ScanRobot von Treventus Mechatronics GmbH im Einsatz

Web 2.0 der neuen Generation: Web.de startet im Frühsommer 2007 eine neue Heimat für Netzbewohner

CeBIT 2007:
ScanRobot digitalisiert 250 Seiten in sechs Minuten


von Vera Münch

Totgesagte leben länger: 480.000 Besucherinnen und Besucher, bestes Geschäftsklima und zufriedene Aussteller waren die Antwort der CeBIT 2007 auf ihren von Branchengurus und Medien vorhergesagten Niedergang. Für Bibliothekarinnen und Bibliothekare gab es einige interessante Neuerungen zu sehen: zum Beispiel Softwaretechnologie, die aus dem eigenen Bibliothekssystem eine zentrale Suchoberfläche über individuell ausgewählte Digitale Bibliotheken macht und einen Buchscanner, der die Seiten mit einem sanften Luftstrom berührungslos umblättert.

Wenn ein oder zwei Branchengrößen nicht mehr auf der CeBIT ausstellen, ist die CeBIT noch lange nicht am Ende. Nach wie vor ist Hannover im Frühjahr der wichtigste Treffpunkt der nationalen und internationalen IKT-Industrien - und er wird als solcher gebraucht: kein Branchenverband verpasste es, dies in der Hauptpressekonferenz zur CeBIT zu betonen. Zweites großes Generalthema war der Hinweis auf den Fachkräftemangel: Unisono forderten BITKOM, VDI, BVDW und VDE von der Politik deutliche Erleichterungen für den Arbeitskräftemarkt. Außerdem starten oder unterstützen alle Verbände Qualifizierungsinitiativen. Der Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte wird in den nächsten Jahren heiß umkämpft sein.

Im Ausstellungsangebot spiegelte die CeBIT 2007 wie seit Jahrzehnten die Digitalisierung der Welt in ihrer ganzen Bandbreite wider. Trotzdem wird es für eine erfolgreiche Messezukunft unumgänglich sein, auch das Präsentationsformat der CeBIT stärker an die globale Vernetzung anzupassen. Die Messemacher wissen das und so darf man sich als Beobachter schon einmal fröhlich ausmalen, welche Identität - welches "Second Life" - sich eine virtuelle CeBIT im Cyberspace der Zukunft wohl geben könnte und welche Multimediapräsentationen dann aus Hannover über die Messe- und Aussteller-Links auf die Bildschirme der Bibliotheken in China, Asien, Südamerika und anderswohin übertragen werden. Bis es so weit ist, berichten wir hier über die Realitäten und Visionen der CeBIT 2007.

ScanRobot gewinnt ICT Grand Prix der EU

Wenn die Treventus Mechatronics GmbH halten kann, was sie auf der CeBIT 2007 versprochen hat, werden wertvolle Bücher künftig beim Scannen deutlich besser geschont als bisher und für die Hilfskräfte in den Digitalisierungskellern von Bibliotheken, Archiven und Dokumentationsstellen brechen bessere Zeiten an. Das junge österreichische Unternehmen, eine Ausgründung der Technischen Universität Wien, hat einen Buchscanner entwickelt, der gebundene Druckwerke zehn Mal schneller als ein Mensch umblättern und verzerrungsfrei digitalisieren kann. 40 bis 50 Seiten nimmt der ScanRobot von Treventus durchschnittlich pro Minute auf. Die größten Vorteile der neuen Technologie aber liegen im Luftstrom, mit dem die Seiten berührungslos automatisch umgeblättert werden und im geringen Öffnungswinkel: Zu digitalisierende Vorlagen - Bücher und andere gebundene Druckwerke - müssen zum Einscannen nur noch 60 Grad geöffnet werden. Das bisher notwendige vollständige Aufklappen auf 180 Grad, der Niveauausgleich durch die Buchwippe und auch das Anpressen mit einer Glasplatte entfällt vollkommen. Im Zusammenspiel mit der entsprechenden Soft- und Hardware kann das Gerät Bücher automatisch digitalisieren, vorlesen und/oder den Inhalt in die Blindenschrift Braille umsetzen oder auch die Schrift auf einem Bildschirm in Großbuchstaben darstellen. Der ScanRobot ist nur noch wenige Schritte von seiner Serienreife entfernt. Das Gerät soll im Sommer 2007 auf den Markt kommen. Die Universitätsbibliothek Innsbruck (DEA) und die Staatsbibliothek München (BSB) sind bereits Kunden. Das Göttinger Digitalisierungszentrum GDZ begleitet Treventus als Entwicklungspartner. Auf der CeBIT 2007 wurde das junge Unternehmen für seine Innovation mit einem der begehrten ICT Grand Prix der EU ausgezeichnet.

EU vergibt ICT Preise erstmals auf der CeBIT;
drei von 20 an Suchlösungen

Der European ICT Preis wird seit zwölf Jahren vergeben. In diesem Jahr fand die Verleihung zum ersten Mal auf der CeBIT statt. Der Preis ist mit Preisgeldern von insgesamt 700.000 Euro dotiert. Eine hochrangig besetzte Jury wählt aus den eingehenden Vorschlägen - in der letzten Runde waren es 470 - 20 Gewinner aus. Aus der Reihe der Finalisten werden dann noch einmal drei Innovationen mit dem Grand Prix ausgezeichnet. Sie erhalten je 200.000 Euro; die verbleibenden 17 Gewinner je 5000,- Euro. Treventus gewann einen Grand Prix. Aber auch alle anderen Finalisten ließen aufhorchen. Ein Blick auf die ICT Homepage ist wirklich lohnenswert. Dort werden alle ausgezeichneten Produkte mit einem kurzen Text und in einem Digialvideo vorgestellt. Unter den 20 Gewinnern 2007 waren sieben Innovationen aus Deutschland, was für die hohe Innovationskraft des Standortes innerhalb Europas spricht.

Ebenfalls bemerkenswert ist, dass drei der ICT-Preise 2007 an Lösungen für elektronische Informationssuche und -aufbereitung gingen. Zwischen Tsunami Alarm-System, Iris-Erkennung, Bandbreitenmanager und Buchscanner eroberten sich das Text Mining Produkt Temis Luxid, die Metasuchmaschine Digimind Finder und die Retrivalmaschine Leiki Focus einen Platz unter den 20 Gewinnern.

Für Informationsfachleute interessant ist vor allem das Text Mining System Luxid des französischen Anbieters Temis. Luxid dringt tiefer in den Text von Dokumenten ein als Volltextsuchmaschinen das können. Es ordnet den Begriffen in einem zu analysierenden Text (semantisch) eine Bedeutung zu, die dann automatisch in Relation zum Inhalt der Frage gesetzt wird. Zusammenhänge und inhaltlichen Querverbindungen, die Luxid in den analysierten Dokumenten aufdeckt, können in grafischer Form dargestellt werden. Die Oberfläche des Produktes gibt es in 20 Sprachen inklusive asiatischen und arabischen Sprachen. Die Zeitschrift IWP (Information, Wissenschaft und Praxis), Fachorgan der DGI (Deutsche Gesellschaft für Informationswirtschaft und Informationspraxis), wird in einem der nächsten Hefte ausführlicher darüber berichten.

Der Bücherfuchs in der Forschungshalle

Internetanschriften zu den im
Bericht vorgestellten Produkten und
Unternehmen in der Reihenfolge
ihrer Erwähnung im Text
:

http://www.cebit.de
http://www.treventus.com
http://www.ict-prize.org
http://www.temis.com
http://www.luxid.com
http://www.dgd.de/pub_zeitschriften.aspx
http://www.talk-project.org
http://www.informatik-saarland.de
http://www.mpi-inf.mpg.de/mpc
http://www.warmx.de
http://www.buecherfuchs.uni-wuppertal.de
http://www.L3S.de
http://www.tib.uni-hannover.de
http://www.bond-online.de
http://www.imageware.de

Kaum Interesse für die Info|telligence

Die Sonderschau Info|telligence, in deren Rahmen auf der CeBIT zum zweiten Mal Online-Fachinformation gebündelt präsentiert wurde, konnte am Besucherstrom der CeBIT nur wenig partizipieren. "Information Professionals kommen hier nicht hin und das Laufpublikum kennt professionelle Informationsangebote meist gar nicht", gab Ralf Hennemann, Leiter Sales & Services von GBI-Genios am Ende des zweiten Messetages eine erste Einschätzung ab. Bei Redaktionsschluss lag die Auswertung der Messekontakte noch nicht vor, weshalb er keine abschließende Messebewertung abgeben wollte. Sichtbar hat sich am mangelnden Besucherinteresse bis zum letzten Messetag nichts geändert. Wann immer man an der gut platzierten Sonderausstellung in Halle 3 vorbeikam, war auf den Ständen vom trubligen Treiben in den anderen Hallen wenig zu spüren. Hennemann warb mit seinem Vertriebsteam auf der CeBIT für GENIOS German Business Information, die neue Marke, zu der die Plattformen GBI und Genios 2006 zusammengeführt worden sind. Das Ergebnis der Fusion ist der größte Onlinedienst für deutschsprachige Wirtschaftsinformationen. Neuestes Produkt ist Content4Portals, mit dem Qualitätsinformation selektiert in Portale eingebunden werden kann; automatisch, oder auf Wunsch mit dazwischen geschaltetem Redaktionssystem, das eine individuelle Gestaltung des Informationsangebotes im eigenen System möglich macht - alles gehostet. Neben Genios und dem zweiten großen, international ausgerichteten Wirtschaftsdatenanbieter Factiva beteiligten sich noch zehn weitere Unternehmen an der Sonderschau.

http://www.infotelligence.de
http://www.genios.de
http://www.factiva.de

In der Halle 9 stellen traditionell Universitäten, Forschungsinstitute, Bundes- und Landesministerien sowie innovative junge Unternehmen ihre spannenden Ideen, Visionen, halbfertige und manchmal auch fertige Produkte aus. Zwischen dem Auto, das mit sich reden lässt (Fraunhofer DFKI), einem Röntgenblick durch KIeidungsstücke (Max Plank Institut für Informatik) und so genannten "intelligenten" Textilien (Smart Textiles / Wearables), die beispielsweise ihren Träger durch Aufnahme von Sonnenenergie in der Wildnis warm halten oder den Laptop im Rucksack über Solarzellen mit Energie versorgen, fanden sich dort auch zwei für Bibliotheken interessante Präsentationen: "Der Bücherfuchs", ausgestellt von der Bergischen Universität Wuppertal, und ein neues Suchmaschinen-System für "Föderierte Suche": Letzteres wurde vom Forschungszentrum L3S der Leibniz Universität Hannover gezeigt.

Der Bücherfuchs wird seit vier Jahren von der Abteilung Maschinenbau, Fachgebiet Produktionstechnik der Uni Wuppertal als "technisches Hilfsmittel zum automatischen Scannen von gebundenen Druckwerken" entwickelt mit dem Ziel, "einen kostengünstigen Weg zum barrierefreien Buch und zur Erhaltung des Kulturgutes Buch" zu schaffen. Der automatische Buchscanner soll laut Prospekt "im gleichen Preissegment wie herkömmliche manuelle Buchscannersysteme angeboten werden können". Er soll mit einem Minimum an Gerätetechnik, Fertigungs- und Bedienungsaufwand und einem Maximum an Funktionalität und Prozesssicherheit arbeiten. Wie der ScanRobot kann er Bücher automatisch erfassen, vorlesen und in Großschrift und Braille umsetzen. Zum Umblättern arbeitet er mit einem Dreh-Saug-Mechanismus. Eine Buchwippe gleicht die Dickenunterschiede aus. Zum Scannen wird das Buch an eine Glasplatte gepresst. Die Erfassung des Bildes läuft über zwei handelsübliche Digitalkameras, die an einem Portal mit Positioniereinheit aufgehängt und komplett über den PC fernsteuerbar sind. Das System wird bis Ende 2007 in der Wuppertaler Universitätsbibliothek einem umfangreichen Praxistext unterzogen.

Federated Search: Gemeinsame Such-Infrastruktur für Digitale Bibliotheken

Was L3S mit "Föderierter Suche" bezeichnet, könnte Bibliotheken demnächst vom lästigen Problem der Suche in -zig verschiedenen digitalen Bibliotheken mit ihren unterschiedlich zu bedienenden Oberflächen befreien: Das neue System ermöglicht es, die Bestände heterogener Digitaler Bibliotheken gleichzeitig nach Volltext und Attributen wie Autor oder Erscheinungsjahr zu durchsuchen, ohne das eigene Bibliothekssystem dafür verlassen zu müssen! Ein Plug-In ins eigene System soll ausreichen, damit sich eine Stufe unter der Benutzeroberfläche alle ausgewählten verteilten Digitalen Bibliotheken virtuell zu einer einzigen Ressource verbünden. Christian Kohlschütter vom L3S erklärte auf der CeBIT die Intention, die hinter diesem Ansatz steht: "Rechte und Identität bleiben bei der Bibliothek. Jede Bibliothek bietet selbst an. Wir kümmern uns nur darum, dass das System konsistent läuft. Alles andere sollen die Bibliotheken selbst machen können."

Die Entwickler von L3S bezeichnen das Plug-In als Alleinstellungsmerkmal ihres Federated Search Systems. Es ist der Schlüssel zur einfachen, aber umfassenden Integration bestehender digitaler Bibliotheken in die individuell gestaltete Such-Föderation unter Beibehaltung aller Alt-Systeme und Arbeitsprozesse. Gegenüber bestehenden Federated-Search-Lösungen, so die L3S-Leute, bietet die Plug-In-Komponente die vereinheitlichten Suchmöglichkeiten über den gesamten virtuellen Verbund der von den verantwortlichen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren ausgewählten Digitalen Bibliotheken. Besonders heben die Entwickler das einheitliche Ranking der Suchergebnisse hervor. L3S Federated Search ist bereits erfolgreich mit verschiedenen Suchmaschinen getestet, unter anderem mit FAST Data Search. Es basiert auf der Open-Source Suchmaschine Apache Lucene.

Entwickelt wurde die "Föderierte Suche" in Kooperation mit der TIB Hannover, der Universitätsbibliothek Bielefeld, dem Fachinformationszentrum FIZ Technik und Vascoda. Das Portal zu den Digitalen Fachbibliotheken wird demnächst mit der "Federated Search" ausgestattet. Ansprechpartnerin für Interessenten ist bei der TIB Dr. Irina Sens. Zu technischen Fragen gibt Christian Kohlschütter von L3S Auskunft.

Bond bietet "revolutionäre Arbeitserleichterungen"

Wie weit der Weg vom Aufbau eines Bibliothekssystems bis zur Federated Search ist, zeigte sich an einer Beobachtung am Stand von Bond Bibliothekssysteme, die seit Jahren als Aussteller auf der CeBIT vertreten sind. Dort informierte sich eine kleine Stadtbibliothek über die Möglichkeit der Ersteinführung eines modernen digitalen Bibliothekssystems. Bond hat zum Jahresbeginn ein neues Tochterunternehmen gegründet: Bond Library Service GmbH & Co. KG, kurz BLS. BLS weitet das bisherige Angebot von Bond aus: In Zukunft werden alle Bibliotheken mit innovativen Online-Dienstleistungen von Bond unterstützt - nicht nur Anwender traditioneller Bond-Systeme. Zum Thema Outsourcing von Bibliotheks-Dienstleistungen verspricht das Unternehmen noch in diesem Jahr "revolutionäre Arbeitserleichterungen".

Bond hatte seinen Ausstellungsstand wie L3S in der Forschungshalle. In der traditionellen Bibliotheksaustatter-Halle 1 fand man nur noch Imageware mit seinen Bookeye-Scannern am herkömmlichen, prominenten Platz direkt am Halleneingang. Alle anderen Anbieter von Bibliothekslösungen, die dort seit vielen Jahren ihre Stände hatten, waren verschwunden. Sie mussten nach einer Neukonzeption der Halle umziehen. Nur Bond hatte einen längerfristigen Vertrag, wie Vertriebsleiter Achim Pfriender schmunzelnd erzählte. Wie es mit der Halle 1 weiter geht, weiß niemand so genau. Kolportiert wurde, dass zur CeBIT 2008 dort eine neue, moderne Halle stehen soll. Ob die Bibliotheksgerätehersteller dann auf der CeBIT weiterhin in Halle 1 zu finden sein werden, wird sich zeigen.


Zur Autorin

Vera Münch ist freie Journalistin und PR-Beraterin

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