Unterstützen Bibliotheksbestände die Forschung?
Zitatanalyse in Dissertationen
von Matthias Kayß und Roswitha Poll
1 Zitatanalyse
Die Analyse von Zitaten in Publikationen von Bibliotheksbenutzern wird von Bibliotheken bisher für drei Fragestellungen angewendet:
Zitatanalyse bietet sich als relativ einfache, unaufdringliche Methode für diese Fragestellungen an. Zitate können leicht als Einzelobjekte gezählt und beschrieben werden. Die Literaturlisten der Publikationen können ohne Befragung oder sonstige Mitwirkung der Autoren ausgewertet werden.
Bei Zitatanalyse mit dem Ziel der Bestandsevaluierung soll ermittelt werden, ob die Erwerbungspolitik dem Bedarf der Klientel entgegenkommt.1 Untersucht werden z.B. die Publikationen einer bestimmten Fakultät, Dissertationen oder andere Abschlussarbeiten und studentische Semesterarbeiten. Die gefundenen Zitate werden mit den angebotenen Bibliotheksbeständen verglichen, wobei über den Bibliothekskatalog zugreifbare freie Internet-Quellen in den neueren Untersuchungen zum Teil als Bestand gezählt werden. Die zitierten Dokumente werden meist kategorisiert nach
Die Ergebnisse solcher Untersuchungen sollen nicht nur allgemein der Bewertung der Bestandpolitik dienen, sondern konkret für den Ressourceneinsatz genutzt werden, z.B. für die Budgetaufteilung zwischen monographischer und Zeitschriftenliteratur. Die häufigsten Untersuchungen beziehen sich auf Zeitschriften einzelner Fächer, wobei aus den Zitaten Ranking-Listen meistzitierter Zeitschriften erstellt werden, die der Unterstützung von Bestell- oder Aussonderungsentscheidungen dienen. In den meisten Fällen werden Dissertationen für die Zitatanalyse genutzt, weil der umfangreiche und spezialisierte Literaturbedarf der Doktoranden als gute Grundlage für die Bestandsevaluierung gesehen wird. Doktoranden dürften sich wegen der angestrebten Langzeit-Wirkung ihrer Arbeit weniger auf lokal vorhandene Materialien beschränken als z.B. Studierende bei Seminararbeiten.
Erst in neuerer Zeit wird die Zitatanalyse auch genutzt, um die Informationskompetenz der Studierenden zu evaluieren, Veränderungen im Zitierverhalten über einen Zeitraum hinweg zu ermitteln und den Einfluss von Schulungsaktivitäten der Bibliothek zu belegen.2 Diese Zielsetzung bedingt einen wesentlich höheren Arbeitsaufwand, da nicht nur Publikationsform, Erscheinungsjahr und Sprache ermittelt werden müssen, sondern auch die Qualität der zitierten Quellen. Die Qualität wird dabei z.B. bewertet nach:
Die Bewertung erfolgt zum Teil in Zusammenarbeit mit der betreffenden Fakultät. Auch für diese Fragestellung werden gern Dissertationen benutzt. "Citation analysis ... has the advantage of being an unobtrusive and non-invasive analytical tool that can be used to quantify students' meta-cognitive skills, beyond basic informational and procedural knowledge as captured by a pretest/posttest evaluation."3
Dissertationen sind sozusagen der Endpunkt der wissenschaftlichen Ausbildung; sie zeigen den Stand der Informationskompetenz, den die Studierenden am Ende ihrer Ausbildung erreicht haben. Das Ergebnis der qualitativen Zitatbewertung ist allerdings nicht immer erfreulich: "...students across all institutions cited a remarkable number of sources of questionable quality."4
Schließlich wird Zitatanalyse in den letzten Jahren auch als Instrument der Wirkungsforschung genutzt. Die primäre Aufgabe von Hochschulbibliotheken ist es, Forschung und Lehre in der Hochschule zu unterstützen. Bisher sind allerdings noch kaum Daten gesammelt worden, die den Effekt der Bibliotheksleistungen in diesem Bereich verdeutlichen.
Projekte der Wirkungsforschung weltweit versuchen derzeit, Verbindungen zwischen dem Erfolg in Forschung und Studium und der Nutzung von Bibliotheksdienstleistungen zu belegen. Einer der Ansätze bezieht sich auf die Frage, wie weit die Forschung durch die Bestände der Hochschulbibliothek unterstützt wird. Zu diesem Zweck werden die Zitate in wissenschaftlichen Publikationen - wie bei der vorgenannten Bestandsevaluierung - mit dem lokalen Bibliotheksbestand verglichen. Der Prozentsatz der in wissenschaftlichen Publikationen zitierten Werke, der über den - gedruckten wie elektronischen - Bestand genutzt wurde oder zumindest nutzbar gewesen wäre, soll den Nutzen der Bibliothek für die Forschung verdeutlichen. Hier dient also die Zitatanalyse nicht in erster Linie der Unterstützung von Erwerbungsentscheidungen oder der Überprüfung der Informationskompetenz, sondern dem Nachweis der Wirkung.5
2 Untersuchung der ULB Münster
Für die Untersuchung 2003, die die Zitatanalyse im Sinne des Wirkungsnachweises testen sollte, wurden 20 Dissertationen des Jahres 2002 ausgewählt. Die Auswahl richtete sich nach den Fächern, für die im Rahmen einer Studie zur Nutzung der Sondersammelgebiete auch das Informationsverhalten von Wissenschaftlern evaluiert worden war.6 Biologie, Geschichte, Sprach- und Literaturwissenschaft, Wirtschaftswissenschaften. Auf diese Weise lassen sich die Ergebnisse der Zitatanalyse mit dem weitaus breiteren Fundus an Daten der SSG-Studie vergleichen. Pro Fach wurden die Zitate von fünf Dissertationen untersucht. Da zusätzlich zu der Zitatanalyse eine Befragung der Promovierten erfolgen sollte, richtete sich die Auswahl auch danach, ob die Autoren noch erreichbar waren.
In den Bibliographien der 20 Dissertationen fanden sich insgesamt 7087 Zitate, die bei der Zählung jeweils bibliographiert wurden. Titel, die nicht gefunden werden konnten, aber auch nicht publizierte Schriften (Archivalien, Vorlesungsmanuskripte) blieben unberücksichtigt (insgesamt 71 Titel).
Die Zitate verteilen sich unterschiedlich auf die Fächer:
Tabelle 1: Zitate nach Fächern
Zitate | unberücksicht | ||
Gesamt | 7087 | 71 | |
BIO | 974 | 13,7% | 13 |
HIS | 2101 | 29,6% | 18 |
SLW | 2413 | 34,0% | 10 |
WI | 1599 | 22,6% | 30 |
Wie erwartet fanden sich die längsten Literaturlisten bei der Geschichte und den Sprach- und Literaturwissenschaften. Am wenigsten wurde in den Biowissenschaften zitiert; die Wirtschaftswissenschaft liegt in der Mitte. Insgesamt wurden 7016 Zitate bearbeitet.
Die Zitate wurden erfasst nach
Dabei wurden zum Bibliotheksbestand auch alle Zeitschriften gezählt, die via EZB als frei verfügbar ermittelt wurden (109 Zitate).
Die Aufgliederung der 7016 untersuchten Zitate nach Publikationsform ergab folgendes Bild:
Tabelle 2: Gliederung nach Publikationsformen
Zitate | Gesamt | BIO | % | HIS | % | SLW | % | WI | % |
Monographien | 4235 - 60,4% | 156 | 16 % | 1548 | 73,7 % | 1520 | 63 % | 1011 |
|
Zs-Aufsätze | 2601 - 37,1% | 783 |
|
500 |
| 802 |
| 516 | 32,3 % |
Zeitungen | 101 - 1,4% | --- | --- | 34 | 1,6 % | 41 | 1,7 % | 26 | 1,6 % |
Sonstige (incl. Internetquellen) | 79 - 1,1% | 22 | 2,3 % | 1 | 0 % | 40 | 1,7 % | 16 | 1 % |
60 % der Zitate bezogen sich auf Monographien, nur 37 % auf Zeitschriftenaufsätze. Hier wird die unterschiedliche Informationsnutzung der Fächer besonders deutlich: In der Biologie stützen sich die Promotionsarbeiten zu gut 80 % auf Zeitschriftenaufsätze. Die Zahl zitierter Monographien der Biologie (16 %) ist von einer der Dissertationen beeinflusst, für die zahlreiche in den dezentralen Bibliotheken vorhandene Diplom- bzw. Staatsexamensarbeiten benutzt wurden.
In etwa spiegelbildlich stellt sich das Verhältnis von Monographien zu Zeitschriften im Fach Geschichte dar: 74 % zitierte Monographien und nur gut ein Fünftel Zeitschriftenaufsätze.
Die Sprach- und Literaturwissenschaft zitierte zu einem Drittel Zeitschriftenaufsätze, zu 63 % Monographien. Die 40 sonstigen Medien sind wiederum einer einzelnen Dissertation zu verdanken, die zweisprachiges Lernen per Internet zum Thema hat. Dementsprechend finden sich hier - im Gegensatz zu den anderen Dissertationen dieses Faches - auch einige Angaben von Internetquellen.
Ganz ähnlich zeigt sich das Verhältnis zwischen Monographien und Zeitschriften in den Wirtschaftswissenschaften. Unter sonstigen Medien finden sich hier vereinzelt Arbeitspapiere, Bundessteuerblätter oder Bankreports, nur letztere sind elektronische Volltexte.
Zeitungen werden in der Biologie gar nicht, in den anderen Fächern nur in geringem Maße zitiert.
Tabelle 3: Verteilung der untersuchten Titel nach Erscheinungsjahr
Erscheinungsjahr | vor 80 | 80-99 | 2000ff. |
Gesamt | 2546 - 36,3% | 4070 - 58,0% | 400 - 5,7% |
BIO | 102 - 10,5% | 754 - 77,4% | 105 - 10,9% |
HIS | 1211 - 58,1% | 851 - 40,9% | 21 - 1,0% |
SLW | 1055 - 43,9% | 1276 - 53,1% | 72 - 3,0% |
WI | 178 - 11,3% | 1189 - 75,8% | 202 - 12,9% |
Erwartungsgemäß stammt der höchste Anteil der zitierten Literatur aus den Jahren 1980 bis 1999. Aber auch Titel vor 1980 tauchen mit 36 % auf, erwartungsgemäß vor allem in der Geschichte. Auch die Sprach- und Literaturwissenschaft hat einen deutlich höheren Teil älterer Literatur benutzt. Bei Biologie und Wirtschaftswissenschaft wird die Bevorzugung neuer und neuester Information deutlich.
Bei der Gliederung der Zitate nach Sprachen liegen die deutschen Titel nur knapp über 50 %, englische bei 37 %. Sonstige Sprachen sind immerhin mit fast 12 % vertreten; hohe Werte werden in Geschichte und Sprache/Literatur erreicht. Die Biologie liegt mit 79,4 % englischsprachiger Literatur sehr deutlich über dem Durchschnitt; nur zu 20 % wurde hier mit deutschsprachiger Literatur gearbeitet. In den Wirtschaftswissenschaften verhält es sich genau umgekehrt: 19 % englischsprachige und 81 % deutschsprachige Literatur. Diese überaus deutliche Bevorzugung deutschsprachiger Literatur in diesem Fach ist überraschend.
Tabelle 4: Verteilung der untersuchten Titel nach Sprachen
Sprache |
deutsch |
englisch |
sonstige |
Gesamt |
3560 - 50,7% |
2611 - 37,2% |
845 - 12,0% |
BIO |
192 - 20,0% |
763 - 79,4% |
6 - 0,6% |
HIS |
1395 - 67,0% |
182 - 8,7% |
506 - 24,3% |
SLW |
703 - 29,3% |
1367 - 56,9% |
333 - 13,8% |
WI |
1270 - 80,9% |
299 - 19,1% |
--- |
Bei der Aufgliederung der Publikationsformen nach Sprachen zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen zitierten Monographien und Zeitschriften: Bei den Monographien überwiegt insgesamt die deutsche Literatur (62,3 %), bei Zeitschriften die englische (58 %). Bei dem Vergleich Publikationsform und Erscheinungszeitraum war die Verteilung bei Monographien und Zeitschriften dagegen etwa gleich.
Bei der Analyse der in den 20 Dissertationen gefundenen Zitate zeigen sich deutliche fachliche Unterschiede:
Die Ergebnisse ähneln den bei der wesentlich umfassenderen münsterschen Untersuchung zum Informationsverhalten gefundenen Trends.7
Verfügbarkeit der zitierten Titel
Die Analyse der Literaturverzeichnisse in Hinsicht auf die Verfügbarkeit der einzelnen Titel ergab eine allgemeine Verfügbarkeitsquote von 70,8 % (4966 von 7016). Interessanter als dieser globale Wert ist die differenzierte Zählung nach Publikationsformen, Sprachen Erscheinungszeitraum und Fächern.
Tabelle 5: Verfügbarkeit der zitierten Literatur im Bibliothekssystem
Verfügbarkeit | Gesamt | BIO | HIS | SLW | WI | ||||
Monographien | 3111 - 73,5% | 85 | 54,5 % | 1149 | 74,2 % | 1038 | 68,3 % | 839 | 83 % |
vor 1980 | 1114 - 71,0% | 10 | 55,6 % | 645 | 73,3 % | 380 | 66,4 % | 79 | 79,8 % |
1980-1999 | 1849 - 74,8% | 67 | 54,5 % | 491 | 75,4 % | 630 | 69,2 % | 661 | 84 % |
2000ff. | 148 - 75,5% | 8 | 53,3 % | 13 | 68,4 % | 28 | 75,7 % | 99 | 79,2 % |
Deutsch | 2194 - 83,1% | 65 | 73 % | 850 | 79,2 % | 505 | 87,7 % | 774 | 85,9 % |
Englisch | 587 - 57,9% | 20 | 30,8 % | 90 | 65,7 % | 412 | 58,8 % | 65 | 59,1 % |
Sonstige | 330 - 57,1% | --- | --- | 209 | 62,8 % | 121 | 49,8 % | --- | --- |
Zs-Aufsätze,
print oder elektron. | 1760 - 67,7% | 538 | 68,7 % | 361 | 72,2 % | 485 | 60,5 % | 376 | 72,9 % |
vor 1980 | 534 - 59,2% | 44 | 52,4 % | 216 | 73 % | 208 | 46,7 % | 66 | 85,7 % |
1980-1999 | 1096 - 72,2% | 432 | 70,1 % | 143 | 71,9 % | 254 | 77,2 % | 267 | 71,6 % |
2000ff. | 130 - 71,8% | 62 | 74,7 % | 2 | 50 % | 23 | 82,1 % | 43 | 65,2 % |
Deutsch | 648 - 78,5% | 40 | 48,2 % | 233 | 82,9 % | 114 | 91,9 % | 261 | 77,4 % |
Englisch | 957 - 63,4% | 498 | 71,6 % | 32 | 71,1 % | 312 | 53 % | 115 | 64,2 % |
Sonstige | 155 - 58,7% | --- | --- | 96 | 55,8 % | 59 | 67 % | --- | --- |
Zeitungen | 55 - 54,5% | --- | --- | 6 | 17,6 % | 25 | 61 % | 24 | 92,3 % |
Sonstige | 40 - 50,6% | 17 | 77,3% | --- | --- | 17 | 42,5 % | 6 | 20 % |
Fast drei Viertel der zitierten Monographien waren im Bibliothekssystem nachgewiesen, englischsprachige Titel allerdings nur zu 58 %. Spitzenreiter bei der Verfügbarkeit von Monographien sind die Wirtschaftswissenschaften, insbesondere bei der schwerpunktmäßig benötigten deutschsprachigen Literatur zwischen 1980 und 1999. Die Verfügbarkeitsquote für biologische Monographien ist vergleichsweise gering, allerdings sind die absoluten Zahlen sehr niedrig. Problematisch erscheint hier aber die geringe Verfügbarkeitsrate bei englischsprachigen Monographien (30,8 %).
Bei Zeitschriften liegt die Verfügbarkeitsquote niedriger (67,7 %). Sie steigt bei den neueren Titeln deutlich an, bedingt durch die Zugriffsmöglichkeit auf ein breiteres Spektrum elektronischer Zeitschriften. Ein Spitzenwert zeigt sich bei der Sprach- und Literaturwissenschaft mit 92 % verfügbarer deutschsprachiger Zeitschriften. Bei englischsprachigen Zeitschriften liegt dies Fach allerdings deutlich unter dem Durchschnitt.
Die 1760 als verfügbar ermittelten Zeitschriftenaufsätze waren in der EZB auf elektronische Verfügbarkeit überprüft worden. Dabei wurden zum Bibliotheksbestand auch alle Zeitschriften gezählt, die via EZB als frei verfügbar ermittelt wurden, unabhängig davon, ob sie von der Bibliothek abonniert waren oder generell frei verfügbar sind.
Tabelle 6: Elektronisch verfügbare Zeitschriftenaufsätze
Verfügbarkeit der Zeitschiftenaufsätze | BIO | HIS | SLW | WI | |||||
Gesamt | 1760 - 67,7% | 538 | 68,7 % | 361 | 72,2 % | 485 | 60,5 % | 376 | 72,9 % |
Davon print und elektronisch | 270 - 15,3% | 231 | 42,9 % | 1 | 0,3 % | 16 | 3.3 % | 22 | 5,8 % |
Davon nur print | 1434 - 81,5% | 271 | 50,4 % | 360 | 99,7 % | 453 | 93,4 % | 350 | 93,1 % |
Davon nur elektronisch | 56 - 3,2% | 36 | 6,7 % | --- | --- | 16 | 3,3 % | 4 | 1.1 % |
Fast 82 % der zitierten Zeitschriftenartikel waren nur in Printform verfügbar. Nur in den biologischen Dissertationen waren zu 50 % Aufsätze genannt, die nur oder auch elektronisch verfügbar gewesen wären. Ob bestimmte Zeitschriften in elektronischer oder gedruckter Form genutzt wurden, war durch die Untersuchung nicht feststellbar.
Dass fast 71 % der zitierten Literatur im Bibliothekssystem vorhanden waren oder im elektronischen Zugriff über die Bibliothek verfügbar gewesen wären, scheint den Nutzen der von der Bibliothek bereitgestellten Literatur und Information auch für sehr spezielle Forschung zu belegen.
Zum Vergleich werden einige Ergebnisse aus anderen Zitatanalysen genannt (Tab. 7). Dabei ist zu beachten, dass "master's theses" und studentische Arbeiten weniger spezielles Material benötigen, also höhere Verfügbarkeit wahrscheinlich ist.
Tabelle 7: Ergebnisse von Zitatanalysen
Institution | Untersuchte Publikationen | Untersuchte Zitate | Verfügbar (%) |
California State University, | 342 "master's theses" in Psychologie | Zeitschriftenaufsätze | 91,9 % |
University of Georgia Libraries, | 1595 Dissertationen aller Fächer | alle | 87 % |
James Madison University Libraries, Harrisonberg, VA10 | 101 "honors theses" aller Fächer | alle | Bücher = 65,4 Zeitschriftenaufsätze = 58,2 |
Texas Tech University Library11 | 24 wissenschaftliche Aufsätze eines neuen Forschungsbereichs | alle | Bücher = 58 % Zeitschriftenaufsätze = 66 % |
St Mary's University Library, San Antonio, Texas12 | 157 studentische Arbeiten in Psychologie | Zeitschriftenaufsätze | 87 % |
Befragung der Autoren
Das Zitieren von Literatur kann als eine spezielle Form der Bibliotheksnutzung aufgefasst werden. "In summary, citations represent a form of literature use, and to some extent that can be considered library use."13 Aber wurden die zitierten Materialien wirklich über die Bibliotheksbestände genutzt? Das sollte eine zusätzliche Befragung der Autoren klären.
Alle 20 Autoren erklärten sich sofort bereit, Fragen nach der Herkunft der genutzten Literatur zu beantworten. Die Fragen lauteten:
Bis auf zwei Dissertationen (1mal Geschichte, 1mal Wirtschaftswissenschaft) wurden die Dissertationen in Münster verfasst.
Tabelle 8: Ergebnisse der Autorenbefragung
Wie haben Sie von relevanter |
Wie haben Sie sich die benötigte | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
nie | manchmal | häufig | nie | manchmal | häufig | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Doktorvater/-mutter | 5 | 12 | 3 | Bestand der ULB | 0 | 7 | 13 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Kommilitonen/Koll. | 5 | 10 | 5 | Fachber.-/Inst.-bib. | 0 | 5 | 15 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Sekundärliteratur | 0 | 4 | 16 | andere Bibl. in MS | 9 | 9 | 2 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Zeitschriften | 1 | 9 | 10 | persönl. Kontakte | 5 | 11 | 4 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Zeitungen | 15 | 4 | 1 | eigener Kauf | 4 | 12 | 4 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Bibliothekskataloge | 2 | 8 | 10 | Volltext: DB | 12 | 6 | 2 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Bibliographien | 4 | 10 | 6 | Volltext: Online-Zs | 8 | 6 | 6 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Datenbanken | 4 | 7 | 9 | Volltext: sonstige | 13 | 4 | 3 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Internet | 6 | 5 | 9 | Sonstige | 6 | 12 | 2 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Sonstige | 12 | 4 | 4 |
Als ergiebigste Quellen bei der Informationssuche wurden Sekundärliteratur, Zeitschriften und Bibliothekskataloge genannt, von den Biologen und Wirtschaftswissenschaftlern auch Datenbanken und Internet.
Bei der Literaturbeschaffung steht bei allen Befragten eindeutig das Bibliothekssystem in Münster an der Spitze. Das scheint zu belegen, dass die Nutzung in etwa der Verfügbarkeit entsprach.
Allgemeine Verfügbarkeit gewünschter Literatur in Münster
Die in der Zitatanalyse und der Autorenbefragung ermittelten Ergebnisse wurden auch mit der allgemeinen Verfügbarkeit gewünschter Literatur in Münster verglichen. Die Verfügbarkeit von Benutzern benötigter Literatur wird von Bibliotheken seit langem durch Verfügbarkeitsstudien (availability studies) ermittelt. Dabei wird untersucht, welcher Prozentsatz der von Benutzern am Online-Katalog gesuchten Literatur im Bibliotheksbestand nachgewiesen und zum Zeitpunkt des Bedarfs verfügbar ist.14
In der ULB Münster wurde die Verfügbarkeit nach zwei Untersuchungen 1991 und 1998 in einer kurzen Erhebung Ende 2003 erneut überprüft. Für die Stichprobe wurden 204 gesuchte Titel aus dem Zeitraum 19.11.2003 bis 10.12.2003 ausgewählt.
Tabelle 9: Allgemeine Verfügbarkeit gewünschter Literatur
2003 | % | 1998 | % | 1991 | % | |
Überprüfte Titel | 204 | 100 | 438 | 100 | 751 | 100 |
Vorhanden im Bibliothekssystem | 161 | 78,9 | 381 | 87,0 | 607 | 80,8 |
| 137 | 67,2 | 336 | 76,7 | 521 | 69,4 |
| 12 | 8,8 | 103 | 30,7 | 165 | 31,7 |
Die allgemeine Verfügbarkeit von fast 79 % im Bibliothekssystem liegt höher als bei den Zitaten in Dissertationen (knapp 69 %), da Studierende aller Semester mit Literaturwünschen in die Bibliothek kommen und zum Teil nur grundlegende Literatur benötigen, die natürlich in höherem Umfang vertreten ist als die speziellere der Dissertationen.
3 Fazit
Mit Hilfe der Zitatanalyse von Bibliographien in Dissertationen sollte ermittelt werden, wie weit die von der Bibliothek angebotenen Literatur- und Informationsbestände für den Bedarf solcher Arbeiten ausreichen, ob also die Bibliothek mit ihrer Beschaffungspolitik die wissenschaftliche Arbeit effektiv unterstützt. Zweck der Untersuchung war nicht die Bestandsevaluierung, für die eine wesentliche größere und breitere Datenbasis notwendig wäre, sondern der Test einer Methode, die eine Verbindung zwischen Bibliotheksbestand und Forschung herstellt.
Bei der Nutzung der Ergebnisse sind bestimmte Probleme der Methode zu berücksichtigen:
Trotz dieser Einschränkungen wurde in den Ergebnissen der Analyse deutlich, dass die in Münster vorhandenen oder über die Kataloge nutzbaren Bestände auch für spezielle wissenschaftliche Forschung weitgehend ausreichten. De Bedeutung der lokalen Bestände wurde in der Autorenbefragung bestätigt.
Zitatanalyse in wissenschaftlichen Publikationen im Sinne des Nachweises von Wirkung der Bibliotheksdienste für die Forschung sollte aber nicht als einzige Methode verwendet werden, sondern durch eher subjektive Methoden wie Befragungen oder Interviews ergänzt werden, um die Ergebnisse zu überprüfen.
Zu den Autoren
Dr. Roswitha Poll, Direktorin a.D.
E-Mail: kayss@uni-muenster.de
Matthias Kayß, Öffentlichkeitsarbeit
E-Mail: kayss@uni-muenster.de
Universitäts- und Landesbibliothek Münster
Krummer Timpen 3-5
D-48143 Münster
Anmerkungen
1. Haycock, Laurel A.: Citation analysis of education dissertations for collection development. In: Library Resources & Technical Services 48,2 (2004), S. 102-106; Kelland, John Laurence: Citation patterns and library use. In: Encyclopedia of Library and Information Science Bd.61, Suppl. 24 (1998), S. 62-76; Leiding, Reba: Using citation checking of undergraduate honors thesis bibliographies to evaluate library collections. In: College & Research Libraries 66,5 (2005), S. 417-429; Stein-Arsič, Mirjana, Elmar Bicker, Beate Bucher, Rafael Ball: Bibliometrische Analysen als Instrument des Bestandsmanagements in Bibliotheken. In: B.I.T.online 4/2003, S. 347-351; Sylvia, Margaret J.: Citation analysis as an unobtrusive method for journal collection evaluation using psychology students research bibliographies. In: Collection Building 17,1 (1998), S. 20-28; Thomas, Joy: Graduate student use of journals: a bibliometric study of psychology theses. In: Behavioral & Social Sciences Librarian 12,1 (1993), S. 1-7; Waugh, Keith C., Margie Ruppel: Citation analysis of dissertation, thesis, and research paper references in workforce education and development. In: The Journal of Academic Librarianship 30,4 (2004), S. 276-284.
2. Beile, Penny M., David N. Boote, Elizabeth K. Killingsworth: A microscope or a mirror? A question of study validity regarding the use of dissertation citation analysis for evaluating research collections, In: The Journal of Academic Librarianship 30,5 (2004), S. 347-353; Middleton, Anne: An attempt to quantify the quality of student bibliographies. In: Performance Measurement and Metrics 6,1 (2005), S. 7-18; Tuñon, Johanna, Bruce Brydges: Improving the quality of university libraries through citation mining and analysis using two new dissertation bibliometric assessment tools. 71st IFLA Oslo 2005 http://www.ifla.org/IV/ifla71/papers/078e-Tunon_Brydges.pdf
3. Tuñon S. 1
4. Beile S. 352
5. Ahtola, Anneli A.: How to evaluate and measure the impact of the library's collection on the learning outcome? 68th IFLA Glasgow 2002 http://www.ifla.org/VII/s2/conf/ahtola.pdf; Smith, Erin T.: Assessing collection usefulness: an investigation of library ownership of the resources graduate students use. In: College & Research Libraries 64,5 (2003), S. 344-355.
6. Poll, Roswitha: Informationsverhalten und Informationsbedarf der Wissenschaft. Teil 1 der Nutzungsanalyse des Systems der überregionalen Literatur- und Informationsversorgung. In: ZfBB 51,2 (2004), S. 59-75. In der SSG-Studie wurde für die Sprach- und Literaturwissenschaften exemplarisch die Anglistik untersucht, außerdem war dort auch das Fach Maschinenbau enthalten, das in Münster nicht vertreten ist.
7. Poll 2004, S. 65 f.
8. Thomas S. 1
9. Smith 2003, S. 351
10. Leiding S. 424
11. Johnson, Bill: Environmental impact: a preliminary citation analysis of local faculty in a new academic program in environmental and human health applied to collection development in an academic library. In: Library Philosophy and Practice 2,2 (2000) http://www.webpages.uidaho.edu/~mbolin/Wjohnson.PDF
12. Sylvia S. 24
13. Kelland S. 66
14. Poll, Roswitha, Peter te Boekhorst: Leistungsmessung in wissenschaftlichen Bibliotheken. Internationale Richtlinien. München: Saur 1998, S. 86-90.
15. Poll 2004, S. 71