World Library and Information Congress:
72nd IFLA General Conference and Council 2006 in Seoul

Exotik, Top-Events, Rekordteilnahme
Das Tagungszentrum COEX
von Wolfgang Ratzek

Vom 20. bis 24. August 2006 zog es mehr als 4000 Teilnehmer aus 115 Ländern ins COEX nach Seoul zum World Library and Information Congress: 72nd IFLA General Conference and Council. Das diesjährige Motto der IFLA-Konferenz lautete "Libraries: Dynamic Engines For The Knowledge and Information Society." Auf die TeilnehmerInnen warteten 200 Präsentationen und Workshops.

Zwar etwas makaber, aber dennoch Fakt: durch die Ausläufer des südostasiatischen Tornados Shanshan wehte in Seoul gelegentlich eine wohltuende Brise, die das sonst sehr warme und schwüle Wetter für Nordeuropäer etwas erträglicher machte. Neben der eigentlichen Konferenz boten die Veranstalter ein Rahmenprogramm der Spitzenklasse. Erwähnt seien hier nur die Eröffnungsfeier, der Gala-Empfang des Ministers für Kultur und Tourismus sowie der Kulturabend.

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen (elektronische Schranken, Taschenkontrolle, vorherige Durchgabe der Passnummer sowie der Nationalität) fand in der Olympia Hall des COEX die Eröffnungsfeier statt. Bereits eine Stunde vorher mussten die Teilnehmer ihre Plätze einnehmen. Der Grund: Koreas First Lady und Schirmherrin der IFLA-Konferenz Yang-Suk Kwon richtete im traditionellen koreanischen Gewand ein Grußwort an die Teilnehmer.

Nach den Grußworten von Alex Byrne (IFLA Präsident), Ki-Nam Shin (Präsident des nationalen Organisationskomitees/NOC) und Se-Hun Oh (Bürgermeister von Seoul)1 betrat unter lang anhaltenden Beifall der Hauptredner die Bühne: Der Friedensnobelpreisträger (2000) und ehemalige (15.) Präsident der Republik Korea (1998-2003) Kim Dae-jung. Sein Auftritt rührte und beeindruckte zugleich. In seinem Festvortrag "Libraries: Prime Movers for the Age of Knowledge and Information" spannte Kim Dae-jung den Bogen von der Urgesellschaft bis in die heutige Zeit. Den Mittelpunkt seines Vortrags bildeten die sechs Rollen, die Bibliotheken im 21. Jahrhundert spielen werden, wie zum Beispiel "[...] libraries should be expanded into open arenas for dialogue among civilizations. The ongoing confrontation between Christianity and Islam in the Middle East is driving the entire planet into insecurity and destruction. Mutual understanding, reconciliation and cooperation between the two civilizations will be impossible without dialogue. Instead, misunderstanding, distrust and hate will just continue to pile up. As a consequence, armed conflict and terrorism do not cease for a single day in our world today.

All library organizations in the world should work harder to increase mutual understanding, friendship and cooperation through dialogue and information exchanges between Islam and Christianity, suffering Africans and people of advanced nations, and East and West. These efforts will contribute significantly to uprooting terrorism and leading the world to peace, not to mention eradicating poverty. Libraries should become a driving force toward peace. And libraries should also become training centers for democratic citizens of the world to promote global cooperation amid diverse civilizations."

Wie von koreanischen Teilnehmern zu erfahren war, setzte sich Kim Dae-jung während seiner Amtszeit sehr für die Entwicklung des südkoreanischen Bibliothekswesen ein.

Die Eröffnungsfeier wurde von faszinierenden Performances begleitet, die von traditioneller koreanischer Musik und Tanz bis hin zur multimedialen Präsentation reichten. Beeindruckend der "Grand-Prix-de-la-Chanson"-reife Song "Guiding Our Dreams", der eigens für den WLIC 2006 komponiert wurde.

Viele fragten sich, wie es dem National Organisationskomitee (NOC) gelungen sei, solch hochkarätige politische Prominenz zur Teilnahme zu begeistern.

Des Rätsels Lösung Nr. 1: Der NOC-Präsident Kim-Nam Shin ist Abgeordneter der Regierungspartei und besitzt somit sicherlich auch den einen oder anderen Kontakt zu hoch stehenden Persönlichkeiten des Landes.

Ebenso beeindruckend wie die Eröffnungsfeier war auch der Gala-Empfang des Ministers für Kultur- und Tourismus, Myung-Gon Kim, in der Pacific Hall des COEX. Der Minister betonte, dass die IFLA-Konferenzen die Olympischen Spiele für Information und Kultur seien. Es gab exotische Speisen im Überfluss, die sicherlich auch für die dreifache Teilnehmerzahl gereicht hätte und ein exquisites Rahmenprogramm. Den kulturellen Höhepunkt bildeten Ausschnitte aus dem Musical "Gokdu-bylcho" des Ansan Culture & Arts Center. Zum Ausklang der Gala spielte eine Showband Disco-Titel, zu denen ausgelassen das Tanzbein geschwungen wurde.

Des Rätsels Lösung Nr. 2: Auch für das außergewöhnlich aufwändige Kulturprogramm gibt es eine plausible Anwort. Myung-Gon Kim studierte Germanistik an der Seoul National University, er ist ausgebildeter Pansori-Säenger2. Myung-Gon Kim spielte in dem Film "Seopyeonje" einen Pansori-Sänger. Und er war Direktor des " National Theater of Korea". Mit anderem Worten: Myung-Gon Kim ist nicht nur Politiker, sondern auch Künstler und Kunstliebhaber.

Der Kulturabend am 22. August im Sejong Center, einer der Top-Adressen für kulturelle Veranstaltungen, erlebten die Teilnehmer ein Feuerwerk aus traditioneller und moderner koreanischer Musik und Tanz. Manuela Schulz von der Humboldt Universität Berlin: "Die Kompositionen haben einen leidenschaftlichen, exotisch und aufregend klingenden Grundton hinterlassen, und zusammen mit der Farbenpracht ein einzigartiges Erlebnis ergeben. Der Abend war selbst für Koreaner, wie wir später erfuhren, eine Besonderheit, da erstmalig ein breites Spektrum koreanischer Tänze und Kompositionen geboten wurde."

Eintauchen in die koreanische Kulturwelt (Foto: Christin Mollenhauer)

Die IFLA-Konferenz

Neben den kulturellen Veranstaltungen steht die IFLA-Konferenz selbstverständlich für eine Fülle von fachlich orientierten Vorträgen und Besichtungen3, von denen hier nur einige Themenkreise genannt werden können.

President-Elect´s Planning Session5

In Vorbereitung ihrer Präsidentschaft (2007-2009) lud Claudia Lux am 22. August 2006 zur "President-Election-Session"6. Rund 80 Teilnehmer erschienen zum Brainstorming-Workshop, um Details ihres Advocacy-Programms "Libraries on the Agenda" zu erfahren. In zehn Arbeitsgruppen konnten die Teilnehmer ihre Ideen und Erfahrungen zu den drei Fragekomplexen einbringen und diskutieren:

1. Was sind erfolgreiche Methoden?

2. Wer sollte beteiligt sein?

3. Wie sollten wir uns einbringen?

Nach etwa 45 Minuten konzentrierter Arbeit lagen die Ergebnisse vor, von denen nur einige aufgelistet werden können:

Zu 1.: Jede Bibliothek sollte eine PR-Abteilung einrichten; Bibliotheken müssen von außen und nicht von innen her betrachtet werden; Lobbyismus heißt aktiv zu sein, bevor das Problem entsteht.

Zu 2.: Stars (Sportler, Popstars) einbeziehen; Entscheidungsträger in die Bibliothek bringen; Kooperationen mit Wirtschaftsverbänden, NGOs, Archiven und Museen, Gewerkschaften, aber auch mit Journalisten.

Zu 3.: Verständnis für politische Probleme und deren Entscheidungsprozesse entwickeln; Bibliotheken bieten Werte für die Stadt; engagiere Dich für Wert (Stand up for values!).

Während der nächsten IFLA-Konferenz in Durban/Südafrika werden die Ergebnisse vertieft und Beispiele für die praktische Arbeit entwickelt. Wer an diesem kreativen Prozess teilnehmen möchte, möge sich an das IFLA-Headquarter oder an Claudia Lux (lux@zlb.de) wenden.

Asien pur

Ein so internationales Ereignis, wie die WLIC, bietet immer auch die Chance, sich über Entwicklungen im Gastgeberland und den benachbarten Staaten zu informieren. 2006 lag der Fokus natürlich besonders auf den ostasiatischen Ländern:

Koreanische Impressionen

Traditionell waren unter den 122 Ausstellern auch die großen Anbieter mit ihren asiatischen Filialen vertreten wie z.B. EBSCO, OCLC Swets, Thomson. Als Ausrichter der WLIC 2006 waren natürlich die koreanischen Aussteller am stärksten vertreten. Wenn auch anzumerken ist, dass, wie bei anderen WLICs auch, das Interesse von beispielsweise Verlagen und Hosts gering war.

Umso erfreulicher, dass das Korea Institute of Science and Technology Information (KISTI untersteht dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie) vertreten war. Das 1967 gegründete KISTI ist der bedeutendste Anbieter von High-End-Technologien in Bereich des Supercomputings und Networkings in Korea. Darüber hinaus bietet das KISTI als einziger öffentlich zugängliche Supercomputing-Dienstleistungen.

Selbstverständlich präsentierte sich auch die "National Library of Korea" (NLK) mit einem Stand und reichlich Personal. Die NLK hat in vielfältiger Weise Vorbildcharakter: Durch eine umfangreiche gesetzliche Grundlage, wie ein Bibliotheksgesetz (1963 und 1965), den "Library Promotion Act" (1991) und den "Library and Reading Promotion Act" (1994). Mit zwei großen Vorhaben kommt die NLK ihrem Ziel, einem State-of-the-Art-Zentrum für Wissen und Kultur, immer näher. Die am 28. Juni 2006 eröffnete "National Library of Children and Young Adults" und die 2008 in Betrieb gehende "National Digital Library" (mit 38.000 qm) bilden weitere Meilensteine in dieser Entwicklung.

Das Gegenstück zur DFG ist die Korea Research Foundation. Zwar war die KRF nicht mit einem Stand auf der WLIC 2006 vertreten, aber aus deutscher Sicht ist das "Information & Knowledge Center" von besonderer Bedeutung. Hier wirkt Abteilungsdirektor Young-Man Ko7,8,9, der nach seinem B.A. in Bibliothekswissenschaft in Südkorea an der FU Berlin seinen Magister in Informationswissenschaft10 erwarb und auch dort promovierte. Im perfekten Deutsch berichtet er, womit er und seine 25 Fachleute sich befassen: die gesamte großrechnergestützte Datenverarbeitung für das KRD, FuE im LIS-Bereich und die Erstellung von Bibliographien. Young-Man Ko hat eine Reihe von viel beachteten Projekten durchgeführt und auch eine entscheidende Rolle als Gutachter in der Genehmigung der Digital National Library Seoul gespielt.

Die Koreanische Braille-Bibliothek (www.kbll.or.kr)

Wie bei jedem WLIC gab es auch 2006 ein reichhaltiges Besuchsprogramm. Stellvertretend soll hier die Koreanische Braille-Bibliothek erwähnt werden. Die Spezialistin Elke Dittmer, Vorsitzende der Mediengemeinschaft für blinde und sehbehinderte Menschen e.V. (c/o Stiftung Zentralbibliothek für Blinde - Norddeutsche Blindenhörbüchereien in Hamburg) berichtet in einem Interview hierzu: Während europäische Blindenbibliotheken auf eine über 100-jährige Geschichte zurück blicken können, wurde die erste Bibliothek dieser Art in Südkorea erst 1969 gegründet, und zwar durch die Initiative von Byung-il Youk, dem Vater der heutigen Direktorin, Keun Hae Youk. Die Einrichtung ist bis heute privatrechtlich organisiert und erhält zunehmend staatliche Zuschüsse. Erfreulich, so Elke Dittmer, dass der rasante wirtschaftliche Aufschwung in Südkorea sich u.a. auch auf die vermehrte Förderung kultureller und sozialer Institutionen auswirke.

Die Bibliothek befinde sich in Seoul und versorgt heute Sehbehinderte und Blinde, aber auch Menschen mit körperlichen Behinderungen, die ein Buch nicht halten können oder eine andere Leseschwäche wie z.B. Dyslexie haben. Das Bibliotheksangebot umfasst verschiedene für diesen Nutzerkreis geeignete Materialien:

LG hat als Hersteller u.a. von Mobilfunktelefonen ein Mobiltelefon entwickelt, das ausschließlich an lesebehinderte Bibliotheksnutzer abgegeben wird. Hörbücher können vom Server der Bibliothek auf einen PC und von dort mit einfach zu bedienender Bluetooth-Technik in das Mobiltelefon übertragen werden. Der Nutzer kann so Hörbücher, die mit menschlicher Sprache gesprochen wurden, an jedem Ort hören. Die zweite Nutzungsmöglichkeit ist die direkte Einwahl vom Mobiltelefon in den Server und nach Auswahl eines Buches kann der gesamte Text in das Mobiltelefon übertragen werden. Der Text wird dann mittels Sprachsynthese vorgelesen. Die Nutzung des Mobiltelefons selbst erfolgt natürlich auch sprachgeführt. Die dritte Verwendungsmöglichkeit ist die Nutzung der RFID-Technik. Broschüren, Informationen und Plakate, die vor Ort in der LG Sangnam Public Library angeboten werden, sind mit einem RFID-Chip versehen. Das Mobiltelefon erhält über den Chip die Textinformation und diese kann dann auch mit synthetischer Sprache wieder gegeben werden.

Die Koranische Braille-Bibliothek hat sich mit ihren neuen innovativen Projekten in sehr kurzer Zeit eine führende Stellung im Blindenbibliothekswesen erobert. Sie leistet Beachtliches für Menschen mit Lesebehinderung und Blindenbibliotheken in anderen Ländern werden durch die Zusammenarbeit in der IFLA-Sektion der Blindenbibliotheken davon profitieren.

Empfang im Goethe-Institut

Zum Empfang des Goethe-Instituts am 24. August 2006 kamen rund 70 Gäste, darunter auch koreanische Kollegen aus dem Bibliothekswesen, dem Verlagswesen, dem Literarischen Übersetzungsinstitut, der Korea Foundation und der Leiter der Paju Book City. Die Mehrheit bildeten die deutschen IFLA-TeilnehmerInnen11. Als eine der ersten Gäste traf Claudia Lux in dem am Fuß des Namsan-Bergs gelegenen deutschen Kulturinstitut ein. In seiner Begrüßungsrede ging der Institutsleiter, Jürgen Keil, auf das Engagement des Goethe-Instituts Seoul in Süd- und in Nordkorea ein. Claudia Lux sprach über das Motto ihrer bevorstehenden IFLA-Präsidentschaft und über die Entwicklungsgeschichte des Lesesaals. Schon auf der 1. Internationalen Buchmesse in Pjöngjang äußerten Vetreter des Kulturministeriums für die Beziehungen mit dem Ausland ihr gegenüber den Wunsch zur Gründung eines deutschen Lesesaals. Peter Winkler, Presse- und Kulturreferent der Deutschen Botschaft Seoul, sprach über den deutsch-koreanischen Kulturaustausch und schloss mit den Worten: "Ich bin sicher, dass von diese Großveranstaltung auch neue Impulse für künftige Kooperationsprojekte ausgehen werden."

Und noch einige Insiderinformationen und Einsichten ...

Teilnehmer-Kommentare

Jens Boyer (Goethe-Insitut Tokyo): Mein Eindruck von dieser, meiner zweiten IFLA-Konferenz nach Berlin war insgesamt ein positiver. Der beträchtliche Aufwand, den das NOK mit Unterstützung der koreanischen Regierung geleistet hat, kam wohl insbesondere in den Großveranstaltungen und dem Rahmenprogramm zum Ausdruck. Die Organisation etwa der Bibliotheksbesuche war ausgezeichnet, der Ablauf verlief reibungslos. Auch die Bandbreite der angebotenen Besichtigungen und Führungen war vielfältig und interessant, ebenso wie das angebotene Konferenzprogramm.

Die Qualität und Relevanz der Präsentationen und Einzelveranstaltungen habe ich persönlich hingegen als sehr schwankend und unterschiedlich erlebt. Hier fehlt mir eine effektivere Möglichkeit der Vorabinformation über die Inhalte und Referenten der einzelnen Programmabschnitte. Insgesamt würde ich mir hier eine noch bessere Vorbereitung der Referenten von Seiten der IFLA wünschen, durch exaktere Vorauswahl und Hinweise auf Präsentationsstandards.12 So geschah es meines Erachtens zu häufig, dass Vorträge praktisch als Vorlesung referiert wurden, statt das versammelte internationale Publikum durch ergebnis- und verlaufsorientierte Präsentation zu interessieren und so auch für Inhalte und Projekte zu begeistern.

Dies sollte nach meiner Ansicht im Vordergrund von Präsentationen stehen, die im Rahmen dieser größten internationalen Fachveranstaltung gehalten werden.

Mindestens ebenso wichtig wie der Besuch einzelner Fachveranstaltungen war für mich aber die Gelegenheit zu dem mehrtägigen Zusammentreffen mit einem internationalen Kollegenkreis, das ich als sehr angenehm und für meine fachliche Projektarbeit in Japan als unmittelbar förderlich empfunden habe. Gleiches gilt für die Planungs- und Diskussionsveranstaltung von Frau Lux am 22.08.2006. Diese Veranstaltungsform halte ich für besonders intensiv und ergebnisorientiert, vielleicht ließe sich Vergleichbares zukünftig auch in den Beiträgen einzelner Sektionen während der Konferenz verstärkt umsetzen.

Christina Jönsson Adrial (Kristianstad University/Schweden)13: Man fährt ja nicht zur IFLA, um das Allerneuste wissen zu wollen, doch wohl eher um einen breiten Überblick zu bekommen. Darüber hinaus auch, um eine Bestätigung dafür zu bekommen, dass die Fragen, mit denen man täglich kämpft, die gleichen sind, mit denen andere auch kämpfen. Ich fand die Seminare über "local repositories", insbesondere wenn die legalen Aspekte im Fokus standen, interessant. Und dann natürlich die Sitzungen der Sektionen, in meinem Fall Statistik und Evaluation. Zurzeit diskutieren wir, wie wir die Zusammenarbeit mit der UNESCO fördern können, um Daten für eine globale Bibliothekstatistik zu sammeln. Die Kernfrage lautet: Gibt es eine Methode, die für alles passt?

Die IFLA-Kongresse bieten auch immer Möglichkeiten, über den Tellerrand zu gucken und etwas für den Bibliotheksalltag zu entdecken. Von einer solchen Entdeckung berichtet Heller Klauser vom Kompetenznetzwerk für Bibliotheken im Deutschen Bibliotheksverband e.V./ IFLA-Nationalkomitee: In der ersten Etage des gewaltigen Kongresszentrums in Seoul war unter anderem die Käferausstellung und die dazugehörige Animationen für Kinder untergebracht: manchmal hüpften menschengroße Kuscheltiere vor dem Eingang der Ausstellung herum, um die koreanischen Großstadtkinder in die nachgebaute Natur zu locken, dann gab es wieder Kindersongs und Musik in Mickey-Maus-Stimme, dazu Kinderlachen, was durchs Haus drang. Das Erdgeschoss verwandelte sein Aussehen während des IFLA-Kongresses in Pink mit Hunderten von Kinderwagen, Infoständen mit Luftballons und Babyschnullern und dazwischen schwangere Frauen, aufgeregte werdende Elternpaare, schwatzende Frauengruppen und besorgte Schwiegermütter - die Babyausstattungsmesse hatte sich hier eingemietet. Im Untergeschoß des Kongresszentrums tobte das Leben in Hunderten kleiner Krimskrams- und Kleidungsläden, in unterirdisch angelegten Marktplätzen mit Springbrunnen und drum herum Café-Atmosphäre und einem unterirdischen Wegelabyrinth mit Restaurants. Und mittendrin tagte der IFLA-Kongress, diskutierten die Bibliotheksvertreter aus aller Welt über die Integration der Bibliotheken in das gesellschaftliche Leben, über die Rolle der Bibliotheken in der Gesellschaft, über Bibliotheken als Orte des Lernens und der Begegnung - in Seoul schon mittendrin.

Fazit

Die 72. IFLA-Konferenz verdient das Prädikat "Event". Das NOC inszenierte ein Rahmenprogramm der Spitzenklasse. Hier ist das schon Realität, was in der President-Elect´s Planning Session unter anderem gefordert wurde - die Politik stärker zu fordern für die Wertschätzung der Institution Bibliothek.

Kritisch anzumerken bleibt das unterschiedliche Niveau der Vorträge, obwohl das NOC damit kaum etwas zu tun hatte. Auch der Umgang mit den Medienvertretern ist anzumerken.14 Zwar verstehen die Vorstände, wenn es um Interviews geht, schon recht den Wert einer positiven Berichterstattung einzuschätzen, aber wenn es um die Arbeitsbedingungen geht, fehlt es dann doch an Einfühlungsvermögen. Im Presseraum standen ein verwaister Drucker und ein paar Tische und Stühle. Auch war es als Pressevertreter schwierig, das endgültige Programm und einen Stadtplan zu erhalten, was zwar für die Teilnehmer, aber nicht für die Presse vorgesehen war. Auch gab es bis Mitte Oktober kein Pressematerial, insbesondere Fotos, für die Nachbereitung.


Zum Autor

Prof. Dr. Wolfgang Ratzek

Hochschule der Medien
FB Information und Kommunikation
Wolframstraße 32
D-70191 Stuttgart
E-Mail: ratzek@hdm-stuttgart.de


Anmerkungen

1. Im "Final Programme" und auf der WLCI-2006-Website sind für den Seouler Bürgermeister und des Ministers für Kultur- und Tourismus verschiedene Namen angegeben. Die hier genannten Namen sind verifiziert.

2. Pansori ist ein traditioneller koreanischer Sprechgesang oder ein auf Sprechgesang basierendes Musical.

3. Auf dem Programm standen unter anderem die Korea Braille Library oder das Korea Institute of Science and Technology Information (s.u.).

4. Näheres unter http://www.gatesfoundation.org/GlobalDevelopment/GlobalLibraries/Announcements/Announce-060821.htm (Stand: 10.10.2006)

5. Ein ausführlichen Bericht erscheint im IFLA Journal (wahrscheinlich im Heft 3/2006).

6. Ein ausführlicher Bericht des Autors erscheint im IFLA Journal 4/2006.

7. Eine ausführliche Darstellung der KRF und ein Überblick über die koreanische Angebote im Bereich der wissenschaftlich-technischen Information ist für die Zeitschrift Information - Wissenschaft und Praxis in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Young-Man Ko vorbereitet. Darüber hinaus ist eine Darstellung der DFG und eine Auswahl von Institution und Angeboten im Bereich der wissenschaftlich-technischen Information für die koreanischen Fachzeitschrift Journal of the Korean Society for Information Management vereinbart.

8. Young-Man Ko lehrt außerdem an der Sungkyunkwan Universität Library & Information Science.

9. Young-Man Ko zeigte sich sehr interessiert, deutsche Kollegen zu treffen. Ein vom Autor organisiertes Treffen mit einer kleinen Gruppe von Teilnehmern, darunter auch Claudia Lux, im COEX, genauer im Bräuhaus, führte zu anregenden Gesprächen.

10. Im Nebenfach studierte er Publizistik und Japanologie.

11. Die deutschsprachige IFLA-Delegation bestand neben den 50 deutschen TeilnehmerInnen noch aus 14 Teilnehmerinnen aus der Schweiz und drei aus Österreich. 22 deutsche TeilnehmerInnen erhielten einen Zuschuss von der DFG oder von Bibliothek & Information International.

12. Dieser Kritik kann ich mich voll und ganz anschließen. Es geht das Gerücht um, dass in erster Linie bestimmte Sektionsmitglieder bevorzugt bedient werden. Dabei steht nicht die Qualität des Beitrages im Mittelpunkt, sondern die Schaffung eines Anlasses zur Einwerbung von Reisekostenzuschüssen. Hier wäre vielleicht einmal eine Statistik der Referenten und Vortragsthemen anzuraten, um dieses Gerücht aus der Welt zuschaffen.

13. Übersetzung aus dem Schwedischen durch d. Verf.

14. Dies gilt im Prinzip auch für die deutschen Bibliothekartage: Hier ist auch der Umgang mit den Ausstellern ein Kritikpunkt, die häufig nur als Einnahmequelle und weniger als Teil des Events betrachtet werden.