Netzwerk Bibliothek

Bericht vom 95. Deutschen Bibliothekartag 2006 in Dresden
Fortbildung, Firmenkontakte, "Familientreffen"

von Wolfgang Ratzek

Dass die Veranstalter des diesjährigen Bibliothekartags Dresden als Veranstaltungsort gewählt haben, verdient aus verschiedenen Gründen Anerkennung. Dresden feiert in diesem Jahr sein 800-jähriges Stadtjubiläum. Und vor 450 Jahren - also 1556 - eröffnete die kurfürstliche "Liberey", aus der später die Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) entstand. Darüber hinaus positioniert sich Dresden als "Stadt der Wissenschaft 2006". Dabei geht es um die Vernetzung und Kooperation von Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst und Kultur mit der Stadt. In dieses Umfeld passte der 95. Deutsche Bibliothekartag im Internationalen Congress Center Dresden - übrigens der größte Kongress in diesem Jahr 2006 in Dresden.

Passendes Motto: Netzwerk Bibliothek

Das diesjährige Motto interpretierte die VDB-Vorsitzende Daniela Lülfing treffend so: "Netzwerk Bibliothek" bedeute auch "Netzwerk der Bibliothekare". Daniela Lülfing betonte, dass der Bibliothekartag auch eine Fortbildungsveranstaltung und eine Kontaktbörse sei. Denn lebenslanges Lernen müsse natürlich auch für den Berufsstand der Bibliothekarin und des Bibliothekars gelten. In diesem Zusammenhang verwies die VDB-Vorsitzende auf die Rolle der Firmenaussteller, die zur Finanzierung des Fortbildungsprogramms beitrügen.

Mit einigem Stolz verkündete Thomas Bürger, der Generaldirektor der SLUB, auf der Pressekonferenz, dass die magische Zahl von 3000 Teilnehmern1 überschritten worden sei. Außerdem sei der "Deutsche Bibliothekartag" inzwischen ein internationaler Bibliothekartag, da über 200 Gäste aus 15 Nationen, darunter zwei Gruppen aus den USA, angereist sind. Michael Reisser, Geschäftsführer des BIB, betonte auf der Eröffnungspressekonferenz die Bedeutung der Lobbyarbeit für Bibliotheken und Susanne Riedel stellte das breite Aufgabenspektrum von Bibliotheken in den Bereichen Kultur, Bildung, Wissenschaften und Alltagsbewältigung heraus - denn auch die Sozialarbeit, so Susanne Riedel, gehöre manchmal zum bibliothekarischen Aufgabenspektrum.

Abbildung 1: Eröffnungspressekonferenz (v.l.n.r.): Michael Reisser, Susanne Riedel, Thomas Bürger, Daniela Lülfing
[Foto: Bernd Schleh]

Vielseitiges Programm in vollen Räumen

Mit etwa 300 Veranstaltungen wurde den Teilnehmern ein reichhaltiges Programm geboten. Offenbar überwältigt von dem Fortbildungswillen, reichte die Kapazität der Konferenzräume aber nicht aus, sodass die Räume oft übervoll waren und auch vor den Türen viele Interessierte standen. Das Programm war in 12 Themenkreisen (T) gegliedert und bildete ein breites und aktuelles Spektrum: Reformen - auch für Bibliotheken (T 1); Erhaltung und Präsentation der kulturellen Überlieferung (T 3); Bibliotheken und Bibliothekare in Europa (T 6); Verlage, Suchmaschinen und Bibliotheken (T 8); Barrierefreier Zugang zu Informationen (T 10), Bibliothek und Ideologie (T 11); Hält das Netzwerk Bibliothek? (T 12). Nach Rücksprache mit Teilnehmern und eigenen Eindrücken waren die Referate im Allgemeinen auf einem gehobenen Niveau. Als wenig gelungen empfanden die Teilnehmer, dass die Themenkreise im Prinzip nur als Block besucht werden konnten. Viele Besucher hätten sich Terminangaben gewünscht, um gezielter Auswählen zu können.

Aber nicht nur im offiziellen Rahmen gab es Referate und Workshops, sondern auch am Rande des Bibliothekartages. Ein Beispiel dafür ist ein Informationsaustausch, zu dem der Berliner Verlag BibSpider in die Stadtbibliothek Dresden im World Trade Center einlud. Die rund 20 TeilnehmerInnen diskutierten rege über Bibliotheksdienstleistungen und nutzten die Gelegenheit, um ihre speziellen Dienstleistungen vorzustellen. Auf diese Weise erfuhren die TeilnehmerInnen etwas, wofür sie sonst kaum oder nur wenige Interesse aufgebracht hätten. Das Spektrum reichte von Gefangenenbüchereien über spezielle Angebote für die 60-plus-Generation oder die elektronische Zeitschrift LIBREAS - Library Ideas.

Sehr gelungen war auch das breite Angebot "Dienstleistungsmarkt Bibliotheken". Besonderes Interesse weckte der Stand der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen, die mit einen Auftritt gleich drei überzeugende Dienstleistungen anzubieten hatten: hoeb4u (www.hoeb4u.de) - Hamburgs erste Jugendbibliothek, die von angehenden FAMIs geleitet wird. INA - die Informations- und Navigations-Assistentin, ein Chat-Bot, ein Serviceangebot der Bücherhallen. Last but not least das Angebot in Zeichensprache.

Firmenausstellung

Die 100 Aussteller, die mit 41 Firmenvorträgen das Programm ergänzten, zeigten sich zufrieden. Als gelungen bezeichneten sowohl Teilnehmer als auch Aussteller, dass sich Konferenzräume und Ausstellung unter einem Dach befanden. - Langsam scheint sich die Einsicht durchzusetzen, dass die Aussteller erheblich zum Gelingen der Bibliothekartage bzw. der Bibliothekskongresse beitragen. Die Get-Together-Party nach der Eröffnung spielte sich dicht gedrängt in den Gängen zwischen den Ausstellerflächen ab und ermöglichte viele ungezwungene Gespräche - eine gute Idee!

Dem Berichterstatter ist in der Firmenausstellung dieses Mal das niederländische Unternehmen Nedap besonders aufgefallen, das sich bereits seit 30 Jahren, wie es im Slogan heißt, auf das Thema Creating the smart library konzentriert. Zur Angebotspalette gehört das RFEAS2/RFID Combi System, das registriert, wie viele Besucher sich in der Bibliothek befinden und wie viele die Bibliothek wieder verlassen haben. Das System erkennt auch, wer nur so tut, als würde er die Bibliothek verlassen. Dann wird ein so genannter Ghost Alarm ausgelöst. Nedap präsentierte auch ein intelligentes Bücherregal, das eine automatische Rückverbuchung und Selbstsortierung durch den Kunden ermöglicht. Bei falscher Einsortierung meldet sich eine synthetische Stimme mit entsprechenden Korrekturhinweisen. Überzeugend auch das Controlpad-gesteuerte Ausleihfach BiblioXS, eine Art Schließfach, aus dem Kunden ihre Medien, die sie irgendwann einmal über Internet geordert haben, Rund-um-die-Uhr abholen können.3

Unter den Ausstellern waren zwei Hochschulen: die Humboldt Universität mit ihrem Fernstudienangebot und die Hochschule der Medien Stuttgart (HdM) - gleich in dreifacher Mission: Als Partner auf dem Stand der ekz.bibliotheksservice GmbH wurde ein Aktionsprogramm präsentiert und das internationale studentische Symposium BOBCATSSS beworben, dass im Januar 2007 in Prag stattfinden wird. Neben dem stationären Auftritt der HdM gab es noch eine mobile Variante. Im Rahmen des studentischen Projekts "BM goes Multimedia" wurden Interviews mit der LIS-Prominenz geführt, die den Rahmen für einen etwa 15-minütigen Imagefilm über den Studiengang Bibliotheks- und Medienmanagement bilden.

Abbildung 2: Die Get-Together-Party: Das Vergnügliche mit dem Nützlichen verbinden
[Foto: Henrik Ahlers, André Rous]
Abbildung 3: BiblioXS: Einfache Lösung für einen 24-Stunden-Service

An den Nachwuchs gedacht!

Für Anne Friedrich, 4. Semester Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der HTWK Leipzig, war dieser Bibliothekartag in Dresden der erste, den sie besuchte. Sie wirkte "hinter den Kulissen" als Voluntärin mit. Die in Dresden für Newcomer angebotenen Sonderkonditionen wurden von den Auszubildenden, den Studierenden und den frisch Diplomierten gern angenommen. Während die einen nur mal Kongressluft schnuppern wollten, waren andere auf der Suche nach einem geeigneten Thema für ihre Diplom-/Bachelor-Arbeit (z.B. bei GBI-Genios) und wieder andere hofften auf eine Praktikumsstelle oder gar, hier einen potenzielle Arbeitgeber zu treffen (Bond und GBI-Genios hatten tatsächlich Vakanzen). Und auch der 2. Newcomer-Treff am gemeinsamen Stand von BIB und VDB war sehr gut besucht - nicht zu vergessen die Vergabe der B.I.T.online Innovationspreise.

Bibliothekspolitik

Die TeilnehmerInnen konnten auf dem diesjährigen Bibliothekartag zudem Bibliothekspolitik pur erleben. Die DBV- und zukünftige IFLA-Präsidentin Claudia Lux wurde stets umlagert und zu vielen Gesprächen angefragt. "Bibliothek & Information Deutschland" (BID) hat mit Barbara Lison eine neue Sprecherin, die von der Tageszeitung "taz" am 5. April 2006 als "Die moderne Bibliothekarin" prämiert wurde. Und das Thema einer Deutschen Nationalbibliothek führte zur Absage der Generaldirektoren der großen deutschen Bibliotheken, die sich der öffentlichen Diskussion entzogen. Stattdessen kam es zu einer hochkarätigen Schlussdiskussion "Hält das Netzwerk Bibliothek? Anforderungen und Wünsche an die Bibliotheken", an der unter anderem Claudia Lux, der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Peter Strohschneider, und der Direktor des Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme, Jan-Michael Rost, teilnahmen. Alle stellten die Notwendigkeit von Bibliotheken heraus.

Über alles Wichtige informierte, wie bei anderen Bibliothekartagen/-kongressen auch, die Kongresszeitung B.I.T.online Kongress-News, die täglich pünktlich erschien und in hoher Qualität von einem vierköpfigen Team produziert wurde.

Fazit und Essentials für die Zukunft

Aus den Gesprächen mit Teilnehmern und Ausstellern ergab sich, dass jeder zukünftige Veranstalter von Bibliothekartagen oder Bibliothekskongressen einige Essentials berücksichtigen sollte:


Zum Autor

Prof. Dr. Wolfgang Ratzek

Hochschule der Medien
Fachbereich Information und Kommunikation
Wolframstraße 32
D-70191 Stuttgart
E-Mail: ratzek@hdm-stuttgart.de


Anmerkungen

1. Pressemitteilung der SLUB (INF0 472) vom 27.2.2006: "Über 3250 Teilnehmer, darunter 100 ausstellende Firmen, bestätigen die Notwendigkeit eines Forums für die öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland."

2. RFEAS steht für Radio Frequency Electronic Anti-Theft-System

3. Mit der Ausleihbestätigung erhalten die Kunden einen Zugangscode zum Öffnen des Schließfaches, wobei dieses auch, wenn gewünscht, für 24 Stunden geschaltet werden kann.