PostPrint 2006: Eindrücke von der Fachmesse für Druck und Weiterverarbeitung in Berlin

von Clemens Deider

Nach erfolgreicher Premiere der PostPrint im letzten Jahr auf dem Berliner Messegelände stand die Fachmesse für Druck und Weiterverarbeitung dieses Jahr vom 10. bis 13. Mai im Zeichen quantitativen und qualitativen Wachstums: es fanden sich mehr Aussteller auf einer größeren Ausstellungsfläche ein, so die Presseinformation der Messeleitung. Die Messe mit dem mehrdeutigen Namen befindet sich also weiter auf Wachstumskurs. Im vergangenen Jahr rätselte man noch darüber, ob die neue Messe sich auf post Print, die Vorgänge nach dem Druck, oder auf Post-Print, Druckrealisierung in der Poststelle, bezieht. Es bezieht sich auf beides, da dies besonders bei großen Druckereien und Poststellen keinen Gegensatz bedeutet.

Neben der Präsentation moderner Hard- und Softwarelösungen und aktueller Dienstleistungen zeigte eine Reihe der großen Unternehmen der Branche praxisnahe Problemlösungen für Anwender in den Bereichen:

  1. Vorstufe: Software, Proofing, Farbmanagement, Belichten, Archivieren
  2. Druck: Offset- und Digitaldruck, farbig und schwarz/weiß
  3. Weiterverarbeitung: Laminieren, Falzen, Schneiden, Heften, Zusammentragen, Stanzen, Binden, Personalisieren
  4. Versand: Kuvertieren, Folienschweißen, Verpacken, Frankieren, Adressieren und Dienstleistungen.

Daneben bot die Messe dem Besucher auch ein kostenfreies breitgefächertes Fachforum. In halbstündigen Vorträgen wurde u.a. referiert über Themen wie:

  1. die direkte und individuelle Wertschöpfung des Digitaldrucks
  2. RFID (Radio Frequency Identification) - Technologien im Dokumentenversand - neueste Entwicklungen
  3. Digitaler Buchdruck, kleine Auflagen - große Chancen
  4. Digitaler Schutz gegen Fälscher und Nachahmer
  5. Internetbasierte Vernetzung von Kunden und Lieferanten, Einsatzgebiete und Praxisbeispiele
  6. Druckaufträge im Inter- und Intranet sicher und effizient übermitteln.

Speziell für jugendliche PostPrint Besucher wurden an den ersten drei Messetagen Vorträge zu den Themen Bildung und Ausbildung angeboten und ein täglich stattfindender einstündiger geführter Messerundgang für Jugendliche und Ausbilder ergänzte das Angebot. Außerdem standen Mitarbeiter des Fachbereiches Drucktechnik und Weiterverarbeitung der Technischen Fachhochschule Berlin, des OSZ/Oberstufenzentrum Druck- und Medientechnik/Ernst Litfaß-Schule, der Axel Springer AG, des Druckhauses Spandau, des Bereiches Aus- und Weiterbildung der IHK Berlin zum Beispiel über Prüfungsanforderungen der IHK (Medienprüfung, dem Bachelor und Masterstudiengang Print und Media Technology an der Technischen Fachhochschule Berlin) zu allen Fragen rund um Bildung und Ausbildung Rede und Antwort. Für den zweiten Messetag lud das Druckhaus Spandau alle Interessierte zu einer Exkursion, zur Besichtigung des 1993 in Betrieb genommenen Druckhauses des Axel Springer Verlages, der Produktionsstätte von sechs Tageszeitungen und vier Sonntagszeitungen, ein.

Um die Praxisnähe der PostPrint zu unterstreichen, erstellten Studenten der technischen Fachhochschule Berlin jeden Tag die Messezeitung "PostPrint TODAY". PostPrint TODAY ist ein Projekt von fünf Diplomandinnen der Druck- und Medientechnischen Fachhochschule. Die redaktionell aktuell erstellte Ausgabe wurde bei der Oce´ Deutschland GmbH auf dem Messegelände gedruckt, anschließend bei der Horizon GmbH und der Ernst Nagel GmbH gebunden und schließlich verteilt. Neben der Messezeitschrift wurden zehn weitere Magazine zum Thema Druck und Weiterverarbeitung kostenlos auf dem Fachpressestand angeboten.

RFID - ein wichtiges Messethema

Das Fachthema RFID (Radio Frequency Identification), in B.I.T.online schon seit geraumer Zeit immer wieder ein Thema, war auch auf dieser Messe ein wichtiges Thema. So informierte die Kern GmbH mit neuesten Entwicklungen beim Einsatz der RFID-Technologie im Dokumentenversand (www.kern.ch). Im vergangenen Jahr präsentierte die Firma gemeinsam mit dem Transponderspezialisten Winkel aus Bad Berleburg das Briefausgangs-Management per RFID. Dabei wurden mit fertig kuvertierten Briefen gefüllte Postboxen mit Transponder-Etiketten, die genaue Auskunft über den Inhalt der Boxen gaben, versehen. Durch ein Funk-Gate geschoben, werden diese Boxen mit entsprechenden Kundennummern aus der Kunden-Datenbank verknüpft. Ähnlich melden in der zentralen Poststelle der schwedischen SEB-Bank eingehende Postmappen mit Hilfe von RFID-Etiketten, an welche Stelle sie automatisch geleitet werden sollen.

Im Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) wird ein Logistiksystem entwickelt, bei dem Pakete dank RFID-Transponder ihren Transport zum Kunden selbstständig organisieren. Der Kurierdienst trans-o-flex in Weinheim arbeitet bundesweit mit RFID-Etiketten, die, mit Temperatursensoren versehen, während des gesamten Transportwegs die Temperatur messen und dokumentieren; ein nicht zu unterschätzender Vorteil z.B. bei temperaturempfindlichen Gütern der Pharmaindustrie. Bibliotheken, Archive, Museen und ähnliche Einrichtungen könnten eventuell andere Messfühler sinnvoll einsetzen.

Logistikketten verlangen volle Kompatibilität, wenn verschiedene Unternehmen ökonomisch optimal miteinander arbeiten sollen. So wurde Ende 2005 international das RFID-Protokoll für Class 1, Gen 2 durch den nationalen Verband EPC Global ratifiziert. Dieser Verband hat auch die Arbeitsgruppe "Transport and Logistik Services Providers Business Action Group" (TLSBAG) gegründet. Viele weitere Informationen gibt es dazu unter www.gs1-germany.de. GS1 Germany ist für Standards der Barcode-Identifikation zuständig und entwickelt sich so zur RFID-Zentrale für Warenwirtschaft und Logistik.

Über den Umgang mit RFID-Etiketten - Antennengestaltung, Temperaturen und Luftfeuchtigkeit bei Lagerung der Etiketten, Empfindlichkeit gegenüber Metallen (auch metallhaltiger Tinten) - kann man Informationen bei Zebra Technology (www.zebra.com bzw. germany@zebra.com) einholen: Infobroschüren über die Kompatibilität verschiedener EPC-Standards und Realisierung von RFID-Etikettenvorgaben. Mitte 2005 hat sich der Verein "Informationsforum RFID e.V." gegründet. Der Verein kooperiert eng mit dem Fraunhofer-Institut IML.

Dass Barcode, Data Matrix-, Pharma- oder Dotcodes durch RFID noch nicht abgelöst sind, zeigt die Asentics GmbH & Co KG mit ihrem Codelesesystem für Kuvertiersysteme und dem Einsatz von LED-Strahlern im Dauer- und Blitzlichtbetrieb, vornehmlich für die industrielle Bildverarbeitung. Vorteile sind hier extrem helles Licht durch HighBrightness-LED, lange Lebensdauer und geringe Wärmeentwicklung; auch ein für bibliothekarische Ablichtungen zu untersuchendes Argument für pfleglich zu behandelnde licht- und wärmeempfindlicher Text- und Bildträger, wie Papier, Pergamente (Vergilben) etc.

Die Deutsche Post unterstrich Bar-, Matrix-Code-Anwendungen mit der im längeren Einsatz befindlichen elektronischen Freimachung wie PC-Frankierung mit STAMPIT. Der Data Matrix-Code bei STAMPIT enthält alle relevanten Informationen für das Sortieren, Portooptimieren und Frankieren. Die Deutsche Post AG plant, diese Art der elektronischen Frankierung bis Ende des Jahres 2006 als Standard einzuführen. B.I.T.online berichtete darüber im Rahmen der Berichterstattungen von der CeBIT. A Pitney Bowes plant den Einsatz eines Freistemplers mit Data Matrix-Code ab 2008.

Komplette Broschürenstraßen

Broschürenfertigung war ein weiteres Thema auf der PostPrint. Die Ernst Nagel GmbH (www.ernstnagel.com) Stuttgart zeigte die komplette Broschürenstraße: vom Zusammentragen, Heften und Falzen, Trimmen bis zur Veredelung des Broschürenrückens. Neben dem derzeit größten Format (364 x 521 mm) des Digitaldrucks verarbeitet der Foldnak 100 der Ernst Nagel GmbH besonders kleine Formate, 105 x 148,5 mm und kleiner.

Das japanische Unternehmen Riso verfügt nach eigener Aussage über den schnellsten und kostengünstigsten Vollfarb-Inkjet-Drucker: Farbdrucke zum Preis von Schwarzweiß. Dieser Farbdrucker HC 5500 verarbeitet Papiergewichte bis zu 210 g/qm. Für die professionelle Broschürenproduktion steht optional ein leistungsstarker Online-Finisher bereit. Im Schwarzweiß-Bereich zeigte Riso mit dem 180-Seitenprinter RZ 977 eine weitere Neuheit. Hohe Druckgeschwindigkeit und gute Druckqualität bei günstigen Druckkosten zeichnen ihn aus. Riso-Digital-Printer sind umweltfreundlich, verbrauchen weniger Energie als andere Drucker und erzeugen während des Druckprozesses keine Wärme, denn sie arbeiten mit Tinte statt mit Toner. Im Jahr 2001 stellte Riso Drucktinte aus Sojaöl vor und beweist durch die Umstellung von Erdöl auf pflanzliches Öl seine Umweltfreundlichkeit. Ein europaweites Recycling-Netzwerk unterstreicht diese Firmenphilosophie (www.riso.net).

Die Horizon GmbH präsentierte als Weltneuheit den Hightech-Vierzangen-Klebebinder BQ-470 mit der weiterentwickelten ungiftigen Micro-Emission PUR-Klebstoff-Technologie. Mit dem BQ-470 soll es tatsächlich möglich sein, ein Exemplar ohne Makulaturabfall zu binden.

Broschürenfertigung auf Anforderung - Books On Demand - lässt sich effizient mit dem Digitaldruck umsetzen. Die Risiken der konventionellen Buchproduktion fallen weg. Mit den Digitaldrucksystemen lassen sich Bücher in Kleinstauflagen, zu geringen Kosten und guter Qualität und Just in Time produzieren. Für Bibliotheken eine Möglichkeit, nur noch digital vorhandene Bücher/Texte dem Benutzer in der ihm gewohnten Broschürenform anzubieten, zumal sich das seit längerem angekündigte eBook noch nicht durchgesetzt hat. Auch Privatpersonen und unbekannte Autoren haben so die Möglichkeit, einer spitzen Auflagenkalkulation - z.B. für ihre Familienhistorie - aus dem Weg zu gehen.

Die Wachter GmbH bietet ein Internet-Redaktionssystem für Privat- und Geschäftskunden an. Auf dem "Web-To-Print-Portal" können sich Anwender, Bibliotheken wie Bibliotheksbenutzer, Bücher, Fotoalben oder Ausstellungskataloge selbst zusammenstellen und direkt am Bildschirm zum Druck freigeben. Die Autoren können so nach wenigen Tagen ihr Buch in den Händen halten. Diese Art der On-Demand-Digitalproduktion machen das digital hergestellte Buch für jedermann bezahlbar.

Die Berliner Firma Polyprint GmbH (www.polyprint.de, www.MyPhotoFun.de) warb beim Xerox-Stand für ihr Fotobuch in fünf Schritten. Wie man auf der Messe erfahren konnte, bietet die Schweitzer Bookfactory (www.bookfactory.ch) eine Informationsbroschüre des Züricher Grafs Ralf Turtschi zur Gestaltung von individuellen Fotobüchern an.

Nicht ganz zum Thema passend machten die Firmen Holland Snap Frame/Niederlande (www.HOLLANDSNAPFRAME.COM) mit "bewegten Bildern" als fernsteuerbare Smart Roll Banner für Ausstellungen, Konferenzen oder in Schaufenster auf sich aufmerksam; Die Steuerung durch das Schaufensterglas soll möglich sein. Angetrieben durch einen laufruhigen Motor, rollt sich die Werbefläche mit nn Meter pro Minute 24 Stunden am Tag.

Vielleicht ist auch der elektronische Postzustellungsauftrag der Deutschen Post AG (www.deutschepost.de) für Bibliotheken von Nutzen? Gedacht ist er für Gerichte und Verwaltungsbehörden und dient der förmlichen Zustellung amtlicher Schriftstücke. Er kommt überall dort zum Einsatz, wo Bescheide sicher und beurkundet beim Empfänger ankommen müssen. Wie etwa Mahnschreiben der Bibliothek an säumige Benutzer?

Auf den ersten Blick schien die Fachmesse für Bibliotheken von zweitrangigem Interesse zu sein. Doch sind die bei der Messe präsentierten Themen wie die Digitalisierung, die Anwendung der RFID-Technologie, Buchdruck in Kleinstauflagen usw. im Bibliothekswesen als Dienstleistungsangebote diskussionswürdig. Die Fachmesse PostPrint bot dazu einige Ansatzpunkte. Alle Besucher, die Interesse an den Vorträgen des Fachforums hatten, konnten sich am Stand der Oce´ Deutschland GmbH melden, wo sie von der Firma Rimage, die am Stand von Oce´ vertreten war, eine CD mit den Vorträgen des Fachforums erhalten konnten. Rimage Europa GmbH (www.rimage.de) ist Hersteller für CD-DVD-Produktionssysteme und bietet Lösungen zur Archivierung von Daten speziell für den Bereich Digitaldruck an.


Zur Autorin

Dipl.-Volksw. Clemens Deider

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