Lernort und Chillout-Zone

Koproduktion von Schule und Hochschule: Studierende der HAW Hamburg
richten mit Schülern neue Schulbibliothek für Gesamtschule Bahrenfeld ein


Eigeninitiative gefragt
Sponsoren finden
Der große Tag
MeterLesen

von Michaela Rasch, Frauke Schade und Franziska Sievert

Das Projektteam der Hochschule für Angewandte Wissenschaften

In einer Koproduktion bauten Studierende der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, unterstützt von Schülerinnen und Schülern der Gesamtschule Bahrenfeld, eine neue Schulbibliothek auf. Diese wurde am 06. Juli 2007 eröffnet. Für die 530 Schülerinnen und Schüler aus 30 Nationen, behinderte und nicht behinderte Kinder entstand auf dem Schulgelände der Gesamtschule Bahrenfeld ein neuer Mittelpunkt der Begegnung und Freizeitgestaltung, der Wissensvermittlung und des fächerübergreifenden und interdisziplinären Lernens in einem ehemaligen Unterrichtsraum.

Hier soll nun vor allem eines passieren: Die Freude am Lesen soll geweckt und der Umgang mit Medien gefördert werden. Nachschlagewerke und Sachliteratur, eine moderne technische Ausstattung sowie rund 1500 Medien der Kinder- und Jugendliteratur stehen für die Schülerinnen und Schüler in dem kleinen Pavillon auf dem Schulgelände bereit.

Die Ergebnisse der PISA-Studie sind deutlich: Im Jahr 2003 lag die Lesekompetenz deutscher Schülerinnen und Schüler auf Platz 21.

Die Vermittlung von Leseinteresse und Informationskompetenz sind allgemein anerkannte Grundlagen für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben. Schulbibliotheken bieten hierfür einen geeigneten Rahmen. Sie stellen "Informationen und Ideen zur Verfügung, die grundlegend für ein erfolgreiches Arbeiten in der heutigen informations- und wissensbasierten Gesellschaft sind. Die Schulbibliothek vermittelt den Schülern die Fähigkeit zum lebenslangen Lernen, entwickelt ihre Phantasie und befähigt sie so zu einem Leben als verantwortungsbewusste Bürger" (UNESCO-Manifest 2000).

Die finanzielle Zuordnung von Schulbibliotheken ist jedoch in Deutschland nicht eindeutig geregelt. Die Einrichtung einer Bibliothek obliegt der Kommune; für Schulen sind die Kultusministerien und die Landkreise zuständig. Dies führt dazu, dass nur etwa 15 Prozent der Schulen in Deutschland über eine Schulbibliothek verfügen, die fachlichen Standards gerecht wird.

Eigeninitiative gefragt

Die Gesamtschule Bahrenfeld möchte ihren Schülerinnen und Schülern den Zugang zu Wissen jedoch trotzdem bieten und wandte sich deshalb an das Department Information der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Im Wintersemester 2006/07 entwickelten Studierende unter Leitung von Prof. Frauke Schade und Detlev Dannenberg in einem Seminar ein Konzept für die neue Schulbibliothek in Bahrenfeld. Wichtig war den Studierenden dabei, dass aktuelle Erkenntnisse und Standards schulbibliothekarischer Arbeit berücksichtigt wurden. Grundlage für den Entwurf waren deshalb das UNESCO-Manifest für Schulbibliotheken, die IFLA-Richtlinien1 für Schulbibliotheken sowie Empfehlungen der Expertengruppe Bibliothek und Schule im Deutschen Bibliotheksverband2. Ausgangspunkt der Überlegungen waren außerdem das Schulprogramm der Gesamtschule Bahrenfeld und die Ergebnisse einer Befragung, die von den Studierenden unter den Schülerinnen, Schülern, Lehrerinnen und Lehrern im Rahmen des Seminars durchgeführt wurde.

Ziel des Seminars war es, ein Konzept zu entwickeln, das auf die spezifischen inhaltlichen und strukturellen Bedingungen der Schule abgestimmt ist und die Vorstellungen, Ideen und Bedürfnisse der Schulleitung, der Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer verwirklicht. In einem interdisziplinären studentischen Projekt wurde dieses Konzept im Sommersemester 2007 in die Tat umgesetzt. Die Identifikation der Schülerinnen und Schüler mit der neuen Bibliothek wurde gestärkt, indem diese zum Beispiel im Textilunterricht Kissen für die Bibliothek nähten, eine Verbuchungstheke bauten und so ihre Einrichtungswünsche umsetzten. Nach der Eröffnung werden sie später in der Bibliothek mitarbeiten. Außerdem entwarfen und wählten die Schülerinnen und Schüler in einem internen Schulwettbewerb einen passenden Namen und ein Maskottchen für die Bibliothek.

Aufgabe der Studierenden war es, das Konzept umzusetzen und an der Praxis zu messen. Sie bauten einen aktuellen Medienbestand mit rund 1500 Medien der Kinder- und Jugendliteratur, Nachschlagewerken und AV-Medien auf. Dafür wurden bereits vorhandene Bücher der Schule gesichtet, Spenden entgegengenommen und neue Titel geordert und eingeworben. Zusätzlich wurde ein großer Teil der Medien über ein Leasingmodell der Schulbibliothekarischen Arbeitsstelle Hamburg bestellt, welches auch in Zukunft einen aktuellen Bestand garantiert. Ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld war die funktionelle Ausstattung des Raumes mit geeigneten Möbeln, Arbeitsgeräten und die Implementierung einer Bibliothekssoftware. Dazu wurden bei Bibliothekseinrichtern und Möbelhäusern Informationen über passende Möbel beschafft und diese bestellt, um den Schülerinnen und Schülern einen neuen ansprechenden Lese- und Lernort zu ermöglichen. Auf der Internetplattform www.schulmediothek.de holten die Studierenden sich Anregungen für den Entwurf einer Benutzerordnung, einer Satzung und einer Gebührenordnung, um die Bibliothek professionell zu managen. Für die personelle Unterstützung in der Bibliothek wurden - neben drei hauptverantwortlichen Lehrerinnen - Eltern, Schülerinnen und Schüler als freiwillige Kräfte gewonnen und von den Studierenden in die bibliothekarischen Tätigkeiten eingearbeitet. Durch die Festlegung verbindlicher Standards, eines Organigramms und Arbeitsplatzbeschreibungen wurden Rahmenbedingungen für das Personal geschaffen, die optimalen Service für die Schülerinnen und Schüler gewährleisten. Darüber hinaus wurden Fortbildungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie regelmäßige Benutzerschulungen für verschiedene Klassenstufen entwickelt.

MeterLesen

Die Aktion MeterLesen wurde von Detlev Dannenberg im Wintersemester 2003/04 entwickelt und im Rahmen eines Seminars an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg erprobt. Hintergrund damals war der Aufbau einer Schulbibliothek an der Gesamtschule Bergedorf. Aufgrund der großen positiven Resonanz (Wiederholung der Aktion in Bayern, Österreich und Südtirol) sollte das bewährte Konzept für die Gesamtschule Bahrenfeld erneut durchgeführt werden.

Ziele sind dabei die Leseförderung bei den Schülern, sowie externe und interne Öffentlichkeitsarbeit der Schule. Während der Pfingstferien konnten alle SchülerInnen der Bahrenfelder Gesamtschule lesen woran sie Interesse hatten. Sämtliche gelesenen Medien wurden anschließend am 06. Juni 2007 in der Schulaula in einer Reihe aufgestellt und unter Anwesenheit eines der beiden gewonnenen Sponsoren ausgemessen. Die 530 Schülerinnen und Schüler entpuppten sich dabei als sehr eifrige Leser. Sie kamen auf eine stolze Meterzahl von 35 Metern. Die Sponsoren honorierten die "erlesenen Meter" zugunsten der neuen Schulbibliothek, und trugen so zur Finanzierung bei.

Sponsoren finden

Zuständig waren die Studierenden außerdem für die Öffentlichkeitsarbeit und Werbung. In diesem Bereich wurden Sponsoren für die Bibliothek geworben und Geldgeber für spezielle Veranstaltungen wie zum Beispiel die Aktion MeterLesen (siehe Kasten) gefunden. Auch die Pressearbeit und die Erstellung einer Image-Broschüre fielen in diesen Aufgabenbereich.

Die hohen Standards der IFLA/UNESCO-Richtlinien konnten bei der Einrichtung der Schulbibliothek an der Gesamtschule Bahrenfeld zwar nicht umgesetzt werden, dennoch bietet die Schule ihren Schülern nun einen neuen Lern- und Leseort, der auch in Zukunft über einen aktuellen Medienbestand verfügen wird. Gesichert ist dies finanziell nachhaltig über den Etat der Schule und die langfristige Anbindung von Sponsoren. Durch die enge Zusammenarbeit mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg sowie der Schulbibliothekarischen Arbeitsstelle Hamburg ist auch weiterhin professionelle Betreuung gewährleistet.

Der große Tag

Am 06. Juli 2007 war der große Tag da: Die neue Bibliothek wurde nach einigen tausend Arbeitsstunden endlich eingeweiht. Unter den Klängen der schuleigenen Sambatruppe gingen Lehrer, Schülerinnen und Schüler sowie einige anwesende Sponsoren zur neuen Lern- und Lesestätte, dem Bücherpavillon. Nach dem feierlichen Entfernen des Tapetenbanners, welches Schüler als Ersatz für eine rote Schleife gestaltet hatten, wurde der Pavillon offiziell an die Gesamtschule Bahrenfeld übergeben und anschließend ausgiebig erkundet.

Außerdem amüsierten sich die Schüler beim Aussägen des Bibliotheksmaskottchens Pavel und stärkten sich anschließend bei Gratis-Hot-Dogs und roter Grütze. Diese wurde von den Studentinnen und Studenten unter Mithilfe einiger nervenstarker Schülerinnen verteilt.

Das Projektteam konnte sich über viel Lob von Schülern und Lehrern freuen und verließ nach einem anstrengenden aber schönen Eröffnungstag die Bahrenfelder Gesamtschule.


Zu den Autorinnen

Frauke Schade ist Professorin an der

Hochschule für Angewandte Wissenschaften - Hamburg
Fakultät Design, Medien und Information
Department Information
Berliner Tor 5
D-20099 Hamburg
frauke.schade@bui.haw-hamburg.de

Michaela Rasch ist Studierende an der HAW Hamburg

michaelarasch@web.de


Franziska Sievert ist Studierende an der HAW Hamburg

franziska.sievert@bui.haw-hamburg.de


Anmerkungen

1 IFLA (Hrsg.); UNESCO (Hrsg.) (2000): The school library manifesto: the school library in teaching and learning for all. IFLA, 2000. URL www.ifla.org/VII/s11/pubs/manifest.htm

2 DBV-EXPERTENGRUPPE KINDER- UND JUGENDBIBLIOTHEKEN 2004: Modelle schulbibliothekarischer Versorgung.
http://www.bibliotheksverband.de/kommissionen/dokumente/biboschule/schulbibl-vers.pdf