Dr. Willi Treichler - Der europäische Bibliotheksvertreter aus der Schweiz und Mitherausgeber von B.I.T.online im Ruhestand

Stets war ich beeindruckt, dass Willi Treichler der stetige Vertreter nicht nur seiner Bibliothek, der Schweizerischen Landes- und heutigen Nationalbibliothek, sondern auch seines Landes bei bibliothekarischen Veranstaltungen im Ausland war. Er besuchte österreichische und deutsche Bibliothekartage, LIBER-Konferenzen und große internationale Fachtagungen in europäischen Ländern. Dort hielt er Vorträge zu den verschiedensten bibliothekarischen Themen wie Bibliotheksbau und -einrichtung, Schulbibliotheken u.v.a.m., und er gab sein Wissen auch im eigenen Land weiter. Seine Hilfe bei bibliothekarischen Fragen aller Art ist ebenso legendär wie sein umfassendes Fachwissen im Bibliotheksbau. Was konnten wir nicht alles für unsere Grazer Bibliotheksbauten an der Universität erfahren. Auch wenn wir in Österreich weitere Bibliotheken planten, stand uns Willi hilfreich zur Seite, und er wurde auch als Berater für Bau- und Sicherheitsfragen in viele Länder eingeladen. Auch finden wir in zahlreichen deutschsprachigen Zeitschriften Beiträge von Willi Treichler, z.B. über die großen Umbauten und Umstrukturierungen der Schweizerischen Landesbibliothek sowie das Jahrhundertbauwerk deren Tiefspeicher u.a.m. Doch er hatte nicht nur an Bibliotheken Interesse, er besichtigte auch fachkundig Museen und Archive und holte sich dort Anregungen.

Zwei Jahrzehnte lang war Willi Treichler als Sekretär des Schweizer Berufsverbandes zentraler Ansprechpartner für die Berufsverbände der Nachbarländer. Beim Österreichischen Bibliotheksverband (VÖB) war Willi Treichler durch viele Jahre hindurch Rechnungsprüfer und hat dieses Amt ehrenamtlich, mit großer Sorgfalt und äußerst erfolgreich durchgeführt.

Willi Treichler fiel auch durch seine Bescheidenheit auf: Einmal bat ich ihn auch über sich etwas zu erzählen - und bekam folgende Antwort:

Was soll ich Dir über meine Wenigkeit Interessantes berichten? Aus der Rückschau ist bekanntlich vieles belanglos und über Höhepunkte des Lebens usw. werden andere (vielleicht) einmal ein Urteil abgeben. Vieles habe ich angestrebt, einiges wohl erreicht und manches blieb - bis heute - eine Utopie. Schlechtes hat glücklicherweise die Tendenz, vergessen zu werden.

Nun also: Als Christkindlein am 24.12.1941 geboren, habe ich am schönen Zürichsee meine Jugend- und erste Schulzeit verbracht, geprägt von der - auch in der Schweiz - kargen Nachkriegszeit. Ferien in bescheidenen Häusern in Graubünden, dem Berner Oberland und im Wallis waren die Höhepunkte des Jahres. Das Gymnasium absolvierte ich in einem Bündner Internat, Jahre, die das zu Hause von vielen Tanten verwöhnte Einzelkind entscheidend prägten. Nach einer aus gesundheitlichen Gründen nur sehr kurzen militärischen Karriere folgte ein breit gefächertes Studium größtenteils an der Universität Zürich, mit praktischen Tätigkeiten von der Schulstube über Aushilfe bei der Post bis hin zur Tagesschau des Fernsehens. Die Promotion zum Vollblut-Mediävisten erfolgte nach einer sehr vielfältigen Assistenten- und Forschungstätigkeit im Sommer 1970. (Willi Treichler: Mittelalterliche Erzählungen und Anekdoten um Rudolf von Habsburg. - Bern; Frankfurt: Lang, 1971. 158 S.; (dt.); (Geist und Werk der Zeiten; 26); Zugl. Zürich, Univ., Diss.)

Der Wille, endlich einmal etwas Solides anzupacken, ließ mich eine wissenschaftliche Stelle an der (damaligen) Landesbibliothek in Bern annehmen, wo ich dann, auch aus privaten Gründen, 36 Jahre hängen blieb. Für die Sacherschließung zuständig schuf ich mir zusätzlich in vielen "Nischen" ein vielfältiges Arbeitsgebiet, das 1991 in einem das gesamte Haus umfassenden "Turnaround" zur Übernahme der Ausbauprojekte der Bibliothek führte, die 2009 mit einem finanziellen Gesamtvolumen von 75 Millionen Euro ihr vorläufiges Ende finden werden. Eine Überschrift über mein Wirken könnte daher etwa lauten "von der UDK zum Facility-Manager". Soweit also meine confessio vitae.

Bleibt noch dankend zu erwähnen, dass Willi Treichler von Anfang an unsere Zeitschrift B.I.T.online als Mitherausgeber fördernd begleitet und in der Schweiz bekannt gemacht hat. Gleich im 1. Jahrgang wies er auf die anstehenden Bauprobleme seiner Bibliothek hin, deren Realisierung sich wie ein roter Faden durch unsere Zeitschrift zog und ihn immer wieder zu Wort kommen ließ.

Und so fragen wir uns, was wird unser Schweizer Kollege nun im Ruhestand machen? - niemand kann sich für ihn einen Ruhestand wirklich vorstellen! Dazu antwortet er selbst:

Einem vielseitigen Wunsch entsprechend werde ich mich nun in der ersten Zeit des Ruhestands noch der Fertigstellung der dritten Ausbauetappe nunmehr der Nationalbibliothek widmen, daneben weitere Projekte bei Kulturbauten der Eidgenossenschaft betreuen, sowie beratend bei ausländischen Vorhaben mitwirken.

Die genannten Tätigkeiten klingen beruhigend und dafür wünschen wir alle von B.I.T.online sowie von der europäischen Bibliothekswelt ihm alles Gute, viel Erfolg und stetige Gesundheit. Außerdem weiß ich, dass Willi Treichler gerne Konzerte und Opern besucht - so freue ich mich auf ein zufälliges Wiedersehen in der Wiener Staatsoper oder bei der Styriate im Grazer Stephaniensaal (vom 22.6. bis 22.7.2007).

Hofrätin Dr. Sigrid Reinitzer, Graz