Management, marketing, and promotion of library services,
based on statistics, analyses, and evaluation


Hrsg. Von Trine Kolderup Flaten
- München: Saur, 2006 (IFLA publications 120/121)
ISBN 13: 978-3-598-21848-4; ISBN 10: 3-598-21848-6. € 128,00

Der mächtige Band dokumentiert die Preconference der IFLA Management and Marketing Section zum IFLA-Kongress 2005 in Oslo. Die Beiträge sind ausgearbeitet und ausformuliert, aber nur aneinandergereiht, es gibt keine Gruppierung oder Gliederung, auch die Abstracts sind dem jeweiligen Beitrag beigefügt. Zur Orientierung kann man nur auf das Inhaltsverzeichnis zurückgreifen, langsam blättern oder auf Verdacht mehrere Hundert Seiten durchlesen - wer macht das schon? Das ist bedauerlich, denn das Buch enthält spannende Beiträge und wichtige Anregungen. Ich möchte versuchen, einige Hinweise zu geben, wem Buch und Lektüre nützen können.

Die Organisatoren und Herausgeber möchten mit der umfassenden Themenstellung - Dienstleistungsangebote von Bibliotheken - die unterschiedlichen Bibliothekssparten und sogar Wissenschaftszweige zusammenbringen und Methoden vorstellen, die für alle nützlich sein können. Ob dieser globale und eigentlich auch traditionelle Ansatz noch zielführend sein kann, scheint mir fraglich. Gerade die willkürliche und unstrukturierte Anordnung der Beiträge lässt klar erkennen, dass bestimmte Fragen und Aspekte nur innerhalb einer Sparte virulent sind. Der internationale Vergleich und Austausch hingegen ist sicher nützlich und stimulierend.

Insgesamt zehn Beiträge behandeln wirklich übergreifende Themen wie Bedeutung und Methoden der Statistik und Benutzerforschung, Qualifikation und Ausbildung werden gestreift, einige Artikel sind sehr landesspezifisch geprägt.

J. Eric Davies (GB, S. 17 ff.) erläutert Zweck und Methodik der Leistungsmessung in Bibliotheken. Er zeigt sehr klar und anschaulich, welche Daten man erheben kann und welche Bedeutung Standards haben. Wirklich beachtenswert finde ich die im Anhang angefügten Programme von zwei sehr praxisorientierten Workshops. Im ersten konnte man anhand ganz präziser Fragen sicher lernen, wie man Daten erhebt, der zweite Workshop sollte anhand konkreter Beispiele vermitteln, wie man mit den Daten umgeht. Allein der Ansatz und die Form dieser Veranstaltungen scheint mir nachahmenswert. Der Beitrag zeigt aber auch, dass die britischen Kollegen sich ganz selbstverständlich und entspannt die Frage stellen: Sind wir gut? Sind wir gut genug?

Fast das Gegenteil berichtet Ulla Wimmer (S. 33 ff.) aus Deutschland, wo Bibliotheken Statistiken jedweder Art überwiegend noch mit Skepsis, Abwehr und Rechtfertigung begegnen. Der Beitrag vermittelt sicher zu Recht den Eindruck, dass die Bibliotheken sich mit dieser reaktiven Haltung noch abhängiger von Geldgebern und Unterhaltsträgern machen, als sie es ohnehin schon sind. Tord Hoivik (Norwegen, S. 43 ff.) liefert eigentlich eine Art Erklärung für diese konträren Sichten, wenn er die offizielle Statistik, die von einer grundsätzlich statisch und konservativ eingestellten Bürokratie entworfen sei, den von Dynamik und Neugier geprägten Ansätzen der wissenschaftlichen Statistik gegenüberstellt. Er betont aber auch, dass Statistik vor allem zur Bewertung langfristiger Veränderungen zu verwenden sei. Der Beitrag von Ellen Maleszewski und Michael Ballow Huang (USA, S. 116 ff.) hat eher Workshop-Charakter; er bietet eine Kurzeinführung in Grundbegriffe der Statistik mit Beispielen aus einer Bibliothek. An dem Beitrag von Marielle de Miribel (Frankreich, S. 161 ff.) über Audits für Bibliotheken ist vor allem bemerkenswert, dass offenbar auch in der französischen Öffentlichkeit noch die Meinung verbreitet ist, Bibliothekare würden den ganzen Tag lesen. Svanhild Aabo (Norwegen, S. 199 ff.) und Sue McKnight (GB, S. 206 ff.) gehen in unterschiedlicher Weise der Frage nach, wie sich Serviceeinrichtungen evaluieren und bewerten lassen; der Bericht von Knight ist insofern hilfreich, als er veranschaulicht, wie man mit einer bestimmten Art Workshop Kundenbedarfe ermitteln kann.

Auch die Artikel von Antonia Arahova mit Sarantos Kapidakis (Griechenland, S. 369 ff.), Leonor Gaspar Pinto mit Paula Ochoa (Portugal, S. 388 ff.) und Natalia Gendina (Russland, S. 169 ff.) sind insofern vergleichbar, als sie über spezielle nationale Entwicklungen berichten. Die ersten beiden beschreiben Strukturen. Der Handlungsbedarf und die Rahmenbedingungen sind speziell, Strategie und Planung aber in beiden Fällen sehr abstrakt; sie könnten einem Lehrbuch entstammen oder eigentlich überall gelten. Sie stehen den sehr pragmatischen anglo-amerikanischen Ansätzen diametral entgegen. Der dritte Beitrag problematisiert die Frage einer zeitgemäßen Ausbildung und die Rolle der Berufsverbände.

Für die wissenschaftlichen Bibliotheken liegt der Schwerpunkt ganz eindeutig auf der Frage, was die Benutzer heute brauchen und erwarten und wie man diesen Bedarf hinreichend sicher ermittelt. Myoung C. Wilson und Farideh Tehrani (USA, S. 65 ff.) berichten von der Rutgers University, dass es der Bibliothek noch schwer falle, den Marketing-Aktivitäten der Universität zu folgen. Denn die "net generation" unter den Studierenden und Wissenschaftlern komme tendenziell nur noch einmal zu Semesterbeginn auf den Campus, und die Bibliothek müsse sie entweder dort erreichen oder eben ganz neue Wege gehen, um nachhaltig und wirkungsvoll über ihre Dienste zu informieren. Von der Universität in Toronto berichtet Diane Cranfield (Kanada, S. 246 ff.) über eine Untersuchung, die die Nutzung der stationären und der virtuellen Auskunft vergleicht. Man habe festgestellt, dass alle, die wirklich Hilfe brauchten, den konventionellen Dienst vor Ort bevorzugten. An der Florida State University versucht die Bibliothek im Rahmen eines disziplinspezifischen Projekts zur Geoforschung zu ermitteln, wer noch die Bibliothek und wer schon konkurrierende Informationsdienste nutzt (Christie Koontz, USA, S. 107 ff.). Den Wandel von einer Bibliothek zum modernen Dokumentationszentrum beschreibt auch Elena Roseras Carcedo (Spanien, S. 217 ff.) am Bespiel des Baskischen Museumszentrums für Zeitgenössische Kunst.

Dass die Entwicklung neuer Dienste für Bibliotheken an Massenuniversitäten eine besondere Herausforderung, aber auch eine Chance bedeuten kann, zeigt Yoo-Seong Song (USA, S. 257 ff.) für die Universität Illinois. Hier ist es der Bibliothek gelungen, ihre spezifische Kompetenz in das aktuelle Angebot der career workshops einzubringen. Helen King (Australien; S. 283 ff.) exemplifiziert noch einmal den pragmatischen anglo-amerikanischen Ansatz der Leistungsmessung, bezeichnenderweise betitelt sie ihren Beitrag auch mit "best practice initiatives in Australian university libraries". Wieder geht es um eine Checkliste mit klarer Struktur (welche Daten werden für welchen Zwecke erhoben?) und konkrete Fragen; darüber hinaus verdeutlicht die Autorin, wo und wie Kooperation und benchmarking Sinn machen. Aus der Praxis lernen kann man auch aus dem Beitrag von John Crawford (GB, Schottland; S. 317 ff.). Er beschreibt anschaulich und authentisch eine Umfrage zur Nutzung elektronischer Dienste und zu den Erwartungen an diese Angebote. Mit den Anbietern solcher Dienste beschäftigen sich Maria Luisa Alvita Diez und Blanca Rodriguez Bravo (Spanien; S. 357 ff.); sie vergleichen fünf Anbieter, aber wenig standardisiert und eher nach deren eigenen Produkt- und Servicebeschreibungen. Einen sehr pragmatischen Ansatz, der auch mit wenig Aufwand schon Änderungen bewirken kann, stellt Gildas Illien (Frankreich, S. 434 ff.) vor. Er ist eingebunden in ein groß angelegtes Projekt zur Verbesserung der französischen Universitäten. Eine Universitätsbibliothek hat eine Umfrage unter ihren Nutzern durchgeführt, jeweils eine Woche innerhalb und außerhalb der Vorlesungszeit und dabei zum Bespiel sehr eindeutig herausgefunden, welche Informationsschalter zu welchen Zeiten besetzt sein sollten und konnte entsprechend reagieren.

Grundsätzlicher und langfristig angelegt ist ein Vorhaben, das Gillian Hallan und Helen Partridge (Australien, S. 406 ff.) vorstellen. Es betrifft die Struktur und Ausrichtung des Schulungs- und Lehrangebots in Universitätsbibliotheken nach dem Prinzip der evidenzbasierten Lehre. Im Kern ginge es darum, die Studierenden zu Forschungsergebnissen zu führen, aber nicht selbst zum Forschen anzuleiten. Bei den Berichten über die öffentlichen Bibliotheken fällt auf, dass in vielen Ländern lokale und regionale Bibliothekssysteme gegründet werden oder schon grundgelegt sind. In Montreal (Louise Guillemette-Labory, Pierre Meunier, Kanada, S. 80 ff.) und Valencia (Ignazio Latorre Zacarés, Milagros Ortells Montón, Spanien, S. 138 ff.) sind diese Bibliothekssysteme bei Verwaltungsreformen entstanden. In beiden Fällen waren Standards und statistische Erhebungen entscheidend für die Integration der bestehenden, heterogenen Einrichtungen. Aus den USA berichtet Kathleen Imhoff (S. 236 ff.), wie bei der Entwicklung eines großstädtischen Bibliothekssystems die Bedürfnisse unterschiedlicher Ethnien vor allem in den Randgebieten zu berücksichtigen sind. Auch in Flandern sind die öffentlichen Bibliotheken regional vernetzt. Bart Vercruyssen, (Belgien, S. 267 ff.) betont die Rolle und Bedeutung einer Servicezentrale für diese Bibliotheken, die allein in der Lage sei, die erforderlichen Markt-, Struktur- und Serviceanalysen durchzuführen. Schon spezieller sind die Herausforderungen an ein lokales Bibliothekssystem in Australien (Debra Rosenfeldt, S. 451 ff.). Eine breit angelegte Studie hat hier gezeigt, dass die Bibliothek noch eine wichtige Funktion als Lernort haben und der Nutzerschaft helfen sollte, die digitale Barriere zu überwinden. Ganz anders sieht die Situation zur Zeit wohl in Lyon (Claude Poissenot, Frankreich, S. 300 ff.) aus, denn hier verzeichnen die Bibliotheken rückläufige Besucherzahlen und müssen noch herausfinden, was anderes als längere Öffnungszeiten die Bürger denn wünschen. Ansonsten aber sind die Probleme der französischen öffentlichen Bibliotheken (Liman Latifa, Frankreich, S. 179 ff.) denen in Deutschland durchaus vergleichbar, die Funktion der Bibliotheken ist nicht gesetzlich verankert, sie leiden unter Finanzknappheit und müssen noch stärker lernen, wirtschaftlich zu arbeiten. Nachhol- und Entwicklungsbedarf besonderer Art haben die Bibliotheken in Estland, wie Margit Jögis (Estland, S. 153 ff.) Bericht über deren Geschichte seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zeigt.

Das Buch informiert authentisch und überzeugend von den Aktivitäten der IFLA, allerdings wohl nur innerhalb der Fachcommunity, die die Beiträge einordnen und werten kann. Welchen Nutzen eine einzelne Bibliothek davon haben kann, muss sie sich anhand dieser Dokumentation erst erarbeiten. Der stolze Verkaufspreis wird eine breite Streuung der Publikation sicher nicht fördern. Für die Bibliotheken ist zu hoffen, dass die Inhalte in den einschlägigen Datenbanken rasch so erschlossen werden, dass man gezielt zugreifen kann.


Anschrift der Rezensentin

Dr. Ulrike Eich

Hochschulbibliothek der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule
Templergraben 61
D-52062 Aachen
E-Mail: eich@bth.rwth-aachen.de