IFLA Presidential Meeting 2007 im Auswärtigen Amt1

von Wolfgang Ratzek

Nachdem der von der Zivilgesellschaft kritisierte "Nationale IT-Gipfel"2 am 18. Dezember 2006 mit Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und IT-Branche unter großem Medieninteresse über die Bühne gegangen war, konferierten jetzt Bibliothekare im Auswärtigen Amt. Anlässlich der deutschen IFLA-Präsidentschaft von Claudia Lux (2007-2009) organisierte das deutsche IFLA-Nationalkomitee vom 18. bis 19. Januar 2007 in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut im Auswärtigen Amt in Berlin eine dreiteilige Konferenzserie zum Thema "Freier Zugang zur Information". "Die drei Konferenzen", erklärte Claudia Lux, "stehen in engem Zusammenhang mit meinem IFLA-Programm 'Libraries on the Agenda'." 3 Die erste Konferenz fokussierte auf Osteuropa: Rund 150 Bibliothekare und Kulturpolitiker4 u.a. aus Bulgarien, Polen, Rumänien, Tschechien, aber auch aus Albanien, Georgien, Nigeria, Russland, Syrien, der Ukraine nahmen daran Teil und diskutierten Projekte für einen sicheren Zugang zu Informationen.

IFLA-Präsident (2005-2007) Alex Byrne

Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt, eröffnete die Konferenz und betonte, dass das Auswärtige Amt die Konferenzen mit großem Interesse verfolgen werde: "Wir wissen, Bibliotheken rechnen sich nicht, aber sie zahlen sich aus." Alex Byrne, IFLA-Präsident von 2005 bis 2007, hielt den Eröffnungsvortrag zum Thema "IFLA and Free Access to Information and Freedom of Expression". In seiner insgesamt sehr politischen Rede stellte er ein Beispiel aus seiner Heimatstadt Sydney vor: Ein sinnvolles Umweltprojekt wurde ohne Bürgerbeteiligung umgesetzt. Die Konsequenz: Heftige Proteste führten zu einer kleineren Lösung. "Wenn wir nicht wissen", so Byrne, "was unsere Regierung tut, kann Demokratie nicht ordentlich wirken." Dabei müsse aber auch bedacht werden, dass es Informationen gibt, die vertraulich behandelt werden müssten: Dazu zähle der Bereich der nationalen Sicherheit, personenbezogene Daten, Geschäftsstrategien. Diese Ausführungen zeigen die beiden Seiten des freien Zugangs zu Information. Im weiteren Verlauf sprach Alex Byrne über das Thema "IFLA & Human Rights" und verschiedene IFLA-Programme wie z.B. "The Action for Development through Libraries Program" (ALP), ein Programm zur Stärkung von Bibliotheken und deren Verbänden in Entwicklungsländern, oder FAIFE5 (Free Access to Information and Freedom of Expression), für das sich Alex Byrne besonders einsetzt.

Barbara Lison, die Sprecherin des BID, zog in ihren Ausführungen zum Auftakt des Kongresses eine charmante Parallele: ""Die Welt zu Gast bei Freunden" hieß das Motto des Großereignisses im Deutschland des Jahres 2006 - "Claudia Lux als Freundin zu Gast in der Welt" könnte das Motto für das Triennium ab dem Sommer 2007 sein, wenn Frau Professor Lux das Amt der IFLA-Präsidentin anlässlich des Bibliotheksweltkongresses in Durban übernimmt. Darauf sind wir deutschen Bibliothekare und Bibliothekarinnen alle stolz - mindestens genauso wie auf den dritten Platz bei der WM 2006!" Dazu sollte man wissen: Barbara Lison und Claudia Lux sind begeisterte Fußballfans und schwärmen für denselben Fußballverein. Und so blieb Barbara Lison beim Vergleich mit "der populärsten Sportart in Deutschland": "Eine der populärsten Dienstleistungsbranchen in Deutschland sind die deutschen Bibliotheken und ihre die Hundertmillionengrenze mehrfach locker übersteigenden Besucher und Kunden". Als Sprecherin des BID vertrete sie, so Barbara Lison, rund 10.000 deutsche Bibliotheken und fast ebenso viele Informationseinrichtungen. Der vor etwa 20 Jahren gegründete Verband verstehe sich als "die eine Stimme aller Bibliotheken und Bibliothekare". Auf eine zuvor gemachte Bemerkung von Staatsminister Erler antwortete sie offensiv: "Herr Staatsminister Erler, wenn, wie Sie gerade ausführten, mehr Menschen in Bussen, Straßenbahnen und Zügen ein Buch lesen als in einer Bibliothek, dann ist das auch sehr gut, denn sie lesen! Und sehr oft lesen sie in einem Buch, das sie aus einer Bibliothek entliehen haben. Jedes Mal, wenn ich in Bremen unsere Kunden mit unseren Büchern in der Bahn oder im Bus sehe, freue ich mich!"

Dann sprach sie über das vom BIB in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung veröffentlichte Strategiepapier "Bibliothek 2007". Die darin enthaltenen Forderungen erhielten durch Claudia Lux´ Programm "Bibliotheken auf die Tagesordnung" im Rahmen ihrer IFLA-Präsidentschaft Auftrieb. Die Vision für 2007 beschrieb Barbara Lison so: "Nun hat genau dieses Jahr 2007 vor 18 Tagen seinen Lauf genommen, und wir werden sehen, wie weit wir in zwölf Monaten mit den Themen Bibliotheksgesetz, Ergebnisse der Enquête-Kommission Kultur und nationale Bibliotheks- bzw. Informationsstrategie oder auch Bibliotheksentwicklungsagentur gekommen sein werden. Auf jeden Fall sind die Bibliotheken in Deutschland in der politischen Diskussion, wenn auch nicht immer durchgehend auf der Tagesordnung - erst recht nicht nach der so genannten Föderalismusreform!" Ihre Rede beendete die BID-Sprecherin mit einem Dankeschön: "Liebe Claudia, ich möchte mein Grußwort beenden mit dem Dank an Dich für viele gute Gespräche, Impulse und für Dein diplomatisches Geschick in der BID und anderswo. Du warst sechs Jahre Vorstandsmitglied der BID, sechs Jahre, die unsere Bundesvereinigung auch mit Deiner Hilfe sehr voran gebracht haben. Uns allen wünsche ich nun gute und weiter tragende Erkenntnisse und viel Freude im Austausch untereinander!"

Bibliotheken auf die Tagesordnung!

Claudia Lux stellte ihr Programm "Bibliotheken auf die Tagesordnung! Libraries on the Agenda!" für ihre IFLA-Präsidentschaft (2007-2009) vor6. Mit diesem Programm sollen Bibliotheksverbände und Bibliothekare in die Lage versetzt werden, sich für verschiedene Aktivitäten so zu engagieren, um Bibliotheken zu einem Fokus politischer Entscheidungsfindung zu machen. In ihrem Vortrag bezog sie sich auf ihr Initialpapier, das sie in sieben Punkten zusammenfasste, die hier stark verkürzt wiedergegeben werden:

  1. Unsere Ausgangslage - ein Widerspruch.

    Der Widerspruch bestehe darin, dass unser Potenzial in der Öffentlichkeit nur unzureichend wahrgenommen wird, obwohl öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen können. Wir müssen in anschaulicher Wiese verdeutlichen, was Bibliothekare eigentlich tun, und zwar so, dass die Öffentlichkeit aufmerkt und es versteht. Die Unwissenheit führt dazu, dass es viele Planungen und Aktivitäten auf verschiedenen politischen Ebenen der Länder gibt, die aus unserer Sicht ganz eng mit den Aufgaben der Bibliotheken verbunden sind, in die wir aber offiziell nicht eingebunden werden. Es ist an der Zeit, selbst aktiv zu werden und unsere Teilnahme einzufordern und Bibliotheken mit auf die Tagesordnungen zu setzen.

  2. Wenn wir diese Thematik so akzeptieren, dann heißt die nächste Frage: Wie gehen wir vor? Wer steht im Fokus unserer Lobbyarbeit?

    Wir beginnen mit einer Analyse des Umfelds. Was steht in der Regierungserklärung, in Parteiprogrammen, in den Planungen der Ministerien und Gemeinden? Wir beschäftigen uns mit den Problemen, die die Politik und die Gesellschaft definieren und zu deren Lösung wir beitragen können (Immigranten, Schulabbrecher, HIV-Aufklärung usw.). Wir verbinden diese Erkenntnis mit der Praxis und den Ideen aus unserer Bibliothek und tragen sie den Verantwortlichen vor.

  3. Welches sind die am besten geeigneten Themen, mit denen wir uns beschäftigen sollten?

    Claudia Lux bringt das so auf den Punkt: Mit Programmen auf die Tagesordnung! Die regionale Ebene ist in den Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägt - in Deutschland ist sie sehr stark, besonders im Kultur- und Bildungsbereich. Der Zusammenschluss von Bibliotheken zu einem Thema wäre empfehlenswert, um z.B. Dienstleistungen für die regionale Wirtschaftsentwicklung zu organisieren

  4. Marketing für Bibliotheken: Wir bestimmen das Image selbst!

    Erfolgreiche Beispiele sollen in die Erfolgsdatenbank "Success Stories", die die IFLA zum Weltgipfel für Information eingerichtet hat, eingebracht werden. Dies ist ein besonders wichtiger Punkt der Kampagne "Bibliotheken auf die Tagesordnung". Es macht die gesellschaftlich relevante Arbeit der Bibliotheken sichtbar. Klagen, dass alles so schlecht laufe oder dass man gar nichts tun könne, weil kein Geld da sei, lohnen nicht. Verlierer will niemand in ein Planungskonzept einbauen! Dagegen bekommen einige erfolgreiche Bibliotheken Geld für Projekte angeboten, die sie erst noch formulieren müssen, weil sie schon viele erfolgreiche Projekte gemacht haben! Werbung über den Erfolg aller Projekte, auch ganz kleiner, ist ein wichtiges Element des Marketings für Bibliotheken.

  5. Welche Methoden sind erfolgreich?

    Während der letzten IFLA-Konferenz in Seoul (August 2006) wurden einige Punkte zu diesem Komplex diskutiert. Als wichtige Methoden für eine erfolgreiche Platzierung von Bibliotheken auf die Tagesordnungen werden u.a. folgende Voraussetzungen angesehen:

  6. Gute Argumente für Bibliotheken jederzeit bereithalten!

    Eine Sammlung der Argumente, die für Bibliotheken sprechen, für ihre Existenz ebenso wie ihre Rolle für die Gesellschaft, ist ebenfalls sehr wichtig, um immer wieder neu die Bibliothek in der Lobbyarbeit in ihrer breiten Leistungsfähigkeit und Wirkung vorstellen zu können. Im UNESCO Manifest für Öffentliche Bibliotheken und in verschiedenen Guidelines der IFLA stehen viele Argumente, die man auch plakativ für Bibliotheken in der Lobbyarbeit einsetzen kann.

  7. Freier Zugang zur Information.

    Es ist ein wichtiges Thema, das uns in mehreren Aspekten auf die Tagesordnungen der Verwaltungen bringen kann. Claudia Lux hofft, dass ihre IFLA-Präsidentschaft und ihr Leitthema dazu beitragen können, dass hier gute Entwicklungen für die selbstverständliche Partizipation der Bibliotheken an gesellschaftlichen Prozessen entstehen. Auch dafür ist der freie Zugang zur Information in jeder Hinsicht notwendig.

Deutsche Best-Practice-Beispiele

Am ersten Konferenztag standen dann eine Reihe von exemplarischen Bibliothekskooperationen auf der Tagesordnung, die den ausländischen Teilnehmern als Best-Practice-Beispiele näher gebracht werden sollten. Ralf Goebel, Programmdirektor Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme in der DFG, stellte das Thema: "Staatliche Projektinitiierung und Nationallizenzen: Aufgaben der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)" vor. Er verstehe sich als Repräsentant der Bibliotheken in der DFG. Für die kommenden Jahre werde die DFG Bibliotheken etwa 9 Mio. Euro für Digitalisierungsprojekte bereitstellen. "The German Digital Library" sei die Vision für 2015. Mit Interesse wurde auch sein Hinweis auf das umfangreiche Buchspendenprogramm für Osteuropa aufgenommen. Er ging dann auf die Nationallizenzen ein und betonte, dass rund 50 Prozent der Nationallizenzen für alle BürgerInnen öffentlich zugänglich seien. Zur Zeit werden auch transnationale Lizenzen geprüft, beispielsweise mit Dänemark. Er beobachte den Wandel der Bibliotheken vom Medienverwalter hin zum Spezialisten für Vernetzung mit großem Interesse.

Friedrich Geisselmann, Direktor der UB Regensburg, stellte "Die elektronische Zeitschriftenbibliothek (EZB)" vor und informierte, dass die EZB mit mehr als 29.000 Titeln die weltweit größte Datenbank für elektronische Zeitschriften sei. Darüber hinaus sei die EZB eine bibliothekarische Dienstleistung, die von (profitorientierten) Unternehmen so nicht angeboten werden könne. Die EZB ist eine Digitale Bibliothek, deren Erfolg sich auch daran messen lasse, dass das Angebot in vielen Fachportalen integriert sei, zum Beispiel in vascoda oder Econ Biz.

Arend Flemming, Direktor der Städtischen Bibliotheken Dresden, präsentierte die "Deutsche Internetbibliothek" (DIB) als "Wissensportal der Bibliotheken". Seit Oktober 2006 besteht eine Kooperation mit dem Internetportal wissen.de. In einem ersten Schritt dieser Zusammenarbeit übernahm die DIB die Beantwortung aller Wissensfragen, die an die wissen.de Redaktion gerichtet waren. Im Gegenzug wurde die DIB auf der wissen.de Website beworben und verlinkt. Da die manuelle Weiterleitung der Fragen an die DIB-Koordinationsstelle und die darauf folgende Verteilung an die DIB-Teilnehmerbibliotheken mit einem hohen Organisationsaufwand verbunden war, wurde das DIB-Fragenformular direkt auf der wissen.de Website eingebunden.7 Alle Wissensfragen werden seitdem automatisiert direkt an die DIB-Teilnehmerbibliotheken verteilt. Parallel mit der Einbindung des DIB-Fragenformulars bei wissen.de wurde auf sämtlichen wissen.de Seiten der Hinweis auf die E-Mail-Auskunft der DIB eingebunden. Welche Impulse Marketing/PR auslösen kann, demonstrierte Arend Flemming eindrucksvoll: Nachdem Claudia Lux in einem Interview mit dem Focus die DIB erwähnte, war eine starke Nutzungssteigerung zu verzeichnen. So wurden im April 2005 insgesamt 854 Anfragen an die E-Mail-Auskunft der DIB versandt. Gegenüber dem Vorjahreswert (349 Anfragen) ergibt dies eine Steigerung um 145%, gegenüber dem durchschnittlichen Mailaufkommen im 1. Quartal 2005 (220 Anfragen) war eine Steigerung um knapp 290% zu verzeichnen. Arend Flemming gab zu bedenken, dass die Beantwortung von E-Mail-Anfragen aus anderen Bundesländern im Prinzip problematisch sind, denn die Mitarbeiter sollen/dürfen im Prinzip nur für das eigene Bundesland tätig sein.

Unter dem Titel "Die Technische Informationsbibliothek" präsentierte Uwe Rosemann, Direktor der UB Hannover und der TIB, die TIB im Kontext verschiedener Kooperationen und Netzwerke. Es ging ihm dabei um die Herausarbeitung der strategischen Bedeutung für die Weiterentwicklung und Erweiterung von Dienstleistungen, Märkten und Kompetenzen für die Bibliothek. Die 1959 gegründete TIB hat über 6 Mio. Bände und mehr als 18.000 laufende Zeitschriften und ist die größte technisch-naturwissenschaftliche Spezialbibliothek der Welt. In der Bibliothek arbeiten rund 200 Personen, ihr jährliches Budget beträgt rund 22 Mio. Euro. Die TIB nehme damit eine wichtige Rolle im System der überregionalen Informationsversorgung ein, durch das die DFG die Bereitstellung eines umfassenden Angebots hoch spezialisierter Literaturbestände und digitaler Informationsquellen für die wissenschaftliche Forschung in Deutschland fördert. Ziel ist die Abdeckung des Spitzenbedarfs der wissenschaftlichen Informationsversorgung, der über die Versorgungsaufgaben der einzelnen Hochschulbibliotheken hinausreicht. Das System wird getragen von einer Reihe wissenschaftlicher Universalbibliotheken (gegenwärtig 22 Einrichtungen), die DFG Sondersammelgebiete betreuen, sowie ausgewählten Spezialbibliotheken. Für die angewandten Fächer bilden die drei Zentralen Fachbibliotheken für Angewandte Naturwissenschaften und Technik, Wirtschaft und Medizin die dritte Säule des Systems.

Es folgte ein Blick auf strategisch wichtige Kooperationen, die die TIB in den letzten zwei Jahren aufgebaut hat:

Statements aus dem Auditorium

Nach den Präsentationen folgten eine Reihe von Statements aus dem Auditorium: Carmen Bitir-Istrate, Counselor for Library Affairs im rumänischen Ministerium für Bildung und Wissenschaft (MBW), betonte, dass zu einer qualitativen Schulbildung auch Schulbibliotheken gehörten. Rumänien habe auf diesem Gebiet seit dem 18. Jahrhundert eine lange Tradition. Durch einen Ministererlass müsse jede Highschool eine eigene Bibliothek unterhalten. Für 2006 stellte das MBW 10 Mio. Euro bereit, damit die 9036 Schulen Lehrbücher erwerben konnten. Die IT-Ausstattung sei noch nicht soweit wie in Westeuropa, Ziel sei es, mindestens einen PC in jeder Schulbibliothek zur Verfügung zu stellen.

Joanna Cicha von der Abteilung für nationales Erbe im Ministerium für Kultur und nationales Erbe (Polen), hob hervor, dass das Ministerium den Bibliotheks- und Buchsektor fördere, wobei die Programme und Aktivitäten durch die staatlichen Institutionen Nationalbibliothek und Buchinstitut betreut werden. Insgesamt gebe es etwa 20.000 Bibliotheken in Polen, darunter 8500 Öffentliche und 1500 Wissenschaftliche Bibliotheken (Wissenschaftsministerium) und 15.000 Schulbibliotheken (Bildungsministerium).

Valentyna Pashkova, die Präsidentin des Ukrainischen Bibliotheksverbandes, erklärte, dass die demokratischen Reformen in ihrem Land auch das Bibliothekswesen verändert haben. In 2000 wurde im Parlament (Verkhovna Rada) ein neues Bibliotheksgesetz verabschiedet, das gegenwärtig neu gefasst wird. Insbesondere gehe es dabei um die Rolle des geistigen Eigentums und den freien Zugang zu Information.

Suzana Turku, Stellvertretende Ministerin im albanischen Kultusministerium, sprach über die starken Veränderungen im albanischen Bibliothekswesen seit den 1990er Jahren: Von einer früher extremen Begrenzung hin in Richtung zu einem freien Zugang zu Information. Bibliotheksarbeit in Albanien basiert auf den Gesetzen Act on Libraries und Act on Books und den Empfehlungen von Organisationen wie der UNESCO oder der IFLA.

Freier Zugang zu Information

Nach einem Empfang in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin - und einem Orkan namens Kyrill - begann der zweite Tag mit vier Vorträgen, die unter dem Motto "Freier Zugang zur gedruckten und digitalisierten Information stand". Als erstes sprach Gabriele Beger über "Das Aktionsbündnis Urheberrecht und Rechtsfragen zu Multimedia". Die Direktorin der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, DGI-Präsidentin und Vizesprecherin des Aktionsbündnisses Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft begrüßte es, dass das Fach Informationskompetenz in den Bachelor-Studiengängen Eingang gefunden hat. In ihrem fesselnden Vortrag ging sie auf die Chancen und Risiken ein, die die §§ 52a UrhG (elektronischer Semesterapparat), 52b (Regierungsentwurf: Digitalisierung eines gesamten Bestandes) und 53 (Vervielfältigung), 53a (elektronischer Kopienversand) böten.

Ute Schwens, Direktorin der Deutschen Nationalbibliothek/Frankfurt, stellte das "Digitale Pflichtexemplarrecht als Basis zu einem Zugang zu freier Information" in den Mittelpunkt ihres Beitrages. Seit Juni 2006 gelte das Pflichtexemplarrecht auch für digitale Medien, wobei es gar nicht so einfach sei, die Relevanz von Webseiten, Linksammlungen usw. einzuschätzen. Des Weiteren stellte sie KOPAL vor, ein Projekt zum Kooperativen Aufbau eines Langzeitarchivs digitaler Informationen, an dem neben der Deutschen Nationalbibliothek die SUB Göttingen, die Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung Göttingen (GWDG) und IBM Deutschland beteiligt sind.

Bob McKee, Chief Executive CILIP10, ging auf die "Aktivitäten von IFLA-FAIFE"11, eine Kernaktivität von IFLA ein, die sich verkürzt mit "Education - Advocacy - Intervention" umschreiben lässt.

Als letzter Redner in diesem Konferenzteil stellte Norbert Lossau, zukünftiger Direktor der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, "Projekte und Initiativen zu Open Access" vor. Er sehe eine Gefahr für ein Digital Divide in den Geistes- und Sozialwissenschaften. wo man eher mit Printmedien arbeite, während in den Natur- und Technikwissenschaften das digitale Dokument zum Alltag gehöre. Zu den vorgestellten Open Access Projekten/Initiativen gehörten vor allem SPARC Europe, OpenDOAR (Directory of Open Access Repositories) und DRIVER (Digital Repository Infrastructure Vision for European Research).

Teilnehmerstatements

Nach einer Führung durch die Bibliothek des Auswärtigen Amtes standen einige Teilnehmerstatements auf dem Programm. So unter anderem von Lea Prchalová, der Direktorin der Mährisch-Schlesischen wissenschaftlichen Bibliothek in Ostrava, Tschechien, die betonte, dass sich die Situation der etwa 6000 Öffentlichen Bibliotheken auch durch ein großzügiges Programm des Kultusministeriums verbessert habe. Zu den Problemfeldern gehörten vor allem das Urheberrecht und ungenügende Mittel für die Erwerbung. Vanja Grashina, Präsidentin des Bibliotheksverbandes und Leiterin des "National Center for Information and Documentation", Bulgarien, setzte sich für Lobbyarbeit ein und stellte mit "ABLE"12, "Access to electronic information for people with disabilities"13 und "Libraries - regional access points for EU information"14 drei nationale Projekte vor.

Podiumsdiskussion

Den Schlussakzent setzte eine Podiumsdiskussion mit osteuropäischen Vertretern aus Bibliotheken und Ministerien. Die Diskussion kreiste um Fragen wie "Was brauchen die Vertreter der Ministerien von den Bibliotheksverbänden, um mehr Geld für Bibliotheken zur Verfügung zu stellen?" oder "Welche Argumente haben geholfen, Politiker und Politikerinnen zu überzeugen, öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken bzw. konkrete Vorhaben wie Open Access Repositories in Universitätsbibliotheken zu unterstützen oder höhere Erwerbungsetat für ihre kleinen Stadtbibliotheken zu genehmigen?" Insgesamt, so die Meinung vieler Teilnehmer, hätten die Statements bei dieser Diskussionsrunde kürzer und konkreter ausfallen müssen. Zu den Gemeinsamkeiten aller Statements gehörten vor allem der Bildungsauftrag der Bibliotheken und die oft hohe Wertschätzung von Bibliotheken als Zentrum der Kulturerhaltung (was die finanzielle Unterstützung durch die Kultusministerien sichere).

Fazit

Für ihre Hilfsbereitschaft verdienen die studentischen Hilfskräfte von der Humboldt Universität Dank. Sie behielten den Überblick im Chaos, das der Orkan "Kyrill" im Flug- und Zugverkehr bereitet hatte. Und Maxi Kindling, die auch in Seoul für die deutsche Ausgabe der IFLA News tätig war, verdient mit ihrer Anregung besondere Beachtung: "Schade, dass das Thema "Ausbildung" bei diesem Meeting eigentlich keine Rolle spielte. Vielleicht wäre auch das mal ein Schritt in Richtung "Bibliotheken auf die Tagesordnung!" - gut ausgebildete junge Kollegen, die mit neuen Ideen kommen!"

Das Presidential Meeting war ein Erfolg. Alle Podiumsteilnehmer bedankten sich für die Anregungen und waren sich darin einig, dass es besonders wichtig sei, die Mehrwerte der Bibliotheken hervorzuheben und dafür wirklich Menschen sprechen zu lassen, die den Wert ihrer Bibliotheken darstellen und "Geschichten" erzählen können.

Das Meeting endete mit einem Abschlussstatement von Claudia Lux: "The Participants from 26 countries at this first Presidential Meeting in Berlin, 18-19 January 2007, reafffirm the vital importance of libraries in promoting freedom, equity and inclusion through free access to information and call upon governments to put libraries on the agenda to support these goals."

Wenn eingangs der IT-Gipfel erwähnt wurde, dann sei daran erinnert, dass dort in acht Arbeitsgruppen Handlungsfelder, Lösungsvorschläge und Forderungen erarbeitet worden sind. Vielleicht könnten die nächsten beiden Presidential Meetings (2008 und 2009) diesen Aspekt stärker betonen?


Zum Autor

Prof. Dr. Wolfgang Ratzek

Hochschule der Medien
FB Information und Kommunikation
Wolframstraße 32
D-70191 Stuttgart
E-Mail: ratzek@hdm-stuttgart.de


Anmerkung

1. Bei Hella Klauser, Kompetenznetzwerk Bibliotheken (KNB) möchte ich mich für die Beschaffung von Informationsmaterial bedanken.

2. Für einen ausführlichen Bericht (darin auch ein Statement von Claudia Lux) s. Ratzek, W.: Nationaler IT-Gipfel im Hasso-Plattner-Institut Potsdam. Branche fordert mehr IT für alle. In: Information - Wissenschaft und Praxis 2/2007

3. Für einen ausführlichen Bericht über das Programm s. Ratzek, W.: Libraries on the Agenda! The Presidents-Elect´s Planning Session in Seoul. IFLA Journal 32(2006)4, s. 368-373.

4. Zahlenmäßig waren die deutschen Teilnehmer am stärksten vertreten.

5. IFLA/FAIFE: "1997 wurde von der IFLA der 'Ausschuss für den freien Zugang zu Informationen und Meinungsfreiheit' (Free Access to Information and Freedom of Expression - FAIFE) eingesetzt. Er befasst sich für den Bibliotheksbereich mit Artikel 19 der 'Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen'" (Auszug aus http://www.ifla-deutschland.de/de/ifla/ifla_faife/).

6. Der Autor plant für den Sommer 2007 eine Publikation, in der der komplette Text der Rede veröffentlicht werden wird.

7. http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/services/kontakt/dib_formular.html

8. Die Kooperation wurde im Hotel Esplanade vereinbart.

9. Recommendersysteme sind Empfehlungsdienste und sind überwiegend als Agentensysteme konzipiert. Für eine ausführliche Darstellung s. Dierolf, U.; Mönnich, M.W.: Einsatz von Recommendersystemen in Bibliotheken. In: B.I.T.online 1/2006.

10. CILIP - the Chartered Institute of Library and Information Professional, London.

11. Free Access to Information and Freedom of Expression.

12. Verbund zwischen 18 bulgarischen und US-amerikanischen Bibliotheken, die vom US Department of State gefördert werden.

13. Internet-Projekt, das vom British Council in Sofia unterstützt wird.

14. EU-gefördertes Projekt zu Verbesserung der Kompetenz bei der Recherche und Bereitstellung von EU-bezogener Information.