Zum Entwurf der 24Stunden-Bibliothek der Universität Karlsruhe

Bemerkungen des Architekten

von Heinz Mohl

Die Architektur der Renaissance in Italien wie auch die für ihr Verständnis notwendigen theoretischen Erkenntnisse beeinflussten meine Arbeit an der Architektur unserer Tage in starkem Maße. Die auf den Menschen bezogenen Theoreme für Raum und Zeit waren Leitlinien, an denen sich die Lösungen der an mich herangetragenen Probleme haben festmachen können. Dieses Denken von den Wurzeln her vermied ein Abgleiten zu selbstsüchtigen Experimenten, denen ein kurzfristiges Echo, das sie hinterlassen, ihr eigen ist.

Einer der Gründe, warum ich neulich wieder einmal nach Florenz reiste, war der Wunsch, nochmals die Bibliothek von San Marco zu besichtigen. Michelozzo hat den Bau 1444 errichtet. Er gilt als der erste Bibliotheksneubau seit der Antike. Bezahlt hat das Ganze die Familie Medici. Michelozzo hat auch deren Palast in der Nähe von San Lorenzo erbaut. Bei dieser Begegnung eröffneten sich für mich, was die Bibliothek in Karlsruhe angeht, neue überraschende Erkenntnisse. Das gebäudetypologische Konzept der San Marco Bibliothek in Florenz ist mit meinem Karlsruher planerischem Konzept identisch. Das Kerngebäude in Karlsruhe stellt sich wie in Florenz als dreischiffiger Raumtyp dar - mit jeweils 12 Jochen. Beide Architekturen haben drei- bzw. zweiachsige Vorzonen. Die jeweiligen Gesamttypologien haben, was die Zahlen an und für sich angehen, nicht nur eine symbolische Bedeutung.

Maß, Zahl und Gewicht erschöpfen sich nicht in technisch-physikalischen Begriffen, sondern bezeichnen die drei metaphysischen Prinzipien des Seins als Ursprung, Form und Vollendung. Bei der Herleitung von Architektur sind Zahlen, Maßzahlen unentbehrliche Hilfsmittel, die sich der direkten Anschauung meist entziehen. Sie sind aber doch Träger symbolischer Inhalte wie auch als Medium ästhetischer Wertigkeiten wahrzunehmen.

Die Bibliothek in Florenz, wie auch die 24-Stunden Bibliothek in Karlsruhe, sind als aufeinander bezogene bauliche Strukturen sowohl im Inneren, wie auch im Bezug zu dem Geflecht der Außenräume zu betrachten. Die Außenbereiche sind als einfach strukturierte Bauten umschlossene Orte unverwechselbarer Qualität zu betrachten. Sie bilden Gassen, Straßen und Plätze, Raumformulierungen, die von der sogenannten Moderne vernachlässigt worden sind; in gewissem Sinne eine Wiederbelebung der europäischen Stadt. Ohne die detailliert vorgetragenen, stadträumlichen Anregungen des damaligen Rektors der Universität Sigmar Wittig hätte die Bibliothek und die dazugehörigen baulichen Erweiterungen in dieser Form nicht entwickelt werden können.

Wittig forderte von mir mit baulichen Mitteln ein dem Geist, Gewicht und der Würde der Fridericiana entsprechendes Entree, einen Torbau zu entwickeln, der in seiner architektonischen Aussage, seiner Signifikanz den Bauten, die den Ehrenhof fassen in keiner Weise nachstehen durften.

Um dieses hehre Ziel zu erreichen sind, wie es bei mir üblich ist, mehrere Entwurfsvarianten erarbeitet worden.

Das folgende Konzept erwies sich als beste Lösung:

Der alte Bibliotheksturm ist vor 45 Jahren errichtet worden, die 24-Stunden-Bibliothek wurde kürzlich offiziell übergeben, die übrigen Bauten fehlen noch; gut Ding will Weile haben.


Zum Autor

Prof. Heinz Mohl

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