Ethische Grundsätze der Bibliotheks- und Informationsberufe

Christoph-Hubert Schütte sprach mit dem Verfasser des neuen BID-Grundsatzpapiers Dr. Ulrich Hohoff

Am 20. März 2007 sprach Christoph-Hubert Schütte für die Kongress News auf dem Bibliothekskongress mit dem Verfasser des neuen BID-Grundsatzpapiers Dr. Ulrich Hohoff, stellvertretender BID-Sprecher und Direktor der Universitätsbibliothek Augsburg. (Wir veröffentlichen Auszüge.)

Die BID setzt sich dafür ein, für alle Bereiche des Bibliotheks- und Informationswesens Grundsätze zusammenzutragen, die für das berufliche Selbstverständnis eine Rolle spielen und zwar etwas hinausgehend über das normale Dienstleistungsverständnis und mehr ins Grundsätzliche hineingehend.

Deswegen ist ein wichtiger Ausgangspunkt der, dass wir den Kollegen vermitteln wollen, dass es sich lohnt, mal auf ihre Tätigkeit zu reflektieren und dass sie mit einem gesunden Selbstbewusstsein in ihre Arbeit gehen können, weil sie daran mitwirken, ganz wesentliche Grundrechte des Bürgers in der Gesellschaft mit zu gestalten. Das war so ein wesentlicher Ausgangspunkt, dass wir gesagt haben, einerseits gibt es gesetzliche Regelungen innerhalb derer Bibliotheken als öffentliche Einrichtungen tätig sind und andererseits gibt es Dienstleistungen, die ein gewisses Niveau haben müssen, die in einer bestimmten Art erfüllt werden müssen, damit sie kundenfreundlich erfüllt werden, damit wir mit den Kollegen, mit den Dienstleistern, mit denen wir wiederum zusammenarbeiten als Lieferanten auf einem Niveau zusammenarbeiten, was auch professionell und einigermaßen einheitlich ist.

Einer der wichtigen Grundsätze ist natürlich, dass wir uns gesagt haben, im Grundgesetz steht in Paragraph 5, dass jeder Bürger die Möglichkeit haben soll, sich aus öffentlich zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Das bedeutet dann in der Praxis, dass Bibliothekare und Informationsberufsangehörige damit beschäftigt sind, dieses Grundrecht des Bürgers für die Demokratie auch durchzusetzen und dass sie diese Dinge mit einem gesunden Selbstbewusstsein angehen können. Ein zweiter Punkt, für die wissenschaftlichen Bibliotheken sehr wichtig: Forschung und Lehre sind frei nach dem Grundgesetz. Und wenn Bibliotheken als Infrastruktureinrichtungen der Wissenschaft tätig sind dann tragen sie dazu bei, die Grundlagen für Forschung und Lehre zu legen und ermöglichen Wissenschaft dadurch, dass sie Informationen, Wissen und Forschungsergebnisse bereitstellen. Das sind doch Aufgaben, die zum Grundrechtsbereich unserer Demokratie gehören.

Auf diese Dinge wird aber selten reflektiert, wenn man darüber redet, dass Bibliotheken Dienstleistungseinrichtungen sind. Da schleicht sich dann sehr schnell dieses Verständnis ein, Dienstleistung ist gleich dienen und leisten. Das ist ja richtig, aber bei uns ist es eben eine andere Dienstleistung, als wenn ich Brötchen verkaufe oder meine Kleider in die Reinigung gebe. Und dieses öffentliche Verständnis, dieses Verständnis davon, dass Bibliotheken tätig sind als öffentliche Dienstleister, um den Bürgern bestimmte Dinge, auf die sie ein Recht haben, zu geben und im Auftrag des Staates zu geben, das ist bei uns doch teilweise noch unterentwickelt.

Ja natürlich, wir haben auch versucht, die einzelnen Handlungsfelder, in denen wir tätig sind, aufzuschreiben und dafür jeweils einige Grundsätze aufzustellen. Das betrifft die bibliothekarische Arbeit insgesamt, die Auswahl der Informationsquellen, da heißt es: Wir wählen die Informationsquellen nach rein fachlichen Kriterien, nach ihrer Qualität und ihrer Eignung für die Bedarfe unserer Kundinnen und Kunden aus, unabhängig von persönlichen Vorlieben und von Einflüssen. Eine Informationsauswahl nicht nach Kriterien, wie es Suchmaschinen tun, dass da irgendwelche Rankings angeboten werden, die informationstechnisch umgesetzt werden können nach bestimmten mathematischen Grundlagen, sondern die Auswahl nach wissenschaftsfachlichen und bibliotheksfachlichen Kriterien und die Auswahl auf das Kundenpotential hin, das wir in den eigenen Einrichtungen haben und bedienen müssen, sind schon Dinge, die für Bibliotheken sehr kennzeichnend sind.

Oder ein anderer Punkt: Wir unterstützen Wissenschaft und Forschung durch die Bereitstellung von Informationen und Quellen und damit im Zusammenhang stehende Dienstleistungen. Oder an anderer Stelle wird das noch ergänzt: Wir stellen im Rahmen der gesetzlichen Regelungen Informationen als Daten und Volltexte im Internet bereit, um sie noch besser zugänglich zu machen. Dieser letzte Punkt spricht ja u. a. an, einerseits den Zugang von uns als Lizenz der Verlage bereitgestellten Daten für unsere Benutzerinnen und Benutzer, andererseits aber auch den ganzen Bereich der Digitalisierung. Und wenn wir in diesem Rahmen Daten und Volltexte bereitstellen, dann tun wir es eben auch als öffentliche Einrichtungen, nicht nur, um hier ein schönes Angebot zu machen, sondern um Information und Wissen dem Bürger besser zugänglich zu machen. Es geht darum, auch hier ein Stück weit Demokratie zu verwirklichen dadurch, dass wir Informationen, die für die Bürger wichtig sind, ihnen im vollen Text zur Verfügung stellen. Und über unseren bisherigen Arbeitsbereich hinausgehen.

Einerseits denken wir, vieles was da drin steht, ist sozusagen nur einmal die Verbalisierung dessen, was wir im Alltag auch machen. Andererseits ist es sicher nötig, dass man nicht nur die Reflexion anstößt, sondern dass man auch die Diskussion unter den Bibliothekaren über diese Fragen etwas voranbringt. Und dass wir auch die Umsetzung dieser Dinge in den Alltag voranbringen. Da steht zum Beispiel der Punkt drin, dass wir professionell handeln, auch wenn die Dinge, die wir da tun, nicht immer mit unserer persönlichen Meinung übereinstimmen. Ein Beispiel ist, dass Benutzer zu uns kommen, die erkennbar nach dem ersten Eindruck nicht so angenehm gekleidet sind, die vielleicht als schwierig gelten und ähnliches. Hier müssen wir einen gewissen professionellen Standard wahren, um auch mit diesem Benutzern zurecht zu kommen und sie zu ihrem Recht kommen zu lassen. Wir werden also versuchen, diese Standards nun zu verbreiten. Wir werden versuchen, sie zu einem Teil des professionellen Selbstverständnisses zu machen und das geschieht natürlich auf verschiedenen Wegen. Wir veröffentlichen sie, wir reden darüber, wir hoffen, dass sie auch in die Ausbildung eingehen. Das wäre mir ein wichtiges Anliegen. Ich glaube, in der Ausbildung wird über diese grundsätzlichen Dinge selten gesprochen. Gelegentlich im Kontext des Bibliotheksrechts, aber es sind halt nicht nur rechtliche Fragen, sondern es sind Grundfragen, die in den Grundrechten im Grundgesetz auch festgehalten sind. Und da muss man darüber auch diskutieren und sie kritisch anschauen, in wieweit dies Werte sind, mit denen sich der, der in so einen Beruf hineingeht, identifizieren kann, wenn er hier im öffentlichen Interesse tätig wird.

Ich denke, wir müssen auch versuchen, diese Vorschriften zu veröffentlichen. Dazu bietet sich der IFLA-Server an, auf denen die Codes of Ethics der einzelnen nationalen Bibliotheksvereinigungen niedergelegt sind. Wir haben uns mit diesen Papieren beschäftigt und versucht, sie ein bisschen weiterzuentwickeln und sie dem heutigen Stand anzupassen. Da hat sicher auch das deutsche Papier seinen Platz. Dieser IFLA-Server wird vom IFLA-Coreprogramm FAIFE , also Zugang zum öffentlichen Wissen, begleitet und Deutschland macht sich da sicher auch gut, wenn es diese ethischen Grundsätze dort veröffentlicht. Außerdem wollen wir die Entwicklung aufmerksam beobachten, und wenn wir den Eindruck haben, dass Dinge, die wir in unserer Arbeit feststellen, damit nicht übereinstimmen, dies öffentlich machen und darüber auch reden.