Mit neuen E-Science-Dienstleistungen auf dem Weg in die Zukunft

FIZ Karlsruhe feierte sein 30jähriges Jubiläum mit einem Festakt im Schloss Bruchsal

Von Vera Münch

Innovative Informationsdienstleistungen sind seit 30 Jahren das Kerngeschäft von FIZ Karlsruhe. In den drei Jahrzehnten seit seiner Gründung 1977 hat sich die gemeinnützige Serviceeinrichtung hohe Kompetenz und internationales Ansehen im Informations- und Wissensmanagement für die Forschung in Wissenschaft und Wirtschaft erworben. Dass die Bereitstellung dieser Dienstleistungen aus Sicht der Politik alles andere als selbstverständlich ist, war ausgerechnet bei der Geburtstagsfeier unüberhörbar. Zur Sicherung der Zukunft setzt FIZ Karlsruhe nun auf E-Science-Dienstleistungen als zweites Standbein neben STN International.

Bilder:Vera Münch
Vortragsredner beim 30 Geburtstag von FIZ Karlsruhe (v.l.n.r): WGL-Präsident Prof. Dr. Ernst Rietschel, FIZ-Geschäftsführerin Sabine Brünger-Weilandt, Ministerialrat Hermann Riehl, Ministerialdirektor Julian Würtenberger
Geschäftsführerin Sabine Brünger-Weilandt überraschte die Gäste durch sehr offenen Worte zur Lage von FIZ Karlsruhe
Der Dirigent und Musikproduzent Christian Gansch zog im Festvortrag Parallelen zwischen der Orchesterleitung und der Unternehmensführung
Das reichhaltige Dinner-Buffet sorgte für den krönenden Abschluss des Geburtstagsfestes
Yukiko Sone, Managerin der Japan Science and Technology Agency (JST) flankiert von Dr. Alexander Barth (links), Mitglied der Geschäftsleitung von FIZ Karlsruhe und Dr. Rainer Stuike-Prill, Bereichsleiter Marketing und Vertrieb
Porträt-Schnellzeichner sorgten für gute Unterhaltung, hier mit einem Porträt von Dr. Elke Müller, Vertrieb Industrie und Patente bei FIZ Karlsruhe

Die E-Science-Produktlinie KnowEsis

Die neue E-Science Produktlinie KnowEsis von FIZ Karlsruhe bietet Services und Lösungen zum Management heterogener Informationen in öffentlichen Einrichtungen, Organisationen und Unternehmen. Das Angebot umfasst derzeit KnowEsis Consulting, KnowEsis Repository und KnowEsis Mapping Services. Weitere Produkte und Dienstleistungen sind in Planung bzw. im Aufbau. KnowEsis Consulting bietet Beratung zu den Bereichen Requirements-Analyse, Pflichtenheft, Content Models und Einführung, Projektsteuerung, Customization und passgenaue Softwareentwicklung. KnowEsis Repository ist eine Open-Source Archivsoftware. Sie stellt Werkzeuge zur Erfassung, Speicherung und Weiterverbreitung von digitalen Objekten zur Verfügung und kann in Forschungseinrichtungen, Universitäten und Bibliotheken als "Institutional Repository" eingesetzt werden. KnowEsis Mapping Services bieten Unterstützung bei der Vereinheitlichung von Daten, z. B. zur Vereinfachung interner Arbeitsabläufe sowie zur Datenanalyse und -visualisierung durch Ausgleich semantischer Differenzen.

"Advancing Science" - die Wissenschaft mit innovativen Informationsdienstleistungen voranbringen - ist das Motto von FIZ Karlsruhe. Um diesen Anspruch zu erfüllen, hat die Serviceeinrichtung in den drei Jahrzehnten seit ihrer Gründung ein weltumspannendes Netzwerk mit den renommiertesten Lieferanten für wissenschaftliche, technische und Patent-Informationen aufgebaut und parallel dazu in Zusammenarbeit mit Partnern und Kunden leistungsstarke Softwaresysteme zur Bereitstellung, Analyse und Auswertung der Informationen entwickelt. Nun kommt der nächste große Schritt in die Zukunft: "FIZ Karlsruhe hat sich entschieden, E-Science als zweites Standbein aufzubauen." Dies gab Geschäftsführerin Sabine Brünger-Weilandt beim Festakt zum 30jährigen Bestehen der Serviceeinrichtung Ende Oktober im Schloss Bruchsal bekannt. Die Managerin, die seit 2003 an der Spitze von FIZ Karlsruhe steht, erklärte, die im Unternehmen über 30 Jahre aufgebauten Kompetenzen, das Know-how und die Tools würden in die E-Science-Aktivitäten einfließen. Umgekehrt sollen die Erfahrungen aus dem Geschäftsfeld E-Science dem traditionellen Online-Informationsgeschäft mit der einzigartigen Datenbankkollektion STN International als zentralem Informationsdienst zu Gute kommen.

Förderpolitik stellt FIZ Karlsruhe vor die Existenzfrage

Die klare Ausrichtung auf E-Science als zweites Standbein sowie die konsequente betriebswirtschaftliche Unternehmensführung der letzen Jahre waren die entscheidenden Kriterien dafür, dass die Länder ihren Anteil an der Finanzierung von FIZ Karlsruhe von 15 auf 25 Prozent aufgestockt haben. Erst durch diese Aufstockung konnte ein positiver Abschluss der Verhandlungen von Bund und Ländern zur Weiterfinanzierung der gemeinnützigen Einrichtung erzielt werden; übrigens erst kurz vor der Geburtstagsfeier, wie Brünger-Weilandt berichtete. "Es war zeitweise nicht so selbstverständlich, 30 zu werden", sagte die Geschäftsführerin. Obwohl FIZ Karlsruhe nicht zum ersten Mal in seiner Firmengeschichte vor einer ungesicherten Zukunft stand, überraschte die Brisanz der jüngsten Ereignisse doch die meisten Anwesenden. "Wir freuen uns deshalb sehr, dass wir unser Jubiläum mit Gästen feiern dürfen, die mit FIZ Karlsruhe bei der Entwicklung zeitgemäßer Informationsinfrastrukturen für die Forschung zusammenarbeiten. Internationale Kunden, fortschrittsorientierte Geschäftspartner und weit blickende Förderer aus Wissenschaft und Politik sind für FIZ Karlsruhe auf dem dynamischen globalen Informationsmarkt die tragenden Säulen langfristigen Erfolgs", bedankte sich die Managerin bei Kunden, Partnern und Unterstützern.

E-Science-Programm kann sich sehen lassen

FIZ Karlsruhe arbeitet bereits seit gut zwei Jahren an der Entwicklung von Dienstleistungen für E-Science. Aktuell umfassen die Aktivitäten drei Bereiche: Die neue E-Science-Produktlinie KnowEsis mit Services und Lösungen zum Management heterogener Informationen (mehr dazu im Kasten), das Projekt eSciDoc und das "Fedora Center of Excellence". Im Rahmen von eSciDoc, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird, entwickeln die Karlsruher Informationsfachleute gemeinsam mit der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) eine integrierte Informations-, Kommunikations- und Publikationsplattform für netzbasiertes wissenschaftliches Arbeiten in der MPG (www.escidoc-project.de). Im "Fedora Center of Excellence" gibt FIZ Karlsruhe Erfahrungen und Know-how rund um die "Fedora repository architecture" in Schulungen, Beratungen und Workshops an Interessierte weiter. Fedora gilt derzeit als sehr gut geeignete Lösung für das institutionelle Archiv (Repository), das in Unternehmen und Organisationen als Zentrum der E-Science-Struktur aufgebaut werden muss. Das in eSciDoc entwickelte Gesamtsystem für netzbasiertes wissenschaftliches Arbeiten wird FIZ Karlsruhe nach Projektabschluss auch anderen Wissenschaftsorganisationen anbieten.

Länder wollen FIZ Karlsruhe an E-Science messen

Die Länder verknüpfen mit der Aufstockung ihres Finanzierungsanteils höhere Erwartungen an FIZ Karlsruhe, erklärte Ministerialdirektor Julian Würtenberger vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg in seinem Grußwort. Die Länder, so Würtenberger, würden attraktive Angebote für Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen in den Ländern erwarten und den Erfolg von FIZ Karlsruhe daran messen, inwieweit es ihm gelingt, das Zukunftsthema E-Science mitzugestalten. Der Regierungsbeamte sieht die Aufgabe als Herausforderung für FIZ Karlsruhe: "Web 2.0 und Social Software verheißen eine neue Qualität der Nutzung des Internets", sagte er. In diesem Umfeld könne es für einen Dienstleister wie FIZ Karlsruhe schwierig werden, sich mit innovativen Dienstleistungen zu profilieren. "E-Science ist ein weites Feld, das nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch von der EU intensiv bestellt wird. Nicht nur der Bund, sondern auch die Länder nehmen sich dieses Themas intensiv und mit großem Ressourceneinsatz an". Die zehn Thesen der Geschäftsführung zum Bereich E-Science lieferten eine überzeugende Basis für die Neupositionierung von FIZ Karlsruhe auf diesem Gebiet. "Ich möchte Sie ausdrücklich ermutigen, auf diesem Weg mit Entschlossenheit und Beharrlichkeit voranzugehen. Wenn es Ihnen gelingt, dieses Geschäftsfeld zu einem vollwertigen Standbein auszubauen und sich dabei auch als Dienstleister für die Hochschulen zu etablieren, sehe ich der Zukunft von FIZ Karlsruhe positiv entgegen", schloss Würtenberger.

Aufsichtsrat sieht FIZ Karlsruhe als Schnittstelle

Auch Ministerialrat Hermann Riehl vom Bundesforschungsministerium, der seit knapp 100 Tagen Aufsichtsratsvorsitzender von FIZ Karlsruhe ist, war zuvor auf die Bedeutung zeitgemäßer wissenschaftlicher Informationsversorgung im vernetzten Arbeitsumfeld der Zukunft eingegangen. "Der Arbeitsplatz der Zukunft ist ohne dynamisches, kreatives Wissensmanagement nicht vorstellbar." Wissenschaft und Wirtschaft, so Riehl, seien hier auf starke Partner wie das FIZ Karlsruhe angewiesen, die mit versierter Technik und dem erforderlichen Know-how diese Schnittstelle abdeckten. "FIZ Karlsruhe hat seine Servicefunktion im Dienste von Wissenschaft und Wirtschaft in den vergangenen 30 Jahren erfolgreich ausgefüllt und sich einen festen Platz auf dem nationalen, aber auch dem internationalen Informationsmarkt erobert", so der Aufsichtsratsvorsitzende.

WGL hebt die Bedeutung wissenschaftlicher Dienstleistung hervor

Professor Dr. Dr. h.c. Ernst Rietschel, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft (WGL), in der FIZ Karlsruhe Mitglied ist, erinnerte in seiner Ansprache daran, dass bereits die Geburtsstunde von FIZ Karlsruhe vor 30 Jahren der erste Versuch gewesen sei, eine flächendeckende Infrastruktur für Information und Dokumentation in der Bundesrepublik zu schaffen. Doch der Begriff Service sei in Deutschland oft nicht positiv besetzt, impliziere eine gewisse Zweitklassigkeit. "Es ist irrwitzig, wenn eine Dienstleistungsgesellschaft Service derart gering einschätzt." Nun habe man in der Leibniz-Gemeinschaft vereinbart, wenigstens sprachlich an einer Imageverbesserung zu arbeiten: "Wir haben uns entschlossen, künftig nicht mehr von Service zu sprechen, sondern von wissenschaftlicher Dienstleistung." Unter der Maxime "Im Fokus der Mensch" vereinten die Institute der Leibniz-Gemeinschaft exzellente Forschung und wissenschaftliche Dienstleistung. In dieser Hinsicht sei FIZ Karlsruhe eine Parade- und Vorzeigeeinrichtung der WGL, so Rietschel.

Ein Unternehmen ist wie ein Orchester

Den hohe Aufmerksamkeit fordernden Grußworten folgte ein ungewöhnlicher Festvortrag, der das Auditorium ebenfalls von der ersten bis zur letzten Minute fesselte. Unter der Überschrift "Kontinuität durch Erneuerung - Das Orchester als Erfolgsmodell" zeigte der erfolgreiche Dirigent und Musikproduzent Christian Gansch Parallelen zwischen den Arbeitsprozessen eines Orchesters und eines Wirtschaftsunternehmens auf. Der für sein musikalisches Schaffen mehrfach mit dem Musikpreis Grammy ausgezeichnete Österreicher analysierte dazu die Kommunikationsstrukturen und präzisen Arbeitsabläufe in Orchestern und leitete daraus Lösungsstrategien für Unternehmen ab. Der Festvortrag machte drei Dinge eindringlich deutlich:

1. Ein Orchester funktioniert nur dann, wenn es einen Dirigenten hat, der das gemeinsame Ziel klar vorgibt, die Musiker gefühlvoll dort hin lenkt, aber bei Bedarf das Ziel auch gegen Widerstände durchsetzt.

2. Jeder - sowohl die Musiker, als auch der Dirigent - muss sich an der richtigen Stelle zurücknehmen und den Solisten hundertprozentig unterstützen, wenn es dem großen Ganzen dient.

3. Ein wirklich großes Konzert gelingt nur dann, wenn Dirigent und Musiker sich gegenseitig vertrauen und sich gemeinsam auch in ergebnisoffene Situationen wagen.

Am Ende des Vortrages gab es im Festsaal des Schloss' Bruchsal niemanden, der aus den Thesen und Analogien, die Gansch aufstellte, nicht auch für sich selbst überraschende Lehren und Erkenntnisse gezogen hätte. Über das Orchester als Erfolgsmodell und die Partitur als Leitbild wurde beim festlichen Dinner-Buffet noch lange diskutiert.


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Vera Münch