105 Jahre Swets

Hanne Knickmann

Dass sich auf der Frankfurter Buchmesse Aussteller und Fachbesucher aus aller Welt treffen, macht die Attraktivität und den Erfolg dieser Messe aus. Fachbesucher aus allen Erdteilen beim Empfang an einem einzigen Stand zu treffen, ist ein Zeichen für das Renommee, die internationale Ausrichtung und vor allem auch für die Marktposition des einladenden Unternehmens.

Zwei Dienstleistungsgiganten teilen sich den internationalen Markt für die Beschaffung und Verwaltung wissenschaftlicher und branchenbezogener, gedruckter oder elektronischer Fachinformationen sowie für Managementlösungen bei der Abonnementverwaltung: Swets und Ebsco. 2004 feierte Ebsco sein 60. Firmenjubiläum als Dienstleister für Bibliotheken. In diesem Jahr nun lud Swets zur Feier des 105. Firmenjubiläums seine Geschäftspartner aus Verlagen und Bibliotheken an den Messestand ein. Die Zahlen, mit denen sich Swets heute präsentiert, sind gewaltig. Die Agentur fungiert als Schnittstelle zwischen 65.000 Verlagen und Informationsanbietern sowie 60.000 Bibliotheken, Informationszentren, Einkäufern und Anwendern weltweit.

1901 in Amsterdam: die richtige Idee zum richtigen Zeitpunkt

Angefangen hat alles ganz klein: mit einer von Adriaan Swets und Heinrich Zeitlinger 1901 in Amsterdam gegründeten Fachbuchhandlung, die auf neue und antiquarische wissenschaftliche Literatur spezialisiert war. Zeitlinger stieg bereits nach einem Jahr aus, der Name Swets & Zeitlinger aber blieb erhalten und stand über Jahrzehnte für ein kontinuierlich und rasant expandierendes Unternehmen. In den 1920er Jahren kamen der Abonnement-Service als neue Sparte und damit Geschäftsbeziehungen zu Bibliotheken in England, Asien, USA, Kanada und Lateinamerika hinzu.

Ein Versuch, 1938 das erste eigene Büro in den USA zu eröffnen, scheiterte zwar wegen des drohenden Zweiten Weltkriegs, aber es war auch die Kriegssituation, die Swets eine im Wortsinn goldrichtige strategische Entscheidung treffen ließ. Swets hatte die Weitsicht und den Mut, die laufenden Abonnements der zehn größten Kunden in den USA und in Südafrika weiterzuführen, zu bezahlen und zwischenzulagern. Nach Kriegsende bedankten sich die betroffenen Bibliotheken mit großzügigen Zahlungen in währungsstarken US-Dollars und legten damit den finanziellen Grundstock für die Expansionen von Swets in den folgenden Jahrzehnten.

Innovation und Expansion in der Nachkriegszeit

In den 1960er Jahren war Swets dann bereits die größte Subskriptionsagentur in Europa. Das Augenmerk richtete sich fortan auf die Automatisierung der Abonnementverwaltung sowie auf den Konsolidierungsservice, die Errichtung von Vertriebszentren für die Belieferung der Bibliotheken und die Vereinfachung des Reklamationswesens. Standen so in den 1970ern und 1980ern die Einführung der EDV, Fragen der Prozessoptimierung und die Einrichtung von internationalen Niederlassungen im Vordergrund, waren die 1990er dominiert vom Aufkauf einer ganzen Reihe kleinerer und größerer europäischer Subskriptionsagenturen. Das Jahrzehnt endete mit einem Paukenschlag der Firmengeschichte: der Fusion von Swets Subscription Service und Blackwell’s Information Services zu Swets Blackwell. Nur vier Jahre später erwarb Swets die Anteile, die Blackwell noch hielt und positionierte sich neu unter dem heutigen Firmennamen Swets Information Services. Mit weltweit 22 Büros, darunter Niederlassungen in Australien, Kanada, China, Mexiko, Russland, Südafrika, Singapur, Taiwan und den USA, pflegt Swets heute Kundenkontakte in 160 Ländern. Soweit die rasante Erfolgsgeschichte eines Unternehmens, das als Informationsdienstleister im IT-Zeitalter unter permanentem Innovationsdruck steht - was die eigenen Technologien, aber auch, was die Bedürfnisse der Kunden und des Marktes angeht.

Bedürfnisse und Prognosen im IT-Zeitalter

Wer bei den Gästen des Messeempfangs nachfragte, hörte zunächst einmal dies: Die Aufregung um Open Access, die letztes Jahr auf der Buchmesse noch allgegenwärtig war, scheint sich zumindest an der Oberfläche gelegt zu haben. Auch wenn andere meinen, trotz beruhigt wirkender Gesichter gehe das Gespenst doch noch um. "Viel Wind um nichts", meint jedenfalls Joachim Engelland, zuständig für Business Development Online bei Walter de Gruyter. Und Rick Lee Chi Wai, Director von World Scientific, Singapore, hält die ganze Open Access Debatte ohnehin nur für ein "UK thing" oder allenfalls ein "European thing", um das man sich nicht weiter sorgen brauche. Denn irgend jemand müsse schließlich immer zahlen, auch bei Open Access.

E-Books

Viel Dynamik steckt dagegen derzeit in dem Thema E-Books. Diskutiert werden die Verkaufs-, Vertriebs- und Angebotsmodelle. Für Dr. Jürgen Babendreier von der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen sind E-Books in den Verhandlungen mit Swets eines der Top-Themen auf seiner Agenda. Seine Einschätzung: Die Bibliotheken reagieren noch mit Zurückhaltung, werden sich aber dauerhaft nicht entziehen können. Das Problem sieht er unter anderem in den Paketangeboten der Verlage und Agenturen. Fertig zusammengestellte Pakete kaufen zu sollen und nicht selektiv auswählen zu können gehe nicht nur gegen die Ehre der Bibliothekare, sondern bestimme auch, was Studenten lesen, wo man publiziere, wie man forsche. So weit reichende Auswirkungen auf die gesamte wissenschaftliche Kommunikation seien von den E-Books zu erwarten, dass die Universität Bremen das Thema auf das Programm des diesjährigen dies academicus gesetzt habe. Bei Oxford University Press erfolgt gegenwärtig bereits für 60% der dort publizierten E-Books die Rechnungslegung durch Swets. Für die restlichen 40% schreiben je hälftig der Verlag und andere Agenturen die Rechnungen. Engelland formuliert das Interesse der Verlage an zusätzlichen Angeboten der Informationsdienstleister angesichts der aktuellen Entwicklungen etwas allgemeiner. Sein Blick richtet sich auf Modelle, die die Tatsache widerspiegeln, dass sich elektronische Bücher zusammen mit E-Journals zu einer eigenen Produktgattung entwickeln werden. Hier überzeugende Lösungen für die daraus erwachsenden Geschäftsmodelle zu finden sei Aufgabe aller Beteiligten und wird nach seiner Auffassung auch über die künftige Positionierung der großen Agenturen entscheiden.

Service, Service, Service

Der Innovationsdruck im E-Publishing Bereich und die Erwartung an die Agenturen, hier mit ihren Serviceangeboten nicht nur flexibel mitzuziehen, sondern bereits ein Partner in der Entwicklungsphase zu sein, ist groß. Eindeutige Prognosen wagt kaum jemand. Klar ist, dass die Dienstleistung im E-Bereich gegenüber dem Print-Geschäft ein 24-Stunden-Service ist. Weil aber eben keiner so genau weiß, was kommen wird und weil gerade in Zeiten des Wandels Stabilität und Verlässlichkeit der Geschäftsbeziehungen das A und O sind, halten sowohl Verlage wie auch Bibliotheken die bewährten Kernkompetenzen von Swets hoch: den reibungslosen Kommunikationsfluss zwischen allen Partnern, detaillierte Auskunft über die Bedürfnisse des belieferten Endkunden; das Konsolidieren und Bündeln; den hohen Grad an Automatisierung und Standardisierung der administrativen Abläufe; die Rechnungslegung, die eine umso wertvollere Dienstleistung ist, je komplizierter die Vorschriften dafür in manchen Ländern wie z.B. der Türkei und Polen sind; das weltumspannende Vertriebsnetz und die hervorragende Positionierung auf dem Markt.

Transparenz für einen komplexen Markt

Dass sich die großen Konzentrationsprozesse in der Verlagswelt bei den Agenturen widerspiegeln, versteht sich von selbst. Dass sie sich zu regelrechten Monopolstrukturen potenzieren könnten, fürchten manche Bibliotheken angesichts der engen Zusammenarbeit von Swets mit Konzernen wie Springer und Elsevier. Dies könne zu einem Diktat der Preise und durch das Angebot fix zusammengestellter Abonnementpakete auch zu einem Diktat der Inhalte führen. Zu diskutieren sind also nicht nur die Preise - Babendreier nennt die Konditionen von Swets sogar ausgesprochen günstig - sondern die Breite des Angebots und die Möglichkeit, daraus frei wählen zu können. Denn wissenschaftliche Innovation finde nicht ausschließlich im Mainstream der Forschung, sondern auch an den Rändern statt. Darum müssten Bibliotheksbenutzer auch immer das finden können, was sie gerade nicht suchen. Swets kann also gegenüber den Bibliotheken mit einem breiten Angebot auch randständiger Titel punkten - und, so nochmals Babendreier, mit der "Wiederentdeckung des humanen Faktors". Denn die Rationalisierung der Agenturbinnenstruktur mit allen Vorteilen der Automatisierung und Standardisierung dürfe nicht auf Kosten einer persönlichen, für die Situation und Bedürfnisse der Bibliotheken sensiblen Betreuung durch Agenturrepräsentanten erfolgen.

Arie Jongejan, CEO von Swets, hat also genau den richtigen Punkt getroffen, als er im vergangenen Jahr auf dem 5. Frankfurt Scientific Symposium die Aufgaben seiner Agentur in dem immer komplexer werdenden Markt neu definierte: Neben die klassischen administrativen Dienstleistungen treten die explorativen. Die Agentur wird zum Scout im Dschungel der Angebote und Konditionen und übernimmt die nicht zu unterschätzende Aufgabe der Vertrauensbildung zwischen den Partnern.


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