Arbeitsfelder für Fachangestellte für Medien- und
Informationsdienste und Bibliothekare in der freien Wirtschaft

Eine Start-Up-Veranstaltung beim Bibliothekartag 2006 in Dresden

von Karin Holste-Flinspach

Auch auf dem diesjährigen Dresdener Bibliothekartag fanden am 22.März 2006 wiederum die zwei schon traditionell von der Kommission "Aus- und Fortbildung" des BIB angebotenen Veranstaltungen "Innovationsforum" und "Start-Up" statt. Dieses Mal eingebettet in den Newcomer-Tag des Bibliothekartages berichteten innerhalb des Themenkreises 6 "Bibliotheken und Bibliothekare in Europa" drei junge Kolleginnen in der Start-Up-Vortragsreihe von ihren alternativen Berufsfeldern abseits des öffentlichen Dienstes.

1 Eine Bibliothekarin im Gesetzesdschungel (Tätigkeitsfeld Anwaltskanzlei) / Michaela Bloch

Den Anfang machte Michaela Bloch, die sich nach ihrer Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste in Jena auf Stellensuche auch außerhalb Thüringens machen musste und in der Bibliothek der Anwaltskanzlei Baker und McKenzie - einem weltweit vertretenen Unternehmen mit mehreren Büros in Deutschland - in Frankfurt am Main fündig wurde. Gemeinsam mit einer diplom-bibliothekarischen Kollegin waren neben dem Bibliotheksalltag zunächst die Erstellung einer Systematik für die einzelnen Rechtsgruppen, die Katalogisierung nach RAK und Erfassung in Libero bis hin zum Bibliotheksumzug 2005 in großzügige, helle Räume im Erdgeschoss zu bewältigen, deren Bilder den Abschluss des Vortrags bildeten. Die Erwerbung erfolgt im Monographienbereich über Ansichtsbestellungen aus Fachbuchhandlungen. Die zahlreich abonnierten Zeitschriften müssen eingearbeitet, Kopien der Inhaltsverzeichnisse verteilt werden. Am Jahrgangsende kommen Bindearbeiten hinzu. Für das Einsortieren und Aktualisieren der vielen Loseblattsammlungen für die Juristen und Steuerberater von Baker/McKenzie stehen zusätzlich Aushilfen zur Verfügung. Der Arbeitsalltag hält darüber hinaus vor allem Recherchen in konventionellen Nachschlagewerken und elektronischen Datenbanken - z.B. in Juris und GBI - bereit, oft unter Zeitdruck. Nicht downzuloadende oder vorhandene Dokumente müssen vor Ort aus der Johann-Christian-Senckenberg-Universitätsbibliothek oder Die Deutsche Bibliothek bzw. über subito beschafft werden. Bei der Beschaffung kann auch auf die Hilfe von KollegInnen anderer Kanzleibibliotheken zurückgegriffen werden, die im Rahmen eines Frankfurter OPL-Bibliotheksstammtisches nicht nur sich persönlich kennen gelernt, sondern auch eine gemeinsame Zeitschriftenliste erstellt haben.

Als unabdingbar für eine Tätigkeit in der Spezialbibliothek einer Anwaltskanzlei werden keine juristischen Kenntnisse, aber schnelles, zügiges und zugleich sehr genaues Arbeiten vorausgesetzt - sowie keine Abneigung gegenüber EDV-Tätigkeiten.

2 Erfahrungsbericht aus einem mittelständischen M & A-Beratungsunternehmen / Regina Schmidtke

Regina Schmidtke begann ihren sehr lebhaften, lebendigen Vortrag mit einer Darstellung ihres beruflichen Werdegangs, Angaben zu den Unternehmen und endete mit einem Überblick über einen exemplarischen Tagesablauf.

Schon während ihres Studiums an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaft im Fachbereich Bibliothek und Informationsmanagement, Schwerpunkt Informationspraxis und -technik arbeitete sie als studentische Assistenzkraft bei Angermann M & A International GmbH. Diese Firma bot ihr nach Studienabschluss im Februar 2005 auch eine Festanstellung an. Anfang 2006 wechselte sie als Rechercheurin zur Conetwork GmbH, einem Tochterunternehmen der HypoVereinsbank AG in Hamburg. Schwerpunkt von Conetwork sind Mergers Acquisitions für Mittelständler und inhabergeführte Unternehmen, aber auch Corporate Finance Beratung, Equity und Mezzanine Investments sowie Private Finance Beratung. Das Aufgabenspektrum umfasst als Kerntätigkeit Internet- und Datenbank-Recherchen zu immer neuen Themen, z.B. zu einzelnen Unternehmen, Gesellschaftern, Umsatzentwicklung, Bonität, Branchen, Unternehmenslisten und -gruppen (z.B. Autohändler Norddeutschlands) oder zu volkswirtschaftlichen Daten. Zur Aufbereitung werden die Ergebnisse vor Weitergabe an einen der Transaktionsspezialisten des Büros geordnet, zusammengefasst und die Suche protokolliert. An Nebenaufgaben fallen Toolverwaltung, Archivführung (Presseausschnitte, Zeitschriften, Schulungen), Zusammenstellung und Layouting von Newslettern oder Mitarbeit bei der Strukturierung des Netzwerklaufwerks an. Ganz aktuelle, dringend benötigte Unterlagen, z.B. Bonitätsprüfung einer Firma, führen häufig dazu, dass der offizielle Feierabend um 17.30 Uhr nicht eingehalten wird.

Zur Vorbereitung auf den Job sind neben im Studium erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten eine Auseinandersetzung mit Wirtschaftsproblematiken, inklusive der Verfolgung der täglichen Wirtschaftsberichterstattung in der Tagespresse hilfreich. Auch um die Hemmschwelle bei Unternehmen vor Einstellung von Informationsfachkräften zu überwinden, empfiehlt sich ein möglichst frühzeitiger Nebenjob.

3 Von der Bibliothekarin zum BOND-Girl-Bibliotheksbetreuung im IT-Bereich / Nicole Strohrmann

Nicole Strohrmann kam auf Umwegen nach einer Ausbildung zur Arzthelferin und einem anschließenden Auslandsaufenthalt zum FHS-Studium nach Leipzig, das sie als Diplom-Bibliothekarin abschlosss. Danach begann sie 1998 bei Bond in Böhl-Iggelheim. Bei dem Bibliothekssoftware-Hersteller mit inzwischen acht Niederlassungen und 80 Mitarbeitern arbeiten die meisten Mitarbeiter, wie auch die Referentin im Servicebereich, für die rund 3200 Anwender in Öffentlichen, wissenschaftlichen, kirchlichen Bibliotheken oder ähnlichen Einrichtungen. Die Hauptaufgaben umfassen den Programm-Support, Technik-Support und Großkunden-Support sowie die Beantwortung von Kundenanfragen, telefonisch oder über das Kundencenter im Internet. Hinzu kommt die Erstellung von Onlinehilfen, Ausschreibungsbearbeitung, Qualitätssicherung über Konvertierungen, Updates und Erstellung von Service-CDs oder Übersetzungen. Ein Arbeitsschwerpunkt von Nicole Strohrmann ist die Testkundenbetreuung, ergänzt durch Kunden-/Anwenderschulungen und die Durchführung von Anwendertreffen. Neben bibliotheksbezogenen Fachkenntnissen sind als persönliche Voraussetzungen die Bereitschaft zur Teamarbeit und Freude am Umgang mit Kunden, auch per Telefon, unerlässlich.

Die überwiegend jungen Zuhörerinnen der sehr gut besuchten Veranstaltung - moderiert von Gudrun Kulzer (Straubing) - konnten interessante Einblicke in mögliche Arbeitsfelder mitnehmen, die nicht nur aus Mangel an entsprechenden Angeboten die zunehmend auch nur noch als relativ sicher anzusehenden Berufsausübungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst ergänzen können. Vielleicht konnten durch die positiven Beispiele auch Ängste genommen werden, dass Ausbildung bzw. Studium nicht ausreichend auf die an Informationsfachkräfte in der Privatwirtschaft gestellten Anforderungen vorbereiten.


Zur Autorin

Karin Holste-Flinspach ist Wissenschaftliche Bibliothekarin und Lehrkraft für berufsbildenden Unterricht der Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste

Stauffenbergschule
Arnsbergerstraße 44
D-60385 Frankfurt am Main
E-Mail: karinholsteflinspach@yahoo.de