präsentierte FIZ Karlsruhe in London eine neue Version des automatischen Volltextvermittlungssystems FIZ Autodoc. Die Neuauflage des eingeführten Literaturvermittlungsdienstes galt vor allem der Verbesserung der Funktionen für die Einbindung in Intranets. Für Portal- und Intranetlösungen steht nun Open URL 1.0 zum Verlinken auf abonnierte Journale sowie zum Import von Bestell- und Nutzerdaten zur Verfügung. Einzelartikel von ausgewählten Verlagen können im Pay-per-View-Verfahren vermittelt werden. Für den Abruf von Patentdokumenten gibt es speziell angepasste Bestellmasken (http://autodoc.fiz-karlsruhe.de).

Bilderbuch-Webradio von der Bibliothekshomepage

Emojo, eine unbekannte kleine englische Softwareschmiede, präsentierte auf der Online 2005 ein eindrucksvolles Softwaresystem mit so gut wie allen technisch verfügbaren Funktionen für den Webauftritten für Bibliotheken. Neben der normalen multimedialen Content-Bereitstellung hat das modulare Paket Emojo Affino hoch moderne Dienste integriert; zum Beispiel die Möglichkeit, Bibliothekskunden einen Instant-Internet-Chat-Room anzubieten. Weitere Funktionen zum Aufbau einer "Power-User-Community" sind Blogs, E-Mail, von den Benutzern selbst geschriebene Profile usw. Wenn sie mögen, können sich die Bibliothekskunden anderen Homepagenutzern per Foto vorstellen; eine Funktion, wie sie von Bekanntschaftsagenturen und Offenen Interessensnetzen im Web erfolgreich eingesetzt wird (www.emojo.com).

Die britischen Gateshead Libraries haben mit Affino ihre Homepage aufgelegt und in das Angebot ein Kinderbuch-Webradio integriert. Vor kurzem ist die Bibliothek für dieses Picturebookradio.com mit einem Innovationspreis ausgezeichnet worden. Laut Auskunft des Standpersonals von emojo hat die Bibliothekarin die Seite ohne große technische Unterstützung alleine zusammengestellt (www.asaplive.com/iKnowbies/Home.cfm).

Thomson verbindet Datenbankwelt und Websphäre

Vom kostenlosen Picturebook-Webradio der englischen Bibliothek wieder zurück in die kommerzielle Informationswirtschaft, zu Thomson Scientific. Nach jahrelangen Zukäufen ist Thomson mittlerweile zu einem der weltgrößten Anbieter wissenschaftlicher Fachinformation geworden und fährt eine neue Markenstrategie: Die früher großen Namen der Informationswirtschaft wie beispielsweise Dialog, Biosis oder ISI verschwinden zunehmend hinter der Dachmarke der Muttergesellschaft.

Thomson kündigte in London eine Reihe hoch spannender Neu- und Weiterentwicklungen an, die allerdings allesamt noch nicht ganz fertig sind bzw. es im Dezember 2005 noch nicht waren. Gemeinsames Ziel eines Großteils der Aktivitäten ist, die beiden Kommunikationswelten Datenbanken und Websphäre zu verbinden. Das macht Thomson zum Beispiel durch EndNote Web, ein neues, bibliografisches Werkzeug für die Verwaltung von Zitierungen wissenschaftlicher Arbeiten und Autoren im Web. EndNote sucht ISI Web of Knowledge, PubMed und Hunderte Bibliothekskataloge ab - und verbindet Abonnenten von ISI Web of Knowledge dynamisch zu Zitierungszahlen und von dort weiter zu den zitierten Dokumenten.

Der "360 Grad Blick" auf Publikationen

Publikationen betrachtet Thomson neuerdings mit einem "360 Grad Blick", der sicherstellen soll, dass die Interessen aller drei an Publikationen beteiligten und interessierten Gruppen - die Forscher, die Bibliotheks-Administratoren und die Forschungs-Administratoren - gleichermaßen berücksichtigt werden. Der neue Rundumblick schlägt sich erstmals im Journal Usage Report nieder, der ab Mitte 2006 als Produkt "außerhalb des Web of Science aber innerhalb des Web of Knowledge" zur Verfügung stehen soll. Mit dem Werkzeug beschreitet Thomson nach eigener Aussage "neue Wege zum Verstehen des Wertes und der Signifikanz wissenschaftlicher Forschungsarbeiten". Die Bewertung basiert auf innovativen Metriken. Die Basisdaten werden durch die Auswertung - Achtung, aufgepasst! - von individuellen Nutzungsstatistiken von Bibliotheken gewonnen.

Nachwuchs bei Google

Google in a Box, die Suchmaschine, die man in Intranets einbauen kann, um dort die Inhalte suchbar zu machen und zu verwalten, hat ein kleines Brüderchen bekommen: Google Mini. Es ist hellblau, nicht halb so hoch wie die Hard-Software-Kombination in der verschlossenen gelben Käsebox und kostet ein Zehntel: etwa 3.000,- statt 30.000,- Euro. Deutlich, dass Google hier eine neue Zielgruppe anstrebt, die durchaus auch im Bibliotheksbereich liegen könnte. Allerdings gibt Google Mini - wie schon sein großer Bruder - Nichts aus seinem Inneren preis. Die Maschinen, die als Zentrum des Informationsmanagements im Intranet mit "Superuser"-Berechtigung Zugriff auf alle Dokumente im Unternehmen haben, arbeiten mit verborgenen Prozessen, die der Kunde nicht kennt. Google präsentierte sich auf der Online Information 2005 übrigens mit einem eigenen Stand.

Messeblog berichtet tagesaktuell

Und ein letztes Mal zurück in die kostenlose Web-Welt, diesmal zu den Blogs. Mittlerweile gibt es von diesen multimedialen Web-Logbüchern -zig Tausende. Auch von der Online Information 2005 berichtete die Redaktion des amerikanischen Fachverlages Information Today Inc. (u.a. Information Today, Online Magazin etc.) live in einem Messeblog über die Highlights des Tages. Wie diese neue Art der aktuellen Berichterstattung aussieht, liest man am besten selbst nach unter www.infotodayblog.com. Nur so viel vorab: Blogs spiegeln - tagesaktuell - die persönliche Sicht eines Schreibers aus einem selbstgewählten Blickwinkel. Was in vergleichbar schnell arbeitenden Redaktionen von Nachrichtenagenturen, Rundfunk- und Fernsehredaktionen von Redaktionsteams geprüft und diskutiert wird, bevor man es als Information auf den Leser loslässt, wird beim Bloggen ganz allein vom Blogger ausgewählt, geschrieben und online gestellt. Die Begrenzung der Textlänge - die Infos müssen kurz sein, damit man sie am Bildschirm lesen kann - löst man durch Verweise auf weiterführende Webseiten. Auch wenn diese Links aktiv sind, also nur angeklickt werden müssen, ist es schwer, sich nicht restlos im Gewirr der angebotenen Information zu verheddern. Zudem dürfte es Tage dauern, sich alle Verweise anzusehen.

Fotos im Blog teilen

Blogs-URLs für Bibliotheken
Blog-Suchmachine:
www.technorati.com
Blog-Linksammlung:
http://del.icio.us
Ein Blog zu Bibliotheks-Blogs:
http://rss4lib.com
http://blogs.fletcher.tufts.edu/rss4lib/
Fotos im Blog teilen:
www.flickr.com

Glaubt man der Spezialsuchmaschine Technorati (siehe Kasten), waren es am 7. Dezember letzten Jahres 22,5 Millionen Blogs, die abgesucht wurden, um den Bibliotheksblog rss4lib.com und die Favoritenverbreitungs- und -verwaltungsmaschine del.icio.us aus den Tiefen des Webs hervor zu zaubern. Sowohl rss4lib.com, als auch del.icio.us wurden auf der Konferenz von unterschiedlichen Rednern in verschiedenen Themenblöcken als interessante Seiten empfohlen. Angeblich sind aber ja ohnehin alle Blogs unglaublich aufregend, empfehlenswert und für jedes Mitglied einer Fachcommunity natürlich unverzichtbar.

Der Foto-Blog flickr.com löst (auch bei mehreren Vortragsrednern auf der Konferenz) schon beinahe hysterische Begeisterung aus. Aber geben Sie es ruhig zu: Auch Sie wollten schon immer ihre schönsten privaten Fotos der ganzen Welt zeigen! Oder etwa nicht?


Zur Autorin

Vera Münch ist freie Journalistin und PR-Beraterin

PR+Texte
Leinkampstraße 3
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E-Mail: vera.muench@t-online.de