Die Archivalie Kirchenbuch zwischen Bestandserhalt, Bestandssicherung und neuen Nutzungsformen

Analoge Langzeitsicherung und digitale Daten für den täglichen Gebrauch - eine Hybridlösung im Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, Archivstelle Boppard


Ausgangssituation
Lösungsansatz
Bewertung
Die Datenpräsentation
Ausblick

von Astrid Großgarten

Ausgangssituation

Die Archivstelle Boppard ist das zentrale Archiv für Kirchenbücher aus dem Geltungsbereich der Evangelischen Kirche im Rheinland. Die Aktenbestände und Kirchenbücher, die in Boppard verwahrt werden, umfassen das Gebiet der ehemaligen preußischen Rheinprovinz, deren Territorium mit dem heutigen Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland deckungsgleich ist. Der Einzugsbereich der archivalischen Tätigkeiten reicht also von Bingen bis Kleve und schließt auch eine Exklave rings um Wetzlar ein.

Neben der Arbeit in Boppard selbst ist die Archivstelle u. a. verantwortlich für die korrekte Archivierung und Sicherungsverfilmung von Kirchenbüchern, die in der Verwahrung und Benutzung von Gemeindepfarreien sind.

Eine herausgehobene und öffentlichkeitswirksame Aufgabe des Archivs ist die Unterstützung von Familienforschern und Regionalhistorikern, die ihre Recherchen nach Möglichkeit im Archiv durchführen. Dabei können die Besucher auf einen Bestand von ca. 5.000 Kirchenbüchern zurückgreifen. Ein interessanter Sonderbestand mit ca. 250 Bänden sind Militärkirchenbücher der rheinischen Garnisonen von Wesel über Ehrenbreitstein bis Saarbrücken.

Zentrales Medium für die Forschenden sind seit vielen Jahrzehnten Mikrofiches, die im Zuge von Mikroverfilmungen zusätzlich zu den Rollfilmen erstellt wurden. Originalbücher können aus konservatorischen Gründen nicht für die Forschung ausgegeben werden. Lediglich wenn die Darstellung auf Mikrofiche keine verlässliche Übersetzung der Kirchenbucheinträge zulässt, werden die Originale vorgelegt.

Vorteile der Mikrofiche-Lösung:

Nachteile der Mikrofiche-Lösung:

Aufgrund der erwiesenen Langlebigkeit von Mikrofilmen sind sie bislang noch das unbestritten beste Sicherungsmaterial für eine inhaltliche Langzeitsicherung von bestandsgefährdeten Archivalien. In Zeiten allgegenwärtiger Digitalisierungsprojekte und entsprechend gestiegenen Erwartungshaltungen von Seiten der Forschenden hinsichtlich der Verfügbarmachung von Archivgut, entschied sich der Bopparder Archivleiter Dr. Andreas Metzing, nach neuen Wegen zu suchen.

Für die Verfilmungskampagne 2005 wurde eine perspektivische Lösung gesucht, die einerseits den Übergang in das digitale Zeitalter bringen, andererseits aber nicht auf die Datensicherheit des analogen Mikrofilmmaterials verzichten sollte. Datensicherheit und erhöhte Benutzerfreundlichkeit sollten gleichermaßen gewährleistet werden.

Nach einer längeren Sondierungs- und Testphase wurde schließlich ein Pilotprojekt in Angriff genommen. Die Partner waren Patrimonium Transcriptum Verlags GmbH (Auftragskoordination), ImageWare Components GmbH (Scandienstleistung) und Bernschein Document Solutions GmbH (Mikroficheerstellung)

Lösungsansatz

Auf der Basis eines ausführlichen Scanprofils, das zur Ermittlung der Kundenwünsche und technischen Erfordernisse diente, wurde gemeinsam ein 3-stufiges Konzept entwickelt, das alle Anforderungen berücksichtigte und auch durch einen Testauftrag in seiner Praktikabilität überprüft wurde. Es wurde beschlossen, die für eine Verfilmung anstehenden Bücher zunächst zu scannen. In einem zweiten Arbeitsschritt wurden die Digitalisate mit einer Software nachbearbeitet, indiziert, für die Mikroficheerstellung aufbereitet und auf CD/DVD gesichert. Abschließender Arbeitsschritt war die Erstellung der Mikrofiches.

Die Umsetzung im Einzelnen

Der Scanprozess

Gescannt wurde auf einem A2 Buchscanner der Marke Bookeye® R2 mit motorischer Buchwippe und Glasplatte.

Scaneinstellung: 300dpi, Farbe, doppelseitige Ablichtung, Kompression 75%
Ausgabeformat: jpg

Überwacht und verwaltet wurden die zu scannenden Bücher intern über das erprobte Mybib-System von ImageWare.

Die Nachbearbeitung

Die erzeugten Bilddaten wurden mit der Software BCS-2® nachbearbeitet. Wichtig aus Archivsicht ist dabei die Endorsierung der Bilddaten mit dem Namen des Archivs und der Signatur des Buches. Die Bilddaten wurden nach Signaturen geordnet aufbereitet und auf CD und DVD gesichert. Auf diesen Medien wurden die Bilddaten auch zur Ficheerstellung übergeben.

Die Ficheerstellung

Grundlage für die Ficheerstellung waren die Bild-Digitalisate, die mit einer beschreibenden Indexdatei versehen waren. Die Indexdatei enthält die Informationen zu Signatur und Buchtitel - im vorliegende Fall Gemeindenamen und Laufzeit - die mit auf den Fiche belichtet werden.

Auf einem Staude digi-fiche Gerät wurden die digitalen Daten konvertiert und die Fiches erzeugt. Gewünscht waren positive Fiches in zweifacher Ausfertigung (Master u. Duplikat) im 7x7 Raster. Eine Beschränkung findet das Verfahren in der Größe der gelieferten Daten. Bilddaten größer als A2 Format können mit dem Gerät nicht verarbeitet werden und wenn ein Raster von 7x7 gewünscht wird, dann müssen die Daten vor der Konversion optisch auf A3 Format geschrumpft werden, da dies die Formatobergrenze für dieses Raster ist.

Bewertung

Die Verantwortlichen für die technische Umsetzung sind mit dem Ablauf und dem Ergebnis insgesamt zufrieden. "Der Arbeitsablauf bei den Scanarbeiten kann sicherlich noch etwas runder gestaltet werden." so Astrid Großgarten (Auftragskoordination). "Allerdings haben wir diesen Auftrag als ein Lernprojekt angesehen, der bewusst auch zur Überprüfung und Verfeinerung von Arbeitsvorgaben in der Scanphase herangezogen wurde."

Lutz Bernschein, in dessen Unternehmen die Mikrofiches erstellt wurden, war sehr zufrieden mit der Ordnungsstruktur der gelieferten Daten und den erzeugten Fiches, wies aber auch auf die Grenzen des Systems hin: "Letztlich ist die Lesbarkeit der Mikrofiches von der einheitlichen Qualität der gelieferten digitalen Daten abhängig. Für die Konvertierung der digitalen Daten auf Film muss eine einheitliche Belichtungseinstellung gewählt werden. Weisen die digitalen Daten also Qualitätsschwankungen in Belichtung oder Farbgebung auf, so finden sich diese auch auf dem Mikrofiche wieder."

Die Qualität von farbigen Scans ist ein immer wieder aktuelles Diskussionsthema für das Support-Team bei ImageWare Components. "Sobald farbige Scans gemacht werden, beginnt die Farbdiskussion.", so Kai Kammerer, Supportleiter bei ImageWare. "Manche Kunden sehen einen Grünstich, andere eine rötliche Verfärbung, wieder anderen ist es zu gelbstichig usw.." Eine eindeutige Wahrheit bei der Beurteilung der Farbigkeit eines Scans gibt es dabei nicht. Die Farbigkeit oder Farbwirkung hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab: "Der Einstellung des Scanners, der Glasplatte, dem Lichteinfall während des Scanprozesses, der Einstellung des Bildschirms zur Betrachtung, dem Fabrikat des Bildschirms, dem Betrachtungswinkel des Nutzers, dem Tageslichteinfall usw. usw. Daher legen wir bei unseren Geräten und unserer Scandienstleistung stets Wert darauf, dass wir eine gute Informationsqualität abliefern. In dem kleinen Segment für einen Scanner mit Reproqualität sind andere tätig", erläutert Kai Kammerer.

"Unter guter Informationsqualität verstehen wir, dass alle auf der Vorlage sichtbaren gedruckten und handschriftlichen Informationen auch auf dem Digitalisat gut erkennbar sind", fügt Rolf Rasche, Geschäftsführer von ImageWare Components, an. "Die von uns zugesicherte gute Informationsqualität ist auch der Grund, warum wir als Ausgabeformat bei farbigen Scans jpg empfehlen. Das vielfach postulierte tiff-Format führt im Farbbereich zu Datenmengen, die nach wenigen Scans kaum mehr zu handhaben sind. Eine A4 Vorlage farbig gescannt ist als jpg ca. 0,5-1 MB groß, ein tiff derselben Vorlage wird ca. 25 mal so groß. Dann wäre eine CD mit ungefähr 25 Bildern schon voll."

Die Datenpräsentation

Die Präsentation der Digitalisate im Archiv ist nun in Vorbereitung. Dr. Andreas Metzing bevorzugt eine pragmatische Lösung. "Denn angesichts vielfältiger Aufgaben und knapper personeller Ressourcen muss ich einen Weg wählen, der den nötigen Zugriffskomfort für die Forschenden mit unseren Rahmenbedingungen sinnvoll zusammenführt. Wie viele kleinere Archive haben wir keine eigens abgestellten Mitarbeiter für Datenpflege und Serververwaltung und so darf das Angebot an die Forscher, fortan auch digitale Daten einsehen zu können, uns nicht von anderen notwendigen Archivaufgaben abhalten."

Ausblick

Insgesamt wird das begonnene Projekt von allen Beteiligten auch als ein flexibles verstanden, das seine endgültige Ausgestaltung wahrscheinlich auch erst im kommenden Jahr erhalten wird. Ein großer Vorzug von digitalen Daten liegt darin, dass sie nachbearbeitet werden können, wenn man letztlich eine andere Aufbereitungsform als die zunächst gewählte wünscht.

"Den Gemeindearchiven möchte ich dann auch ein schlüssiges Konzept präsentieren, wie wir zukünftig gemeinsam anstehende Verfilmungskampagnen abwickeln und welche Medien für die lokale Nutzung den Pfarrarchiven zur Verfügung gestellt werden", macht Dr. Metzing einen Ausblick in die nahe Zukunft.


Zu der Autorin

Astrid Großgarten

Patrimonium Transcriptum Verlags GmbH

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