Green Road - Golden Road: Open Access - The Road to Hell?1


Abstract

Einführung
These 1: Open Access ist ein Anliegen der Wissenschaftler
These 2: Wir brauchen Open Access, um als Bibliotheken auf dem Informationsmarkt eine Marktmacht zu etablieren
These 3: Die Wissenschaft braucht ein neues Modell der Wissenschaftskommunikation
These 4: Open Access ermöglicht den Zugriff auf Informationen auch für jene,
die sich kostenpflichtigen Content nicht leisten können

These 5: Open Access ist eine Alternaive zum etablierten Publikationsprozess
These 6: Open Access ist ein immerwährender Prozess
These 7: Mit Open Access gewinnen alle
Zusammenfassung


von Rafael Ball

Einführung

Das Thema Open Access ist ja nun schon einige Jahre alt und es ist schon viel zu diesem Thema gesagt worden. Ob Open Access nun der Weg zur Hölle ist oder der grüne Weg2 in die ökologische Erneuerung der Wissenschaftskommunikation oder aber auch der goldene allselig machende Weg in den "siebten Himmel der Wissenschaftspublikation", wird sich in den nächsten Jahren zeigen3. Dennoch scheint bereits alles Relevante zum Thema gesagt worden zu sein. Deshalb sollen im Folgenden sieben zentrale Thesen erläutert werden, die oft im Zusammenhang mit Open Access genannt werden. Welche Lösungen und welche Interpretationen Open Access im Forschungszentrum Jülich und bei mir erfahren hat, wird am Ende des Artikels erläutert.

Ob wir nun die "Golden Road" wählen, die "Green Road" oder welche Straße auch immer, es gibt viele Wege zum Thema und viele Modelle die sich ähneln auf dem gleichen Weg und die begangen werden aufgrund der gleichen Ursachen. Viele Wege führen nach Rom und zu Open Access allemal. Für einen Vortrag zu diesem Thema auf dem Scientific Symposium in Frankfurt bin ich bereits im Vorfeld für meinen Abstract mehrfach gescholten und kritisiert worden. Open Access, Golden Road und Green Road, wollten viele nicht als eine Road to Hell sehen und ein sozialistisches Publikationsmodell wollen doch viele trotz latenter Kapitalismuskritik der letzten Jahre nicht mit Open Access in Zusammenhang gebracht wissen. Ein wichtiger wenn nicht der wichtigste Protagonist von Open Access, Stevan Harnad, hat mir sogar eine scharfe Mail aus Kanada geschrieben und diese zugleich an eine Mailing-Liste in den U.S.A. gesandt hat mit der Bitte, man möge doch auf diese These in Frankfurt antworten und mich entsprechend zurecht weisen.

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Nun wird endlich auch im Bibliothekswesen die Gesellschaftskritik auf höchster Ebene diskutiert. Mir aber geht es keineswegs um eine Ideologisierung der Diskussion um Open Access. Mir geht es auch nicht um markige Schlagworte und vergangene Gesellschaftsmodelle. Die Mystifizierung von Open Access ist von anderer Seite in ausreichender Form geleistet worden.4 Die Aufgabe von verantwortlichen Informationsspezialisten und Bibliothekaren ist es nun, den Mythos "Open Access" zu entzaubern.

These 1: Open Access ist ein Anliegen der Wissenschaftler

Warum? Nun, die Entstehungsgeschichte von Open Access ist in wenigen Sätzen skizziert.5 Die Ausgangssituation ist klar, die Preise der Zeitschriftenabonnements stiegen ins Unermessliche, die Bibliotheksetats schrumpften oder blieben gleich und es entstand jene Schere, die wir alle so gerne in unseren PowerPoint-Folien an die Wand werfen, wenn es um Budgetdiskussionen und Preise für Zeitschriftenabonnements geht. Wir landen zwischen Notwendigkeit und Möglichkeit und Open Access dient den Bibliothekaren rein als Moneymaker zur Lösung der Zeitschriftenkrise. Niemand aus der bibliothekarischen Community hatte die Absicht, den Publikationsprozess und den Weg der wissenschaftlichen Kommunikation grundlegend zu reformieren und neu zu strukturieren. Open Access war nichts anderes als die Lösung der Zeitschriftenkrise, als das Schließen der Schere zwischen steigenden Zeitschriftenpreisen und dem Sinken der Bibliotheksetats.

Ein weiterer Grund für die Open Access Diskussion sind die Autorenrechte, die abgetreten werden im Autorenvertrag und unwiederbringlich ohne Rückkehr an den Verlag abgegeben sind. Wir alle haben Autorenverträge korrigiert, Empfehlungen im Netz ausgesprochen6, wir beraten die Autoren in unseren Universitäten und Forschungszentren. Doch wer kritisch hinterfragt, muss an dieser Begründung für Open Access zweifeln: Welche Autoren kümmern die Autorenverträge? Wer hat sich bis dato um die Autorenverträge gekümmert und welcher Autor hat je ein Recht, das er abgegeben hat, beklagt? Die Diskussion um die Autorenrechte ist erst mit der Digitalisierung der wissenschaftlichen Information in den letzten 5 bis 10 Jahren entstanden. Erst jetzt war es einem Autor möglich, sein Dokument wiederzuverwerten; auf einem Dokumentenserver, auf der eigenen Webpage oder in anderer Form. Erst jetzt war es möglich, das Dokument ohne großen Aufwand erneut für eine Zweitverwertung zu verwenden. Hier dient Open Access nur als juristisches Feigenblatt um eine Auseinandersetzung über Autorenrechte, nicht aber als Revolutionierung des wissenschaftlichen Kommunikationsmodells. Der etablierte Prozess der Publikation ist weitgehend akzeptiert, (leider gibt es keine empirischen Studien zu diesem Thema, aber es gibt auch keine grundlegenden Gegenbeweise). Die Wissenschaftler haben lediglich Optimierungswünsche an den Publikationsprozess, etwa im Hinblick auf die Geschwindigkeit des Peer Reviews, die Ausstattung der Artikel. Aber sie haben keine Probleme mit der prinzipiellen Struktur des wissenschaftlichen Publizierens. Die Mehrwertbildung und die Wertschöpfung der Verlage durch das Publizieren von wissenschaftlichen Ergebnissen werden nahezu einhellig von der wissenschaftlichen Community anerkannt.

Auch wenn es uns diese Erkenntnis schmerzt: Wir müssen davon ausgehen, dass für den Wissenschaftler Open Access nichts als ein Nebenkriegsschauplatz ist.

Warum aber ist das Thema "Open Access" für Bibliotheken und Bibliothekare ein so wichtiges Thema? Es wird dankbar aufgenommen, weil den Bibliothekarinnen und Bibliothekaren die anderen Themen auszugehen drohen. Noch vor zehn Jahren war die Digitalisierung der Inhalte, die Strukturierung des electronic information environment7, das zentrale Thema für große und kleine Bibliotheken. Die Zukunft der Bibliotheken sah plötzlich wieder rosa aus und sie war digital. Dass die digitale Revolution nicht nur ihre eigenen Kinder fraß, sondern auch noch viel schneller umgesetzt worden ist als sich viele dies erhofft oder zu träumen gewagt hatten, macht heute das Geschäft in den Bibliotheken wieder hochgradig kompliziert. Die digitale, medienbruchfreie Versorgung der Nutzer in Bibliotheken ist nahezu überall realisiert. Wohin mit dem vielen Personal, wenn doch alles digital und elektronisch geht? Wohin mit den großen Gebäuden und den vielen Büros? Wozu noch eigene Erwerbung, wenn doch Lizenzen für digitalen Content bequem vom Einkauf zentral beschafft werden können?

Was bleibt ist eine gewisse Leere, die schnell gefüllt wird mit der never endig story und dem dankbar endlosen Thema Open Access.

These 2: Wir brauchen Open Access, um als Bibliotheken auf dem Informationsmarkt eine Marktmacht zu etablieren

Die Oligopolisierung der Informationsmärkte wird sehr oft im Zusammenhang mit Open Access genannt. Wenn wir das Modell der Branchenstrukturanalyse von Michael Porter nutzen, in dem er die auf dem Markt wirkenden Kräfte als die five forces beschreibt, können wir schnell erkennen, dass es tatsächlich keinen echten Wettbewerb im Informationsmarkt gibt8 (Abbildung 1). Selbstverständlich haben wir keine Substitutionsprodukte wenn es um einzelne Zeitschriftentitel geht und somit keine Macht der Wettbewerber.

Abbildung 1: Michael Porter's Five Forces

Auch die Macht der Kunden ist gering: Wir beobachten die Zersplitterung der Kundenmacht durch föderale Systeme in vielen Ländern Europas, die einen gemeinschaftlichen zentralen Einkauf von Informationen unmöglich machen. Uneinheitliche, nicht-zentralistische Strukturen der Wissenschaftssysteme ergänzen dies. Heterogene Bedürfnisse der einzelnen Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen tun ihr Weiteres, um eine Kundenmacht nicht aufkommen zu lassen.

Ein weiteres Element in der Branchenmatrix von Porter ist die Macht der Lieferanten. Die Lieferanten von wissenschaftlichen Informationen und Inhalten sind die Wissenschaftler selbst. Sie erhalten kein Geld für ihre Erträge und sie wollen auch gar keines - ihre Währung ist das Image. Sie sind daran interessiert und darauf angewiesen, einen hohen Impact ihrer Arbeiten bescheinigt zu bekommen, in Journals zu veröffentlichen, die diesen Impact transportieren und dieses System für die eigene Karriereförderung und die ihrer Institute und Einrichtungen zu nutzen. Somit ist es auch schlecht bestellt um die Macht der Lieferanten in der Branchenstrukturanalyse von Porter.

Aus all dem folgt, dass die Position der Monopolisten und Oligopolisten sehr gefestigt ist. Dies ist unglücklich und in der Tat gäbe es allen Grund, hier echten Wettbewerb herzustellen.

Mit Open Access möchte die bibliothekarische Community sowohl die Macht der Kunden als auch die Macht der Lieferanten stärken. Wir wissen aber alle, dass dies nur mit der Golden Road wirklich möglich wäre. Die Sensibilisierung der Lieferantenmacht, d.h. der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Position als Content-Lieferant, als Gutachter und als Herausgeber bei den Verlagen scheint deutlich zielführender als die Etablierung neuer Journals in der Eigenregie der Contentproduzenten.9

These 3: Die Wissenschaft braucht ein neues Modell der Wissenschaftskommunikation

Ein oft gehörtes Argument für die Einführung von Open Access ist die Neugestaltung des wissenschaftlichen Publikationsprozesses und der Wissenschaftskommunikation insgesamt. Wir reden schnell vom Ende der bisherigen Publikationskette und hoffen doch gleichzeitig, dass nicht die Bibliotheken auf den Prüfstand der Existenzberechtigung gehoben werden, sondern haben schnell die Agenturen, die Händler und die Verlage im Blick, die ein neues System der Wissenschaftskommunikation doch so überflüssig macht. Bei allem Verständnis für diese Sicht, im Internet gibt es eine ganze Website mit toten Bibliotheken (www.bibliothekssterben.de), aber noch keine Agentur und noch kein Verlag ist der Neugestaltung der Publikationskette bislang zum Opfer gefallen. Sind diese Profitunternehmen vielleicht flexibler als Bibliotheken? Open Access ist weder Symptom noch Ursache für die Neugestaltung der Wissenschaftskommunikation.

Denn niemand braucht und will wirklich ein neues System der Wissenschaftskommunikation. Die Wissenschaftler sind zufrieden, ich habe dies unter These 1 bereits erläutert. Und wenn wir die Entwicklung der Wissenschaften von der Antike bis heute betrachten, so ist die Periode der institutionalisierten Organisation von Wissen und seiner Verbreitung, beginnend mit dem ersten wissenschaftlichen Journal, dem Journal de Sauvants von 1665, eine sehr junge Entwicklung.10 Es existiert ein funktionierendes System der Wissensstrukturierung und der Wissensverbreitung und jeder IT-Spezialist würde uns zurufen: "Never change a running system"!

These 4: Open Access ermöglicht den Zugriff auf Informationen auch für jene, die sich kostenpflichtigen Content nicht leisten können

Die vierte These spielt mit unserem sozialen Gewissen. Open Access, so lautet die Botschaft, hilft all jenen, die keinen Zugriff auf wissenschaftliche Informationen haben, und hier fallen uns alle Kollegen aus den Ländern der Dritten Welt ein, denen es nicht gelingt, die teuren Journals von Elsevier & Co. zu abonnieren und ihren Informationsbedarf in dieser Form zu decken. Niemand würde sich einem System verweigern, das diesen Kollegen einen vereinfachten und preiswerten Zugriff auf Informationen ermöglicht. Doch das eigentliche Problem ist in diesen Ländern doch nicht die Ausstattung des Literaturetats, sondern die Struktur und Finanzierung des kompletten Systems der Hochschulen und Universitäten, der Forschungseinrichtungen, Schulen und Behörden. Nicht die Publikationsmöglichkeiten dieser Länder sind eingeschränkt, sondern die Finanzierung der Erkenntnisgewinnung, der Forschung, der Lehre, des dafür benötigten Personals und die Ausstattung der Einrichtungen. Open Access kann also nicht helfen, die strukturellen Probleme des Wissenschaftssystems von Entwicklungsländern zu lösen und das soziale Argument ist ein Scheinargument.

These 5: Open Access ist eine Alternaive zum etablierten Publikationsprozess

Unabhängig davon, dass die überwiegende Mehrzahl der Wissenschaftler ein neues Modell der Wissenschaftskommunikation gar nicht möchte, könnte es prinzipiell reizvoll sein, eine Alternative zum bisherigen System zu diskutieren und zu etablieren. Wenn schon die Argumente dafür auf schwachen Beinen stehen, so zeigen die Rahmenbedingungen, unter denen Open Access etwa als "Golden Road" realisiert werden soll, wie unsinnig dieses Unterfangen ist.

In Wissenschaftseinrichtungen wie Hochschulen und Forschungszentren existiert keine geeignete Infrastruktur, wie sie etwa von den Verlagen mit jahrzehntelangem Know-how und nicht unbeträchtlichen Investitionen für die digitalen Plattformen aufgebaut worden sind. Die Tatsache, dass nun jedes Kleinstinstitut einen Dokumentenserver mit einer Open Source Software betreibt, ist noch kein Beweis für ein funktionierendes Publikations- und Verlegermodell.

Die Produzenten von Information (die Wissenschaftler) haben keine Kernkompetenzen für die Gestaltung, die Produktion und den Vertrieb einer Zeitschrift. Es stehen auch keine zusätzlichen Ressourcen über die vorhanden Forschungs- und Entwicklungsgelder hinaus zur Verfügung. Es sei denn man ist bereit, dieses Geld aus den schmalen Budgets für Forschung, Lehre und Entwicklung herauszuschneiden. Trotzdem zeigt sich, dass Open Access-Journale Geld kosten. "There is no such thing as a free lunch" ist eine alte Weisheit, die sich auch bei Open Access bewahrheitet. Ohne auf genaue Kostenmodelle einzugehen wird klar, wer etwas publiziert und verlegt, muss für diesen Prozess finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Die Golden Road könnte sich schnell als Geldvernichtungsmaschine erweisen und das bei semiprofessionellem Output.

Ein sozialistisches Einheitsmodell ist die Golden Road von Open Access ohnehin: Staatliche Mittel werden für eine Eigenproduktion ausgegeben, das ein Profitunternehmen viel besser und kostengünstiger herstellen kann. Die Oberaufsicht über die Publikationsserver der Golden Road-Zeitschriften liegt in der öffentlichen Hand und wird von Bürokraten verwaltet und zentralistisch strukturiert. Die Golden Road Server sind "Volkseigene Open Access-Betriebe" und agieren nicht auf dem Markt. Wie fragil ein solches System ist, haben wir alle beim Umzug und Beinahe-Verlust des renommierten Los Alamos Preprint Servers gesehen.11 Man geht von einem fairen Input/Nutzen-Verhältnis aus: Alle sollen Publikationen einstellen und alle dürfen alles nutzen.

Zudem verlieren die Publikationen auf dem Dokumentenserver dramatisch an Wert. Die Währung der Wissenschaft ist nicht Geld sondern das Image: Eine Erstveröffentlichung auf dem Dokumentenserver einer Hochschule oder Forschungseinrichtung ist in der Wissenschaftscommunity genau so viel wert wie eine Hauspublikation von IBM, nämlich gar nichts.

These 6: Open Access ist ein immerwährender Prozess

Die Tatsache, dass Open Access zu einem Dauerbrenner in bibliothekarischen Veranstaltungen geworden ist, sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass Open Access nicht notwendigerweise einen immerwährenden Prozess darstellen muss. Auch wenn Bibliothekarinnen und Bibliothekare es lieben, Themen mit einer gewissen Hartnäckigkeit zu diskutieren, kann Open Access aber auch angesehen werden als ein Phänomen, das thematisiert, diskutiert, bearbeitet und abgeschlossen wird.

Während vielen klar ist, dass "Golden Road" eine schöne Schwärmerei bleibt, sie aber noch immer als Motor schöner Redeschlachten dient, ist die "Green Road" als "Open Access-Light" schon von vielen umgesetzt worden. Wir als Zentralbibliothek im Forschungszentrum Jülich haben die Open Access-Diskussion vor rund einem Jahr gestartet und gerade in den letzten Wochen abgeschlossen. Die Lösung für Open Access im Forschungszentrum Jülich heißt "JUWEL" (Abbildung 2) und realisiert als Green Road mit DSpace12 auf einem Dokumentenserver die Zweitveröffentlichung des Jülicher Outputs. Natürlich haben auch wir unsere Autoren beraten und Verbesserungen der Autorenverträge ins Netz gestellt.13 Jetzt ist die Phase der strategischen Planung und Implementierung abgeschlossen. Die operative Phase besteht nur noch darin, die Dokumente auf den Server zu laden, aktuell zu halten und zu pflegen.

Abbildung 2: JUWEL, der Volltextserver des Forschungszentrums Jülich

Open Access ist deshalb für uns im Forschungszentrum Jülich und in der Zentralbibliothek des Forschungszentrums kein immerwährender Prozess. Wir haben ihn in überschaubarem Rahmen diskutiert, geplant, implementiert und nun abgeschlossen.

Es ist an der Zeit, dass sich die bibliothekarische Community mit dem "beyond open access" zu befassen beginnt.

These 7: Mit Open Access gewinnen alle

Neben der Vorstellung, dass Benachteiligte durch Open Access einen Zugewinn an Information haben und mithin Open Access in die Linie des Freedom of Information gestellt wird, darf bezweifelt werden, dass die Bibliotheksetats der Hochschulen und öffentlich geförderten Einrichtungen tatsächlich von Open Access profitieren werden. Nur eine Nutzergruppe, die sich bislang in der Open Access Diskussion verdächtig ruhig verhält, wird vom freien Zugang zu wissenschaftlicher Information profitieren können. Während die angewandte und Grundlagenforschung in der öffentlich finanzierten Wissenschaft von einem kooperativen Input der Inhalte in die Open Access Systeme ausgeht, sind die eigentlichen Gewinner eines freien Zugangs die Industrie und ihre R & D Abteilungen. Die Industrieforschung liefert nur einen minimalen Input in Form von wissenschaftlichen Publikationen auf den Markt. Dafür profitiert sie von den Ergebnissen der öffentlich finanzierten Forschung nicht unbeträchtlich über den indirekten Weg der Wissenschaftskommunikation. Bislang war die Industrie noch ein guter Kunde für Verlage und Agenturen. Mit Open Access wird nun diese Information frei und kostenlos verfügbar. Während im traditionellen Publikationsweg die Subvention der Verlage durch die öffentliche Hand angeprangert wird, subventioniert man mit Open Access nun die forschungsintensive Industrie, die den Output öffentlich finanzierter Forschung dann kostenfrei nutzen kann.

Zusammenfassung

Ich habe versucht zu zeigen, wie Open Access sieben Jahre nach der ersten Definition zu verstehen ist und was aus der Diskussion geworden ist. Dabei ist klar, dass Open Access nicht der Teufelsweg ist, aber auch nicht der selig machende Weg der schönen neuen Publikationswelt. Open Access ist ein Phänomen, das bearbeitet werden kann und abgeschlossen werden muss. Dabei gibt es natürlich eine ganze Reihe verschiedener Realisierungsmöglichkeiten, aber das Phänomen als solches ist über die strategische Planungsphase längst hinaus und zu einem "normalen" Problem unter anderen geworden. Open Access ist damit definitiv keine Revolution in der wissenschaftlichen Kommunikation. So ist es an der Zeit, dass die bibliothekarische Community voranschreitet und sich mit neuen und wichtigeren Dingen befasst.


Zum Autor

Dr. Rafael Ball ist Leiter der

Zentralbibliothek des
Forschungszentrums Jülich GmbH
D-52425 Jülich
E-Mail: r.ball@fz-juelich.de


Anmerkungen

1. Der Beitrag basiert auf einem Vortrag, gehalten auf dem 5th Frankfurt Scientific Symposium in Frankfurt/M. 2005

2. Harnad, S. (2004). The Access/Impact Problem and the Green and Gold Roads to Open Access. [Special Issue]. In: Serials Review Vol 30(4): Open Access. http://www.ecs.soton.ac.uk/%7Eharnad/Temp/impact.html

3. Die Definition von Green Road: Die Bereitstellung wissenschaftlicher Artikel durch den Autor entweder auf seinem persönlichen bzw. Fachbereichs-Server (Individual Self-Archiving), auf dem Publikationsserver seiner wissenschaftlichen Einrichtung (Institutional Self-Archiving) oder auf einem fachlich ausgerichteten Server (Central Self-Archiving). In: http://edoc.hu-berlin.de/cmsj/27/dobratz-susanne-8/PDF/dobratz.pdf; Golden road: "publish your article in an OA journal" In: http://www.ecs.soton.ac.uk/%7Eharnad/Temp/impact.html, sh. auch: http://www.nature.com/nature/focus/accessdebate/21.html

4. Harnad, S.: The Self-Archiving Initiative - Freeing the Refereed Research Literature Online. In: Nature Vol. 410 (2001): 1024-25.; Lawrence, S.: Free Online Availability Substantially Increases a Paper's Impact. In: Nature Vol. 411 (2001): 521.; Khan, F.A.: The Net Is Many People's Only Chance of Access. In: Nature Vol. 411 (2001): 522.

5. Weitere Informationen finden Sie unter: http://www.mpg.de/pdf/openaccess/BerlinDeclaration_dt.pdf; http://www.soros.org/openaccess/read.shtml

6. Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich unter: http://www.fz-juelich.de/zb/oa_model

7. Schatz, B. R.: Information Retrieval in Digital Libraries: Bringing Search to the Net. In: Science 275 (1997): 327-34.; Griffin, S.: Taking the Initiative for Digital Libraries. In: The electronic library 16.1 (1998): 24-27.; Buckley, C., et al. Electronic Publishing of Scholarly Journals: A Bibliographic Essay of Current Issues. science & technology librarianship ISTL.Spring (1999).; Bjørnshauge, L.: Reengineering Academic Library Services: The Crucial Steps Towards the Digital Library. In: DF Review 22.2 (1999): 27-29.; Ke, Hao-Ren, and Ming-Jiu Hwang.: The Development of Digital Libraries in Taiwan. In: The Electronic Library 18.5 (2000): 336-47.

8. Das Konzept der Branchenstrukturanalyse wurde von dem Amerikaner M. E. Porter in den achtziger Jahren entwickelt. Sie bildet eine wesentliche Voraussetzung für die Festlegung einer Wettbewerbsstrategie, mit der man versucht, seine Position innerhalb der Branche zu festigen, auszubauen oder die Branchenstruktur selbst zu verändern. Nach Porters Konzept hängt die Rentabilität in einer Branche von fünf Wettbewerbskräften ab: Der Macht der Lieferanten, der Bedrohung durch neue Konkurrenten und Ersatzprodukte, der Verhandlungsmacht der Abnehmer und der Rivalität der Wettbewerber in der Branche. Porter, Michael E. Competitive Advantage. Vol. New York: The Free Press, 1985.

9. Cordula Nötzelmann, Sören Lorenz: Das Redaktionstandem als innovatives Kooperationsmodell zwischen Fachwissenschaftlern und Bibliothekaren am Beispiel des Open Access E-Journals Brains, Minds & Media. In: Knowledge eXtended : Die Kooperation von Wissenschaftlern, Bibliothekaren und IT-Spezialisten, 3. Konferenz der Zentralbibliothek, 2.-4. November 2005 Jülich, 2005; S. 91-100

10. Hapke, T.: History of Scholarly Information and Communication: A Review of Selected German Literatur. In: Journal of the American Society for Information Science 50.3 (1999): 229-32.; Kleinert, A.: Vom Buch Der Natur Zum Druckerzeugnis. Aus Der Geschichte Der Naturwissenschaftlichen Fachliteratur. Technische Und Naturwissenschaftliche Bibliotheken in Ihrer Historischen Entwicklung Und Bedeutung Für Die Forschung. Ed. P. Kaegbein. Wolfenbütteler Schriften Zur Geschichte Des Buchwesens; 29. Wiesbaden: Harrassowitz, 1997. 95-113.

11. http://www.library.cornell.edu/psl/resources/guides/psldb.php und http://www.news.cornell.edu/Chronicle/01/7.26.01/Ginsparg_archive.html; Butler, D.: Los Alamos Loses Physics Archive as Preprint Pioneer Heads East. In: Nature Vol. 412 (2001): 3-4.

12. dSpace ist ein Open-Source-Software für Dokument Repositorien, entwickelt von MIT. https://dspace.mit.edu/index.jsp

13. Weitere Informationen finden Sie auf unserer WEB-Page unter: http://www.fz-juelich.de/zb/verlag/