Das Thema "Teaching Library" boomt - in Deutschland, Italien, Österreich und in der Schweiz

Bericht von der 3. Internationalen Fachtagung "Die lernende Bibliothek / La biblioteca apprende" 2007 in Innsbruck


von Wilfried Sühl-Strohmenger

Bereits zum dritten Mal veranstalteten der Bibliotheksverband Südtirol (BVS), der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen (VÖB), der Büchereiverband Österreichs (bvö), der Verein Deutscher Bibliothekare (VDB), der Berufsverband Information Bibliothek (BIB), die Associazione Italiane Biblioteche (AIB) / Sezione Trentino-Alto adige und der Verband der Bibliotheken und der Bibliothekarinnen und Bibliothekare der Schweiz (BBS) gemeinsam die internationale Fachtagung "Die lernende Bibliothek" (http://www.uibk.ac.at/ub/lernendebibliothek/), dieses Mal vom 25. bis zum 27. September 2007 in der Hauptstadt des Bundeslandes Tirol Innsbruck, nachdem bereits Bozen (2003) und Augsburg (2005) Schauplätze der Konferenz gewesen waren.

Der Universitätsbibliothek Innsbruck mit ihrem Organisationskomitee unter der Leitung von Frau Monika Schneider MAS und Frau Dr. Susanne Halhammer gebühren der Dank und das Lob für ihr Engagement und für die hervorragende Organisation der mit 225 Teilnehmer(inne)n gut besuchten Veranstaltung. Das Generalthema der Innsbrucker Tagung war die "Teaching Library". Im Mittelpunkt der Eröffnungsveranstaltung, zu der der Rektor Prof. Dr. Manfred Gantner, der Vizerektor und gleichzeitig Direktor der UB Innsbruck Hofrat Dr. Martin Wieser, der VÖB-Präsident Dr. Harald Weigel, die BIB-Vorsitzende Susanne Riedel, der 1. Vorsitzende des VDB Dr. Ulrich Hohoff, Frau Elena Corradini (AIB) sowie Frau Dr. Elisabeth Frasnelli (Bibliotheksverband Südtirol) kurze und prägnante Grußworte beisteuerten, stand der Festvortrag von Frau Univ.-Prof. Dr. Margarethe Friedrich, Vizerektorin für Studium und Lehre an der Universität Innsbruck, zum Thema: "Gesprengte Ketten: Texte und Bibliotheken in neuer und neuester Zeit".

Es folgten am 26. und am 27. September jeweils zwei Themenblöcke mit insgesamt 18 Vorträgen, die das deutsch-österreichisch-italienisch-schweizerische Spektrum an Aspekten zum Thema Teaching Library zum Ausdruck brachten. Souverän moderiert wurden die vier Themenblöcke von Elisabeth Frasnelli (BVS), Jens Renner (BIB), Dr. Ulrich Hohoff (VDB) und von Elena Corradini (AIB). Auf zweierlei durfte man gespannt sein:


Hauptgebäude der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

Der Themenblock "Wikis, Blogging, Google & Co." - neue Standards und die Teaching Library" bot zwar viele Informationen von durchweg kompetenter Seite zu den Möglichkeiten, die das Web 2.0 und seine Dienste den Bibliotheken eröffnen könnten, blieb jedoch hinsichtlich des Verhältnisses zur Teaching Library eher indifferent. Die Beiträge von Mark Buzinkay (MBI Informationsdesign Dornbirn) sowie von Jürgen Plieninger (UB Tübingen) thematisierten die Anwendung verschiedener Tools, zum einen unter dem Aspekt der Kundenorientierung bzw. der "Community", zum anderen hinsichtlich der praktischen Anwendung. Buzinkay bezeichnete das Web 2.0 als eine Art "Wundertüte", aus der sich die Bibliotheken leicht bedienen könnten, beispielsweise durch nutzergenerierten Content (Rezensionen, Tagging, Chatdienste, RSS-Dienste für OPACs, Blogs). Weblogs eigneten sich als "Container" für Semester-/Vorlesungsverzeichnisse, kleine Nachrichten, Schulungstermine, Nachrichten aus dem Fach, Recherchehinweise usw. Es können verschiedene Medienformen wie themenspezifische Bilder oder Inhaltsverzeichnisse gemischt werden, Schulungsaktivitäten und Schulungsinhalte wären im Rahmen von Weblogs und von sozialen Bookmarkdiensten abzulegen, Wikis eigneten sich als Schulungsplattform, Schulungsmaßnahmen wären sinnvoll im Hinblick auf den Umgang mit sozialer Software zu realisieren.

Bonaria Biancu (UB Milano-Bicocca) referierte unter dem provokanten Titel "Going social: the librarians bag of tricks" zur Bedeutung sozialer Software in der Bibliothekspraxis. Die Benutzer stünden im Mittelpunkt, entsprechend müssten die social networks mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Als Beispiel wies sie auf das Scout Portal Toolkit der Bicocca Library hin. Tags und Web 2.0 Werkzeuge kommen zum Einsatz. Widgets und Nutzerkommentare usw. seien möglich, das florierende soziale Netzwerk "Facebook" an der University of Alberta (Kanada) integriert Bibliotheks-News, die OPAC-Suche, LiveReference, RefWorks, ExLibris Citation Linker und weitere bibliotheksgestützte Anwendungen. Facebook sei sehr stark auf persönliche Profile ausgerichtet. Inhalte könnten verändert bzw. neu moduliert werden, das Filtern der Information sei möglich, die Beziehungen zwischen Bibliothek und Nutzern würden deutlich erweitert.

Den kritischen Part zu diesem Themenkomplex übernahm dann René Schneider (Fachhochschule Genf), der über "Graffito, Palimpsest, Glosse - Kulturtechniken im Web 2.0 und ihre Anwendungsmöglichkeiten in der Bibliothekswelt" vortrug. Beim Web 2.0 würde der Austausch über menschliche Artefakte bewerkstelligt, durchaus vergleichbar mit älteren Kulturtechniken wie beispielsweise dem Graffito, einer Kunstäußerung oder Mitteilung von Botschaften im öffentlichen Raum, die häufig übermalt würden, teilweise auch im Sinne einer Erweiterung. Ähnlich dem Palimpsest (neu beschriebene Pergamentrolle) würde im Web 2.0 (perpetual beta) laufend neu überschrieben, d. h. ständiges Neuabfassen von Artikeln bzw. Palimpsestieren. (Wikipedia) sei die Regel. Wer aber gibt wem das Recht, die Artikel zu überschreiben? Schneider ging es um die Rechte von Autoren, um die Art des sozialen Umgangs, wie er anhand eines Wikipedia-Projekts der FH Genf veranschaulichte.


Schon die Eröffnungsveranstaltung machte neugierig auf die Vorträge und Diskussionen
Foto: Monika Schneider, UB Innsbruck

Überfluss schafft Überdruss

Unter dem Motto "Überfluss schafft Überdruss" bewegten sich die Vorträge der Innsbrucker Tagung dann deutlich in Richtung auf die Vermittlung von Informationskompetenz und die Rolle der Bibliotheken. Über "Informationskompetenz für Fortgeschrittene: Gibt es ein Leben jenseits von Google scholar" referierte Oliver Kohl-Frey (UB Konstanz) über mögliche Strategien. Im Mittelpunkt seiner Überlegungen standen nicht die Studienanfänger, sondern die Fortgeschrittenen, also Studierende im Hauptstudium, Masterstudierende, Graduierte, Postdocs, Wissenschaftler. Die UB Konstanz bietet Semesterkurse für Masterstudierende (Pflichtmodul) und plant Workshops für Wissenschaftler. Lehrgegenstände sind vor allem das wissenschaftliche Schreiben, das Open Access-Publizieren und das Institutional Repository, rechtliche Fragen sowie das Problem des Plagiarismus. Die UB Konstanz strebt in der Universität Kooperationen auch mit dem Zentrum für den wissenschaftlichen Nachwuchs (Wahlpflicht-Modul geplant) sowie mit den Doktorandenschulen eines DFG-Exzellenzclusters (Workshop zur Literaturverwaltung und zu Open Access) an.

Zielgruppe SchülerInnen

Eine andere zunehmend in den Vordergrund des Interesses rückende Zielgruppe der Teaching Library sind Schüler(innen), insbesondere der gymnasialen Oberstufe (Seminarkurse, Seminarfachunterricht). Da die Hochschulbibliotheken sich in erster Linie auf die eigene Klientel (Studierende, Wissenschaftler) konzentrieren müssen, stellt sich vor allem die Frage, wie hoch der personelle und der zeitliche Aufwand zugunsten der Förderung von Informationskompetenz bei außeruniversitären Zielgruppen sein kann. Renke Siems (UB Tübingen) thematisierte dies unter dem Vortragstitel: "Economy Class - Schulungen mit begrenzten Ressourcen". Siems richtete das Augenmerk auf das Problem begrenzter personeller und zeitlicher Ressourcen in großen Universitätsbibliotheken (Tübingen, Freiburg usw.). Die UB Tübingen würde Schülereinführungen für ca. 600 Teilnehmer(innen) im Jahr anbieten, getragen durch Fachreferenten und Diplombibliothekare, bei einem engen Zeitfenster und begrenzten Ressourcen. Die Seminarkurseinführungen betrachte man jedoch als wichtige Investition in die Zukunft, geeignet auch, um Schwellenangst bei den Jugendlichen abzubauen. In Baden-Württemberg kooperiert das "Netzwerk Informationskompetenz Baden-Württemberg (NIK BW)" mit dem Bildungsserver Baden-Württemberg ("Bildung stärkt Menschen!"), auf dem die Bibliotheksangebote für Schüler(innen) eingestellt werden. Die Empfehlungen des NIK BW sehen für Schülerkurse eine Zeitbegrenzung auf 90-120 Minuten vor, bei maximal 15 Personen pro Gruppe.

Neugier! Zweifel! Informationskompetenz anders!

Susanne Rockenbach (UMB Kassel) forderte in ihrem engagiert vorgetragenen Referat eine neue Perspektive in Richtung auf: "Neugier! Und Zweifel! Informationskompetenz anders!" Nicht das Abhandeln zahlreicher Informationsangebote und das bloße Üben der Recherchestrategie sollte im Mittelpunkt der Förderung von Informationskompetenz stehen, sondern das Wecken bzw. Anregen von Neugier und Zweifel bei den Nutzern angesichts kaum noch überschaubarer Mengen an Informationsressourcen (Stichwort: Lebenslanges Lernen). "Learning" library steht im Vordergrund statt "teaching" library. Lernen statt Lehren... das ist Kern des Kasseler Konzepts.

Hochschule und Teaching Library im Dialog

Silvia Herb (UB Bielefeld) und Swantje Lahm (Schreibdidaktikerin) schlossen sich an mit einem als fiktives Gespräch gestalteten gemeinsamen Beitrag zur Kooperation zwischen Hochschule und Bibliothek auf dem Feld der Informationskompetenz. Der Titel ihres Vortrags lautete: "Was ihr wollt - Hochschule und Teaching Library im Dialog". Entscheidend sei die Orientierung am Arbeitsprozess der Studierenden. Eine repräsentative Umfrage in Bielefeld erbrachte, dass die Studierenden Probleme haben, Literatur auf ein Thema einzugrenzen, das Thema zu klären und einzugrenzen, die Informationsflut zu bewältigen, die Formalia des wissenschaftlichen Arbeitens (Zitierweisen etc.) zu kennen. Google und Wikipedia solle man nicht verteufeln, sich bei der Vermittlung von Informationskompetenz auf Basics beschränken - das wäre vielleicht eine Lösung.

Den Abschluss des ersten Konferenztages bildete der Beitrag von Josef Herget (HTW Chur, Institut für Informationswissenschaften) zum Thema: "Digitale Lernumgebungen: Information, Medien und kollaborative Arbeitsstile als Herausforderungen der Kompetenzvermittlung". Schlüsselqualifikationen seien unverzichtbar für Lebenslanges Lernen und müssten frühzeitig vermittelt werden. Informations- und Medienkompetenz genauso wie Methoden- und Sozialkompetenz ferner persönliche Kompetenz (Empowerment), eingebettet in die Fachkompetenz. Herget befürwortet das Einbeziehen didaktischer Ansätze wie kognitives Lernen, situatives Lernen und Konstruktivismus. Kriterien für erfolgreiches Lernen seien die Unterstützung aktiven Lernens, Feedback, Termintreue, man solle hohe Erwartungen kommunizieren, die Motivation der Lernenden stärken, kontextuelles Lernen anregen, dadurch die Konstruktion von Wissen fördern.

Das DIAMOND Konzept der HTW Chur erfüllt laut Herget die genannten Kriterien. Multiple Schlüsselqualifikationen müssten im Zusammenhang gelehrt werden, im Sinne eines "oszillierend-dynamischen pädagogischen Konzepts" (Fokussieren, Schreiben, Präsentieren, Reflektieren, Kritisieren).

Neue Lernformen und die Position der Bibliotheken

Am zweiten Konferenztag ging es um neue Lernformen und die Position der Bibliotheken im Lernprozess anhand verschiedener Beispiele aus der Praxis. Manuela Rohrmoser (UB Wien) stellte das Konzept der Teaching Library an der UB Wien vor. Lehrveranstaltungen zum wissenschaftlichen Arbeiten gäbe es in mehreren Instituten, 2001 wurde dann ein Backoffice (Ask a Librarian) als mittlerweile zentrale Serviceeinrichtung geschaffen. Die Hauptbibliothek bietet mehrere Schulungen (OPAC, Literaturrecherche etc.) an, auch Führungen natürlich (Einführung in die Benutzung der UB Wien), vor allem für die Studienanfänger und für die Öffentlichkeit. Die Einführung in den Online-Katalog ist differenziert und erstreckt sich auf die wichtigen Funktionalitäten der Recherche. Auch die Zeitschriftensuche wird im Rahmen einer Einführung vermittelt (mehrere Termine pro Semester), dann die Datenbankrecherche, einschließlich der Verlinkung mit Volltextangeboten, und die Fernleihe. Die Teilnahmefrequenzen der Schulungen der Hauptbibliothek bewegen sich seit drei Jahren auf hohem Niveau: 2004 (3567 Personen), 2005 (3997) bzw. 2006 (3559). Über interne Fortbildungen wird das Bibliothekspersonal qualifiziert. Ins Leben gerufen wurde eine AG Teaching Library, die ein Gesamtkonzept der TL entwickeln, Marketing anstoßen, Online-Tutorials erstellen, Standards erarbeiten, die Einbindung in das Curriculum betreiben soll.

Italien: Bibliothek als Labor

Wie ist der Entwicklungsstand der Teaching Library in Italien? Grundsätzlich wurde hervorgehoben, dass die Vermittlung von Informationskompetenz durch Bibliotheken bislang nicht in den Curricula verankert ist. Das Bibliothekspersonal darf auch keine Prüfungen abnehmen oder Zertifikate unterschreiben. Patrizia Luperi (Bibliotheks-, Archiv- und Museumszentrum Universität Pisa) widmete sich dem Thema mit Blick auf die neuen Studiengänge: "Über Bücher und Kataloge hinaus - credit points und praktische Ausbildung an den Bibliotheken der Universität Pisa." Im Mittelpunkt stehen neue Formen des Lernens in der Bibliothek, die Bibliothek sieht sich als Labor für ein neues Lernmodell. Unter Rückgriff auf die Lerngesellschaft des 19. Jahrhunderts, als Vorform des Lifelong-Learning-Gedankens, könne die Bibliothek wesentlich dazu beitragen, die Kultur des Lernens zu verbreiten. Das gelte für den Erwerb neuer Wissensformen in Anhängigkeit vom jeweiligen Kontext, für Zusammenarbeit mit anderen Lernenden und für den aktivierenden Aufbau des Lernprozesses (Konstruktivismus). Die Schule allein könne das nicht mehr leisten, sondern neue Zentren müssten hinzu kommen, wie die Bibliothek mit ihrem Angebot an Praktika.

Markus Fritz (Amt für Bibliotheken und Lesen Bozen) konzentrierte sich in seinem Beitrag auf die in Südtirol sehr verbreiteten Schulbibliotheken: "Lernkompetenz in der multimedialen Schulbibliothek fördern: Beispiele aus Südtirol". In den Jahren 1990/92 entstand ein eigenes Landesgesetz zur Förderung von Schulbibliotheken, die als Informations-, Lern- und Lesezentrum mit hauptamtlichem Bibliothekspersonal bzw. ausgebildeten Lehrer(innen) auszubauen seien. Es gibt zentrale Schulbibliotheken aber auch kombinierte Formen (bei Klein-/Kleinstschulen), mit multimedialer Ausstattung, mit Räumen für Präsentationen und mit ausreichend langen Öffnungszeiten. Wichtig ist die gute Zusammenarbeit zwischen Bibliothekslehrern und anderen Lehrkräften. Das zu erlernende Informationsmanagement besteht aus sieben Schritten: Zentral ist die Leseförderung (1), sodann erhalten die Schüler(innen) eine Einführung in die Bibliothek (2), sie üben das Recherchieren in allen Medien (3), ferner die erforderlichen Arbeits-, Lese- und Lerntechniken (4), Strategien der Informationsentnahme (5), das Visualisieren (6) und auch das Präsentieren (7) der Rechercheergebnisse. Die Förderung von Lese-, Informations- und Medienkompetenz ist eng mit dem Unterricht verzahnt. Entwickelt wurde ein vorbildliches zweijähriges Trainingsprogramm für die Jahrgangsstufen 9 und 10 mit den Schwerpunkten: Schulbibliothek, Methodenkompetenz, Recherchieren. Im Mittelpunkt des sechs Bausteine umfassenden Programms steht "knowledge building" (Lernkompetenz) - Methoden müssen mit Inhalten verschiedener Unterrichtsfächer (Deutsch, Geschichte, Biologie, Physik u. a.) verknüpft werden.

Abgeschlossen wurde der Vormittagsblock durch den Vortrag von Luciana Sacchetti (Bibliothek der Abt. für statistische Wissenschaften Bologna): "Junge Statistiker in der Bibliothek - Erforschung, Nutzung und Auswertung einer neuen Sammlung von Kennzahlen, Daten und Indikatoren." Nach den Ergebnissen der vorgetragenen Studie sind Hauptnutzer der Bibliothek die Studierenden von drei Fakultäten. Es geht um die Einrichtung eines Labors. Dazu wurde eine Benutzeruntersuchung durchgeführt (Clusteranalyse). Der typische Nutzer schätzt die Bibliothek als Ort, wo er freien Zugang zu allen Ressourcen und Arbeitsmöglichkeiten hat. Wichtig ist das Verhalten der "Neugier", die den jungen Statistikern vermittelt werden muss. Die statistische Recherche ist erheblich komplexer als eine bibliographische Recherche. Man braucht viel Kenntnis und Geduld, um eine einfache Zahlenreihe zu erhalten.

Kernaufgabe, Kooperation, Koordination

Einige Vorträge befassten sich auch mit den Partnerinstitutionen der Teaching Library und stellten Best-Practice-Modelle vor. Fabian Franke, Direktor der UB Bamberg, schilderte das bayerische Kooperationsmodell: "Kooperation schafft Konzepte. Die AG Informationskompetenz im Bibliotheksverbund Bayern." Franke betonte die Bedeutung der drei "K" für den langfristigen Erfolg der Teaching Library: Sie müsse als Kernaufgabe gleichrangig mit der Erwerbung, Erschließung und Bereitstellung von Information definiert werden, sie bedürfe der Kooperation durch die Bildung von regionalen Netzwerken, sie beruhe schließlich auf der Koordination im Hinblick auf Standards, Mitarbeiterschulungen und Öffentlichkeitsarbeit, möglichst wahrgenommen durch eine zentrale Stelle in der Bibliothek.

Die Aufgaben der bayerischen AG Informationskompetenz erstrecken sich auf die Formulierung von Standards, die Unterstützung der Fachleute vor Ort und auf die Koordination von Best Practice-Modellen. Fabian Franke umriss dann das zehn Punkte umfassende Arbeitsprogramm. So erbrachte eine Bestandsaufnahme zum Informations- und Schulungsangebot der bayerischen Universitäts- und Hochschulbibliotheken, dass 87 % der insgesamt 13.792 Befragten bei der Informationssuche den OPAC, aber nur rund 33 % das Gateway Bayern bzw. die Datenbanken und 31,5 % die E-Journals kennen und nutzen. Von den Schulungsangeboten der Bibliotheken haben etwa 60 % der Befragten noch keinen Gebrauch gemacht, von den 38 %, die solche Angebote schon wahrgenommen haben, nahmen nur 12 % an Kursen teil, die über die gängigen Bibliotheksführungen hinaus gehen. Mit Blick auf diese Bibliotheksveranstaltungen wünscht man sich vor allem Rechercheanleitungen, studienfachspezifische Schulungen und Schulungen zu den verschiedenen Medienarten. Bevorzugt wird von etwa 40 % der Befragten der Veranstaltungstyp Vorlesung, von 39 % ein interaktives Lehr-Lernangebot, von 33 % der Befragten ein Online-Training.

Die AG Informationskompetenz im Bibliotheksverbund Bayern bemüht sich ferner um Konzepte zur Integration der Bibliothekskurse in das Studium wie auch um Modelle und Unterrichtsformen im Sinne von Best Practice.


Klaus Oberdieck (Braunschweig) plädiert für eine Vielfalt von Sozialformen des Unterrichts
Foto: Monika Schneider, UB Innsbruck

Didaktisch-methodische Fragen

Anschließend widmete sich Klaus D. Oberdieck (UB Braunschweig) in kritischer Absicht auch den didaktisch-methodischen Fragen im Zusammenhang mit der Teaching Library: "Nicht mehr als 90 Minuten - die gymnasiale Oberstufe in wissenschaftlichen Bibliotheken. Ein Erfahrungsbericht und zugleich ein Plädoyer wider den Methodenzwang." Oberdieck bezog sich mit seinen Ausführungen auf die Region Braunschweig, an deren Gymnasien sich das Angebot der UB Braunschweig richtet. Er skizzierte zunächst die Entwicklung des Schulungsangebots, das im Jahr 1999 eine allgemeine Einführung mit Führung durch das Haus (45 Min.), dann eine Einführung in die Informationsmittel des Faches (60 Min.) umfasste, im Laufe von nur sieben Wochen allerdings 43 Leistungskurse aus 14 Gymnasien (600 Schüler!) erreichte. Gemäß der von den Schulen ausgesprochenen Bitte "Nicht mehr als 90 Minuten" modifizierte die UB ihr Konzept im Hinblick auf eine kompakte Fachführung: Allgemeiner Teil (ca. 15 Min.), fachlicher Teil (ca. 75 Min.) mit themenzentrierten Sachrecherchen im Online-Katalog und in Aufsatzdatenbanken. Pro Jahr erreichte man damit ca. 110 Leistungskurse aus 40 Gymnasien (2.100 Schüler). Konzentriert ist das Bibliotheksangebot auf die Bedürfnisse des "Seminarfachs" der Klasse 12 an Gymnasien: Behandelt werden fachübergreifende und fächerverbindende Problemstellungen, und es geht um die Vermittlung methodischer Kompetenzen: Informationsbeschaffung, Informationsverarbeitung, Informationsbewertung, Ergebniserstellung und -bewertung, Ergebnispräsentation.

Im Jahr 2007 unterlag dieses Schulungskonzept der Bibliothek folgenden Rahmenbedingungen: Vorgabe der Schulen: "Nicht mehr als 90 Minuten!" Vorgabe der UB: "Nur in zeitlichem Zusammenhang mit der Themenvergabe für das Seminarfach!" Der Einsatz moderner Medien (Beamer) ist obligatorisch. Das "Braunschweiger Praxismodell" beinhaltet die Integration der Schulungen in aktivierende Lernumgebungen bzw. Projekte. Unter dem Motto Fit für die Informationsbeschaffung wurden u. a. freie Schullizenzen für die FIS Bildung Literaturdatenbank beschafft und die elektronische Schulfernleihe eingeführt. Daraus wurde das landesweite Modell "Fit für die Informationsbeschaffung in Niedersachsen / Schüler entdecken die wissenschaftlichen Bibliotheken" als eine landesweite Kooperation in Niedersachsen. Dieses flächendeckende Angebot ist unter einer eigenen Webseite verfügbar <http://www.biblio.tu-bs.de/schulprojekt/>. Oberdieck verdeutlichte das den Schulungen der UB Braunschweig zugrunde liegende didaktische Prinzip der Integration von Kursen in aktivierende Lernumgebungen. Dabei kommt durchaus auch die Sozialform des Frontalunterrichts sinnvoll zum Einsatz, zusätzlich zu und neben anderen Sozialformen des Unterrichts.

Die Innsbrucker Tagung endete mit den Vorträgen von Paolo Buoso und Ulrike Kugler (UB Bozen) über "Gelebte Mehrsprachigkeit und ihre Auswirkungen auf die Förderung von Informationskompetenz am Beispiel der Universitätsbibliothek Bozen", von Naoka Werr (UB Regensburg) zum Thema "Auf der Suche nach Orientierung in der Wissensgesellschaft - die Regensburger Studieneinheit Informationskompetenz / Information literacy (INK) als ein Lösungsansatz". Dieses Konzept beinhaltet ein Angebot der UB Regensburg im Rahmen des auf zwei Semester konzipierten frei kombinierbaren Nebenfachs "Informationskompetenz / Information Literacy (INK", das am Institut für Medien-, Informations- und Kulturwissenschaft (IMIK) angesiedelt ist.

Christian Jahl (Hauptbücherei Wien am Gürtel) beschloss die Tagung mit seinem Vortrag zum Thema "Lernort Hauptbücherei Wien". Das faszinierende neue Bibliotheksgebäude im Herzen der Stadt Wien eröffnet eine breite Palette an Möglichkeiten des Lernens. Die Bibliothek versteht sich deshalb auch als Teaching Library und realisiert dieses Konzept vornehmlich durch Kooperationen beispielsweise mit den Musikschulen, den Volkshochschulen, mit dem Wiener ArbeitnehmerInnenförderungsfonds oder mit dem "Theater in Arbeit". Die interkulturelle Bibliotheksarbeit ist groß geschrieben, und man konzentriert sich stark auf Kinder und Jugendliche, insbesondere auch im Hinblick auf die Sprachförderung im Einwanderungsland Österreich. Die beeindruckenden Fotoimpressionen, die Christian Jahl per Powerpoint auf die Leinwand zauberte, setzten der Innsbrucker Tagung sozusagen die Krone auf und beflügelten die anwesenden Kolleg(inn)en der vier Länder in ihrem gemeinsamen Anliegen, die großartigen Möglichkeiten der Bibliothek als Raum aktiven Lehrens und Lernens mehr als bislang kreativ auszuschöpfen und dadurch eine neue wichtige Kernaufgabe bibliothekarischen Handelns zu etablieren.

Ohne Übertreibung kann konstatiert werden, dass die Innsbrucker Tagung zur Festigung des internationalen Konferenzprojekts "Die Lernende Bibliothek / La biblioteca apprende" maßgeblich beigetragen hat, so dass dieses sich allmählich zu einem hochgeschätzten Markenzeichen für die grenzüberschreitende bibliothekarische Fortbildung herausbildet. Die beteiligten Bibliotheksverbände haben einen sehr guten Riecher bewiesen, als sie die Veranstaltungsreihe auf maßgebliche Initiative des Bibliotheksverbandes Südtirol 2002 in Klagenfurt aus der Taufe hoben. Man darf gespannt sein auf die nächste Fachtagung im Herbst 2009 an einem noch nicht feststehenden Ort in einem der beteiligten vier Länder.


Zum Autor

Wilfried Sühl-Strohmenger ist Leiter der

Dezernate Bibliothekssystem und Informationsdienste
Universitätsbibliothek Freiburg
Postfach 1629
D-79016 Freiburg