Dänische BibliothekarInnen sind stolz auf ihre öffentlichen Bibliotheken

von Jørgen Bartholdy

Jede Gemeinde in Dänemark hat ein gut ausgebautes Bibliothekswesen, das alle Bürger kostenlos nutzen können. Es bietet alle Medientypen von Büchern über Musik bis Spiel und Internetzugang und denen, die keine Möglichkeit haben, selbst in die Bibliothek zu kommen, werden die Medien angeliefert. Das Filialnetz ist engmaschig, die meisten Menschen haben eine Bibliothek in der Nähe ihres Wohnsitzes oder ihres Arbeitsplatzes.

Die verschiedenen Bibliothekssysteme arbeiten eng zusammen. Alle können auf die Bestände von Universitäten und Bildungsinstitutionen zugreifen. Sind Informationsmedien mit öffentlichen Bibliothekszuschüssen gekauft worden, stehen sie allen Bürgern zur Verfügung, ohne Ansehen der Person und des Wohnsitzes. Der landesweite virtuelle Katalog www.bibliotek.dk mit den Beständen der dänischen Bibliotheken bietet allen Recherche- und Bestellmöglichkeiten.

Es gibt also viele Gründe, auf die dänischen Bibliotheken stolz zu sein. Die Ehre hierfür gebührt jedoch den BibliothekarInnen und Angestellten der Bibliotheken nicht allein. Eine Reihe von zukunftsorientierten Politikern haben seit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts bis zum Jahr 2000 die Entwicklung und den Ausbau der Bibliotheken gefördert und ein visionäres Bibliotheksgesetz verabschiedet, das einen dauerhaft hohen Standard für die kommunalen Bibliotheken zur Folge hat. Das dänische Bibliothekswesen1 kann also auf starke politische Unterstützung bauen, sowohl vor Ort als auch auf nationaler Ebene.

Bibliothekspioniere

Dieses Engagement ist kein neues Phänomen2. Es geht zurück auf das Ende des 19. Jahrhunderts, als eine Reihe von Pionieren begannen, das dänische Bibliothekswesen nach anglo-amerikanischem Vorbild auszubauen. Davor gab es in Landgemeinden und verschiedenen Städten kleinere Anläufe für öffentliche Bibliotheken, es existierten aber weder eine übergeordnete Lenkung noch eine professionelle fachliche Haltung zur Frage, was Bibliotheken anbieten oder welches ihre Aufgabe sein sollte. Mit Andreas Schack Steenberg (1854 - 1929), einem Gymnasiallehrer aus Horsens in Ostjütland, bekamen die Dinge eine Struktur. Ihm gelang es, eine Reihe von Politikern so stark für die Sache zu interessieren, dass schon 1882/83 im dänischen Staatshaushalt Mittel zur Förderung der öffentlichen Bibliotheken ausgewiesen wurden. Die Mittel waren anfangs bescheiden, aber mit der Zeit wuchs das staatliche Engagement für den Aufbau eines wohlfunktionierenden Bibliothekswesen im ganzen Land. 1902 wurde die Staatsbibliothek gegründet, die den öffentlichen Bibliotheken den Zugang zu Medien ermöglichen sollten, die diese nicht selbst anschaffen konnten und 1920 wurde das erste Bibliotheksgesetz angenommen. Dadurch wurden die Möglichkeiten für das Netzwerk von Bibliotheken geschaffen, die es seither der Bevölkerung ermöglichen, "Information, Ausbildung und kulturelle Aktivität" zu erlangen, wie es so schön im Gesetz3 formuliert wurde. Das ist der Ausgangspunkt für das kooperative dänische Bibliothekswesen. Das Gesetz ist zuständig für alle öffentlich geförderten Bibliotheken. Auch das Bibliothekswesen der deutschen Minderheit in Nordschleswig (Verband Deutschen Büchereien Nordschleswig mit Hauptsitz in Apenrade) ist in diese Zusammenarbeit eingebunden ist, als Zulieferer aus den umfangreichen eigenen Beständen und als Tor zum Bibliothekswesen in der Bundesrepublik Deutschland.

Als besondere Ergänzung des kooperativen Systems wurden mit dem Gesetz eine Reihe von Zentralbibliotheken eingerichtet, deren Aufgabe es ist, die öffentlichen Bibliotheken in ihrem jeweiligen Umland zu unterstützen. Teils werden dadurch Bibliotheksmedien zur Verfügung gestellt, die so speziell sind, dass man nicht erwarten kann, dass jede öffentliche Bibliothek diese selbst anschafft oder die eine so hohe Nachfrage haben, dass es unangemessen wäre, den verantwortlichen Fachbibliotheken aufzuerlegen, die Nachfrage selbst zu befriedigen. Die Zentralbibliotheken haben außerdem die Aufgabe, die Bibliotheken der Umgebung fachlich zu unterstützen und in der jüngeren Vergangenheit nahm die Kompetenzentwicklung der dänischen Bibliotheken und die Fortbildung ihrer Beschäftigten ein stetig wachsendes Ausmaß an. Die Anzahl der Zentralbibliotheken veränderte sich im Laufe der Jahre und nach der jüngst durchgeführten Kommunalreform steht auch eine Reform der Zentralbibliotheken ins Haus, die die aktuelle Zahl der 16 Zentralbibliotheken reduzieren wird.

Bibliotheksgesetz mehrfach modernisiert

Seit 1920 ist das Gesetz mehrfach modernisiert worden. Am umfassendsten geschah dies 1964, als das Prinzip des freien, gleichen und kostenlosen Zugangs der ganzen Bevölkerung zu allen Bibliotheken festgeschrieben wurde und im Jahr 2000 stellte die Revision des Gesetzes den Zugang zu allen relevanten Bibliotheksmedien, unabhängig vom Medientyp, verpflichtend sicher. Damit wurde die Entleihung von Musik, von CD-Rom, Computerspielen und der Zugang zum Internet und seinen vielen Informationsressourcen mit den Büchern auf eine Stufe gestellt.

In den letzten Jahren hat es durch die Möglichkeiten des Internets eine Ausweitung des Leihverkehrs gegeben. Jeder kann heute im Internet eine Übersicht über das globale Literatur- und Informationsangebot erhalten und so lassen sich die Menschen heute nicht mehr einschränken durch das Angebot, das ihnen die öffentliche Bibliothek vor Ort bietet. Sie fragen in einem weit größerem Maße nach Spezialliteratur. Deshalb wurde der gemeinsame virtuelle Katalog der dänischen Bibliotheken www.bibliotek.dk auch ein so großer Erfolg - bei den Nutzern wie bei den Bibliotheksmitarbeitern.

Diese Datenbank gibt einen Überblick über alles, was in den dänischen Bibliotheken vorhanden ist, in kommunalen öffentlichen Bibliotheken und in Bibliotheken in Verbindung mit Bildungseinrichtungen und bietet die Möglichkeit, Medien zur Ausleihe in die örtliche Bibliothek zu bestellen. Der Webdienst hat eine Zunahme von Bestellungen zur Folge. Sowohl zwischen den öffentlichen Bibliotheken als auch im Leihverkehr von wissenschaftlichen Bibliotheken zu öffentlichen Bibliotheken funktioniert das Bestellsystem gut und effektiv, wenn es auch für manche Bibliotheken, die sehr gefragte Fachgebiete betreuen, Probleme gibt.

Die Bibliotheksbehörde war den Bibliotheken dabei behilflich, einen landesweiten Fahrdienst einzurichten, der den schnellen und kostengünstigen Transport der physischen Medien sicherstellt, die immer noch den weitaus größten Teil der ausgeführten Bestellungen ausmachen.

Auswirkung der Kommunalreform

Mit der Reform der Verwaltungsstruktur in Dänemark, der Kommunalreform, die am 01.01.2007 in Kraft trat, haben nun alle 98 Gemeinden ein öffentliches Bibliothekswesen. Die Zusammenlegung der ursprünglich 275 dänischen Kommunen zu 98 ist relativ problemlos verlaufen. Bevor die Reform in Kraft trat, gaben die staatlichen Bibliotheksträger, die Bibliotheksbehörde "Biblioteksstyrelsen" und der Zusammenschluss der dänischen Gemeinden "Kommunernes Landsforening" gemeinsam eine Reihe von Empfehlungen heraus, denen im Großen und Ganzen Folge geleistet wurde.

Die Bibliotheken in den verschiedenen Kommunen sind nun alle in einer Institution organisiert mit verschiedenen Filialen. Es wurden gemeinsame EDV-Systeme eingerichtet oder diese sind - in einigen Fällen - im Entstehen, und neue Regelwerke haben die Entleihordnungen und Mahngebührensätze angeglichen.

Generell wird erwartet, dass die Reform, die zum Aufbau von größeren Bibliothekssystemen geführt hat, zur Rationalisierung einer Reihe von Verwaltungsfunktionen führen wird, welches insbesondere in den Kommunen notwendig ist, in denen die Reform zur Reduzierung der kommunalen Haushalte geführt hat.

Als eine der übergeordneten Prämissen der Kommunalreform wollte man den Bürgern einen leichteren und einfacheren Zugang zur öffentlichen Verwaltung ermöglichen. Dies hat auf dem Bibliothekssektor dazu geführt, dass viele kommunale Bibliotheken aufgrund ihrer besonderen Einsicht in Vermittlung, ihrem Bürgerkontakt und ihrer "kundenfreundlichen" Öffnungszeiten in die Errichtung von dezentralen Informations- und Beratungsdienstleistungen einbezogen worden sind, gerichtet auf den Kontakt des einzelnen Bürgers zur öffentlichen Verwaltung.

Die Bibliotheksgemeinschaft, die bezüglich der Lieferung von Büchern im ganzen Land ein so großer Erfolg gewesen ist, hat darüber hinaus ein Modell entwickelt für eine Reihe von Kooperationen auf digitalem Gebiet. Die öffentlichen Bibliotheken betreiben in Kooperation eine große Anzahl von Netzdiensten4, wobei die meistgenutzte www.bibliotek.dk schon erwähnt wurde. Die Netzdienste reichen von einer Zusammenstellung wesentlicher Netzressourcen, die von Bibliotheksmitarbeitern mit besonderem Fachwissen in verschiedenen Themengebieten ausgewählt werden, über Portale für Nutzer der Kinderbibliothek, bis zu juristisch relevanten Quellen, Literaturmaterial und vieles andere. Einige richten sich auf ein besonderes bibliotheksfachliches Gebiet aus, andere sind für das allgemeine Publikum interessant.

Eine gemeinsame Erfahrung der teilnehmenden Bibliotheken ist die, dass mit der Arbeit an den verschiedenen Netzbibliotheken eine Professionalisierung in der Handhabung netzbasierten Wissens einherging. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Zusammenarbeit ohne Probleme ist. Aufgrund der rasanten Entwicklung der digitalen Welt berief die Bibliotheksbehörde jüngst einen Ausschuss, der die Möglichkeiten untersuchen soll, eine bewusstere Entwicklung auf diesem Gebiet zu ermöglichen.

Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Tradition der Kooperation, die im dänischen Bibliothekswesen etabliert worden ist, auch im Stande sein wird, die neuen Entwicklungen in der hektischen digitalen Welt des 21. Jahrhunderts zu meistern.


Literatur

- Scandinavian Public Library Quarterly SPLQ
- Thorhauge, Jens: Nordic Public Libraries. 2002
- Holmgaard Larsen, Jonna: Nordic public libraries in the knowledge society. 2006
- Nordic Libraries and their Organizations in the 21th. century (PDF: www.dbf.dk)


Zum Autor

Jørgen Bartholdy ist Vorsitzender von "Bibliotekslederforeningen", Verband dänischer Bibliotheksleiter, und Bibliotekschef

Skanderborg Kommunes Biblioteker
Parkvej 10 B
DK-8660 Skanderborg
www.bibliotek.skanderborg.dk

Übersetzung aus dem Dänischen

Nis-Edwin List-Petersen
Büchereidirektor / biblioteksdirektør
& Kulturkoordinator - Bund Deutscher Nordschleswiger
Deutsche Büchereizentrale und Zentralbücherei Apenrade
Haus Nordschleswig
Vestergade 30
DK-6200 Aabenraa
E-Mail: direktor@buecherei.dk
web: http://www.buecherei.dk


Anmerkungen

1. Dänische Bibliotheksorganisationen und -institutionen mit Websites auf englisch oder deutsch:

Dänische Bibliotheken mit Website auf englisch oder deutsch:

2. Eine ausführliche dänische Bibliotheksgeschichte auf englisch: www.bibliotekshistorie.88888.dk

3. Übersetzung des dänischen Bibliotheksgesetzes: http://www.bibliotheksportal.de/fileadmin/0bibliotheken/Bibliotheken_International/dokumente/daen_gesetz_deutsch.pdf

4. Übersicht (nur in dänisch) über die verschiedenen Netzbibliotheken, die von dänischen Bibliotheken angefertigt werden: www.fkbn.dk ->medlemsoversigt -> netbiblioteker.