Information Literacy durch eine "Teaching Library"?

Eine Vergleichende Studie der Informationskompetenz von Studierenden in Deutschland und den USA


Abstract

1 Einleitung
2 Fragestellung der Vergleichsstudie
3 Ergebnisse
4 Diskussion
5 Implikationen und Ausblick

von Gabriela Blum

1 Einleitung

1.1 Informationskompetenz/Information Literacy

In Abhandlungen über Kompetenzen, die für das wissenschaftliche Arbeiten aber auch allgemein für das "moderne Leben" benötigt werden, fällt häufig der Begriff Information Literacy (oder deutsch Informationskompetenz). Erstmals wurde der Begriff "Information Literacy" 1974 von Zurkowski im Zusammenhang mit Benutzerschulungen erwähnt (Spitzer et al., 1998) und von der Information Industry Association aufgegriffen (The Big Blue, 2005). Erst 1987 formulierte das Presidential Committee on Information Literacy der American Librarian Association (im folgenden ALA) die bis heute gültige Definition:

Weiter heißt es dann:

Obwohl diese Definition von verschiedenen Seiten erweitert wurde, bleibt sie bis jetzt insofern anerkannt, als dass sich die meisten Wissenschaftler auf sie berufen, wenn sie über Information Literacy schreiben (Bättig, 2005).

Aktuell wird die Wichtigkeit dieser Kompetenz besonders betont:

Mit der Informationskompetenz von Schülern1 und Studierenden beschäftigen sich verschiedene Berufsgruppen. Zu ihnen zählen Bibliothekare, Lehrer und Hochschuldozenten, die sowohl praktisch an der Lehre beteiligt sind, als auch theoretisch über ihre Vermittlung forschen. In einer Studie von Limberg (2000) wurden die Methoden zum Suchen von wissenschaftlichen Informationen und dem Lernen aus ihnen untersucht. Die Studierenden sollten in Gruppenarbeit Informationen zu jeweils einem Thema suchen und verarbeiten. Die Studie konnte zeigen, dass Information Literacy auch direkte Konsequenzen für den Lernerfolg hat. Literaturrecherche bedeutet nicht nur, eine Antwort auf eine Frage zu finden, sondern auch, sich fundiert einer von mehreren konkurrierenden Sichtweisen anzuschließen oder aufgrund einer Analyse der vorliegenden Literatur selbst eine Antwort zu formulieren (Candy, 2000).

Die Studie von Limberg dient auch als Argument dafür, Information Literacy und ihre Schulung nicht ausschließlich unter technischen Gesichtspunkten zu betrachten. Denn die von Limberg extrahierten Kompetenzen haben nichts mit der Frage zu tun, welches Stichwort zum Sucherfolg in Datenbanken führt, sondern es handelt sich vielmehr um verschiedene Kompetenzen bei der Integration von Wissen und Interpretation von Suchergebnissen (Limberg, 2000). Als informationskompetent werden nicht solche Personen gesehen, die lediglich selbst Quellen finden können, sondern sie müssen über genug Kenntnisse verfügen, um plausible von unplausibler Information unterscheiden zu können (McDowell, 2002).

Durch die flächendeckende Verbreitung des Internets hat sich in Sachen Informationsvielfalt einiges verändert. Eine Schulung zur Literatursuche muss heute viel leisten und verschiedene Informationsquellen berücksichtigen. Von einer pragmatischen Schulung, die nur in die Benutzung einzelner Informationssysteme der Bibliothek einführt (und somit personell und organisatorisch wenig aufwändig ist) geht inzwischen der Trend hin zur Vermittlung einer allgemeinen Informationskompetenz (Homann, 2001).

1.2 Information Literacy in Deutschland und den USA

Gerade in der deutschsprachigen Literatur findet man immer wieder Hinweise, dass sich die deutsche Vermittlung der Information Literacy an der nordamerikanischen orientieren sollte (Bättig, 2005). Allerdings hat auch eine umfangreiche Literaturrecherche keine Studie zu Tage gefördert, die die Informationskompetenz von Studierenden, Schülern oder anderen Personengruppen in Deutschland und den USA vergleicht. Genau wie in Deutschland wurden auch in den USA immer wieder Schwierigkeiten der Studierenden bei der Suche, Bewertung und Verwendung von Informationen aufgedeckt (Limberg, 2000). Angenommen, die deutschen Studierenden wären tatsächlich weniger informationskompetent, woran könnte das liegen?

Eine Antwort könnte lauten, dass es in Deutschland an etablierten Verbandsstrukturen und an der Unterstützung durch Wirtschaft, Politik und Forschung fehlt. Die USA haben durch eine Fachorganisation, die ALA, große Vorteile, da sich dieser Verband institutionalisiert mit dem Thema Information Literacy auseinandersetzt. Den deutschen Bibliotheken steht keine vergleichbare Institution als Ansprechpartner zur Verfügung, die Informationskompetenz-Standards für Deutschland entwickeln könnte. Deshalb hängt viel vom Engagement einzelner Bibliotheken oder Verbände ab (Homann, 2002).

Als ein weiterer Grund, warum Studierende in den USA informationskompetenter sein könnten als in Deutschland, könnte angeführt werden, dass das technische Know-how und die Internetaffinität in den USA größer sind als in Deutschland (Fisch, 2004). Darüber hinaus ist die Tradition der "user education" (der Schulung von Nutzern) bei amerikanischen Bibliotheken älter. Sie reicht dort in die 20er oder 30er Jahre zurück (Hapke, 2000) und so gehören "Teaching Libraries" in Nordamerika schon seit Jahrzehnten zum Bibliotheksalltag (Homann, 2000).

Damit stehen die USA weltweit im Ruf, gut entwickelte Ansätze und Strategien bzgl. der Vermittlung von Information Literacy zu haben (The Big Blue, 2005). Es gibt dort umfangreiche Literatur, die die Konzepte und die Inhalte eines guten Information-Literacy-Lehrgangs behandelt. Auch zur Evaluation von Information-Literacy-Lehrgängen sind in den USA Bücher verfasst worden (Young & Harmony, 1999). Durch diese bessere Fundierung der Konzepte ergeben sich für amerikanische Bibliotheken auch praktische Vorteile. Sie können fertige Programme zur Vermittlung der Information Literacy "einkaufen". Deshalb bedeutet das Angebot von Kursen für die Bibliothek keinen so großen personellen Aufwand wie in Deutschland (Bättig, 2005).

2 Fragestellung der Vergleichsstudie

Trotz der offensichtlichen strukturellen Vorteile der USA bei der Vermittlung von Informationskompetenz stellt sich die Frage, ob eine Schulung der Information Literacy nach amerikanischem Vorbild in Deutschland Erfolg versprechend wäre und wie überhaupt der derzeitige Status in den beiden Ländern ist. Die hier vorgestellte Studie soll einen Anfang darstellen, diese Fragen zu klären.

Die folgenden Hypothesen wurden auf der Grundlage einer Fragebogenstudie geprüft, an der Studierende aus Deutschland und den USA teilnahmen:

  1. Die Informationskompetenz deutscher Studierender unterscheidet sich von der der amerikanischen.

Wie oben erläutert kann man augrund der besseren Ausarbeitung des Konzepts der Information Literacy in den USA davon ausgehen, dass die amerikanischen Studierenden einen Vorsprung beim Erwerb der Informationskompetenz haben. Es gibt allerdings auch Hinweise darauf, dass deutsche Studierende durch ihre typische Art des Erwerbs von Information Literacy einen Vorteil haben. So hält Homann eine Vermittlung von Informationskompetenz der Studierenden untereinander für sehr sinnvoll (Hapke, 2000), was laut einer großen Studie, die in Deutschland zu dem Thema durchgeführt wurde, eher dem Erwerb der Information Literacy in Deutschland entspricht (Klatt et all, 2000). Man kann also keine sicheren Prognosen darüber abgeben, in welchem Land die Studierenden informationskompetenter sind.

  1. Die Art, auf die die amerikanischen Studierenden ihre Informationskompetenz erworben haben, unterscheidet sich von der Weise, wie die deutschen Studierenden ihre erworben haben.

In dieser Hypothese schlägt sich die Vermutung nieder, dass durch die bessere Implementierung der Vermittlung von Information Literacy in den Lehralltag die Studierenden in den USA ihre Informationskompetenz eher formal und nicht wie die deutschen eher unsystematisch (z. B. einfach durch Ausprobieren) erworben haben.

  1. Die Art, auf die die Informationskompetenz erworben wurde, hat einen Einfluss auf die tatsächliche Informationskompetenz.

Anhand dieser Hypothese soll überprüft werden, ob Kurse zum Erwerb von Informationskompetenz insgesamt sinnvoll sind und welche Konzepte (z.B. Tutorien, Einführungsveranstaltungen, Vermittlung durch Kommilitonen, etc.) besonders großen Erfolg versprechen.

2.1 Die Instrumente für die Datenerhebung

Zur Erfassung der Information Literacy wurden zwei Instrumente eingesetzt: Ein Test, der Fähigkeiten abprüft, die zur wissenschaftlichen Quellenarbeit nötig sind, und eine Selbstauskunftsskala, mit der weitere Aspekte von Informationskompetenz abgefragt werden können, wie zum Beispiel den rechtlich und ethisch korrekten Umgang mit Informationen.

Für den Test zur Quellenarbeit wurden zehn Items aus dem Fragebogen des European network on Information Literacy (EnIL) übernommen. Dieser bezieht sich nicht auf eine bestimmte Art der Schulung, sondern auf den Status der Kompetenz allgemein; er ist nicht auf ein Land zugeschnitten und liegt bereits in verschiedenen Sprachen vor. Ein Kriterium für die Auswahl der Items war, eine möglichst große Vielfalt an Kompetenzen abzufragen, also möglichst unterschiedliche Items auszuwählen.

Eine Selbstauskunftsskala, wie sie für diese Studie benötigt wurde, war in der Literatur nicht aufzufinden. Folglich wurde eine solche Skala auf der Grundlage der Kriterien für Information Literacy der ALA neu konstruiert und mit Hilfe von Bibliothekspersonal und Hochschuldozenten inhaltlich geprüft. Es wurde versucht, sich inhaltlich nahe an die Kriterien der ALA anzulehnen und das Konstrukt der Information Literacy möglichst breit in allen seinen Facetten abzufragen.

Die Reliabilität (d.h. die Zuverlässigkeit) dieser beiden Fragebogenteile (Test und Selbsteinschätzung) würde anhand eines Tests für die Homogenität der Items (Cronbachs Alpha) geprüft. Dabei ergab sich für die Selbstauskunftsskala ein α von .75, für den Information-Literacy-Test (dichotomisiert in die Kategorien 0=richtige und 1=falsche Antwort) ein α von .64 (korrigiert nach Spearman & Brown). Da es sich bei der Informationskompetenz um ein sehr facettenreiches Konstrukt handelt und die Skalen sehr viele Aspekte der Informationskompetenz abfragen, war ein höherer α-Wert kaum zu erwarten.

Neben den Maßen für Information Literacy beinhaltete der Fragebogen soziodemographische Fragen zu Alter, Geschlecht, Muttersprache, Haupt- und Grundstudium und Studienfach. Drei selbst konstruierte Items erfassten darüber hinaus die Selbstverantwortlichkeit im Studium (Bsp.: "In meinem Studiengang wird erwartet, dass ich selbstständig Literatur für Referate oder Hausarbeiten suche."). Die Nutzung verschiedener Quellen wurde mit Fragen zur Häufigkeit der Nutzung von Fachbüchern und -zeitschriften, Volltextdatenbanken, Internetlexika und sonstigen Internetseiten erfasst. An diese schloss sich die Frage nach der Einschätzung der Zuverlässigkeit der jeweiligen Quelle an. Abgefragt wurde ebenfalls die Art des Erwerbs der Informationskompetenz (z.B. durch Lehrgänge, Ausprobieren, etc.). Für die Arten des formalen Erwerbs wurde auch dessen Umfang, die Verpflichtung zum Erwerb, der Studienbezug sowie die Möglichkeit das Erlernte anzuwenden, abgefragt. Der Fragebogen wurde in deutscher Sprache entwickelt, dann ins Englische übersetzt und anschließend rückübersetzt, um die Übereinstimmung der Versionen sicherzustellen.

2.2 Die Stichprobe

Um möglichst repräsentative aber gleichzeitig realisierbare Stichproben von Studierenden aus Deutschland und den USA zu erhalten, wurden aus Listen der deutschen und amerikanischen Universitäten 120 Ansprechpartner gezogen und per E-Mail angefragt, ob sie bereit wären, das Projekt zu unterstützen und in einer ihrer Lehrveranstaltungen den Fragebogen von 30 Studierenden ausfüllen zu lassen. Der Rücklauf aus den USA war deutlich schlechter als aus Deutschland und somit auch die Zahl der Versuchspersonen ungleichmäßig verteilt (Deutschland N=494; USA N=255). Bezüglich des Geschlechts unterschieden sich die beiden Stichproben nur wenig, der Frauenanteil überwog in beiden Ländern leicht (53% in Deutschland, 60% in den USA). Im Schnitt waren die befragten deutschen Studierenden 24,3 Jahre alt, die Studierenden aus den USA 23,5 Jahre. Bei der Auswertung der Studienfächer zeigte sich, dass es gelungen war, in beiden Ländern Stichproben zu gewinnen, die sich aus Studierenden vieler verschiedener Studienrichtungen zusammensetzten (siehe Abb. 1).

3 Ergebnisse

3.1 Nutzung von Quellen und Einschätzung ihrer Zuverlässigkeit

Für den Umgang mit modernen Informationsquellen (wie z.B. elektronischen Datenbanken), spielt die Vertrautheit der Studierenden mit dem Internet eine zentrale Rolle. Ein Indikator dafür ist, wie lange die Befragten dieses schon nutzen. Im Durchschnitt nutzten die Probanden der amerikanischen Stichprobe das Internet seit fast 9 Jahren, die deutsche Stichprobe immerhin seit fast 7 Jahren. 86% der Befragten aus den USA gaben an, das Internet mehrmals täglich zu nutzen; in Deutschland waren dies lediglich 41%. Darüber hinaus äußerten die Befragten aus den USA eine positivere Einstellung zum Internet als die deutschen. Auf die Frage nach ihrer allgemeinen Einstellung zum Internet kreuzten 48% der Amerikaner die bestmögliche Kategorie an, während bei den deutschen Befragten die zweitpositivste Kategorie am häufigsten gewählt wurde (ebenfalls 48%). In beiden Stichproben wurde eine eher negative Einstellung zum Internet fast nicht geäußert (Deutschland 2%, USA 4%).

Auf welche Anwendungen oder Nutzungszwecke sich die Onlinezeit der Befragten verteilt, ist in Abbildung 2 dargestellt. In beiden Ländern übereinstimmend finden sich das Versenden und Empfangen von E-Mails sowie das Suchen mit Suchmaschinen auf den vorderen Plätzen. Chat und Foren scheinen in den USA viel beliebter zu sein. Auch wenn man sagen kann, dass die einzelnen Bereiche der Internet-Nutzung in Deutschland und den USA eine ähnliche relative Bedeutung haben, werden fast alle Bereiche von den Studierenden in den USA häufiger genutzt.

Die Nutzung von verschiedenen Quellen für Studienarbeiten und die Einschätzung von deren Zuverlässigkeit sind in den Abbildungen 3 und 4 dargestellt. Die Probanden in der deutschen Stichprobe greifen mit Abstand am häufigsten auf das Buch als Quelle zurück. Dieses wird von ihnen auch als am zuverlässigsten bewertet. An zweiter Stelle stehen die gedruckten Zeitschriften. Die Schlusslichter bilden elektronische Zeitschriften und Internetseiten, für die mit 22% bzw. 32% recht große Anteile der Befragten angaben, sie nie zu nutzen. Bei der Einschätzung der Zuverlässigkeit der Quellen spiegelt sich die Rangfolge der Nutzung relativ deutlich wider, das heißt, die häufiger genutzten Quellen werden auch als zuverlässiger eingeschätzt.

Hinsichtlich der Bewertung und Nutzung der Quellen unterscheidet sich die amerikanische Stichprobe erheblich von der deutschen. Internetlexika erfreuen sich bei den befragten amerikanischen Studierenden als Quelle größter Beliebtheit, gefolgt von elektronischen Fachzeitschriften und Internetseiten. Das Buch belegt den vorletzten Platz. Weniger genutzt als Bücher werden nur noch gedruckte Fachzeitschriften. Es scheint, als wäre die Ablösung der Printmedien durch elektronische Medien in den USA deutlich weiter vorangeschritten als in Deutschland. Allerdings scheinen die amerikanischen Studierenden auch eine größere Bandbreite an Quellen zu nutzen als die deutschen. Interessanterweise spiegelt sich die Nutzungshäufigkeit einer Quelle bei der amerikanischen Stichprobe nicht in der Einschätzung ihrer Zuverlässigkeit wieder. Insgesamt bewerten die Studierenden aus den USA alle Quellen als zuverlässiger als die deutschen Studierenden dies tun. Nur das Buch wird in Deutschland als zuverlässiger bewertet als in den USA.

3.2 Prüfung der Hypothesen

3.2.1 Informationskompetenz der deutschen und amerikanischen Studierenden

Um die Informationskompetenz der Studierenden der beiden Länder zu vergleichen, wurden Mittelwerte für drei Altersgruppen berechnet und diese mit einander verglichen. Der T-Test für Mittelwertsunterschiede ergab, wie in Abb. 5 zu erkennen ist, nur einen bedeutsamen Unterschied. Dieser besagt, dass in der mittleren Altersgruppe der 23-29jährigen die Studierenden aus Deutschland besser im Information-Literacy-Test abschneiden. Alle anderen Ergebnisse erwiesen sich als nicht signifikant und ergaben auch kein eindeutiges Muster, das einen Vorsprung der Deutschen oder der Amerikaner nahe legen würde. (Bei der Interpretation der Zahlen in Abb. 5 ist zu beachten, dass bei der Selbsteinschätzungsskala ein niedrigerer Wert das bessere Ergebnis bedeutet und beim Information-Literacy-Test ein höherer Wert.)

Anschließend wurde eine feinere Analyse durchgeführt, bei der der Einfluss der Variablen Alter, Geschlecht, Selbstverantwortlichkeit im Studium, Einstellung zum Internet und Häufigkeit der Internetnutzung berechnet wurde und der Unterschied zwischen den Ländern um diese Einflüsse bereinigt wurde. Diese Kovarianzanalyse ergab ein besseres Resultat für die deutschen Studierenden im Information-Literacy-Test (signifikant auf dem 0,01 Niveau). Der Unterschied auf der Selbsteinschätzungsskala, der tendenziell für eine höhere Information Literacy der amerikanischen Studierenden spricht, verfehlte knapp das Signifikanzkriterium.

In dieser Analyse zeigte sich auch ein signifikanter Einfluss der Variable Selbstverantwortlichkeit im Studium. Für das Ergebnis der Selbsteinschätzungsskala ist das Alter von Bedeutung.

Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die Information Literacy von Studierenden in Deutschland und den USA unterscheidet, allerdings auf komplexe Weise. Es werden bedeutsame Unterschiede gefunden, allerdings gegenläufige Aussagen, je nach dem, welches Maß man für Informationskompetenz anwendet.

3.2.2 Erwerb von Informationskompetenz

Auf welche Weise die deutschen und die amerikanischen Studienteilnehmer ihre Information Literacy erworben hatten, wurden mit Hilfe von Chi-Quadrat-Tests analysiert. Wie in Abbildung 6 dargestellt, erwarben die Studierenden aus Deutschland ihre Informationskompetenz signifikant häufiger durch "Trial and Error", d.h. selbstständiges Ausprobieren, und in Einführungsveranstaltungen. Seltener war dagegen der Erwerb durch die autodidaktische Verwendung von Lernmaterial, durch das Betreuungspersonal der Bibliothek, außeruniversitäre Institutionen und vor allem im Rahmen fachspezifischer Lehrveranstaltungen.

Den zeitlichen Umfang von formalen Schulungen gaben die Studierenden aus Deutschland höher an als die Amerikaner. Der statistische Vergleich ergab eine häufigere Verpflichtung zur Teilnahme an den Kursen in den USA, außerdem wurde das Erlernte dort typischerweise eher gleich angewendet (Abb. 7). Der Bezug zum Studienfach wurde sowohl in Deutschland als auch in den USA gleichermaßen in etwa zwei Dritteln der Kurse hergestellt.

Diese Befunde unterstützen die zweite Hypothese: Es gibt Unterschiede in der Weise, wie in Deutschland und den USA Information Literacy gelehrt wird. Insgesamt wird in Nordamerika häufiger als in Deutschland systematisch und formal auf diesem Gebiet gebildet und auch bei den Faktoren, die einen Information-Literacy-Kurs wirksam machen sollen (praktische Anwendung und Bezug zum Studienfach), zeigt sich ein Vorsprung der USA.

3.2.3 Einfluss der Schulung auf die tatsächliche Informationskompetenz

Um heraus zu finden, welche Art der Schulung Erfolg im Information-Literacy-Test und in der Selbsteinschätzung verspricht, wurden wiederum Kovarianzanalysen berechnet, bei denen der Einfluss von Alter und Geschlecht statistisch kontrolliert wurden.

Die Auswertung der deutschen Daten ergab einen positiven Einfluss der Schulung durch Bibliothekspersonal sowie der Einführungsveranstaltungen der Universität auf die Ergebnisse beider Maße. Das Lernen durch selbstständiges Ausprobieren hatte einen positiven Einfluss auf das Ergebnis im Information-Literacy-Test. Die Analyse der Daten aus den USA zeigte, dass die Teilnahme an universitären Einführungsveranstaltungen das Testergebnis positiv beeinflussen. Der positive Einfluss der Schulung im Rahmen fachspezifischer Lehrveranstaltungen auf die Selbsteinschätzungsskala verfehlte nur knapp das Signifikanzkriterium.

Die dritte Hypothese kann insofern bestätigt werden, als sich signifikante Ergebnissteigerungen der Informationskompetenz ergeben, wenn bestimmte Lernmethoden angewandt oder Schulungsarten besucht wurden. Die Ergebnisse sind jedoch für den Information-Literacy-Test und die Selbsteinschätzungsskala nicht die gleichen. Genauso wenig stimmen die Befunde für Deutschland und die USA überein.

4 Diskussion

Viele Ergebnisse dieser Untersuchung sind erwartungsgemäß ausgefallen. Der Zugang von Studierenden zum Internet kann als flächendeckend gegeben beschrieben werden; die Erfahrung mit dem Internet ist bei amerikanischen Studierenden größer als bei deutschen. Es überrascht auch nicht, dass die Einstellungen zum Internet in den USA positiver sind als in Deutschland. Würde diese uneingeschränkt positive Einschätzung des Internets jedoch dazu führen, dass auch zu wissenschaftlichen Zwecken Medien als Quellen nur nach pragmatischen Aspekten und nicht aufgrund der Einschätzung ihrer Zuverlässigkeit ausgewählt würden, müsste das als problematisch angesehen werden.

Erfreulich ist, dass nur ein geringer Anteil der Studierenden in beiden Ländern Internetseiten als völlig zuverlässig einschätzt. Die in der Literatur oft geäußerte Sorge des unkritischen Umgangs mit dem Internet scheint also relativ unbegründet zu sein.

Die Ergebnisse des Vergleichs der Information Literacy in Deutschland und in den USA waren komplexer, als dies im Vorfeld vermutet wurde. Insgesamt sprechen sie dafür, dass es bezüglich der Informationskompetenz keine großen Unterschiede zwischen Deutschland und den USA gibt. Jedes Land hat vermutlich seine Stärken und Schwächen bei der Vermittlung von Informationskompetenz, die je nach Erhebungsinstrument und Auswertungsmethode unterschiedlich betont werden. Allerdings ist die Informationskompetenz in beiden Ländern noch weit vom Ideal entfernt. Bei einzelnen Items aus dem Information-Literacy-Test sind die Ergebnisse für die Studierenden beider Länder geradezu erschütternd (Bsp.: Auf die Frage: "Wenn man in einer Fachdatenbank nach Dokumenten sucht, empfiehlt es sich, das Fachvokabular, das für diese Datenbank spezifisch ist, zu verwenden. Um zu diesen Fachbegriffen zu gelangen, verwende ich: a) Ein Ideogramm b) Ein Wörterbuch c) Den Thesaurus d) Eine Internetsuchmaschine" antworteten nur 12% der Studierenden richtig (Antwort c), über 50% mit "weiß ich nicht".).

Ein positiver Zusammenhang wurde zwischen der Selbstständigkeit im Studium und dem Status der Information Literacy gefunden. Eine von mehreren schlüssigen Interpretationen könnte sein, dass Studierende, von denen selbstständiges Arbeiten gefordert wird, früher motiviert sind, sich Information Literacy anzueignen und diese auch einzuüben.

Die Güte der Lehrgänge in Deutschland wird von den Befragten vor allem hinsichtlich der sofortigen Anwendung des Gelernten deutlich schlechter beurteilt als in den USA. Erfreulich ist das in beiden Ländern gleichermaßen hohe Niveau des Bezugs der Lehrgänge zum Studienfach. Dieser war in fast 70% der Fälle gegeben. Es scheint also in beiden Ländern darauf Wert gelegt zu werden, fachnah zu schulen.

Verschiedene Arten des Erwerbs von Information Literacy, scheinen unterschiedliche Effekte zu haben. Allerdings sind die Ergebnisse hier sowohl bei den beiden Stichproben als auch bei den beiden Maßen für Information Literacy so uneinheitlich, dass weitere Forschungsarbeiten zur Festigung der Ergebnisse folgen sollten. An dieser Stelle bleibt festzustellen, dass die Einflüsse, die Lehrgänge einerseits und autodidaktischer Erwerb andererseits auf Information Literacy haben, in Deutschland und den USA nicht uniform sind. Es sollte hier also weitere Mühe darauf verwendet werden, die Effizienz verschiedener Vermittlungsformen von Informationskompetenz speziell für deutsche Studierende zu untersuchen. Die Ergebnisse sprechen eher dagegen, dass sich Befunde aus den USA einfach auf Deutschland übertragen lassen.

5 Implikationen und Ausblick

An dieser Stelle kann man sich den Forderungen zahlreicher Autoren nach mehr empirischen Studien zur Informationskompetenz nur anschließen. Um diese zu ermöglichen, sollte zunächst eine Skala zur Messung von Information Literacy entwickelt werden. Der erste Schritt in diese Richtung ist mit dieser Studie getan, weitere Anstrengungen sind jedoch nötig, um diese zu verbessern. Des weiteren wäre es speziell in Hinblick auf die Wirksamkeit von Kursen hilfreich, Längsschnittstudien durchzuführen.

Die Ergebnisse der Studie zeigen weiterhin, dass die Effekte der verschiedenen Schulungsarten auf die Information Literacy ihrer Teilnehmer in den beiden nationalen Stichproben unterschiedlich waren. Dieses Ergebnis sollte Anlass dazu geben, die Mechanismen und Lernprozesse, die dahinter stehen, in Deutschland unabhängig von den USA zu untersuchen. Die beiden Hochschulsysteme sind auf natürliche Weise unterschiedlich gewachsen und Studierende, die in so unterschiedlichen Lernkulturen aufwachsen, lernen offenbar auch Information Literacy unterschiedlich. Es ist davon auszugehen, dass sich die Hochschulsysteme in den kommenden Jahren etwas angleichen werden. Trotzdem sollte man nicht versuchen, Forschungsergebnisse und somit auch Lehrgänge für Information Literacy aus den USA auf Deutschland überzustülpen. Vielmehr wäre einer Hochschulbibliothek in Deutschland zu raten, sich daran zu orientieren, dass sich beispielsweise hierzulande auch der selbstständige Erwerb von Informationskompetenz durch Ausprobieren als effektiv erweist. Man könnte somit das Angebot einer Beratung schaffen oder ausbauen, die Fragen beantwortet, die bei diesem unstrukturierten Lernprozess meist spontan auftreten. Aber auch Schulungen durch Bibliothekspersonal sowie Einführungsveranstaltungen zeigen sich in der hier durchgeführten Studie für deutsche Studierende als Kompetenz steigernd. Diese sollten also durchaus weiterhin angeboten werden und durch Befragungen der Teilnehmer sowie der nicht teilnehmenden Studierenden und durch eine regelmäßige Evaluation weiter optimiert werden.

Eine weitere Variable, die die Information Literacy der Studierenden sehr deutlich beeinflusst, ist die Selbstverantwortlichkeit im Studium. Hieraus lässt sich der Appell an die Dozenten ableiten, ihre Lehrveranstaltungen so zu gestalten, dass die Studierenden schon bevor sie beginnen ihre Abschlussarbeiten zu schreiben dazu motiviert (oder auch verpflichtet) werden, selbstständig nach Fachliteratur zu suchen. Auch hier kann sich die Hochschulbibliothek einbringen, indem sie mit Lehrenden in Dialog tritt und sie bei diesem Ziel unterstützt.


Zur Autorin

Gabriela Blum ist Studentin der Psychologie und des Zusatzstudiums Kommunikationspsychologie und Medienpädagogik an der

Universität Koblenz Landau, Campus Landau
Queichheimer Hauptstraße 105
D-76829 Landau
E-Mail: gabriela.blum@freenet.de


Literaturverzeichnis

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Anmerkung

1. Mit der männlichen Form sind auch im Folgenden immer die weiblichen Personen mit gemeint.