"25 Jahre EU-Recht online" am 23./24. 11. 2006 in Luxemburg

Eindrücke von der Feierstunde und ein Bericht vom Workshop

von Michael Düro1

Das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften feierte das 25-jährige Bestehen des elektronischen Zugangs zum EU-Recht in Anwesenheit seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Luxemburg.


CELEX - "Communitatis Europaeae Lex", mit die älteste aller juristischen Datenbanken, und die älteste im Gebrauch befindliche, wurde 1981 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum hatten ihren Auftakt in einer festlich ausgerichteten Feierstunde am Nachmittag des 23. November, gefolgt von einem eintägigen Workshop.

Die Feierstunde

Zu diesem festlichen Anlass im Konferenzzentrum Hemicylce in Luxemburg-Kirchberg konnte Herr Thomas L. Cranfield, Generaldirektor des Amtes für Veröffentlichungen, unter den mehr als 500 Gästen auch seine Königliche Hoheit den Großherzog von Luxemburg begrüßen. In seinem Grußwort unterstrich Cranfield die Bedeutung von CELEX/EUR-Lex und übergab das Wort nach einer kurzen Vorstellung der Festredner an Frau Claire-Françoise Durand, stellvertretende Generaldirektorin des Juristischen Dienstes der Europäischen Kommission. In ihren einführenden Worten ordnete sie den Wert von CELEX/EUR-Lex in das größere Bemühen um eine bessere Rechtssetzung ein. Neben der allgemeinen Qualität der Rechtstexte stellte sie bei der Frage nach der Zugänglichkeit insbesondere auf die redaktionelle Qualität, die Rolle der Kodifizierung und schließlich den Zugang zum Recht ab. Hier schloss sie den Kreis und bezeichnete CELEX/EUR-Lex als das Bindeglied zwischen dem Europarecht und dem Bürger.

Über die Vergangenheit von CELEX zu berichten war Frau Hélène Bernet vorbehalten. Sie war seinerzeit als Initiatorin des Projektes CELEX die treibende Kraft in den frühen Jahren, und zuletzt Ehrendirektorin des juristischen Dienstes der Europäischen Kommission. So hatten die Gäste die seltene Gelegenheit, nicht nur dem anekdotenreichen Bericht, beginnend mit einem Stapel Lochkarten in einem Schuhkarton, zu folgen, sondern konnten auch einen persönlichen Eindruck von der vielseitig interessierten und engagierten "Mutter" von CELEX gewinnen.

Den Sprung in die Gegenwart, und zu der Frage nach dem Zugang zum Recht, leitete Prof. Maximilian Herberger von der Universität des Saarlandes, Saarbrücken, in seinem Vortrag mit einer historischen Herleitung ein, die bis in das Jahr 1750 v. Chr. und den "Codex Hammurabi" zurückreichte. Anhand von weiteren Beispielen gelang es Herberger deutlich zu machen, dass die Frage nach dem Zugang zum Recht die Menschen seit jeher beschäftigt hat, und dass diese Frage typischerweise - und heute umso mehr - verknüpft ist mit der Frage nach dem Verstehen, und der Verständlichkeit der Rechtstexte. Die Perspektive eines positiven Einwirkens auf diese Aspekte des Zugangs stellte Herberger schließlich angesichts der angestrebten Verbesserung der Qualität der Rechtstexte und neuen Formen der Vermittlung zur Diskussion.

Einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen versuchte im Anschluss als Repräsentantin der amtierenden Ratspräsidentschaft Frau Kirsti Rissanen, Staatssekretärin im finnischen Justizministerium. Sie zeichnete ein Szenario für das Jahr 2016, basierend auf Erwägungen zum technischen Fortschritt, aber auch unter Berücksichtigung der menschlichen Komponente. Angesichts der Entwicklungen, die sie für die Dokumenten-Register der Institutionen, die fortschreitende Konsolidierung und andere Bemühungen im Zusammenhang mit der besseren Rechtssetzung und größeren Transparenz und Offenheit erwarte, ließ sie keinen Zweifel, dass es an Entschlossenheit nicht mangeln werde, die sich in diesen Zusammenhängen stellenden Herausforderungen in Angriff zu nehmen.

Im Anschluss an die Festbeiträge gab es bei einem Empfang ausgiebig Gelegenheit, sich über das Gehörte auszutauschen und viele alte Bekannte und Wegbegleiter von CELEX/EUR-Lex (wieder-) zu treffen.

Der Workshop

Der Workshop am 24. November wurde in einem modernen Konferenzraum des Europäischen Rechnungshofes abgehalten. Der erste Teil umfasste den Vormittag und war mit mehr als 120 registrierten Teilnehmern als Teil der Feierlichkeiten eingebettet in eine Sitzung der Arbeitsgruppe für juristische Datenverarbeitung des Rates, und stand somit, wie die Arbeitsgruppe selbst, unter dem Vorsitz von Fernando Paulino Perreira. Dieser dankte in seiner kurzen Einführung den Organisatoren der Veranstaltung, und auch der ersten Rednerin für ihren Beitrag zum gegebenen Anlass. Pascale Berteloot, die für EUR-Lex zuständige Abteilungsleiterin beim Amt für Veröffentlichungen, gab einen Überblick zum aktuellen Stand der Dinge bei EUR-Lex. Mit der Verfügbarkeit der erweiterten Suche in EUR-Lex und der nationalen Maßnahmen zur Umsetzung von Richtlinien konnte sie auch von lange erwarteten Fortschritten berichten. Als Beispiele für die anstehenden Aufgaben und Herausforderungen verwies sie nicht nur auf den Beitritt Bulgariens und Rumäniens zum 1. Januar 2007, oder die Erweiterung der Sammlung etwa um die Dokumente des neu geschaffenen Gerichts des Öffentlichen Dienstes, sowie der Dokumente zur Folgenabschätzung von Gesetzesvorhaben. Sie stellte mit der Einführung des Benachrichtigungsdienstes LexAlert (basierend auf Email oder RSS) und der Webservices, sowie des Fundstellennachweises für Gesetzesvorhaben auch konkrete, für den Endnutzer unmittelbaren Mehrwert schaffende Funktionalitäten in Aussicht. Auch die Studie zur "Usability", die derzeit erarbeitet wird, soll mittels konkreter Ergebnisse dem Endnutzer in Form von verbesserter Benutzerfreundlichkeit zugute kommen.

Im Anschluss an diesen Ausblick, beleuchtete Michael Düro, der bei EUR-Lex mit Erschließungsfragen betraut ist, zwei konkrete Besonderheiten des Angebots. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen stand zum einen die Recherche nach wohl definierten Dokumentenmengen, insbesondere mittels der erweiterten Suche. Zum anderen wies er bezüglich der Suche nach Begriffen im Titel oder Volltext auf Grenzen hin, die dem System aufgrund seiner Mehrsprachigkeit immanent seien, und stellte, anhand von Beispielen, mit dem EUROVOC Thesaurus und der Klassifikation des Fundstellennachweises zwei in diesem Problemzusammenhang nützliche Hilfsmittel vor.

Nach diesen eher praxisorientierten Ausführungen konnte Albrecht Berger, der auch beim Amt für Veröffentlichungen beschäftigt ist und zudem die Entwicklung von CELEX beinahe seit den Anfängen aus nächster Nähe verfolgte, im Rückblick einige interessante Einblicke in die abwechslungsreiche Geschichte des Systems geben, die sowohl über den Zeitraum der 25-jährigen Online-Verfügbarkeit als auch über die aktenkundig dokumentierte Fassung der Geschehnisse hinausgingen.

Eine andere Perspektive, nämlich die der Benutzerin, nahm anschließend Grace Hudson in ihrem Beitrag "CELEX/EUR-Lex: the point of view of a user" ein. Dank ihrer langjährigen Tätigkeit als Leiterin eines Europäischen Dokumentationszentrums an der Universität von Bradford, und Koordinatorin der EDZ im Vereinigten Königreich, konnte sie aus Sicht der Anwenderin und Multiplikatorin die Entwicklung von CELEX Revue passieren lassen, und stellte dabei auf den beiderseitigen Nutzen eines konstruktiven Austauschs zwischen Endnutzern und Systemverantwortlichen ab. Wiederum aus anderer Warte, aber basierend auf einem nicht minder geringen Schatz an Erfahrung, konnte Trygve Harvold von LOVDATA die Sicht eines Hosts auf das sich über die Jahre entwickelnde Angebot von CELEX/EUR-Lex für den Vertrieb, bzw. die Aufbereitung für die eigene Informationsdienstleistung kommentieren. Er präsentierte die Gründe, warum LOVDATA seit Dezember 1990 als CELEX-Host fungierte, und leitete über zu den Gründen, warum dem heute, und mittlerweile mit EUR-Lex, immer noch so ist. So stellte er besonders auf den Mehrwert ab, den die Integration der CELEX/EUR-Lex-Daten in das nationale System für die Nutzer bedeutete und hob dabei die wechselseitige Verlinkung hervor. Mit einigen Episoden aus der 16-jährigen Zusammenarbeit mit den Betreibern von CELEX/EUR-Lex, zuletzt dem Amt für Veröffentlichungen, unterstrich er schließlich seinen Dank für die geleistete Arbeit und die professionelle Dienstleistung.

Den letzten Beitrag des Vormittags leistete Elena Faletti, die postgraduiert an der Universität Münster über die Formalisierung der Rechtssprache und Expertensysteme forscht. Sie berichtete über die Voraussetzungen und die Wirkung der elektronischen Verbreitung von Gerichtsurteilen.

Die Zusammenfassung dieses ersten Teils des Workshops übernahm wiederum Pascale Berteloot und nutzte die Gelegenheit, nicht nur den Vortragenden für ihre Beiträge zu danken, sondern auch die Bedeutung des Kontakts und des Austauschs mit den persönlichen, aber auch den institutionellen Nutzern von CELEX/EUR-Lex hervorzuheben.

Zweiter Teil des Workshops: ein Ausblick

Der zweite Teil des Workshops, der seinen Schwerpunkt auf einem Ausblick auf technische Entwicklungen im weiteren Kontext von EUR-Lex hatte, begann unter dem Vorsitz von Aki Hietanen, dem Leiter der Informationsdienste im finnischen Justizministerium, mit einer Vorstellung von "Legal XML" durch Søren Nielsen, dem Leiter der juristischen Informationsabteilung der "Civil Affairs Agency" in Kopenhagen.

Dabei standen die Extensible Markup Language (XML) und die Rolle, die "Legal XML" bei der Vorbereitung von Rechtsakten spielen kann, mit dem Hinweis auf das Beispiel, sowie Vor- und Nachteile der praktischen Anwendung in Dänemark, im Vordergrund. Er verwies auch auf die Bemühungen des "European Forum of Official Gazettes" im Zusammenhang mit der Nutzbarmachung der Vorteile des "Legal XML" (Näheres s. dazu Website des Forums: http://forum.europa.eu.int/irc/opoce/ojf/info/data/prod/html/act16.htm letzter Aufruf 23.12.2006).

Im Anschluss berichtete Aki Hietanen, der ebenfalls dem Forum angehört, selbst zum Thema Authentizität online verfügbarer Dokumente und gab zunächst einen Überblick über die Prinzipien und den aktuellen Stand der Entwicklungen. Er skizzierte verschiedene Verfahren zur Authentifizierung und deren Anwendung. Basierend auf den bisherigen Erfahrungen und der graduellen Abstufung der Anforderungen an die Authentizität von online verfügbaren Dokumenten präsentierte er abschließend einen Ausblick auf das Arbeitsprogramm zum Thema "Authentizität" für das Jahr 2007 im Rahmen des "European Forum of Official Gazettes" (Näheres s. Link weiter oben).

Nach diesen beiden eher technisch orientierten Beiträgen stellte Prof. Gianmaria Ajani von der Universität Turin in seinem Vortrag "Coherence of terminology and search functions" den "Legal Taxonomy Syllabus on Consumer Law (LTS)" vor. Die in einem internationalen Forschungsprojekt betriebene Arbeit hat zum Ziel, für den Bereich des Rechts zum Verbraucherschutz die in der Rechtssetzung und Rechtsprechung verwendete Terminologie zu analysieren. Ausgehend von einem Satz von 90 Begriffen zum Verbraucherschutz, wie sie in europäischen Richtlinien vorkommen, wird in einem ersten Schritt die Verwendung innerhalb anderer Dokumente des EU-Rechts untersucht, um in einem zweiten Schritt diese Untersuchung auch auf die Verwendung in Dokumenten nationaler Rechtssetzung und Rechtsprechung auszudehnen. Was Ajani als Experiment im Bereich der Taxonomien vorstellte, kann dem Juristen, dem Übersetzer und auch den mit Gesetzgebung Betrauten oder den wissenschaftlich Arbeitenden ein nützliches Instrument sein (Näheres s. http://normas.di.unito.it/syllabus letzter Aufruf 23.12.2006).

Prof. Erich Schweighofer von der Universität Wien begann seinen Vortrag "EUR-Lex: from data structures to legal ontologies" mit der These, dass die derzeitigen Datenstrukturen, wie sie EUR-Lex zugrunde liegen, kaum geeignet seien, zukunftweisende und "intelligente" Lösungen der Wissensaufbereitung und -repräsentation zu unterstützen. Juristische Ontologien könnten nach Schweighofer Abhilfe schaffen. Der Präsentation von Ansätzen zur Erstellung solcher Ontologien gingen allerdings, mit Blick auf ein komplexes System wie EUR-Lex, einher mit dem Hinweis auf die Grenzen derzeitiger Entwicklungen. So erscheinen die Vorschläge für kurz- bis mittelfristig mögliche Entwicklungsschritte als Kompromiss zwischen einer umfassenden Lösung und dem derzeit Machbaren: ein Navigationsinstrument für die Gesetzgebung (ähnlich PreLex), die weitergehende Nutzbarmachung von Zitierungen oder die Abbildung der Gesetzgebung in unterschiedlichen (Konsolidierungs-)Schichten bieten ebenso wie der Ausbau der derzeit eingesetzten terminologischen Komponenten einiges Potenzial und reichlich Grundlage zur weiteren Diskussion.

Den letzten Beitrag der Veranstaltung leistete Dr. Holger Bagola vom Amt für Veröffentlichungen zum Thema "Text mining". Nach einer gründlichen Einführung zu den Fragen "Was ist Text Mining?" und "Warum Text Mining?" erläuterte er anhand von Beispielen sehr anschaulich die Funktionsweise und die Abgrenzung zu anderen Methoden des Information Retrieval. Der Brückenschlag zu EUR-Lex gelang mit der Frage, ob die Methoden des Text Mining für den Datenbestand zum EU-Recht unmittelbar anwendbar seien. Mit Verweis auf laufende Projekte konnte Bagola feststellen, dass viele dieser Projekte sich nur mit einzelnen, zumeist engen Rechtsgebieten beschäftigen, und dass die vorliegenden Ergebnisse für den EUR-Lex-Datenbestand kaum nachnutzbar seien. Er schloss mit dem Fazit, dass das Text Mining für die Zukunft dennoch viel versprechende und interessante Ansätze bieten wird.

Bleibt im Nachklang dieser vom Veranstalter und von Besuchern als erfolgreich und gewinnbringend eingeschätzten Veranstaltung zu erwähnen, dass das Amt für Veröffentlichungen eine Festschrift mit dem Titel "25 years EU law online" herausgebracht hat, die kostenlos beim EU-Bookshop online bestellt oder als PDF heruntergeladen werden kann (s. http://bookshop.europa.eu/uri?target=EUB:NOTICE:OA7606136:EN:HTML letzter Aufruf 23.12.2006).

Nachzutragen bleibt, dass anvisiert wird, CELEX Ende 2006 "vom Netz" zu nehmen. Als Ablösung ist das Nachfolge-System EUR-Lex heute bereits bestens etabliert und bietet das professionelle Instrumentarium von CELEX in einer einfach zugänglichen und benutzerfreundlichen Umgebung, sowohl für den versierten Experten als auch für die interessierte Öffentlichkeit.


Anmerkung

1. Der Beitrag gibt ausschließlich die Auffassung des Verfassers wieder.


Zum Autor

Michael Düro

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