Volles Programm und große Firmenausstellung
Randnotizen vom 3. Leipziger Kongress für Information und Bibliothek
von Wolfgang Ratzek
Blick in das Congress Center Leipzig
Henner Grube verabschiedet sich als Bibliothekarischer Direktor
Ana Thomat und Nancy Racjzak am Stand des US-Generalkonsulats
Tom Becker von der Stadtbibliothek München genießt den Kongress
Der 3. Leipziger Kongress für Information und Bibliothek, der unter dem
Motto "Information und Ethik" stand, zog mehr als 2700 Fachleute
vom 19. bis 22. März 2007 ins Congress Center Leipzig. Das breit
gefächerte Vortragsprogramm wurde so gut angenommen, dass den
Interessierten oft der Zugang zu den Veranstaltungen wegen
Überfüllung verwehrt werden musste. Erstes Highlight
bereits zur Eröffnung: Barbara Lison stellte das neue
Strategiepapier des BID "Ethischen Grundsätze der Bibliotheks-
und Informationsberufe" vor (s. Interview in dieser Ausgabe).
Beeindruckend auch die Fachausstellung, die mit 155 Ausstellern aus
zwölf Ländern eine gute Leistungsschau bot. Den
Schlussakzent setzte eine Diskussionsrunde über die "Europäische
Digitale Bibliothek - Europas Antwort auf Google"1.
Der Bibliothekarische Direktor der ekz Henner Grube verabschiedete sich
nach 17-jähriger Tätigkeit von Kunden und Wegbegleitern.
Bei seinen verschiedenen Tätigkeiten in Wissenschaftlichen und
Öffentlichen Bibliotheken hatte er die Bedeutung der Lobbyarbeit
kennen gelernt, insbesondere mit Vertretern aus Regierungspräsidien
und kommunalen Spitzenverbänden, und erinnert gern daran, wie er
mit Politikern eine Busreise unternahm, um ihnen Bibliotheken näher
zu bringen. Heute macht er drei Entwicklungsstränge aus: Die
erheblichen Umwälzungen durch neue Technologien, die ungünstigen
finanziellen Rahmenbedingungen und die Tendenz zur Vernetzung mit
anderen Institutionen. Impulsgeber sind für ihn der Wissensturm
Linz oder das Zentrum für Information und Bildung Unna.
Überzeugt ist er, dass die punktuelle Zusammenarbeit mit Schulen
(PISA) verstärkt werden muss. Im politischen Bereich haben die
Bibliotheken mit "Bibliothek 2007" einiges voran gebracht, aber
die BibliotheksEntwicklungsAgentur sieht er als Fernziel. Für
Bibliothekskongresse und Bibliothekartage wünscht er sich eine
stärkere Betonung der Inhalte, mehr prominente Referenten von
außerhalb der Bibliothekswelt und eine kontinuierliche
PR-Arbeit zwischen den Bibliothekskongressen beziehungsweise -tagen.
Volker Pirsich, Direktor der Stadtbüchereien Hamm, berichtete über
die sehr angeregte Podiumsdiskussion zur sozialen Bibliotheksarbeit,
bei der es zwei Gruppen gab: Die Vertreter der klassischen sozialen
Bibliotheksarbeit für Patienten, Gefangene oder Sehgeschädigte
und die Bibliotheksleiter einiger Großstadtbibliotheken. Es
wurde betont, dass Bibliotheken nicht mehr alles für alle machen
könnten, vielmehr müssten lokale Netzwerke entwickelt
werden, in denen jeder seine jeweiligen Stärken einbringen kann.
Dabei ist an Kooperationen mit Vorschuleinrichtungen oder
Migrantengruppen gedacht. Beeindruckt zeigte sich Volker Pirsich vom
dänischen System und führte als Beispiel, was dort alles
bereits machbar ist, das Hörbuch für LKW-Fahrer an. Ben
Kaden und Maxi Kindling (HU Berlin) nutzen die Podiumsdiskussion, um
ihr Buch "Zugang für Alle - Soziale Bibliotheksarbeit in
Deutschland" vorzustellen, das soeben bei BibSpider in Berlin
erschienen ist.
Jørgen Bartholdy aus dem Gastland Dänemark informierte über die
zwei dänischen Bibliotheksgesetze: das für Öffentliche
Bibliotheken und das Schulbibliotheksgesetz, das eine Bibliothek in
jeder Schule vorschreibt. Lehrer können eine spezielle
schulbibliothekarische Weiter-/Fortbildung absolvieren und erhalten
dafür einen Deputatsnachlass.
Vielleicht fragten sich vereinzelt Kongressteilnehmer, warum das
US-Generalkonsulat mit einem Stand in der Ausstellung vertreten war?
Nancy C. Rajczak2
erklärte, dass es in jedem US-Konsulat ein Information Resources
Center (IRC) gibt, in denen die Bibliotheken der ehemaligen
Amerikahäuser weiterleben. Das IRC fungiert als
Spezialbibliothek für die Mitarbeiter der Konsulate und
beantwortet (E-Mail-)Anfragen zum Beispiel auch von Studierenden. Es
gibt außerdem Kooperationsprojekte: Mit der Humboldt
Universität in Berlin um die Digitalisierung von Dokumenten des
Amerikahauses und mit der Zentral- und Landesbibliothek Berlin über
die virtuelle Auskunft "Infopoint". Und das Generalkonsultat
veranstaltet Autorenlesungen in Bibliotheken.
Natürlich war das Präsidentschaftsprogramm "Libraries on
the Agenda!" von IFLA-Präsidentin Claudia Lux auf dem 3.
Bibliothekskongress ein Thema. In der Veranstaltung mit Peter Lor
(IFLA), Andrew Cranfield (ELIBDA) und Susanne Riedel (BIB) setzten
sich rund 80 Personen mit dem Schreckensszenario auseinander: "Es
droht die Gefahr, dass Ihre Bibliothek geschlossen werden soll -
was tun Sie? Mit welchen Partnern, welchen Argumenten, welcher
Strategie gehen Sie dagegen an?" In zehn Arbeitsgruppen wurden
Gegenmaßnahmen erarbeitet: "Natürliche Verbündete"
gewinnen, wie Wissenschaftler oder Institute (WB) sowie Kirchen und
Schulen (ÖB); den Mehrwert einer Bibliothek für Bürger,
Gemeinden und Politiker transparent machen und den Imageverlust für
alle Beteiligten verdeutlichen, der durch die Schließung einer
Bibliothek entsteht.
Die Medienvertreter, die am 21.03.2007 die Eröffnungspressekonferenz
zur Buchmesse im Congress Center Leipzig aufsuchten, mussten auf
ihrem Weg durch die Firmenausstellung des Bibliothekskongresses
gehen. Bleibt zu hoffen, dass sie positive Eindrücke mitnahmen.
Wolfgang Marzin, Geschäftsführung der Leipziger Messe, der
den Bibliothekskongress positiv hervorhob, betonte, dass die
Leipziger Buchmesse auch für soziale Kompetenz stehe: Zu den
Themen Leseförderung und frühkindliche Erziehung wurden ca.
500 Veranstaltungen angeboten, außerdem 130
Fortbildungsveranstaltungen für Lehrer und Erzieher. Hier
eröffnen sich Kooperationspotenziale für Bibliotheken bzw.
für deren Verbände.
Zum dritten Mal veranstaltete der BIB den Newcomer-Treff (NCT). Cornelia
Vonhof, BIB-Vorstand, verbindet damit zwei Ziele: "Wir wollen dem
Nachwuchs ein Forum bieten, um Kontakte zu knüpfen und in ein
Netzwerk hineinzuwachsen. Außerdem sind unsere Newcomer
Gastgeber, sie präsentieren ihre Projekte und wir Praktiker
kommen, um die Ergebnisse zu sehen." Das Spektrum der vorgestellten
Projekte decke die aktuellen Themen ab: Informationskompetenz,
Leseförderung, Schule und Bibliothek, Internationale
Kooperation/Auslandserfahrung, Neue Publikations- und
Kommunikationsformen.
Bei SchulzSpeyer war auch dieses Jahr der frische Kaffee - rund 2800
Tassen wurden kostenlos ausgeschenkt! - beliebt. Dabei gab es
wieder genügend Gesprächsmöglichkeiten. Erich Hampel
zufrieden: "Wir konnten viele konkrete Bedarfsfälle
besprechen." Für ihn war der Bibliothekskongress auch der
Abschluss seiner erfolgreichen 37-jährigen aktiven Tätigkeit.
Der Bibliotheksdienstleister gehört seit Januar 2006 wie die
Wettbewerber Eurobib (Schweden) und BIC (Dänemark) zur
Expanda-Gruppe. Der Bibliothekskongress erleichterte insbesondere mit
dem große Beachtung findenden futuristischen Abhörsessel
LUNA den Marktauftritt: In LUNA kann man, abgeschirmt von der
Außenwelt, ungestört Musik oder ein Hörbuch genießen.
Die dazu notwendige Technik ist nicht sichtbar.
Teilnehmerstimmen: Gabriele Ahnis, Leiterin der Bibliothek der FH
Lausitz, informierte sich in Leipzig über neue Trends und über
die Verbundproblematik in Berlin-Brandenburg. Susanne Jessen,
Bibliothekarin bei der internationalen Unternehmensberatung MERCER in
München, traf StudienkollegInnen, ebenso Nicole Kondic, Junior
Service Managerin bei der Max-Planck-Gesellschaft in München,
die sich darüber hinaus über Entwicklungen außerhalb
der Max-Planck-Gesellschaft informierte. Anne Petry-Eberly
(DaimlerChrylser) suchte Anregungen für ihre Arbeit und Tom
Becker (Stadtbibliothek München) fand es spannend zu sehen, wie
Bibliothek 2.0 jetzt Beine bekommt und Laufen lernt.
Zum Autor
Prof. Dr. Wolfgang Ratzek
Hochschule der Medien
FB Information und Kommunikation
Wolframstraße 32
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E-Mail: ratzek@hdm-stuttgart.de