Singapur - Eine "Schatzinsel" in der Welt der Bibliotheken1

von Wolfgang Ratzek

Der 1965 gegründete Stadtstaat Singapur entwickelte sich den letzten 40 Jahren zu einer beeindruckenden Dienstleistungs-, Kultur- und Wissenschaftsmetropole, in der 4,2 Millionen Menschen leben. "Es gibt kaum einen Staat, der sich so schnell erneuert hat wie Singapur", sagt Sanjeev Sanyal, Analyst der Deutschen Bank, in der Financial Times Deutschland.2

Einfahrt zum Campus der NTU Singapur.
Konferenz-Logo.

Ein markantes Merkmal Singapurs ist die multikulturelle Gesellschaft, die im Wesentlichen von den drei Ethnien Chinesen, Indern und Malaien geprägt wird, deren verbindendes Element die gemeinsame englische Sprache ist.3 Neben der multikulturellen Gesellschaft bietet das Bibliothekssystem, das einen hohen Stellenwert besitzt und eine hohe Wertschätzung erfährt, ein weiteres aufschlussreiches Studienobjekt. Der südostasiatische Stadtstaat bietet Bibliotheksinteressierten viele Anregungen für die eigene Arbeit und die Optimierung der Infrastruktur.

Bevor wir auf das Bibliothekssystem eingehen, zunächst ein Bericht über die A-LIEP, eine Konferenz über das LIS-Bildungssystem im asiatisch-pazifischen Raum.

Asia-Pacific Conference on Library & Information Education & Practice (A-LIEP)

Vom 3. bis 6. April 2006 fand in Singapur die "Asia-Pacific Conference on Library & Information Education & Practice (A-LIEP)" an der Nanyang Technological University (NTU) statt. Unter dem Motto "Preparing Information Professionals for Leadership in the New Age" versammelten sich etwa 250 Informationsprofis vor allem aus Australien, China, Indien, Korea, Pakistan, USA und Singapur, um in zahlreichen Workshops und Sessions darüber zu diskutieren, wie LIS-Professional die Herausforderung des 21. Jahrhunderts bewältigen könnten. Auf Initiative des Goethe-Instituts in Singapur, insbesondere durch die Bemühungen von Christina Paulini, wurde ich als deutscher Redner zu dieser Konferenz eingeladen und gab unter dem Thema "Characteristics of German Library Science: Sharing Lessons Learnt with the International Community" einen Überblick über die neuen Bachelor- und Master-Abschlüsse in Deutschland/Europa und zog einen asiatisch-pazifischen Vergleich. So besitzt der US-amerikanische LIS-Bachelor (2 Jahre Allgemeinbildung und 1 Jahr Fachstudium) einen anderen Stellenwert als der deutsche/europäische LIS-Bachelor (2,5 Jahre Fachstudium plus Praxissemester). Während in den USA "nur"der LIS-Master für hochwertige Bibliotheksarbeit qualifiziert, werden diese auch in Deutschland/Europa zukünftig von BibliothekarInnen mit Bachelor-Abschluss ausgeübt.4

Abdus Sattar Chaudhry.
Christopher Khoo.

Die beiden Hauptverantwortlichen Abdus Sattar Chaudhry und Christopher Khoo5 von der Division of Information Studies der NTU stellten mit ihren zahlreichen Helfern ein beeindruckendes Programm6 auf die Beine. In sechs Workshops und rund 30 Sessions referierten und diskutierten die Teilnehmer darüber, wie LIS-Professionals die Herausforderung des 21. Jahrhunderts bewältigen könnten.

Bereits vor Beginn der Konferenz diskutierte in einem der sechs Pre-Conference Workshops Michael Leach von der Harvard University und Präsident der American Society for Information Science & Technology über "Strategic Marketing of Information Services" und dessen Stellenwert. Die Teilnehmer erfuhren, dass in vielen US-amerikanischen B.A- und M.A.-Studiengängen der Fachrichtung Bibliotheks- und Informationswissenschaft gar keine Marketing-Lehrveranstaltungen angeboten werden, die meisten Bibliotheken aber Public Relations betreiben, das sie Marketing nennen.

Die rund 90 Vorträge deckten ein breites Spektrum ab: So beispielsweise "Quality & Valuation of Information Services" (Session 3B), "Development of Digital Repositories & Archives" (Session 6B), "Facets of User Information Behavior" (Session 7C), "The Information Job Market" (Session 8A), "Information Services for Special Communities" (Session 9B), oder "Leadership and Entrepreneurship" (Session 10C).

Im Rahmen der "A-LIEP Networking Night" beim National Library Board (NLB) wurde die offizielle Eröffnung des "IFLA Regional Office for Asia and Oceania" bekannt gegeben. In einer feierlichen Zeremonie tauschten Ngian Lek Choh, Director of the National Library und Deputy Chief Executive of National Library Board, Singapore, und Peter J. Lor, Secretary General of IFLA die Urkunden aus.

Das Goethe-Institut in Singapur

Feierliche Übergabe der Verträge.
Das GI-Team Information und Bibliothek.

Ulrich Nowak leitet seit Frühjahr 2006 das GI in Singapur, nachdem Michael de la Fontain die Leitung des GI in Oslo übernommen hat. Die Goethe-Institute sind für LIS-Interessierte wichtige Anlaufstellen im Ausland. Das gilt auch für Singapur (http://www.goethe.de/ins/sg/sin/deindex.htm), wo das Networking hervorragend klappt. Bei einem kurzen Arbeitsaufenthalt im GI-Büro ergab sich die Gelegenheit zu einem Informationsaustausch mit den beiden Mitarbeiter der Abteilung Information und Bibliothek Martin Albrecht (Bibliothekar)7 und Robin Dressel (Online-Redakteur)8. Christina Paulini weist nachdrücklich darauf hin, dass sie den Besuch von FachkollegInnen sehr begrüße. Ein ganz aktuelles Projekt - "Dance on demand" - wird gerade zwischen NLB, GI Singapur und dem "Deutschen Tanzfilminstitut" (Bremen) vorbereitet (s.u.).

Wie eingangs erwähnt, hat das GI neben dem A-LIEP-Auftritt auch ein interessantes Besuchsprogramm zusammengestellt. Dazu gehörte unter anderem auch ein Besuch beim NLB.

Der National Library Board (NLB)

Der Auftrag des 1995 gegründeten National Library Board (NLB) lautet schlicht und einfach: Entwicklung eines leistungsfähigen Bibliothekswesen. Im Laufe eines Jahrzehnts hat die Entwicklungsarbeit des NLB internationale Anerkennung erfahren9 und bietet eine Reihe von Beispielen für innovative Bibliotheksarbeit. Aus diesem Grunde hatte das Treffen mit Vertretern des NLB-Managements in der Nationalbibliothek10 im Zentrum Singapurs einen besonderen Stellenwert. Am Anfang stand eine informative Führung mit Chris Tang (Fachreferent für Finanzmanagement und Marketing) durch die Zentralbibliothek und die Lee Kong Chian Reference Library.11 Es folgten Gespräche mit N. Varaprasad (Chief Executive) und Johnson Paul, (Deputy Director Publishing & Research Service), in denen die NLB-Philosophie12 und das deutsche Bibliothekswesen im Mittelpunkt standen. N. Varaprasad erwähnte den NLB-Report "Libraries for Life, Knowledge for Success", in dem Singapurs Vision von Bibliotheken als Dienstleistern im 21. Jahrhundert dokumentiert ist. Dazu gehörten global vernetzte Bibliotheks- und Informationsdienste. Es müsse dafür Sorge getragen werden, dass alle Individuen, Communities und Systeme vernetzt seien.

Im Folgen einige Merkmale zur Organisation und Infrastruktur des singapurianischen Bibliothekssystems.

Das NLB-Bibliothekssystem

Benutzergebühren im Überblick.
Das aufwändig gestaltet Eingangsportal passt in die Umgebung

Das NLB-Bibliothekssystem besteht aus 39 Bibliotheken: der Nationalbibliothek, drei regionalen Bibliotheken, 19 Gemeindebibliotheken und 16 Gemeinde-Kinderbibliotheken. Viele Bibliotheken sind in eine Mall integriert, jede Bibliothek unterhält ein Café und verfügt über einen sehr hohen IT-Standard und dementsprechend auch eine Vielzahl IT-basierter Bibliotheksdienstleistungen, wie zum Beispiel ein Membership Registration Kiosk (Anmeldeterminal), eine Borrowing Station (Selbstverbuchung) und die Borrower´s Enquiry and Payment Station (Benutzerinformation und Bezahlterminal). Die Ausleihbedingungen sind im ganzen Bibliothekssystem identisch. Das Singapurianische System kennt drei Gruppen: Singaporeans, Permanent Residents und Foreigners. Während Singapurianer keine Anmeldegebühr entrichten müssen, zahlen Permanent Residents und Foreigners eine Anmeldegebühr in Höhe von 10,50 Singapurdollar (SGD, ca. 5,20 Euro).13 Darüber hinaus existieren mit der Basic- oder Premium Membership zwei Qualitätsstufen. Während beim Basic-Status vier Bücher oder Zeitschriften gleichzeitig ausgeliehen werden können, sind es beim Premium-Status zusätzlich vier weitere Medien (auch DVD, CD, Noten). Die Ausleihfrist beträgt 21 Tage und 7 Tage für AV-Medien (AV-Medien nur im Premium-Status).

Bemerkenswert auch das System der Mitarbeitereinsatzplanung. Christina Paulini erklärte, dass das NLB die Mitarbeiter und die Leitung für das NLB-Bibliothekssystem stelle. Da die Beschaffung auch zentral über das NLB laufe, übernehme die Bibliotheksleitung im Wesentlichen administrative Aufgaben. Da kann es passieren, dass die Leitung auch mal die Verantwortung für zwei Bibliotheken übernehmen muss. Darüber hinaus wird ein Rotationsprinzip kultiviert, so dass jeder in seinem Berufsleben die Runde macht. Das heißt auch, wer die Highlights im System erlebt hat, fragt sich natürlich dann, was ihm das NLB in der Zukunft noch bieten kann.

Interessant auch die Kampagne der NLB-Öffentlichkeitsarbeit Celebrating Libraries (http://202.172.249.117/NLB/celebrating_lib/), die verdeutlicht, welchen hohen Stellenwert Bibliotheken in Singapur besitzen und in ähnlicher Weise für eine Public Awareness-Kampagne in Deutschland14 geeignet wäre. Mit der Kampagne will die NLB ihre Kunden anregen, Geschichten zu schreiben, in denen eine Bibliothek eine Rolle bei der Bewältigung einer Aufgabe spielte. Und so werden die Kunden angesprochen: "Libraries are shaped by the people who use the resources. Whether young or old, parent or professional, student or retiree, you belong to our community. You are our inspiration; every item we source and shelf has been carefully chosen to enrich your experience. With our resources, we seek to better your life in a positive and meaningful way."

Dass dies Ernst gemeint ist, erlebt der Besucher der Nationalbibliothek jeden Morgen: Wenn die Zentral- und die Lee Kong Chian Reference Library öffnen, begrüßt eine freundliche Lautsprecherstimme die Besucher im Foyer mit den Worten: "Guten Morgen und willkommen in Ihrer Bibliothek. Wir wünschen Ihnen einen guten Tag in Ihrer Bibliothek."

Bibliotheksbesuche

Für das Bibliotheksprogramm kamen die beiden Lifestyle-Bibliotheken Library@orchard und Library@esplanade sowie die Sengkang Community Bibliothek und die Kinder- und Jugendbibliothek in Jurong in die engere Wahl. Die Besuche zeigten, dass Deutschland von Singapur durchaus einiges lernen kann was Spezialisierung, Finanzierung, Management, Akzeptanz und nicht zuletzt Interkultur angeht.

Library@Orchard

Die Library@orchard wurde am 21.10.1999 durch den Minister für Information und Künste Lee Yock Suan eröffnet. Es ist die erste Lifestyle-Bibliothek Singapurs, die speziell auf den Bedarf einer Benutzergruppe zwischen 18 und 35 Jahren ausgerichtet ist. Die Bibliothek residiert exklusiv auf dem Shopping-Boulevard Orchard Road, wo sich die Zielgruppe gerne aufhält, erklärte Adeline Neo, die Leiterin der Library@orchard und der Library@esplanade. In einer prächtigen Mall bietet die library@orchard ihre Dienstleistungen neben Luxusgeschäften wie Tiffany, DKNY und Cartier an. Passend zur Umgebung bietet die Library@Orchard ein anspruchsvolles Ambiente. Dazu gehört ein neuartiges - in der Höhe verstellbares - Regalsystem. Der Zielgruppe entsprechend stehen Medien Rund-um-den-Urlaub, Bestseller, eine umfassende Comic-Abteilung (comics@orchard) und Business-Literatur im Mittelpunkt der Erwerbungspolitik, aber auch speziell eingerichtete Musik-Stationen animieren zum Abhören neuer (inter-)nationaler Musiktitel. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal sind die Bestseller, die zeitgleich mit der Verfügbarkeit im Handel auch in der Bibliothek zur Ausleihe zur Verfügung stehen. Ein Café gehört natürlich auch zur Ausstattung.

Library@esplanade

Ebenso wie die Library@orchard befindet sich auch die Librar@esplanade in exklusiver Lage am Marina Bay in einer Mall mit Kulturzentrum (Konzertsaal und Theater). Wegen ihrer Ähnlichkeit zur "Königsfrucht" nennt der Volksmund den Komplex einfach "Durian". Die Library@esplanade wurde am 12.09.2002 durch Khaw Boon Wan, Senior Staatsminister15 für Transport, Information, Kommunikation und Künste, eröffnet. Das Alleinstellungsmerkmal der Bibliothek sind die "darstellenden Künste" (Performing Arts). Dementsprechend ist der Bestand auf Musik, Tanz, Theater und Film ausgerichtet, der auf 2.300 qm im zweiten Stock des "Esplanade, Theatres on the Bay" präsentiert wird. Diese Bibliothek agiert als selbstständige Einheit und nicht als Teil des Esplanade. Damit erhält die Bibliothek - international betrachtet - eine Sonderstellung. Im Idealfalle entsteht eine Synthese zwischen Bibliotheksnutzung und den Aufführungen des "Esplanade, Theatres on the Bay".

"Dance on demand"

Ab Juli/August 2006 wird die library@esplanade im Rahmen des Gemeinschaftsprojektes "Dance on demand" eine wichtige Rolle spielen. Dabei geht es um ein digitales Datenbank-Projekt zum deutschen Tanz, an dem das Goethe-Institut Singapur16, das National Library Board Singapur und das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen17 beteiligt sind. Auf dem Server des National Library Boards stehen 100 Filme zu 100 Jahren deutscher Tanzgeschichte zur Verfügung. Bibliotheksbesucher können sich auf den Bildschirmen der Library@esplanade auf die Spur einzelner Choreographen und Stilrichtungen begeben. Die Tanzgeschichte Deutschlands erschließt sich ihnen durch Filme, Ausschnitte, TV-Produktionen und begleitende Texte. Von diesem Projekt profitieren Tänzerinnen und Tänzer, Feuilletonjournalisten, TV-Produzenten. Mithilfe der multimedialen Datenbank verringern sich die Zugriffszeiten auf Filme, Bilder, Biographien oder Adressen erheblich. Ausstellungen und ein gezieltes Begleitprogramm über den deutschen Tanz werden das Datenbankprojekt begleiten. Die ferne Insel Singapur wird damit zum "Tanzfenster Deutschland".

Mit der Datenbank rückt auch die Chance für deutsche Informationsanbieter, aus dem Projekt direkten Nutzen zu ziehen, in greifbare Nähe. Bereits digitalisiertes Material lässt sich leicht weltweit anbieten, wenn die Leihgeber es wollen. So sieht es auch die Kulturstiftung des Bundes, die das Projekt in die Förderung 2004 aufgenommen hat.

Sengkang Community Library

Ebenso wie neun weitere Bibliotheken im NLB-Netzwerk befindet sich die Sengkang Community Library in einer Mall (im Compass Point) und bedient den Nordosten Singapurs. Die wahrscheinlich weltweit erste vollautomatische Bibliothek, offiziell auch Do-it-yourself(DIY)-Library genannt, wurde im November 2003 von Rear-Admiral (Konteradmiral) Teo Chee Hean, Senior Minister für Bildung, Stellvertretender Minister für Verteidigung und Parlamentsabgeordneter der Pasir Ris GRC, eröffnet. So ganz ohne Human Resources funktioniert eine DIY-Bibliothek allerdings nicht. Für das Einstellen der Medien werden Hilfskräfte beschäftigt, ein Wachmann passt auf, dass alle Benutzer sich an die "Spielregeln" halten. Wer eine bibliothekarische Auskunft benötigt, erhält diese vor Ort über den Cybrarian: eine gut zwei Meter hohe Säule mit verschiedenen Bedienungselementen. Hier erhält jeder - ob Kunde oder nicht - über eine Hotline Antwort zu bibliotheksrelevanten Fragen. Auf diese Weise kann der Auskunftsdienst zentralisiert (Call Center) werden.

Jurong Regional Library

Im Westen Singapurs liegt die 1988 eröffnete Jurong Regional Library, eine Kinder- und Jugendbibliothek der speziellen Art. Unter dem Motto Verging All Teens (V.A.T)18 entstand hier eine Bibliothek für Teens im Alter von 13 bis 19 Jahren, von Teens für Teens. An der Planung des V.A.T.-Programms waren ein Team von 12 Jugendlichen und ein NLB-Beirat beteiligt. Begleitet von einer/einem BibliothekarIn können die Jugendlichen das V.A.T.-Programm weitgehend mitgestalten, d.h. Mitbestimmung bei der Medienauswahl (z.B. Comic, AV-Materialien) und bei der Entwicklung von Events, damit Jugendliche in die Bibliothek kommen.

Mit einem Bestand von mehr als 500.000 Medieneinheiten, der auf über 12.000 qm und über drei Stockwerke plus einem Untergeschoss für (Klein-)Kinder geordnet ist, ist die JRL die größte öffentliche Bibliothek Singapurs. Zu den Highlights gehören neben den 2433 Magazin-Titeln, die 12.000 AV-Medien und ein spezieller "Teens Library Service".

Die JRL ist als erste Bibliothek mit einer 24-Stunden-Selbstbedienungs-Lobby ausgestattet, in der zahlreiche Bibliotheksdienste vollautomatische abgewickelt werden können. Dazu gehören unter anderem Benutzerregistrierung, Katalogrecherchen, Medien-Ausleihe und Rückgabe oder Zahlungen mittels Cash Card oder "ez-link card" (Prepaid-Karte für den öffentlichen Personennahverkehr).

Im Untergeschoss befindet sich die Abteilung für Eltern, Familien, (Klein-)Kinder, im Erdgeschoss u.a. das Café und die Ausleihe für AV-Medien; im ersten Stock werden vor allem Non-Ficition-Materialien ausgeliehen und Sprachangebote in Mandarin, Malaiisch und Tamil, die zweite Etage ist für den Spezialbestand "Künste", "Wirtschaft", "Singapur" und "Nachschlagewerke" reserviert. Hier ist auch der Auskunftsdienst, die Fernleihe, der Kopierdienst und der Dokumentenlieferdienst untergebracht. Die dritte Etage gehört ausschließlich dem "Teens Library Service", wo die Teens über Design und Management selbst befinden; dementsprechend geht es hier auch - im positiven Sinne - sehr lebhaft zu.

Gesamteindruck

  1. Informationstechnologie spielt in Singapur eine wichtige Rolle, im Privatleben, im Wirtschaftsleben, im Bibliothekssystem. Es gibt kaum Vorbehalte gegen den Einsatz neuer Anwendungen. Dementsprechend gibt es einen Trend zur Bibliotheksautomatisierung auf der Basis der RFID-Technologie. Ob Entleihung oder Rückgabe (egal, wo das Medium ausgeliehen wurde) oder finanzielle Angelegenheiten (Anmelde- oder Überziehungsgebühren), das RFID-basierte Electronic Library Management System (ELiMS) macht es möglich. In allen Bibliotheken gibt es ein Library e-Kiosk, ein multifunktionales System, über das beispielsweise das Ausleihkonto eingesehen oder die Mahngebühren beglichen werden können. Als "Zahlkarte" gilt das ÖPNV-Ticket, also die Karte für den Öffentlichen Personen-Nahverkehr.
  2. Eine organisierte Bildungsreise ins Ausland ist immer dann erfolgreich, wenn vor Ort ein funktionierendes Netzwerk existiert. Dass ein solches Netzwerk nicht von selbst entsteht und durch intensive Kontaktarbeit und -pflege am Leben gehalten werden muss, dafür steht das Goethe-Institut in Singapur. Wichtig ist aber auch, dass die Gäste des Goethe-Instituts die gegebenen Chancen erkennen, sinnvoll nutzen und somit Teil des Netzwerks werden.
  3. Die zahlreichen Gespräche mit Vertretern der NTU, dem National Library Board oder den Leiterinnen der o.g. Bibliotheken führten neben dem Informationsaustausch auch zur Vereinbarung von Projekten. So wurde mit Abdus Sattar Chaudhry und Christopher Khoo (NTU) eine Zusammenarbeit vereinbart, u.a. ein studentisches Projekt, dessen Entwicklung via Videokonferenz vorangetrieben werden soll. Das nächste Meeting ist während der IFLA-Konferenz in Seoul angesetzt. Die Mitwirkung an der Erstellung einer "Encyclopedia Digital Library"19 wurde vereinbart. Und mit Johnson Paul vom National Library Board gibt es konkrete Ideen für Publikationen.


Zum Autor

Prof. Dr. Wolfgang Ratzek

Hochschule der Medien
FB Information und Kommunikation
Wolframstraße 32
D-70191 Stuttgart
E-Mail: ratzek@hdm-stuttgart.de


Anmerkungen

1. Die Ausführungen basieren auf einem vom Goethe Institut Singapur organisierten Bildungsaufenthalt im April 2006. Dank an das GI-Team, insbesondere an Christina Paulini (Leiterin Abteilung Bibliothek und Information). Sie ist Absolventin der FH für Bibliothekswesen in Stuttgart.

2. Muscat, Sabine: Bitte recht freundlich. Financial Times Deutschland vom 02.05.2006, S. 33.

3. Bei der Schrift gibt es häufig noch einen ethnienspezifischen Einfluss. So sind beispielsweise in den Bibliotheken Singapurs die Regalbeschriftungen auf Englisch, Mandarin und Tamil üblich.

4. In den USA besitzt der Bachelor-Abschluss eher den Rang einer Fachausbildung. BibliothekarInnen mit Bachelor-Abschluss sind eher mit FAMIs zu vergleichen und keineswegs mit Diplom-BibliothekarInnen. Über die Rolle des deutschen LIS-Masters existieren noch keine verlässlichen Aussagen. In den USA existiert im Gegensatz zu Deutschland kein System der beruflichen Ausbildung (Lehre). Gegenwärtig wird in Deutschland kontrovers diskutiert, welchen Stellenwert die Ausbildung zum FAMI/Fachwirt und der Bachelor-/Master-Studiengang besitzt (Näheres in BuB 4/2006).

5. Christopher (Chris) Khoo war u.a. Leiter des Programmkomitees, "gute Seele" der Konferenz und sorgte als Musiker für eine feierliche Atmosphäre während der A-LIEP Networking Night.

6. Der Tagungsband kann bestellt werden bei: Ass. Prof. Chris Khoo, School of Communication & Information, 31, Nanyang Technological University, Singapore 637718, oder unter assgkhoo@ntu.edu.sg.

7. Dipl. Bibliothekar Martin Albrecht ist Absolvent der HBI Stuttgart.

8. Dipl.-Informationswirt Robin Dressel ist Absolvent der FH Köln.

9. s. Bertelsmann Stiftung; Bibliothek & Information Deutschland (Hrsg.): Vorbildliche Bibliotheksarbeit in Europa, Singapur und den USA. Gütersloh 2005; insbesondere S. 61-74.

10. S.a. Beitrag von Gernot U. Goebel: Der Neubau der Nationalbibliothek von Singapur. In: B.I.T.online 1/2006, S. 41-43.

11. Das Gebäude der Nationalbibliothek bietet darüber hinaus auch ein Theater, Terrassen und Grünflächen.

12. Für einen ausführlicheren Bericht s. Bertelsmann Stiftung; Bibliothek & Information Deutschland (Hrsg.): Vorbildliche Bibliotheksarbeit in Europa, Singapur und den USA. Gütersloh 2005; insbesondere S. 61-74.

13. Für eine ausführliche Übersicht s. http://www.nlb.gov.sg/CPMS.portal?_nfpb=true &AccountServices_1_actionOverride=%2FIBMS%2FaccountServices%2FaccountServicesDisplay &_windowLabel=AccountServices_1&AccountServices_1membershipParam=membershipGuide &AccountServices_1commonBrudCrum=Membership+Guide&_pageLabel=CPMS_page_visitus_NL
(Zugriff: 10.06.2006)

14. Die Anzeigenserie des Elsevier-Verlages "… never underestimate a librarian" geht in eine ähnliche Richtung, wenn auch mit dem Ziel der eigenen Imagewerbung. Für eine Einführung in die Grundzüge einer Public Awareness-Kampage s. Ratzek, W.: Public Awarenes: Gesicht zeigen - statt Fetisch und Informatik-Mimikry. In: Ratzek, W.: "Spielball" Bibliotheken. Neue Konzepte - Neue Wege der Zusammenarbeit. Berlin 2005. S. 24-39.

15. Ein Senior-Minister ist in Singapur ein Minister a.D., der jedoch noch als Regierungsberater aktiv ist.

16. Im Rahmen des Projekts ist das Goethe-Institut Singapur Ansprechpartner für Copyright-Fragen und Mittler für die Filme und ergänzenden Informationen aus Deutschland für Library@esplanade.

17. Auf Anfrage teilt das Goethe-Institut Singapur folgendes mit: "Das Deutsche Tanzfilminstitut wurde 1991 als nichtkommerzielle Organisation gegründet. Als nationales Archiv zur Produktion, Sammlung und Aufbereitung von audiovisuellen Tanzdokumenten verfügt es heute über einen Bestand von über 12.000 Videobändern zur deutschen Tanzgeschichte. Für das Projekt stellt das Tanzfilminstitut die Serie der Tele-Tanzjournale kostenlos zur Verfügung, die gemeinsam mit dem Goethe-Institut München für den weltweiten Einsatz produziert wurden. Es recherchiert für den deutschen Tanz repräsentative Filmmaterialien, identifiziert die Rechteinhaber und kooperiert bei den Verhandlungen mit Künstlern und Produzenten." (s.a. http://www.deutsches-tanzfilminstitut.de)

18. Übersetzt etwa: "Alle Teens zusammenbringen".

19. Ein internationales Vorhaben, dass zurzeit an der NTU vorbereitet wird.