Buch-Stätte: Geschichte und Perspektiven der Leipziger Buchwissenschaft


Hrsg. Thomas Keiderling; Erdmann Weyrauch
- Erlangen: filos, 2006. 206 S.
ISBN 3-938498-11-0. 14,80 €

Die vorliegende Veröffentlichung ist der Bericht zum "Kolloquium 10 Jahre Leipziger Buchwissenschaft", das im Institut für Kommunikation und Medienwissenschaft der Leipziger Universität am 2. Dezember 2005 stattfand. Diese dem 10jährigen Jubiläum der Professur für Buchwissenschaft und Buchwirtschaft gewidmete Veranstaltung ist eine erste umfassende Analyse der Leipziger Buchwissenschaft von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Das Heft ist zugleich eine Gedenkschrift für den ersten Inhaber der Professur, Dietrich Kerlen, der 2004 viel zu früh im Alter von 61 Jahren verstarb.

Die Herausgeber und Autoren weisen nach, dass die moderne deutsche Buchwissenschaft, "also die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Buch und Buchhandel" (Vorwort, S. 5), ihren Ursprung in Leipzig hat und sich trotz aller politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Brüche im Prinzip kontinuierlich entwickelt hat1:

1853 wurde die Deutsche Buchhändler-Lehranstalt des Vereins der Buchhändler zu Leipzig geschaffen, 1876 die durch Leipziger Verleger und Buchhändler initiierte Historische Kommission des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, 1925 die durch den Börsenverein der Deutschen Buchhändler initiierte Stiftungsprofessur für Buchhandelsbetriebslehre an der Leipziger Handelshochschule, 1968 das Institut für Verlagswesen und Buchhandel an der Karl-Marx-Universität Leipzig, 1992 der Studiengang Buchhandel/Verlagswirtschaft der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig und schließlich 1995 die Professur für Buchwissenschaft und Buchwirtschaft an der Leipziger Universität.

Diese Chronologie bestimmt im Wesentlichen auch die Reihenfolge der Beiträge des ersten Teils2:

Hans Altenhein berichtet über den Inhaber der Stiftungsprofessur Gerhard Menz. Christian Uhlig geht den frühen Bemühungen um die buchhändlerische Aus- und Fortbildung am Beispiel der Buchhändler-Lehranstalt nach. Reimar Riese nennt seine historische Betrachtung über das Institut für Verlagswesen und Buchhandel und die Buchwissenschaft in der DDR interessanterweise "Zwischenspiele" (es ist der ausführlichste und informativste historische Beitrag). Thomas Keiderling widmet sich der Etablierung der Buchwissenschaft an der Leipziger Universität. Ernst-Peter Biesalski untersucht mit dem Studiengang Buchhandel/Verlagswirtschaft den Beitrag der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig zur Buchwissenschaft.

In einem zweiten Teil werden einzelne Gebiete der Buchwissenschaft untersucht und Besonderheiten der "Leipziger buchwissenschaftlichen Schule" (Vorwort, S. 5) herausgearbeitet:

Siegfried Lokatis sieht in seinen DDR-Forschungen auch die Möglichkeit, moderne Buchhandelsgeschichte als Diktaturforschung zu untersuchen (ein viel zu kurzer Beitrag). Volker Titel beschäftigt sich mit den Konsequenzen der Digitalisierung für das Buch und den Buchmarkt unter besonderer Berücksichtigung der Lehre und Forschung in Leipzig.

Alexandra Fritzsch sucht nach Ansätzen, Methoden und Quellen für die historische Buchwissenschaft in Leipzig ("Die Beschäftigung mit der Buchgeschichte vermittelt wichtige Fähigkeiten, die neben praktischen Fertigkeiten im Berufsleben von Bedeutung sind.", S. 156).

Annegret Grimm beschäftigt sich mit "Texten, Trägermedien und Typografie im Zeitalter der medialen Konkurrenz".

Der dritte Teil besteht aus einem einzigen Beitrag - ein Abschluss des Kolloquiums nach Maß:

Erdmann Weyrauch versucht in "Die Buchwissenschaft in Leipzig: eine vorläufige Version" Antworten auf vier Komplexe: Ist-Stand - Fehlstellen und Lehrlücken - Ist die Buchwissenschaft wirklich eine Wissenschaft? - Buchwissenschaftliche Lehre und Forschung in der Zukunft.

Der vierte Teil ist ein Anhang mit dem Verzeichnis aller Lehrveranstaltungen der Buchwissenschaft an der Leipziger Universität (WS 1995/96-WS 2005/06) und dem Verzeichnis der abgeschlossenen Magisterarbeiten (1997-Okt. 2005).

Den Anschluss bilden ein Personen- und Firmenregister, ein Abbildungsnachweis sowie ein Verzeichnis der Autorinnen und Autoren.

Fazit: Eine wichtige Veröffentlichung zur Buchwissenschaft in Deutschland für Buch- und Bibliothekswissenschaftler und ein Mosaikstein für ein noch zu schreibendes Lehrbuch zur Buchwissenschaft in Deutschland3, zugleich eine Ergänzung zum geschichtlichen Aufriss des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels4, der anlässlich seines 175jährigen Bestehens erarbeitet wurde.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass eine der wichtigsten Fundgruben für die Leipziger Buchwissenschaft das seit 1990 erscheinende Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte5 ist, in dem neben Forschungsberichten auch regelmäßig Magisterarbeiten, die an der Professur Buchwissenschaft und Buchwirtschaft der Leipziger Universität abgeschlossen wurden, veröffentlicht werden.


Anschrift des Rezensenten

Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier

Ostendorfstraße 50
D-12557 Berlin
E-Mail: dieter.schmidmaier@schmidma.de


1 Leider fehlt eine chronologische Übersicht über die Geschichte der Buchwissenschaft in Leipzig.

2 Die Gliederung der Beiträge in vier Teile stammt vom Rezensenten.

3 Zahlreiche Vorarbeiten sind u.a. in verschiedenen Bänden der Buchwissenschaftlichen Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München (vgl. Delp, Ludwig: Buchwissenschaften - Dokumentation und Information. Wiesbaden, 1997) und in dem Archiv für Geschichte des Buchwesens (soeben erschienen Bd. 60. 2006) erschienen.

4 Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels 1825-2000: ein geschichtlicher Aufriss / Hrsg. Stephan Füssel; Georg Jäger; Hermann Staub; Monika Estermann. Frankfurt am Main, 2000. 416 S.

5 Der neueste, vor kurzem erschienene, Band 14 (2005) enthält u.a. die Abhandlungen von Hans Altenhein über Gerhard Menz als Autor und von Elisabeth Ladiges über die Literaturpolitik der DDR am Beispiel des Mitteldeutschen Verlags Halle von 1960-1968.