E-Books, Bücherbissen, ein hybrides Chemielehrbuch
und die Rückbesinnung auf das Kerngeschäft

Bericht von der Kongressmesse Online Information 2006, London

von Vera Münch


Auch nach 15 Jahren zeigt sich London immer wieder in einem neuen Licht. "London Eye", dass zur Jahrtausendwende gebaute Millenium-Riesenrad strahlt über die Themse.
Neue Anwendungen bekannter Technologien und ganz viele Detailfragen zum Umgang mit elektronisch aufbereiteter Information bestimmten das Bild der Online Information 2006 im Dezember in London (www.online-information.co.uk). Verlage und Informationshändler arbeiten intensiv daran, die digitalen Onlinetechniken so gut wie möglich für ihre Positionierung auf dem Weltmarkt einzusetzen. Die Bibliotheken suchen nach Strategien, im hoch dynamischen, technisch komplexen Umfeld der weltweiten Vernetzung ihrem Auftrag zur Bewahrung des Wissens gerecht zu werden. Web 2.0 und Social Software kamen auf der Konferenz und im Messe-Rahmenprogramm zwar in zahlreichen Vorträgen vor, wegweisende Empfehlungen oder gar Anwendungen gab es aber nicht. Noch wagt sich offenbar niemand an eine Vorhersage, was mit dem "Internet zum Mitmachen" auf die Fachinformationswelt zukommen könnte.

TIB und FIZ CHEMIE gehen die Primärdatenarchivierung an

"Bibliotheken garantieren traditionell die Langzeitverfügbarkeit von Wissen. Der Vormarsch der digitalen Techniken stellt uns vor die neue Aufgabe, auch dafür nachhaltige Lösungen zu entwickeln", nahm der Direktor der Technischen Informationsbibliothek (TIB) Hannover, Uwe Rosemann, in London Stellung zu einer der wichtigsten aktuellen Fragen des Bibliothekswesens. Für die Fachwelt ist das zunächst nichts Neues. Aus Rosemanns weiteren Ausführungen wurde dann allerdings deutlich, dass die Aufgabenstellung viel weiter reicht, als man auf dem ersten Blick erkennen kann: "Die bisherigen Aktivitäten der Bibliothekswelt und der Verlage haben sich überwiegend auf Materialien konzentriert, die bereits einen klassischen Publikationsweg durchlaufen haben. Wir brauchen aber auch dringend Lösungen für ausschließlich elektronisch vorliegende Primärdaten und Werke, die von den bestehenden Mechanismen der Archivierung nur bedingt oder gar nicht erfasst werden", erklärte er. Die TIB will nun in einer Kooperation mit dem Fachinformationszentrum FIZ CHEMIE Berlin das Problem der Archivierung von Primärdaten angehen. In London unterzeichneten die beiden Partner bei einem kleinen Festakt den Vertrag, der dieses Vorhaben besiegelt. Auch Professor Dr. René Deplanque, Geschäftsführer des Kooperationspartners FIZ CHEMIE Berlin, sieht die Primärdatenarchivierung als eine sehr drängende Aufgabe: "In vielen Fachgebieten sind elektronische Primärdaten bereits Standard-Arbeitsmittel zur Gewinnung und Darstellung wissenschaftlichen Fortschritts. Wir müssen eine dauerhafte Verfügbarkeit dieses Wissens gewährleisten", so Deplanque. Im Rahmen der zukünftigen Kooperation wollen sich die TIB und das FIZ CHEMIE nun gemeinsam der Aufgabe annehmen. (www.tib.uni-hannover.de; www.chemistry.de)

Geschäftliche Atmosphäre und viele Feiern auf der Messe


Die Messestände waren durchwegs kleiner als in den Vorjahren.
Die Vertragsunterzeichnung von TIB und FIZ CHEMIE in London war aus deutscher Sicht eines der Highlights der Messe, auf der ansonsten hauptsächlich wirtschaftlicher Alltag herrschte. Professionelles Messegeschäft mit Produktberatung, Kundengesprächen und Lizenzverhandlungen prägte die Atmosphäre. Umrahmt wurden die Gespräche von einer Vielzahl kleiner und größerer Feiern auf den Ständen. HighWire Press, der Verlag der Bibliothek der amerikanischen Stanford University aus Palo Alto, Kalifornien, stieß mit seinen Kunden und Messebesuchern auf das "1000 Journal auf HighWire Press" an. Es sind die "Proceedings of the London Mathematical Society", veröffentlicht von der Oxford University Press. HighWire Press betreibt nach eigenen Angaben das größte elektronische Depot der Welt mit (subscriptions-)frei zugänglichen wissenschaftlichen Volltexten. Der Service macht die Texte seit 1995 durch Partnerschaften und eigene Digitalisierung elektronisch zugänglich (http://highwire.stanford.edu). Thomson Scientific, der amerikanische Informationsanbieter, zu dem mittlerweile zahlreiche Firmen der Fachinformationsbranche aus unterschiedlichen Ländern gehören, hatte täglich etwas zu feiern: Am Dienstag gab es mittags ein "Champagner Luncheon" zur Feier von "10 Jahre Web of Science". Nachmittags wurde die Verleihung der "Dialog Quantum 2 Info Stars Preise" zelebriert. Mittwoch lieferten der freie Zugang zu EndNoteWeb für ISI Web of Knowledge-Kunden, der Roger K. Summit Scholarship Award und die Weiterentwicklung der Patentdatenbank Derwent World Patents Index die Gründe zum Feiern und Donnerstag gab sich Dr. Eugene Garfield, Pionier der wissenschaftlichen Fachinformationsszene, anlässlich der zweiten 10. Geburtstagsfeier des Web of Science die Ehre am Stand (www.scientific.thomson.com). Auf welches Ereignis der englische Berufsverband CILIP (the Chartered Institute of Library and Information Professionals) mit seinen Mitgliedern anstieß, wurde leider für Außenstehende nicht transparent. Die Standparty erfreute sich aber regen Zuspruchs mit spannenden Fachgesprächen. (www.cilip.org.uk) Ähnliche Get-Together gab es jeden Tag auf mehreren Ständen.

Das hybride Fachbuch: Genial einfach, genial gut


Uwe Rosemann (links), Direktor der TIB Hannover, Ulrich Korwitz, leitender Bibliotheksdirektor der ZB Med in Köln (Mitte) und René Deplanque (rechts), Geschäftsführer des FIZ CHEMIE Berlin, diskutieren die neuen Kooperationen.
Jubiläumsfeiern, Kooperationsabschlüsse und Besuche wichtiger Persönlichkeiten konnten nicht überdecken, dass die Online Information2006 im Produktbereich nur ganz wenig Neues zu bieten hatte. Eine hoch interessante Entwicklung präsentierte das FIZ CHEMIE mit ChemgaBOOK, dem Prototypen eines neuartigen hybriden Fachbuches, den das FIZ CHEMIE entwickelt hat. Die Idee ist genial einfach und gleichzeitig genial gut. Durch eine intelligente Kombination bekannter und bereits bewährter Technologien ist es dem FIZ CHEMIE gelungen, das klassische gedruckte Buch um die Vorteile der multimedialen Digitaltechnik zu erweitern, ohne die normale Lesbarkeit einzuschränken. ChemgaBOOK kommuniziert über einen Lesestift mit dem PC. Unter der zweidimensionalen Illustration im Buch ist neben der Bildbeschreibung ein simpler Barcode abgedruckt, wie man ihn aus dem Warenverkehr kennt. Fährt man mit dem Lesestift über diesen Code, wird die Abbildung auf dem PC multimedial dargestellt: zum Beispiel als Animation einer komplexen chemischen Verbindung oder als dreidimensionale Kamerafahrt durch eine Moleküllandschaft. Auch interaktive Reaktionsabläufe, durch die man sich vorwärts und rückwärts durchklicken kann, gehören zum Illustrationsmaterial. Will der Leser die Multimediaelemente nicht benutzen, kann er das Buch ganz normal in herkömmlicher Weise lesen und mit den gedruckten Abbildungen arbeiten. Die elektronischen Illustrationselemente zu ChemgaBOOK stammen aus der multimedialen Enzyklopädie ChemgaPedia, dem Kernelement der E-Learning-Produktfamilie CHEMGAROO® Educational Systems aus dem FIZ CHEMIE. (www.chemgaroo.de) Das Buchkonzept ist aber so flexibel, dass es sich zur Darstellung beliebiger Inhalte verwenden lässt, die aus Text und multimedialer Illustration zusammengesetzt werden. Die Multimediaelemente zu den Bildern im Buch können entweder automatisch online aus einem Webservice abgerufen oder auf einer DVD mit dem Buch mitgeliefert werden.

Springer's E-Book Kolllektion gewinnt Messepreis


Martin White, Vorsitzender des Programmkomitees der Online Konferenz, eröffnet die Veranstaltung.
Bei den Wissenschaftsverlagen dominierten E-Books das Neuheiten-Ausstellungsprogramm, auch wenn die E-Books Kollektion von Springer Heidelberg/Berlin für Besucher der Buchmesse im Oktober in Frankfurt nicht mehr neu war: Springer hatte sie dort bereits groß eingeführt. In London gewann der Verlag mit der neuen Kollektion den Preis für das beste STM (Science Technical Medical) Informationsprodukt des Jahres 2006 (www.springerlink.com). Dieser Preis wird vom Messeveranstalter und der Fachzeitschrift Information World Review vergeben. 15.000 Titel bietet Springer zwischenzeitlich über den neuen Direktvertriebsweg an. Das Angebot ist vollständig in die Journal-Plattform Springerlink integriert. Der Verlag hat dafür ein neues Online-Geschäftsmodell entwickelt. Springer verkauft den Inhalt "für immer", das heißt, auch nach Ablauf der Lizenz kann auf die Ausgaben, für die man irgendwann einmal eine Lizenz erworben hat, dauerhaft zugegriffen werden (B.I.T.online berichtete). Auch beim Verlagsgiganten Elsevier gab es auf dem Messestand Vorträge und Werbebroschüren zur neuen E-Book-Kollektion. Allerdings ist das Angebot noch nicht fertig, weshalb die Werbung im Futur gehalten war: ScienceDirect will launch 4.000 books online in 2007 covering all disciplines. Wann genau, war nicht in Erfahrung zu bringen. (www.info.sciencedirect.com/books). Auch der Stuttgarter Thieme-Verlag, seit Jahren einer der wenigen regelmäßig in London vertretenen deutschen Aussteller, fährt bei seinem elektronischen Fachinformationsangebot noch zweigleisig: Mit Thieme connect als Plattform für E-Journale (www.thieme-connect.com/ejournals) und der Thieme E-Book Library für Bücher (www.thieme.com/ebooklibrary).

Alle Verlagsdienste dieser Art erschließen wissenschaftliche Inhalte kontextbezogen jeweils über alle Quellen hinweg, die unter der entsprechenden Oberfläche bereitgestellt sind. So können zum Beispiel mit einem medizinischen Fachbegriff aus der Orthopädie relevante Textpassagen aus Büchern zu einem ganz anderen Fachgebiet gefunden werden. Mit dieser tiefen Erschließung vorhandenen Fachwissens in elektronischen Komplettangeboten versuchen die Verlage, sich neben ihren eingeführten Vertriebswegen über den Buchhandel und die Agenturen eigene Direktvermarktungsschienen aufzubauen. Gleichzeitig stellen sie ihre Metadaten Suchmaschinen wie Google Book Search zur Verfügung oder erlauben den Suchmaschinen sogar, direkt in den Volltexten der Bücher zu suchen. So schaffen sich die Verlage für ihre zukünftige Präsenz auf dem globalen elektronischen Informationsmarkt größtmögliche Flexibilität. Wie sich der Markt weiterentwickeln wird, lässt sich auch von Experten kaum noch abschätzen.

Bibliotheken müssen nicht mit Google konkurrieren


Gedruckt sieht es doch imposanter aus: HighWire Press, der Verlag der Universitätsbibliothek von Standford, machte mit den Zetteln die Aufnahme des 1000sten Journals in den Service sichtbar.
Flexible Strategien für die Zukunft sowie die Rückbesinnung auf das Kerngeschäft und die Kernkompetenzen scheinen derzeit die wichtigsten Managementinstrumente der Zukunftsplanung in der gesamten Fachinformationswelt inklusive Bibliotheken zu sein. Diesen Eindruck gewann man auf der Online Information 2006 auf Schritt und Tritt. Wohin man auch sah und welchen Vortrag man sich auch anhörte - irgendwo sprach immer irgendwer über Strategien. Da gab es Vorträge zu Strategien über die Erhöhung des intellektuellen Kapitals im Unternehmen, zu Strategien für die Einschätzung von Risiko und Benefit von Social Software, zu Strategien für erfolgreiche Verhandlungsführung, zur persönlichen Karriereplanung und Strategien für Bibliotheken. In einem Konferenzblock zur Zukunft der Nationalbibliotheken forderte Barbro Thomas von der Schwedischen Nationalbibliothek beispielsweise ihre Kolleginnen und Kollegen auf, sich "auf ihre wesentliche Aufgabe zu besinnen". Nationalbibliotheken müssten nicht an der vordersten Front der Digitalisierung stehen und dort mit Google konkurrieren, so Thomas. "Lasst uns unser Kerngeschäft tun: das Wissen des 20. Jahrhunderts bewahren." Ihrer Ansicht nach kann dies keine Institution außer den Nationalbibliotheken bewältigen.

Jan Velterop ist Springer's Direktor für Open Access

Auch an anderen Entwicklungen erkennt man, dass die strategische Positionierung derzeit Schlüsselelement der Management-Entscheidungen ist. Springer beispielsweise hat im Personalbereich diesbezüglich eine interessante Entscheidung getroffen. 2005 richtet der Verlag die neue Führungsposition "Direktor für Open Access" ein. Für die Besetzung konnte der Niederländer Jan Velterop gewonnen werden. Velterop ist seit vielen Jahren in verschiedenen Wissenschaftsverlagen mit Online-Fachinformation und vor allem auch dem Thema Open Access befasst. Zuletzt war er vier Jahre Direktor der Biomed Central Group, die als Vorreiter und Verfechter des freien Zugangs zu wissenschaftlichem Fachwissen gilt. Auf der Online Information Konferenz war Velterop Hauptredner im Vortragsblock "Verlags- und Bibliotheksentwicklungen". Er referierte über "Neueste Entwicklungen im Open Access - Ethik, Dogma und Pragma". Leider ist sein Vortrag - wie übrigens die meisten Hauptreferate - nicht im Konferenzband abgedruckt. Viele andere Beiträge im Band beschränken sich auf den Abdruck der Vortragsfolien (www.online-information.co.uk).

Datenbankhersteller erkennen den Wert alter Information


Geschäftsalltag auf der Messe: Lizenzverhandlungen, Auftragsabschlüsse, Kundenberatung, Produktvorstellung. Der Springer Stand war ständig gut besucht.
Auch die Datenbankanbieter besinnen sich auf ihr Kerngeschäft und ihre Kernkompetenzen im Informationsmanagement - und sie entdecken dabei den Wert von alter Information neu! "Informationsanbieter haben den Bedarf an besserem Zugang zu älterer Information erkannt", erklärte Paul Peters beim European STN User Meeting, das traditionell einen Tag vor Messebeginn in London stattfindet. Peters ist europäischer Repräsentant des Chemical Abstracts Service (CAS), des amerikanischen Partners des wissenschaftlich-technischen Datenbankanbieters STN International. Er berichtete, dass CAS und andere Anbieter retrospektiv elektronische Archive für wissenschaftliche Zeitschriften und Patentschriften aufbauen bzw. neu zugänglich machen. Außerdem füllen sie Schritt für Schritt Dokumentationslücken aus den frühen Jahren der Aufzeichnung in Datenbanken. CAS etwa, so Peters, hat anhand von Zitierungen in der Fachliteratur, die Anfang des 19. Jahrhunderts aktuell war, die wichtigsten Veröffentlichungen (so genannte Landmark Papers) analysiert und sie für den Zeitraum 1900 bis 1912 in der den großen Chemie-Literaturdatenbanken CA/CAplus nachgetragen. Eine interessante Aufarbeitung der historischen Entwicklung der Chemie - und mit Sicherheit ein wichtiges Element strategischer Produktplanung. Rüdiger Mack, Leiter der Stabsabteilung Kommunikation des europäischen STN Partners FIZ Karlsruhe, sieht in der Qualitätsverbesserung der Quellen den logischen Schritt zur Abgrenzung im Wettbewerb: "Information gibt es heute überall. Jetzt kommt es darauf an, sich durch Qualität, Service, Zuverlässigkeit und Neutralität aus der Masse abzuheben." FIZ Karlsruhe durchläuft seit gut zwei Jahren einen Strategiewandel. Geschäftsführerin Sabine Brünger-Weilandt positioniert das Fachinformationszentrum als neutrale Plattform für den Transfer von wissenschaftlicher und technischer Information verschiedener Anbieter sowie für E-Science-Dienstleistungen als zweiter tragender Säule. "Wir stärken unser Kerngeschäft und entwickeln uns aus unseren Kernkompetenzen heraus weiter", erläuterte Brünger-Weilandt in der Pressemitteilung zur Online Information.

FIZ AutoDoc zeigt Copyrightgebühren an


Paul Peters (links, CAS) berichtete beim European STN User Meeting in London, dass die Datenbankhersteller den Bedarf an besserem Zugang zu älterer Information erkannt haben. Rechts im Bild Ralph Remme vom FIZ Karlsruhe, dem europäischen Betreiber von STN international.
Die Produktentwicklungen bei STN International und FIZ Karlsruhe werden derzeit von technischen Verbesserungen eingeführter Produkte, ergänzenden Inhalten und neuen Datenbanken zur Vervollständigung des Produktportfolios bestimmt. Zudem entwickeln die STN Partner immer bessere Recherche-, Analyse- und Darstellungswerkzeuge zur Generierung von Mehrwert aus den Datenbanken. Der vielgenutzte automatisierte Dokumentenlieferdienst FIZ AutoDoc wurde Ende 2006 mit verbesserten Funktionen neu aufgelegt. Unter anderem ist jetzt eine Zwischenseite "Order Details" eingebaut. Sie zeigt alle wichtigen Bestellinformationen vor dem Abschicken des Auftrages an, sogar die voraussichtlich anfallenden Copyrightgebühren. FIZ AutoDoc-Plus- und Premium-Kunden, die den Bestell- und Lieferservice in ihr Intranet integriert haben, stehen zusätzlich Funktionen zur Verfügung, um Texte und Meldungen auf der Bedienoberfläche an den Unternehmensbedarf anzupassen. Damit kann zum Beispiel individuell eingestellt werden, ab welchem Schwellenwert eine Meldung zu anfallenden Copyright-Gebühren angezeigt werden soll, oder, welche Lieferarten für die Endkunden freigegeben sind. Auch auf STN International wurde die Patentdatenbank Derwent World Patents Index (DWPI) nach einer großen gemeinsamen technischen und inhaltlichen Überarbeitung durch Thomson Scientific (Derwent) und STN neu geladen. Durch den Relaunch sind nun zum ersten Mal Originaldaten von Patentbehörden in die Datenbank eingebunden. Die dritte größere Produktweiterentwicklung hat das Analyse- und Visualisierungswerkzeug STN AnaVist erfahren. Es bekam 2006 ein Kollaborationstool. Nun können die interaktiv dargestellten Analyseergebnisse Dritten so zur Verfügung gestellt werden, dass die Interaktivität erhalten bleibt.

Wirtschaftswissen, vernetzt wie aus dem Spionagekrimi


Standfeiern gehörten zum täglichen Messebild. Hier feiert der englische Berufsverband für Bibliothekare und Information Professionals, CILIP, mit seinen Mitgliedern und Messebesuchern.
Wie weit die Technik zur Extraktion und Analyse von strukturierten und unstrukturierten Informationen bereits fortgeschritten ist, zeigte das junge Unternehmen Silobreaker Ltd. (www.silobreaker.com) in London am Beispiel von Wirtschaftsinformationen. Die Fachpresse ist begeistert; und andere Wirtschaftsinformationsanbieter sollten genau hinsehen. Für 398,- Dollar Flatrate im Jahr zaubert Silobreaker aus 10.000 geprüften, in Echtzeit indexierten freien Businessinformationsquellen und 20.000 Zeitungsartikeln pro Tag (!) hochwertiges aktuelles Wirtschaftswissen "on the fly" - kombiniert mit strukturierten hinterlegten Biografien und anderem archivierten Content. "360 Grad Betrachtung" nennen die schwedischen Entwickler mit Firmensitz in London das Sucherergebnis, das man in dieser Form noch nicht gesehen hat. Möchte man ein aktuelles Bild von Jacques Chirac "im Kontext" haben, bekommt man als Antwort einen gläsernen Chirac: Eine Kurzbiografie, seine Funktionen, seine Ämter, seine Verflechtungen mit Wirtschaftsbetrieben. Man erfährt, mit wem er sich kürzlich wo getroffen hat und aus den Zeitungsberichten dazu, worüber gesprochen wurde; man erhält Zitate und weitere Informationen, die irgendwie in Zusammenhang mit seiner Person oder seiner Amtsausübung stehen. Alle Angaben sind aktiv verlinkt. Ein Klick darauf führt zur Homepage beispielsweise der Schule, die Chirac besucht hat oder zum Unternehmen, in dessen Aufsichtsrat er sitzt. Das neue Angebot ist laut Werbematerial als "leicht zu bedienendes Alltagswerkzeug für 'light information professionals' konzipiert, die "Information inklusive kontextbezogener Hintergründe" brauchen. Inhaltliche Abdeckung: Weltweit. Werkzeuge: Intelligente Tools für kontextuelle und multidimensionale Suche in freiem Text und strukturierten Datenbanken. On-the-fly-Visualisierung von unstrukturierten Daten, Mouse-sensitive (automatische Pop-Up)-Vorschau von Zeitungsartikeln und verknüpften Informationen, Clustering zusammengehöriger Artikel in topologischen Karten und noch einiges mehr. Angekündigt ("coming soon") ist die Auswertung von Inhalten aus Blogs, Wikis und Kommentaren - dem so genannten "User generated Content", aus Patenten und Open Access Forschungswissen, Datenbanken und strukturierten numerischen Quellen wie Finanzdaten, öffentlichen statistischen Daten, Firmeninformationen usw. usf.?

Online Information 2006
Zahlen und Fakten

Messe:
Aussteller: 266, davon 187 Aussteller auf der Online Information und 79 auf der in die Messe integrierten Information Management Solution.
233 Aussteller kamen aus England und den USA, nur 33 aus anderen Ländern. Deutschland und die Niederlande waren mit jeweils 6 Ausstellern am stärksten vertreten, gefolgt von Indien mit 5, Frankreich mit 4 und je einem oder zwei aus Kanada, China, Japan, Südafrika, Österreich, Norwegen, Luxemburg und Spanien.
Besucherinnen und Besucher: 9660 aus 74 Ländern
Kostenlose Seminarveranstaltungen und Vorträge im Rahmenprogramm der Messe: 102

Konferenz:
725 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, davon rund die Hälfte aus England und den USA, gefolgt von den Teilnehmern aus europäischen Ländern und einzelnen Besuchern aus China, Japan und den arabischen Ländern Saudi Arabien, Oman und Kuwait.
Konferenzkosten: zwischen 681,50 und 878,90 Pfund (nach Buchungstermin)
Vortragsblöcke (mit bis zu 3 Fachvorträgen pro Block): 33

Termin Online Information 2007:
4. bis 6. Dezember, London, Olympia-Messegelände.
www.online-information.co.uk

Bücherbissen als Appetithappen internationaler Wirtschaftsideen

Dagegen wirkt die Informations-Aggregation, die "bookbytes - business book summaries" (www.bookbytes.com) betreibt, fast mickrig, deckt sie doch "nur" das Gebiet der weltweit erscheinenden Wirtschaftspublikationen ab. bookbytes, nach eigenen Angaben der führende Anbieter von Kurzfassungen von Wirtschaftsbüchern, bietet "Menschen mit hektischem Lifestyle" fünfseitige Abstracts aktueller Wirtschaftsbücher als Bücherbissen "to go" zum Lesen oder Hören (MP3-Files) an. Das Angebot soll den Kunden helfen, "die führenden aktuellen Wirtschaftsideen in wenigen Minuten kennen zu lernen". Die Kurzfassungen werden von Wirtschaftsjournalisten geschrieben, die auch für Zeitungen wie die Financial Times, Wall Street Journal, Dow Jones, Daily Telegraph oder Guardian arbeiten. 3000 Bücher verarbeitet bookbytes pro Jahr. Werbeslogan: Instant Access to the latest business thinking. Auf der Homepage sind Druck- und Hörbeispiele zum Download bereitgestellt. Sicherlich ein zeitgemäßer Ansatz der Informationsaufbereitung. Wenn es allerdings so leicht ist, die aktuellen Wirtschaftsideen in dieser Kürze zu begreifen, drängt sich schon die Frage auf, warum die Autoren dann die anderen -zig hundert Seiten überhaupt geschrieben haben. Aber auch Reclam-Hefte hatten ja schon immer ihre Berechtigung.

Microsoft greift Google Scholar an

Last but not least darf auf keinen Fall Microsofts Angriff auf die Spezialsuchmaschine Google Scholar unerwähnt bleiben. Die in London präsentierte Beta-Version des neuen Microsoft-Suchsystems Windows Live Academic Search machte beim ersten kurzen Test einen hervorragenden Eindruck. Die Maschine indexiert den Volltext wissenschaftlicher Fachzeitschriften und Konferenzbände von Verlagen und anderen publizierenden Wissenschaftsorganisationen, die sich daran beteiligen. Microsoft-Partner sind zum Beispiel CrossRef und HighWire Press. Das Ergebnis der Suche ähnelt sehr stark den Einträgen in kommerziellen Datenbanken. Die Suchmaschine funktioniert allerdings nur im Zusammenspiel mit Windows Explorer und MSN-Registrierung (Einstieg über Windows Live Search). Microsoft bietet einen kostenlosen Test an: http://academic.live.com.


Zur Autorin

Vera Münch ist freie Journalistin und PR-Beraterin

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