Simon, Theresia: Die Positionierung einer Universitäts- und Hochschulbibliothek in der Wissensgesellschaft: eine bibliothekspolitische und strategische Betrachtung


- Frankfurt am Main: Klostermann, 2006. XIV, 266 S. (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie: Sonderband; 91)
ISBN: 3-465-03437-6. € 77,00

Theresia Simon, Professorin für Betriebswirtschaft im Studiengang Wirtschaftsinformatik und E-Business an der Hochschule Ravensburg-Weingarten, will mit diesem Buch, das auf einer Dissertation an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam aus dem Jahr 2004 beruht, die Positionierungsarbeit von Universitäts- und Hochschulbibliotheken in der Wissensgesellschaft unterstützen - mit einem Blick von außen, der den Bibliothekaren nie geschadet hat. Sie vertritt die Auffassung, dass sich dieser Bibliothekstyp in einer Situation des grundlegenden Umbruchs befindet. "Das gesellschaftliche Programm Wissensgesellschaft, die stetig anschwellende Publikationsflut, die seit vielen Jahren bestehenden Etatengpässe sowie der zunehmende Wettbewerbsdruck im Bildungs- und Forschungsbereich und auf dem Informationsmarkt zwingen die Bibliotheken zum Überdenken ihrer Position." (S. V) Insbesondere die massenhafte Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien zwingt die Bibliotheken aus der Isolierung in die kooperative Wissensgesellschaft, die auf dem Austausch von Daten beruht. "Das Ordnungsschema wissenschaftlicher Bibliotheken, entstanden durch deren Aufgabenteilung, ist gegenwärtig im Zuge des zunehmenden interbibliothekarischen Wettbewerbs in Auflösung begriffen. (S. 2)

Simons erster Fokus ist organisationaler Art und auf die Einzelorganisation Universitäts- und Hochschulbibliothek gerichtet (S. 2), der zweite Fokus ist begrifflicher Natur und auf die Wissensgesellschaft bezogen, dieser Terminus "übernimmt damit für die hier angestellten Betrachtungen eine gewisse inhaltliche Leitfunktion" (S. 2).

Die Kernfragen lauten: "Wie berührt nun die Entwicklung der Gesellschaft zur Wissensgesellschaft die traditionsreiche Institution Bibliothek? Wie verändert sich die Position einer Bibliothek in den Augen ihrer wichtigen Anspruchsgruppen? Welche alternativen Politiken und Strategien kann eine Bibliothek ihrerseits verfolgen, um ihre zukünftige Position günstig zu beeinflussen? Welchen Beitrag leisten die gewählten Politiken und Strategien für eine Produktivitätssteigerung des Wissens?" (S. 5)

Die von Simon auf der Basis wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Theorien entwickelten Denkraster sollen eine Hilfestellung für die Bibliotheksleitung und die für die Bibliotheken verantwortlichen Entscheidungsträger sein, allerdings keine "umsetzungsreifen normativen und strategischen Managementrezepte" (S. 8).

Die Autorin stützt sich auf die Forschungsergebnisse und Publikationen von Amitai Etzioni ("Die aktive Gesellschaft" 1975) und Niklas Luhmann ("Soziale Systeme" 1984) und ihrer Doktorväter Knut Bleicher ("Das Konzept integriertes Management" 7. Aufl. 2004) und Dieter Wagner ("Universitäten im Wettbewerb" 2001). Darauf aufbauend erörtert sie die Aspekte der allgemeinen Theorie sozialer Systeme, die für die Bibliotheken von besonderer Relevanz sind: Differenz von System und Umwelt, vernetztes Denken, Komplexität und Konvergenz, Selbstreferenz und Entwicklungsfähigkeit.

Die ersten drei Kapitel dienen der Analyse aktueller Entwicklungen und der Darstellung bibliothekspolitischer Sachverhalte (Die Diskussion um die Wissensgesellschaft und der Anspruch der Arbeit - Theoretische Ausgangsposition der Arbeit - Analyse der Umweltentwicklungen aus der Sicht einer Universitäts- und Hochschulbibliothek).

Danach werden analytisch-konzeptionelle Denkraster vorgestellt, die den bibliothekspolitischen und strategischen Entscheidungsraum ausloten. In den Kapiteln vier und fünf finden sich Anregungen zur Weiterentwicklung des Selbstverständnisses einer Universitäts- und Hochschulbibliothek und Erörterungen, ob bzw. unter welchen Bedingungen mit den jeweiligen Strategien eine Erfolgsposition im Wettbewerb eingenommen werden kann (Bibliothekspolitische Positionierung von Universitäts- und Hochschulbibliotheken in der Wissensgesellschaft - Strategische Antworten auf die Herausforderung Wissensgesellschaft: Anregungen zur Entwicklung von Leistungsprogramm- und Wettbewerbsstrategien). Das abschließende Kapitel sechs und den Anhang bezeichnet die Autorin als "Anregungen" (Ergänzende Aspekte der bibliothekspolitischen und strategischen Positionierung: Anregungen für die weitere Forschung - Anregungen zur Marktsegmentierung in Universitäts- und Hochschulbibliotheken); diese wichtigen Segmente der künftigen Bibliotheksarbeit gehören aber in die Gesamtkonzeption des Buches (wie die Ansatzpunkte für eine Förderung des Lernens in Universitäts- und Hochschulbibliotheken, z.B. Personalentwicklung, Unternehmenskultur und Leistungsmessung).

Den Abschluss bilden Literaturverzeichnis, Personenregister und Sachregister (im Inhaltsverzeichnis fälschlicherweise als "Literaturverzeichnis" bezeichnet).

Der Rezensent greift einige Gedanken heraus:

Erfreulicherweise beschäftigen sich immer mehr Veröffentlichungen aus dem Bereich der Bibliothekswissenschaft mit den von der Autorin behandelten Themen. Beispiele sind die nach dem Manuskriptabschluss erschienenen Bücher "Bibliothekswissenschaft - quo vadis"4, "Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland"5 und "Vom Wandel der Wissensorganisation im Informationszeitalter"6.

Fazit: Simons Arbeit ist eine unverzichtbare Hilfe für die Positionierung wissenschaftlicher Bibliotheken im 21. Jahrhundert und sollte sowohl von Führungskräften in den Bibliotheken, Universitäten und Hochschulen als auch von den politisch Verantwortlichen im Bildungs- und Forschungsbereich gelesen werden.


Anmerkungen

1 Eine wertvolle Vorarbeit leistet Walther Umstätter mit seinem ausgezeichneten Beitrag: Bibliothekswissenschaft als Teil der Wissenschaftswissenschaft unter dem Aspekt der Interdisziplinarität. In: Festschrift zum 60. Geb. von Heinrich Parthey. Bielefeld, 1999. S. 146-160.

2 Wang, Weiguo: Bibliotheken als soziale Systeme ihrer Umwelt. Köln, 1989. IX, 296 S.

3 Smith, David: Systems thinking in library and information management. New York, 1980.

4 Bibliothekswissenschaft - quo vadis?: eine Disziplin zwischen Traditionen und Visionen. Programme - Modelle - Forschungsaufgaben / Hrsg. Petra Hauke. München, 2005. 480 S.

5 Plassmann, Engelbert: Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland: eine Einführung / Engelbert Plassmann; Hermann Rösch; Jürgen Seefeldt; Konrad Umlauf. Wiesbaden, 2006. X, 333 S. Auf S. 282 heißt es sinngemäß, dass eine Kombination von diachroner und synchroner Betrachtung sowie das Erkenntnispotenzial der Systemtheorie einen ganzheitlichen Blick ermöglichen und neue Einsichten über zukünftige Entwicklungen gewähren.

6 Vom Wandel der Wissensorganisation im Informationszeitalter: Festschrift für Walther Umstätter zum 65. Geburtstag / Hrsg. Petra Hauke; Konrad Umlauf. Bad Honnef, 2006. 379 S.


Anschrift des Rezensenten

Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier

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