Editorial
"Man spricht Deutsch!"

"Man spricht Deutsch!", diesem freundlichen Hinweis begegnet man in vielen Ländern, die stark von deutschen Touristen besucht werden. Ist dieser Hinweis nicht aber auch bald in unserem Lande selbst angebracht angesichts der Tatsache, dass wir seit Jahren von Anglizismen überrollt werden oder - vielleicht noch mehr - diese sogar selbst in unser Land ziehen und dann mit deutscher Rechtschreibung und Grammatik verhunzen zu jenem Kauderwelsch, das man Denglisch nennt?

Wo man hinschaut (oder auch hinhört) findet man fast keine Läden mehr, sondern outlet-stores und shops, die zum shoppen einladen, besonders zum summer-sale, dem früheren Schlussverkauf oder heute zum fortwährenden discount von z.B. non-food Artikeln und da besonders von outfits. Beim Reisen muss alles all-inclusive sein mit wellness, trend-Sportarten wie nordic walking oder mountainbiking und so fort.

Solche Fremdsprachenwellen hat es zwar schon immer gegeben, man denke nur an das Französisch früherer Zeiten, aber nicht in diesem Ausmaß und dieser Bedingungslosigkeit. Auch wenn der Gebrauch zunächst zum guten Ton gehörte, hat man sich auch dagegen gewehrt und versucht, solche Bestrebungen zurückzudrängen, so dass man heute kaum mehr die Worte Trottoir, Portemonnaie, Räson oder Pläsier u.v.a. verwendet. Bei den heutigen Anglizismen aber ist das ganz anders; sie bereichern die Sprache nicht, sondern verunstalten sie eher, wobei es aber in ist, sich ihrer zu bedienen, auch wenn vieles gar nicht verständlich ist. So hält sich dieses Denglisch nun schon dauerhaft in unserer Sprache und findet deshalb sogar in jeder neuen Duden-Ausgabe Eingang, dessen jeweils höhere Stichwörterzahl nicht zuletzt aus dieser Denglisch-Welle herrührt. Auch jedes Groß-Event verstärkt diesen Trend, wie jüngst die Fußballweltmeisterschaft, zu der die fans mit hoffentlich fairplay on the autobahn zu den public viewings eilten, um die global player ihres dream-teams in der last minute das golden goal schießen zu sehen u.v.a.m.

Relativierend wird diese Entwicklung kommentiert, dass dies höchstens 1-2% des deutschen Wortschatzes ausmacht, wohingegen die Gegner zu belegen versuchen, dass es bereits über 10% der im Sprachgebrauch verwendeten Worte sind. Das aber ist wohl schon besorgniserregend, wenn man bedenkt, dass es politisch gewollt ist, dass jedes Kind bei seiner Einschulung in Deutschland Deutsch können soll und Migranten zu ihrer Einbürgerung ein gewisses Maß an Deutschkenntnissen vorweisen müssen, aber nur ein Drittel der Teilnehmer der Integrationskurse das angestrebte Sprachniveau erreicht - nicht verwunderlich bei 10% kaum verständlicher Anglizismen!

Sollte da nicht gegengesteuert werden? Und sind dazu nicht vor allem auch Bibliothekarinnen, Bibliothekare und Bibliotheken aufgerufen, die, wenn nicht überwiegend, so doch vorwiegend und besonders dem deutschen Schrifttum und seiner Sprache verpflichtet sind, sich gegen diesen Trend zu stemmen und wenigsten in ihrem Bereich mehr auf das Deutsche zurückzugreifen? Muss z.B. der user sich am service point unbedingt einchecken, damit er booklets, paperbacks oder sogar non-books ausleihen kann, oder sich am information point erkundigen, auf welchem level sich im open access das gesuchte supplement eines bestimmten journals befindet, oder wenn paperless, braucht er da ein password oder gar einen operator? Ein Glück für ihn, wenn er sich in einer Bibliothek befindet, die nach einem ausführlichen audit im ranking der Bibliotheken weit oben steht. Eine solche Bibliothek wird für ihn ein wahres highlight sein, so dass er sich genüsslich in den out-door Bereich der Bibliothek zurückziehen kann, um dort zu relaxen.

Noch schlimmer ist es, wenn Bibliothekarinnen und Bibliothekare in ihren meetings, workshops oder round tables unter sich sind und, wie jüngst in Dresden, über journal storage, shared services, full-service-Angebote, citation indexing, knowledge exchange, pay-per-use-Modelle oder marketing und customer relationship management diskutieren. Bedeutet das nach dem dortigen Themenkreis 3 das Erhalten und die Präsentation der kulturellen Überlieferung? Aber im Ernst, müssen wir das alles mitmachen oder gar anstreben? Die Medien schwimmen meist auf dieser Denglisch-Welle (siehe z.B. German Academic Publishers und andere Namen) und ihre Publikationen wie auch Zeitschriften können sich dem nicht ganz entziehen, weil sie ja auch Produkte ihrer Autoren sind. Auch unsere Zeitschrift B.I.T.online geht es nicht anders, aber wir bemühen uns wenigstens, dagegen etwas zu tun und z.B. bei den Stich- und Schlagwörtern der Jahresregister möglichst ohne dieses Kauderwelsch auszukommen. Vielleicht können auch bald Bibliothekare ohne diese specials auskommen - wenigstens ohne diese denglischen Begriffe?

Bei den Themen dieses Heftes scheint es uns weitgehend gelungen zu sein. Es beginnt mit Georg Ruppelt, der der Frage nachgeht, welche Auswirkungen der Wandel der Bevölkerungszahl und -struktur auf die Bibliotheken haben und was der Zwang zu mehr Kooperation nach sich ziehen wird. Über solche Kooperation von Landes- und Hochschulbibliotheken in Baden-Württemberg zur Vermittlung von Informationskompetenz berichtet Wilfried Sühl-Strohmenger. Das Fehlen einheitlicher Standards und Bewertungskriterien in Deutschland, das den Aufbau eines anerkannten Bibliotheksmanagements verhindert, beklagt Jürgen Seefeldt. Im Nachrichtenteil zeigt Wolfgang Ratzek an mehreren Beispielen Einsatzmöglichkeiten ehrenamtlicher Kräfte im Bibliothekswesen auf und plädiert damit auch für ihre höhere Wertschätzung. Gerhard Reichmann von der Universität Graz legt die in einem Benutzerforschungsprojekt erzielten Erkenntnisse bezüglich der Arbeits-/Leseplatzauslastung in wissenschaftlichen Bibliotheken vor. Interessante Reiseberichte liefern uns Wolfgang Ratzek aus Singapur sowie Ludger Syré mit Jürgen Seefeldt aus Ekaterinburg vom russischen Bibliothekartag 2006. Weitere Berichte über bibliotheksrelevante Fachtagungen und aktuelle Informationen sind wie immer in diesem Heft zu finden wie auch eine Reihe von Buchbesprechungen, so dass wir hoffen, Ihr Interesse am Lesen möglichst wenig mit Denglisch durchsetzter Texte zu wecken.

Viel Vergnügen dabei wünscht Ihnen

Dr. Rolf Fuhlrott
Chefredakteur