Einsatz und Erfolge von Competitive Intelligence im deutschen Mittelstand


Abstract

1 Was ist Competitive Intelligence (CI)?
2 Was sind die Ziele von CI?
3 Einsatz von CI im deutschen Mittelstand
4 Fazit


von Kirsten Böttcher, Kathrin Fernitz, Stefanie Kress, Barbara Wissenbach

SCIP: 1986 wurde die "Society of Competitive Intelligence Professionals" (SCIP) in den Vereinigten Staaten gegründet. Die gemeinnützige Interessenvertretung zählt mehr als 5.000 Mitglieder in über 50 Ländern und bietet umfassende Schulungsmöglichkeiten und Erfahrungsaustausch für alle, die im Bereich der CI arbeiten". Mit ihrem "Code of Ethics for CI Professionals" zeigt die SCIP deutlich die Grenze zur Wirtschaftsspionage auf und hält ihre Mitglieder an, im Rahmen der legalen Möglichkeiten zu agieren.
vgl.: http://www.scip.org/about/scipde.asp

Im Rahmen eines Projektes des Fachbereichs Informations- und Wissensmanagement der Fachhochschule Darmstadt nahmen Studenten unter der Leitung von Prof. Dr. Heide Gloystein am Recherchewettbewerb ReQuesT (Recherchieren - Qualifizieren - Kommunikation für junge Wissensmanager) teil. Ausgeschrieben vom Berufsverband für Konkurrenzforscher SCIP (Society of Competitve Intelligence Professionals), galt es, in einem vierwöchigen Bearbeitungszeitraum eine Abhandlung zum Thema: "Einsatz und Erfolge von Competitive Intelligence im deutschen Mittelstand. Wie notwendig und sinnvoll ist der Einsatz und kann er mit eigenem Personal geleistet werden?" zu erstellen.

Zur Jahrestagung deutscher Wettbewerbsforscher am 23. November 2005 in Kloster Andechs bei München wurden die besten Teilnehmer eingeladen. Vor einer Jury aus CI Fachleuten präsentierte das Team der Fachhochschule Darmstadt seine Ergebnisse und belegte den zweiten Platz.

Abbildung 1: Wettbewerbsteam der FH Darmstadt
- FB Informations- und Wissensmanagement

1 Was ist Competitive Intelligence (CI)?

In den rasant wachsenden und sich schnell ändernden Wirtschaftsbereichen benötigen Unternehmen heute zuverlässige und aktuelle Informationen über neue Märkte, die eigene Branche und über Konkurrenzunternehmen. Die strategische Wettbewerbsforschung gewinnt deshalb zunehmend an Bedeutung. Der Begriff Competitive Intelligence ist auch unter den folgenden Quasi-Synonymen bekannt:

CI bezeichnet die strukturierte und fortlaufende Sammlung, Aufbereitung und Auswertung von Informationen über Mitbewerber und die aktuelle Marktentwicklung. Daraus resultieren permanente, dynamische Markt- und Konkurrenzbeobachtungen, deren Verfahren im Rahmen der Marktforschung Ende der 70er Jahre entwickelt wurden.

Durch die Konkretisierung der Methoden in seinem 1980 veröffentlichten Buch "Competitive Strategy - Techniques for Analyzing Industries and Competitors" gilt der Harvard-Professor Michael E. Porter als geistiger Vater von Competitive Intelligence. Mit Beginn der 90er Jahre ist die Konkurrenzbeobachtung als Mittel von Wettbewerbsstrategien zunehmend auch in deutschen Unternehmen zu finden.

Seitdem kristallisierten sich die folgenden drei Strategien heraus:

1. Strategic Intelligence verkörpert die fortlaufende Beobachtung und Analyse des Wettbewerbers, um präzise Kenntnisse über dessen Umfeld und seine zukünftigen Ziele zu erlangen.

2. Tactical Intelligence beschreibt alle Aktivitäten, die die Erfassung von wesentlichen Daten, wie z.B. Preislisten, Geschäftsbedingungen oder Produktkenntnissen, des entsprechenden Konkurrenten zum Ergebnis haben.

3. Counter Intelligence bedeutet, Informationen eines Unternehmens vor legalen und illegalen Angriffen der Konkurrenz zu schützen bzw. diese abzuwehren.1

2 Was sind die Ziele von CI?

Primäres Ziel von Competitive Intelligence ist das Erlangen von Wettbewerbsvorteilen und der sich daraus ergebende Ausbau von Marktanteilen sowie die Ertragssteigerung. In der komplexen, sich rasant ändernden Geschäftswelt ist es entscheidend, die richtigen Informationen schnell und gezielt für Managemententscheidungen verfügbar zu haben.

Der Einsatz von CI und die daraus resultierenden Informationssysteme sollen Übersicht und Klarheit über aktuelle Informationen und Entwicklungen des gesamten Wettbewerbs erbringen und so die Verbesserung und Erhaltung der Marktposition des Unternehmens im globalen Umfeld zu sichern.

Abbildung 2: Der CI-Kreislauf (CI-Cycle)

Der Aufbau und die Verankerung eines systematischen und kontinuierlichen Prozesses der Markt- und Konkurrenzbeobachtung soll der Unternehmensführung dazu dienen, mit Hilfe der herausgefilterten Informationen Konsequenzen für die Zukunft abzuschätzen und Entscheidungen für Reaktionsmaßnahmen zu treffen.

Idealerweise wird CI als fortlaufender Prozess in einem Unternehmen eingesetzt. Man unterscheidet dabei fünf verschiedene Phasen, die bei regelmäßiger Anwendung als CI-Zyklus bezeichnet werden.

Informationsbedarfsanalyse - In der ersten Phase des CI-Kreislaufs werden die Informationsbedürfnisse der Entscheidungsträger festgelegt. Dies beinhaltet die Analyse von Wettbewerbern und Substitutionsprodukten, die Macht der Lieferanten, die Verhandlungsstärke der Kunden, sowie die Rivalität in der eigenen Branche (siehe Fünf-Kräfte-Modell von M. Porter2).

Datensammlung und Aufbereitung - Im zweiten Prozessschritt erfolgt die Erhebung der Daten. Unterschieden wird hier zwischen:

Internen Daten Externen Daten
- liegen im Unternehmen vor
- z.B. Kunden- und Lieferantendateien, interne Statistiken, persönliche E-Mail oder telefonische Kontakte der Mitarbeiter etc.
- stammen nicht aus dem Unternehmen selbst
- z.B. Nachfrage bei Konkurrenten, Verbänden etc.
Primärquellen Sekundärquelle
- eigens erhobene Daten
- z.B. Kunden-, Vertrieb-, Experteninterviews, persönlicher Kontakt zu Wettbewerbern etc.
- von Dritten erhobene Daten
- z.B. Datenbanken, Pressemitteilungen, Zeitungen/Fachzeitschriften, Firmenpublikationen, Internet etc.3

Abbildung 3: Informationsquellen

Analyse und Interpretation - In dieser Phase werden die gesammelten Daten und Informationen interpretiert, analysiert und miteinander in Beziehung gesetzt. Die daraus resultierenden Schlussfolgerungen werden in den Unternehmenskontext gestellt.

Kommunikation - Die vierte Phase dient der Weitergabe der Analyseergebnisse zur richtigen Zeit und in geeigneter Aufbereitung an die entsprechenden Entscheidungsträger. Grund dafür ist, dass die gewonnenen Informationen eine entscheidungsunterstützende Funktion haben sollen. Arten des Reportings sind z.B. formale Reports, Executive Intelligence Briefings, Intranet-Sites, mündliche Präsentationen, News Alerts,

E-Mail-Newsletter, etc.4

Entscheidung und Feedback - Der fünfte Prozessschritt befasst sich mit den Entscheidungen der Führungskräfte auf Grundlage der präsentierten Informationen. Das Feedback der Empfänger solcher Reports ist ein wichtiger Punkt für die Erfolgskontrolle des CI-Prozesses. Die Reaktionen in dieser Phase können zu neuen Aufgabenstellungen führen. Somit schließt sich der CI-Prozess zu einem Kreis und beginnt erneut mit der Informationsbedarfsanalyse.

3 Einsatz von CI im deutschen Mittelstand

In der Analyse der Wettbewerbsthematik wird gezeigt, in welchen Branchen CI zum Einsatz kommt, wie es seine Anwendung findet und in welchem Rahmen Competitive Intelligence in die organisatorische Struktur von mittelständischen Unternehmen eingebunden wird. Hierzu wurden Wirtschaftswissenschaftler, CI-Experten und Mitarbeiter von Unternehmen, die Competitive Intelligence betreiben, befragt.

Branchen

Der Einsatz von Competitive Intelligence in Deutschland ist noch nicht mit der Etablierung in Ländern wie den USA, Großbritannien, Frankreich, Japan oder auch in Skandinavien zu vergleichen.

Hauptsächlich wird CI in Branchen betrieben, in denen eine starke Dynamik hinsichtlich der Innovationsprozesse und Marktteilnehmer herrscht, z.B. der Mobilfunkmarkt, sowie in eng umkämpften Sparten wie dem Passagierflugzeugmarkt. Weitere Sektoren, in denen nach Meinung von Experten CI eingesetzt wird, sind Maschinenbau, Erneuerbare Energien, Biotechnologie, Nanotechnologie, IT-Branche, Pharmaindustrie, Telekommunikation, Automobilindustrie, Automobilzulieferer, Chemie, Finanzen, Luft- und Raumfahrt, Hard- und Software sowie die Unterhaltungsbranche und die Medienwelt.

Organisatorische Einbindung

CI-Aktivitäten, die vielmals bisher schon unter den Bezeichnungen Marktforschung oder Wettbewerbsbeobachtung durchgeführt wurden, sind in den Unternehmen auch in diesen Abteilungen angesiedelt oder an Mitarbeiter anderer Bereiche vergeben, die die CI-Arbeit zusätzlich betreuen und direkt an den Vorstand berichten, z.B. Vertrieb, Controlling, Marketing, Technik. Generell kann man sagen, dass die organisatorische Nähe zu den Entscheidungsträgern von großer Wichtigkeit ist.

Internes Personal

Hierbei spielt die Betriebsgröße eine wichtige Rolle: Je kleiner das Unternehmen, desto wahrscheinlicher kann CI mit eigenem Personal geleistet werden. Sobald jedoch internationaler Wettbewerb hinzukommt, kann externes Personal unterstützend wirken.

Beim Einsatz eigenen Personals sollte eine entsprechend Aus-/ bzw. Weiterbildung gegeben sein. Die Mitarbeiter sind folglich in der Lage, effektiv, effizient und kontinuierlich nach Informationen in den relevanten Quellen mit den richtigen Tools zu suchen und diese qualitativ auszuwerten und aufzubereiten.

Auch wenn im Einsatz von eigenem Personal die Gefahr besteht, dass es zu sehr in den Prozess involviert und die Objektivität nicht gewährleistet ist, so äußerten sich die befragten Unternehmen diesbezüglich jedoch positiv. Die eigenen Mitarbeiter kennen ihr Unternehmen und meist auch die Branche am besten und können die gewonnenen Informationen deshalb besser auswerten.

INTERN
Organisationsart Vorteil Nachteil
Eigene Abteilung Eindeutige Verantwortung Mangelnde Spezialisierung + Tiefe
Spezialistenteams in Abteilungen Tieferes Verständnis für CI-Belange in der jeweiligen Abteilung Kein Gesamtüberblick über Konkurrenzaktivitäten
Abteilungsübergreifende Projektteams Ergibt sich aus o.g. Vorteilen Ergibt sich aus o.g. Nachteilen

Abbildung 4: Vor- und Nachteile interner Organisationsstrukturen5

Externe Beratungsunternehmen

Durch externe Beratung besteht die Möglichkeit, CI zunächst zu "erschnuppern", d.h. die Unternehmen können sich einen Eindruck von Kosten und Nutzen verschaffen und für einen befristeten Zeitraum mit externen Professionals zusammenarbeiten.

Externe Berater sind kritischer und haben den nötigen Abstand. Andererseits wird jedoch befürchtet, dass ein Externer die Eigenheiten des Unternehmens nicht gut genug kennt. Der erste Schritt der Beschaffung von Informationen lässt sich gut auslagern, der zweite Schritt der Analyse sollte aus Sicht der Unternehmen zur Wahrung von Firmengeheimnissen jedoch nicht nach außen vergeben werden.

EXTERN
Vorteil Nachteil
  • Mitarbeiter-Ressourcen bleiben für die tägliche Arbeit erhalten
  • Nutzung von geeigneten Informationsquellen > Spezialisten
  • Focus auf zielführenden Fragestellungen
  • mangelnder Einblick in die Unternehmensprozesse
  • Gefahr d. Weitergabe von internen Informationen an die Konkurrenz
  • u.U. kein Vertrauen in externe CI-Berater, deswegen schlechte Zusammenarbeit

Abbildung 5: Vor- und Nachteile externer CI-Dienstleister

Kosten

Die Hauptkosten für CI werden im Personalbereich gesehen. Entsprechend qualifizierte Mitarbeiter, die neben der qualitativen Wissensrecherche auch in der Lage sein müssen, auf Basis der Auswertungen und Analysen eine Empfehlung an die Geschäftsführung auszusprechen, sind kostenintensiv.

Bisher sind Firmen leider oft nicht bereit, für Informationen zu zahlen und beziehen diese lediglich aus freizugänglichen Quellen, wie z.B. dem Internet, statistischen Quellen oder Publikationen. Spezielle CI-Software spielt in den befragten Unternehmen aufgrund der Anschaffungskosten nur eine untergeordnete Rolle, so ist man entweder auf der Suche nach geeigneten Tools oder nutzt eigens entwickelte Systeme.

Der Nutzen und die Rentabilität von CI wird von den mittelständigen Unternehmen meist nicht in Frage gestellt, obwohl der Erfolg nicht direkt messbar ist. Es wird versucht, eine Transparenz anhand der Kundenakquise oder durch die CI-Scorecard (in Anlehnung an die Balanced Scorecard) herzustellen.

4 Fazit

Im Rahmen der Ausarbeitung zeigte sich, dass Competitive Intelligence im deutschen Mittelstand zunehmend Anerkennung findet, jedoch eigene CI-Abteilungen noch sehr rar sind. Eine Vielzahl von Unternehmen betreibt unregelmäßige Vorstufen eines professionellen CI, meist beheimatet in den Abteilungen Marketing oder Marktforschung.

Von Gründern und Familien geführte mittelständische Betriebe scheinen eine eher konservative Sicht auf neue Managementmethoden zu haben. Es herrscht eine Mentalität der Vorsicht, hinzu kommt Investitionsangst und sicher auch Unwissenheit über Einsatz und Möglichkeiten von Competitive Intelligence. Daraus ergeben sich oft halbherzige CI-Ansätze. Eine Erklärung könnte sein, dass der Mittelstand heute um das Überleben kämpft und daher keine finanziellen Mittel hat, um in eine neue, unbekannte Methode zu investieren, deren Nutzen nicht unmittelbar erkennbar ist.

Der Mittelstand sollte verstehen, dass durch CI ein entscheidender Wissensvorsprung entstehen kann, der letztendlich die eigene Marktsituation verbessert. Der immer stärker werdende Konkurrenzkampf (z.B. EU-Osterweiterung, Öffnung der asiatischen Märkte), kürzere Produktlebenszyklen und die Konfrontation mit Produktinnovationen im internationalen Wettbewerb machen jedoch klar, dass CI für den deutschen Mittelstand unentbehrlich ist.

Die Unternehmen müssen sich vor Augen führen, dass der Aufbau und die Pflege eines funktionierenden CI-Zyklus, welcher den internen Informationsfluss gewährleistet, Zeit und Manpower erfordert. Nur der professionelle Einsatz von Competitive Intelligence bringt langfristigen Erfolg.


Zu den Autorinnen


Kirsten Böttcher

3. Semester
FH Darmstadt - FB Informations- und Wissensmanagement
E-Mail: boettcher.kirsten@gmx.de

Kathrin Fernitz

5. Semester
FH Darmstadt - FB Informations- und Wissensmanagement
E-Mail: k.fernitz@web.de

Stefanie Kress

5. Semester
FH Darmstadt - FB Informations- und Wissensmanagement
E-Mail: stefanie_kress@hotmail.com

Barbara Wissenbach

3. Semester
FH Darmstadt - FB Informations- und Wissensmanagement
E-Mail: bwissenbach@gmx.de

Projektleiterin: Frau Professor Dr. rer. nat. Gloystein

FH Darmstadt - FB Informations- und Wissensmanagement
Campus Dieburg
Max-Planck-Str.2
D-64807 Dieburg
E-Mail: gloystein@iuw.fh-darmstadt.de


Anmerkungen

1. vgl.: Schrader, Marc: Competitive Intelligence - Einsatz, Chancen und Risiken. 2002, S. 7

2. vgl.: Porter, Michael E.: Wettbewerbsstrategien. Campus, 1999

3. vgl.: Deltl, Johannes: Strategische Wettbewerbsbeobachtung. Gabler, 2004, S. 62ff

4. vgl.: Deltl, Johannes: Strategische Wettbewerbsbeobachtung. Gabler, 2004, S. 112ff

5. vgl.: Deltl, Johannes: Strategische Wettbewerbsbeobachtung. Wiesbaden: Gabler, 2004, S. 139ff