Microsoft und Google in Bielefeld: Liegt da die Zukunft?

Bericht von der 8. Internationalen Bielefeld Konferenz 2006

von Vera Münch

Google Scholar wird direkt in die Oberflächen regionaler Bibliothekssuchsysteme integriert. Microsoft steigt in e-Science ein und beabsichtigt, dabei mit der Wissenschaft und den Bibliotheken zusammen zu arbeiten. Die Universitäten Bielefeld (Deutschland), Oxford (England) und Tilburg (Niederlande) treten gemeinsam als Konferenzveranstalter auf. Die Direktoren der Bibliotheken der ETH Zürich (Schweiz) und der Stanford University (USA) führen als Vorsitzende durch Vortragsveranstaltungen. Knapp 500 Teilnehmer aus 35 Ländern hören 34 Referenten aus acht Ländern zu.

Willkommen in der Zukunft der Bibliotheken. Willkommen auf der 8th. International Bielefeld Conference, Bielefeld, 7. - 9. Februar 2006.

Hochkarätige Konferenz mit internationalen Referenten

Drei Jahre nach seinem Amtsantritt ist dem Leitenden Bibliotheksdirektor der Universitätsbibliothek Bielefeld, Dr. Norbert Lossau, bereits mit der zweiten von ihm organisierten Bielefeld Konferenz gelungen, was er sich für die Weiterentwicklung der Veranstaltungsserie vorgenommen hatte: Sie zu einer hochkarätigen internationalen Konferenz für Bibliotheksmanagerinnen und -manager aus aller Welt zu machen.

Foto: Norma Langohr, Pressestelle Uni Bielefeld
Prominenz in Bielefeld: Anurag Acharya (Mitte), Chefentwickler von Google Scholar, beantwortete gemeinsam mit Matthias Schmitz, Vertriebsdirektor Fast Search & Transfer ASA (r.) und Bibliotheksdirektor Dr. Norbert Lossau (2.v.l) die Fragen der Presse. Ganz links: Der Pressesprecher der Uni Bielefeld, Ingo Lohuis. (Im Hintergrund: Übersetzerin)
Der Auszug aus der Liste der Referentinnen und Referenten spricht für sich:

Was leitende Bibliotheksfachleute beschäftigen sollte

Die Experten aus aller Welt referierten und diskutierten über Themen, die "leitende Bibliotheksfachleute heute bereits beschäftigen oder in Zukunft beschäftigen sollten", erklärte Lossau beim Pressegespräch. Über allem steht zunächst die Diskussion um neue Wege für Informationsdienstleistungen in universitären Bibliotheken sowie die Entwicklung der Bibliotheken hin zu Informationsdienstleistern. Die Hauptthemen der Konferenz fasste Lossau für die Journalisten folgendermaßen zusammen:

  1. Suche / zukünftige Nutzung von Suchmaschinen
  2. Digitalisierung
  3. Repositorien / institutionelle Repositorien
  4. Preservation / Archivierung

"Was ich mir wünschen würde", so Lossau, "ist, die digitalen Quellen in Europa einheitlich zugänglich zu machen - und zwar nicht nur über Kataloge, sondern direkt!". Das sei eine riesige Aufgabe. "Dazu braucht man die Kooperation", betonte der Bibliotheksleiter, der in Personalunion auch CIO der Universität Bielefeld ist. Derartige Positionen kannte man bis vor kurzem nur aus Großunternehmen und der IT-Branche.

Im Konferenzprogramm waren den vier von Lossau angeführten Themen Vorträge und Workshops gewidmet. Den fünften Schwerpunkt der aktuellen Entwicklung in Universitätsbibliotheken - nämlich Marketing und Kundenorientierung - hatte er zwar nicht erwähnt, doch auch dazu gab es auf der Konferenz spannende Informationen.

Anders als in früheren Jahren werden die Reden nicht in einem Konferenzband oder als Power-Point-Folien im Web veröffentlicht, sondern vom Bibliotheksjournal Library Hi Tech (Emerald) in einem Themenheft (Special Issue) zusammengefasst. Der Erscheinungstermin steht noch nicht fest. Konferenzsprachen waren übrigens englisch und deutsch mit entsprechenden Simultanübersetzungen.

Google Scholar als Teil des Bibliothekssystems

Blick in die Zukunft: Google Scholar als integraler Bestandteil der lokalen Bielefelder Suchmaschine BASE
Anurag Acharya hielt in Bielefeld nicht nur einen Vortrag über Google Scholar. Er war dort auch zu zahlreichen Gesprächen mit Bibliotheksdirektoren und anderen Managerinnen und Managern aus der wissenschaftlichen Fachinformationsszene verabredet. Wie man hörte, sind die Verhandlungen gut gelaufen. Die Universitätsbibliothek Bielefeld etwa wird in wenigen Wochen ihre lokale Suchmaschine BASE (Bielefeld Academic Search Engine) mit integriertem Zugriff auf Google Scholar freischalten. Auf dem Testserver läuft BASE mit "Check Google Scholar Citations" bereits, doch es sind noch viele technische Probleme zu lösen. Zur Zeit wird aus dem lokalen System, (genauer gesagt, aus der Fundstelle/dem Treffer) heraus dynamisch ein Link aufgebaut, weil noch keine Schnittstelle (API) zu Google Scholar verfügbar ist. Acharya soll zugesagt haben, bis Mitte Sommer 2006 eine API zum direkten Andocken bereitzustellen. Wenn alles wie geplant klappt, wird man dann aus BASE heraus mit ein- und derselben Suchformulierung Autor- und Titelabfragen in BASE und in Google Scholar durchführen können.

Zarte Ansätze ohne Geschäftsmodell

"Unsere Vorstellung ist, dass wir versuchen müssen, andere Systeme mit unserem zu verbinden. Es geht um den Wechsel in eine neue Technologie, eine tiefere Integration", erläuterte Lossau. Google Scholar biete das und da sei der Gedanke naheliegend, dass man so ein System nachnutze. Die neue Kooperation sei ein erster zarter Ansatz. "Lokale Grundstruktur mit Schnittstelle zum Web: Da liegt die Zukunft", gab sich Lossau überzeugt.

Auf Nachfrage erklärten beide Partner vor der Presse, dass sie sich über Geschäftsmodelle für die Kooperation "noch keine Gedanken gemacht" hätten.

Informationsdienstleistungen als Maßstab für Bibliotheken

Wenn es nicht ums Geld verdienen geht - woher kommt dann die Motivation zum weltweiten Engagement?

Was die Universitätsbibliothekare treibt, liegt auf der Hand, und wurde in Bielefeld auch so formuliert: Sie wollen eine Infrastruktur bereitstellen, die ihren Bibliothekskunden die Möglichkeit gibt, schnell und unkompliziert lokale und weltweite Quellen aus einem lokalen System heraus benutzen zu können. Gleichzeitig soll die Infrastruktur die Publikationen aus dem eigenen Haus im Web weltweit besser sichtbar machen. Zu dieser neuen Aufgabe der Universitätsbibliotheken schreibt die Uni Bielefeld in einer Presseinformation: "Wissenschaftliche Bibliotheken haben im Laufe ihrer Geschichte verschiedene Rollen übernommen (...). Für die Zukunft wird eine weitere Rolle zentrale Bedeutung gewinnen: die des Dienstleisters. Nicht mehr die Größe des Bestands oder die Exzellenz einer Sammlung werden in Zukunft die entscheidenden strategischen Erfolgsfaktoren sein, sondern die Informationsdienstleistungen".

Across all fields, all countries, all languages

Was Google dazu bewegt, sich bis hin zu einer Schnittstellenentwicklung (mit den und) für die Bielefelder(n) zu engagieren, erklärte Acharya mit seiner eigenen Biografie. In Indien hätte er als Student von der Bibliothek fünf bis sieben Jahre alte Publikationen für seine Arbeit bekommen. Deshalb habe er den Traum entwickelt, ein System zu schaffen, dass den Menschen, die nach wissenschaftlicher Information suchen, "zumindest die Möglichkeit gibt, sie zu finden. One place across all fields, all countries, all languages", erklärte Acharya. Es ist ein sehr schöner, vermutlich auch nicht ganz billiger Traum, im Web eine zentrale Suchmaschine für wissenschaftliche Fachinformation über alle Fachgebiete, alle Länder- und alle Sprachgrenzen hinweg bereitzustellen. Eine gigantische Aufgabe, die bei weitem nicht mit technischen Lösungen (aus heutiger Sicht noch schwierig genug!) erledigt sein wird, sondern auch noch eine Reihe ganz anderer, zum Teil politischer Fragen aufwirft - etwa Fragen zum Wettbewerbsschutz im internationalen Forschungswettlauf u.ä. Acharya betonte denn auch: "We are actually quite a bit far of it, but that is where I'm trying to go" (Wir sind noch ein ganzes Stück entfernt davon, aber das ist es, was ich zu erreichen versuche). Mit Acharya arbeiten drei weitere Entwickler an Googles Suchmaschine für die Wissenschaft.

Interoperable Repositorien: Basis für ein Welt-Informationsnetz der Wissenschaft?

Wenn Google seine Suchmaschine für die Bibliotheken öffnet, drängt sich im Umkehrschluss natürlich auf, dass diese im Gegengeschäft ihre Bestände für Google öffnen. Dann könnte die Suchmaschine statt bisher neun Milliarden irgendwann auch das Deep Web mit 90 Milliarden Webseiten indexieren. Die Zahlen stammen aus dem Vortrag von Michael Keller von der Standford University, der darüber referierte, was der Berufsstand der Bibliothekare tun muss, wenn er überleben will. Mehr dazu unter der Überschrift "Bibliotheksservices weit über Google hinaus" weiter hinten im Text.

Keller und andere Vortragende, unter ihnen der Microsoft-Technikchef Tony Hey, benannten interoperable institutionelle Repositorien als probates technisches Mittel zur Öffnung und Vernetzung der digitalen Ressourcen von Universitäten, Forschungseinrichtungen und Bibliotheken. Diese Publikationsserver könnten als transparente Quellennachweise mit eingebundener Originalpublikation dienen, seien jedoch noch im Experimentierstadium, so Keller. Vorbilder sind die erfolgreichen Repositories arXiv und PubMedCentral. ArXiv wurde bereits vor Jahren von Paul Ginsparg an der Cornell University zur Publikation von elektronischen, so genannten Pre Prints (Vorveröffentlichungen vor der wissenschaftlichen Begutachtung des Inhalts) eingerichtet. PubMedCentral ist ebenfalls seit längerem international als erfolgreiches offenes Zentralarchiv für Forschungsergebnisse bekannt, die mit Geldern aus öffentlicher Förderung erarbeitet wurden. Beides sind institutionelle Repositorien. Interoperabel sind sie noch nicht.

Microsofts Strategie für e-Science

Die revolutionären Umwälzungen im internationalen wissenschaftlichen Publikationswesen haben auch Microsoft auf den Plan gerufen - und den Microsoft-Topmanager Tony Hey nach Bielefeld gebracht. Auf einer Vortragsfolie mit dem aussagekräftigen Titel "Microsofts Strategy for e-Science" stand unmissverständlich: "Microsofts intends to work with the scientific and library communities". Microsoft beabsichtigt - man könnte auch übersetzen: Microsoft plant - mit der Wissenschaft und mit Bibliotheken zusammen zu arbeiten. Deutlicher hätte Hey nicht ausdrücken können, was den Softwaregiganten dazu bewogen hat, den Chef seiner Technical-Computing Sparte zu einem Vortrag auf eine Bibliothekskonferenz nach Deutschland zu schicken.

Hey führte auch aus, was Microsoft mit den (und für die!) neuen Zielgruppen machen möchte: Offene Standards definieren und / oder interoperable hochwertige Services, Organisations- und Arbeitsflüsse (Work Flows) und Software-Werkzeuge entwerfen. Und, so Hey, im nächsten Schritt dann, "den Communities dabei zu assistieren, offene wissenschaftliche Kommunikation und interoparable Repositorien zu entwickeln".

"You are targeting the wrong enemy"

An Hey's Vortrag wurde sehr klar, dass es Microsoft wirklich um e-Science geht, nämlich um die Schaffung einer Arbeitsumgebung für die Wissenschaft, in der

  1. für Publikationen die Interaktivität und Rechenfähigkeit elektronischer Dokumente genutzt wird, um komplexe Informationen anschaulich darzustellen (etwa, um chemische Experimente rechnen zu lassen oder Digitalvideos zu zeigen) und
  2. Anwendungssysteme für Forschungsarbeiten bereitgestellt werden, die den Forschern die Möglichkeit bieten, jederzeit von jedem Ort der Welt aus in laufende Experimente einzusteigen, sich aktuelle Mess- und Simulationsdaten abzurufen, eigene Ideen einzubringen und neue Simulationen auf entfernten Hochleistungsrechnern online anzustoßen.

In der Aussprache zu seinem Vortrag wurden Hey unter anderem folgende zwei Fragen gestellt: Erstens, wie er die Bibliothek bei Microsoft nutze und wie diese arbeite. Hey's offene Antwort: Er wisse es nicht, weil er den Bibliotheksdirektor noch nicht getroffen hätte (Hey ist erst seit Januar bei Microsoft). Auf die zweite Frage nach möglichen Bedenken von europäischen Wettbewerbshütern befragt, reagierte der Manager überraschend heftig: "You are targeting the wrong enemy! Microsoft is not the bad people we should be worried of. That's yesterdays war. We should be aware that it is over". (Sie bekämpfen den falschen Feind! Microsoft sind nicht die bösen Leute, vor denen wir uns fürchten sollten. Das ist der Krieg von gestern! Wir sollten erkennen, dass er vorüber ist).

Bibliotheksservices müssen weit über Google hinaus gehen

Noch einmal zurück zu Google und zum Vortrag von Michael Keller. Keller, der neben seinem Job als Universitätsbibliothekar in Stanford auch Direktor für akademische Informationsressourcen, Herausgeber von HighWire Press und Standford University Press ist, erklärte in seiner Rede, dass eine kombinierte Suche über offen Quellen und gleichzeitig über Quellen hinter Zugangskontrollen - wie das bei Repositories wünschenswert wäre - sehr schwer realisierbar sei. Trotzdem müsste die weltweite offene Suche von den Bibliotheken als wichtige Dienstleistung erbracht werden. "Wenn der Berufsstand der Bibliothekare überleben will, müssen Bibliotheksservices weit über Google hinaus gehen", so Keller. Die Verantwortlichen müssten den intellektuellen Zugang zu ihren Kollektionen gewaltig ausweiten. Gleichzeitig sei es notwendig, die Kompetenz sowie die faire Informationsnutzung und Informationsverbreitung durch Bibliotheken zu verteidigen und das am besten, indem man sich in die Entwicklungen einbringe. Diese Argumente führte er auch als Begründung an, warum sich Bibliotheken als Partner an Google Projekten wie z.B. Google Print beteiligten.

Als Merkmale eines "High Touch Service beyond Google" listete Keller acht Punkte auf:

  1. Taxonomische Indexierung, um das intellektuellen Gedankengut in den Publikationen - die im Text vorgestellten neuen Ideen - für die Leser zu erschließen.
  2. Assoziative Suche, zum Beispiel durch die Generierung statistisch geordneter Ranglisten von Begriffen, die der Suchformulierung verwandt sind
  3. Verknüpfung (Hyperlinking) von Zitierungen
  4. Benutzeroberflächen, die es erlauben, beliebig durch die Suchergebnisse zu navigieren
  5. Erweiterte Suche mit verfeinerten Suchmöglichkeiten
  6. Alerting Services, automatische Informationsdienste, die den Benutzer informieren, wenn zu einem von ihm eingegebenen Such-/Überwachungsbegriff oder Interessensgebiet neue Informationen im System auftauchen
  7. Automatische Empfehlungen, die unaufgefordert anhand des Suchprofils des Benutzers erzeugt werden, ähnlich, wie Amazon das mit Buchempfehlungen rund um gekaufte Titel macht
  8. Informationswerkzeuge, die dem Leser bei der Informationssuche assistieren, indem sie ihm helfen, Anfragen zu definieren, Standorte aufzufinden oder ihm Auszüge aus Buchtexten zur Beurteilung der Trefferrelevanz vorlegen.

Kellers sprach auch von Avataren, jenen Softwarerobotern, die Informationsaufträge übernehmen und automatisch abarbeiten können und empfahl, sowohl die virtuellen, als auch die eigene Entwicklung zum "physikalische Avatar" nicht abzulehnen, sondern zu begrüßen. Sein spannender Vortrag direkt aus dem Alltag amerikanischer Elite-Bibliotheken an Elite-Universitäten. In weiten Teilen erinnerte die Rede an eine Informatik-Vorlesung.

Kundenverständnis aus dem Data Warehouse

Das Gefühl, in einer Vorlesung für angewandte Informatik zu sitzen kam auf der 8. Bielefeld-Konferenz noch öfter durch. Zum Beispiel beim gemeinsamen Vortrag von Professor Dr. Reinhold Decker und Michael Höppner. Decker ist Professor für Marketing an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld, Höppner stellvertretender Bibliotheksdirektor. Ihr gemeinsamer Vortrag behandelte Markt und Kundenorientierung in Bibliotheken. Seit ein paar Jahren arbeiten die Universitätsbibliothek und die Wirtschaftswissenschaftler der Uni bei der Benutzerforschung eng zusammen. Heraus gekommen ist jetzt unter anderem ein sogenanntes "Customer Intelligence"-Softwaresystem (CI / CRM), in dem das Kundenverhalten anonymisiert protokolliert und in einem Data Warehouse gespeichert wird. Es soll dem besseren Verständnis des Kundenverhaltens, der Kundenwünsche und ihrer Informationsbedürfnisse dienen. Solche Erkenntnisse kann man durch Auswertung der Benutzungsprotokolle gewinnen. Das System wird in Bielefeld in den nächsten Monaten eingerichtet; abgestimmt mit der Datenschutzbeauftragten, betonte Decker. "Kundenverständnis gewinnt heute auch in Bibliotheken eine immer größere Bedeutung", so der Wirtschaftswissenschaftler. Direktor Lossau sieht den größten Vorteil des Data Warehouse-Systems für Bibliotheken darin, künftig so nahe am Nutzer zu sein, dass man ohne langwierige Umfragen schnell auf Veränderungen reagieren könne.

Fast eine Revolution

Zwei Produkthighlights hatte die Bielefeld Konferenz auch zu bieten: Der von Norwegen aus weltweit operierende Suchmaschinen- und Filterkonzept-Hersteller FAST Search & Transfer ASA stellte eine neue, nach Aussage des Vertriebsdirektor für Deutschland, Matthias Schmitz, "revolutionäre" Suchtechnologie vor. Sie liefert statt einer Liste von Treffern jetzt die exakte Auskunft, also Faktenwissen. Gibt man beispielsweise die Frage "Landung in der Normandie" ein, antwortet das System: 6. Juni 1944. Schmitz schwärmte: "Das ist ein Paradigmenwechsel in der Suchtechnologie. Eine Revolution!". Die Bielefelder Suchmaschine Base, aufgebaut auf Fast Technologie, soll damit weiterentwickelt werden. Ebenso vascoda, das interdisziplinäre Internetportal für wissenschaftliche Information in Deutschland. Die Suchsysteme Sirus, Scopus und Science Direct, allesamt bei wissenschaftlichen Fachverlagen im Einsatz, arbeiten übrigens alle mit Fast Technologie. Inwieweit die "Revolution in der Suche" für wissenschaftliche Forschungsfragestellungen geeignet ist, wurde in der Pressekonferenz angezweifelt. Forscher würden andere Fragestellungen haben. Auch Anurag Acharya konnte sich einen kleinen Seitehieb Richtung FAST nicht verkneifen: "Revolution is a hard thing to do. Sometime you wait and wait and wait".

Thieme e-Books liefern Fundstellen im Buch als pdf auf den Bildschirm

In der konferenzbegleitenden Ausstellung - mit insgesamt 36 Ausstellern in der Dimension einer kleinen Fachmesse - konnte man die Fast Suchtechnologie im Praxiseinsatz sehen. Nicht nur am Stand des Anbieters, sondern bei genauem Hinsehen auch beim Thieme Fachverlag. Was dieser dort vorstellte, war zwar keine Revolution, aber doch schon eine kleine Sensation. Thieme hat sein Medizinfachbücher für Ausbildung und Forschung in der Thieme e-Book-Library elektronisch im Ganzen suchbar gemacht. Der Suchbegriff "Nagel-Patella-Syndrom" lieferte - ohne weitere Angabe - zwei Buchkapitel aus Lehrbüchern für Dermatologie und einen Hinweis auf ein Buch zur Orthopädie. Als Treffer wird jeweils der Buchtitel, das Fachgebiet, ein Satz aus dem Kontext und die Seitenzahl angezeigt, auf der die Maschine den Begriff entdeckt hat. Der Link führt dann direkt zur Fundstelle - nämlich genau zur relevanten Buchseite.

Thieme verkauft für das neue System Lizenzen mit Kreditpunkten, die je nach Werthaltigkeit des benutzten Buches in unterschiedlicher Höhe "verbraucht" werden. Mit den so bezahlten, auf dem Benutzerbildschirm als pdf dargestellten Seiten kann der Leser tun, was er möchte: Ausdrucken, Teile kopieren und in ein Word-Dokument übertragen, auf der lokalen Platte abspeichern usw. usf. Thieme hat nach Aussage von Standbetreuer Dr. Thomas Krimmer keine Angst, deshalb weniger Bücher zu verkaufen. Zur Zeit zeige der Trend eher nach oben. Weil die Suche über mehrere Bücher auch relevante Buchstellen aus anderen Fachgebieten finde, würden Studierende neben den Standardwerken weitere Fachbücher entdecken, die sie dann kaufen. "Die Bibliotheken sind die einzigen, die keine Bücher mehr kaufen, um sie in den Bestand aufzunehmen", so Krimmer. Durch die Lizensierung könnten sie den Bibliothekskunden die gesuchte Information sofort vermitteln - in Form der elektronisch gelieferten pdf-Buchstelle. Mit dieser Information bekämen der oder die Informationssuchende sofort das gesuchte Wissen, dazu genaue Angaben, in welchem Buch es zu finden sei, den genauen Buchtitel, den Autor, den Verlag usw. usf. Auf Basis dieser Information können dann über die Beschaffung entschieden werden.

Mit dem Ausstellungsobjekt lieferte Thieme ein schönes Beispiel für bibliothekarische Dienstleistungen der Zukunft - dem Service, den die 8. Bielefeld Konferenz so stark propagierte.


Zur Autorin

Vera Münch ist freie Journalistin und PR-Beraterin

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