Kooperation versus Eigenprofil

Bericht von der 31. Arbeitstagung der ASpB in Berlin

von Siegfried Schmidt

"Mit ihren Themen hat die Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken (ASpB) oft die Nase vorn", über diese Anerkennung der Festrednerin Claudia Lux, Generaldirektorin der Berliner Zentral- und Landesbibliothek und derzeitigen Präsidentin der IFLA, freuten sich veranstalter und Teilnehmer der 31. ASpB-Tagung mit dem Thema "Kooperation versus Eigenprofil". Wenn es auch im Motto der Tagung nicht bewusst zum Ausdruck kam, so ist als Antipode zur Kooperation der Begriff Konkurrenz zu nennen und genau mit diesem Begriffspaar setzte sich die IFLA-Präsidentin am Beispiel der bibliothekarischen Lobbyarbeit auseinander. "Wir liegen nicht im Wettbewerb mit anderen, sondern mit unseren eigenen Irrtümern", sagte sie. Es handele sich bei Konkurrenz um ein prozesshaftes Ringen verschiedener Institutionen um begrenzte Ressourcen, um Aufmerksamkeit und um Anerkennung. Wenn es ein solches Ringen auch unter bibliothekarischen Verbänden im Hinblick auf ihre Fachtagungen gibt, so befand sich die ASpB mit ihrem Tagungsmotto tatsächlich am Puls der Zeit. Mehr als 450 gemeldete TeilnehmerInnen waren ein neuer Rekord für eine Tagung der Spezialbibliotheken.

Die Tagungsbedingungen und -organisation in der im alten Westteil Berlins gelegenen Technischen Universität waren optimal. Der Lichthof des Hauptgebäudes stand der begleitenden Ausstellerpräsentation zur Verfügung und dem Veranstalter wurden zwei technisch hochmodern ausgestattete Hörsäle überlassen. Der ASpB-Vorsitzende Dr. Jürgen Warmbrunn leitete die Arbeitstagung, die nach 1971 und 1997 zum dritten Mal in Berlin zu Gast war. Bei der Tagungseröffnung hob Dr. Wolfgang Zick, Direktor der gastgebenden Bibliothek hervor, dass sein Vor-Vorgänger in diesem Amt, Prof. Dr. Paul Kaegbein, bei gleichem Anlass schon 1971 die Notwendigkeit bibliothekarischer Kooperation mit der Aussage umrissen hat, dass Bibliotheken ihre Informationsaufgaben nur im Verbund erfüllen können, da keine Bibliothek in der Lage ist, alle Benutzerwünsche mit den eigenen Ressourcen zufrieden zu stellen. Diese Grundaufgabe sei bis heute trotz aller technischen Entwicklungen die gleiche geblieben: Bibliotheken und Informationseinrichtungen müssen kooperieren, wenn sie eine möglichst optimale Zugänglichkeit zu Informationen bieten wollen. Aus der Vielzahl der insgesamt 58 Fachvorträge und zusätzlichen Firmenpräsentationen soll über einige berichtet werden, die den aktualitätsbezogenen Charakter der diesjährigen Tagung besonders verdeutlichen:

Ob der angestrebte Regelwerkswechsel von den RAK zu RDA wirklich zu einer Qualitätsverbesserung der Informationsdienstleistungen für die NutzerInnen führt, oder dieser letztlich doch nur einer mit Globalisierungsargumenten betriebener Selbstzweck ist, der Bibliotheken Geld kosten wird und viele Ressourcen bindet, sei dahingestellt. Jedenfalls wurden die TagungsteilnehmerInnen aus erster Hand durch Gudrun Henze von der Deutsche Nationalbibliothek über den Stand der Arbeiten an der Ressource Description and Access informiert. Als großer Wurf sollen diese internationalen Regeln nicht nur die Anglo-American Cataloguing Rules ersetzen und alle Medientypen abdecken, sondern außerdem für Archivbestände und Museumsgut geeignet sein und die Bedürfnisse der Metadaten-Gesellschaften zufrieden stellen. Doch noch ist eine solch glanzvolle Katalogisierungswelt Zukunftsmusik und das Vorhaben steckt gegenwärtig in den Mühen der Ebene.

Tagesaktuell referierte Dr. Harald Müller, Max-Planck-Institut für Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg, stets bestens in Fragen des Urheberrechtes für Bibliotheken und Dokumentationseinrichtungen informiert, zum Thema Ist das e-Book seinem gedruckten Zwilling rechtlich gleichgestellt. Verglichen mit ihren gedruckten Pendants bestehen gegenwärtig noch manche Unterschiede in der urheberrechtlichen Behandlung von e-Books zu Lasten der Bibliotheken.

Apropos e-Books: In der Session Open-Access - Strategien für eine erfolgreiche Umsetzung wurde deutlich, dass der freie, seitens der Urheber wissenschaftlicher Veröffentlichungen gewünschte Zugang zu elektronisch verfügbaren Texten mit manchen Schwierigkeiten behaftet ist. Dr. Olaf Hering, BBA, Informationszentrum Phytomedizin und Bibliothek, Berlin, sprach gar von einer Open-Access-Krise. Er erinnerte daran, dass Open Access eine Antwort auf die Zeitschriftenkrise der Bibliotheken sein wollte und zugleich die Zeitschriftenkrise (die Bibliotheken können sich immer seltener die immer teureren Abonnements der Print-Zeitschriften leisten) verursacht und verschärft. Wissenschaftler, selbst der eigenen Institution, haben mit Open Access wenig am Hut: die Verfügbarmachung eines elektronischen Dokuments muss schnell und ohne großen Aufwand zu machen sein. Aus dieser Perspektive sind Fragen der Langzeitverfügbarkeit und breiten Zugänglichkeit der Dokumente Sache derjenigen Institution, die Open Access betreibt. Somit liegt der schwarze Peter wieder bei der Bibliothek oder Informationseinrichtung, die Gelder und Personal für Open Access bereitstellen muss. Als möglichen Ausweg verwies Hering auf seine Erfahrungen mit der Kooperation der eigenen Institution mit einem Fachverlag. Dieser erhält das Erstveröffentlichungsrecht eines Beitrages in einer renommierten Zeitschrift. Nach sechs Monaten darf der Originalartikel dann frei geschaltet werden. In dieser Session Open Access - Mittel zum bibliothekarischen Zweck machte Roland Bertelmann, Bibliothek des Wissenschaftsparks Albert Einstein, Potsdam, deutlich, dass Open Access für Bibliotheken auch ein Vehikel zu neuer Kundennähe, die immer ein Charakteristikum von Spezialbibliotheken gewesen ist, sein kann. Jan B. Weiland, Deutsche Zentralbibliothek der Wirtschaftswissenschaften Kiel, stellte den hauseigenen ZBW-Dokumentenserver als ein fachspezifisches Repository für elektronische Volltexte vor.

Weitere Vorträge bestanden aus Erfahrungsberichten oder beinhalteten die Vorstellung aktueller Konzeptionen zur Kooperation. Das Spektrum war vielfältig und reichte von Berichten über NEREUS, einem Netzwerk europäischer Bibliotheken im Bereich der Wirtschaftswissenschaften (Olaf Siegert, Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften, Kiel) und dem gerade aus der Taufe gehobenen Kooperationsprojekt der drei zentralen Fachbibliotheken in Deutschland GOPORTIS (Robert Strötgen, Hannover) über einen Einblick in Formen der Kooperation in der Welt der Bibliotheken und Informationseinrichtungen der Bundeswehr (Birgit A. Schulte, Bonn) bis hin zu Erfahrungen der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek Köln mit bibliothekarischer Kooperation als mögliche Antwort auf Sparzwänge. Auch ausländische Kooperationserfahrungen flossen vereinzelt ein, etwa durch den Bericht von Hella Klauser, Kompetenznetzwerk für Bibliotheken, Berlin. Unter dem Titel Ten as one stellte sie schwerpunktmäßig ein britisches Projekt vor, das der organisierten Zusammenarbeit von Bibliotheken, Archiven und Museen dient und das interessante Motto Ten as one - Connecting people to knowledge and inspiration trägt. Mehrere dieser ReferentInnen machten dabei deutlich, dass Kooperation und Eigenprofil sich nicht widersprechen, sondern eine gezielt betriebene Kooperation oftmals zur Profilbildung der eigenen Institution beiträgt.

Kooperation ist für die ASpB kein Fremdwort. Die diesjährige Tagung fand erneut in bewährter Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Bibliothekswesen und Dokumentation des Landbaues (GDBL) statt, die im Rahmen dieser Fachtagung ihr eigenes Vortragsprogramm Literaturerschließung und Vermittlung von Informationskompetenz in Agrarwissenschaft und Gartenkultur einbrachte und ihre Mitgliederversammlung abhielt.

Die Fortführung dieser im zweijährigen Turnus stattfindenden erfolgreichen ASpB-Tagungen ist sicher gestellt. Während der Mitgliederversammlung konnte der Vorsitzende bereits die 32. ASpB-Tagung vom 22. bis 25.09.2009 in der Universitätsbibliothek Karlsruhe bekannt geben. Die Verantwortlichkeiten werden sich dann etwas verschieben, denn der künftige Beirat, der für die Amtsperiode 2007 bis 2011 neu gewählt wurde, hat eine deutliche personelle Veränderung erfahren. Mit Dr. Rafael Ball, Jülich, Dr. Regina Peeters, Straelen, Dr. Reinhard Trudzinsky, Hamburg und Christoph-Hubert Schütte, Karlsruhe, schieden vier, teils langjährige und erfahrene Mitglieder des Beirates und zwei ehemalige Vorstandsvorsitzende aus. Letztgenannter steht allerdings der ASpB mit seiner großen Verbandserfahrung als Ehrenmitglied zur Seite. Neu in den Beirat wurden gewählt: Dr. Jürgen Plieninger, Bibliothek des Instituts für Politikwissenschaft Tübingen - vielen ASpB-Mitgliedern sicher bestens bekannt durch sein Engagement in verschiedenen Weblogs und im Berufsverband Information Bibliothek (BIB) - sowie Henriette Senst, Bibliothek des Robert-Koch-Instituts, Berlin. Mit Frau Senst konnte eine junge und durch ihr früheres Engagement im Vorstand des Verbandes der kirchlich-wissenschaftlichen Bibliotheken der Evangelischen Kirche bereits in der Verbandsarbeit erfahrene Kollegin hinzugewonnen werden. Die ASpB ist damit personell endgültig in der Hauptstadt angekommen: fünf der gegenwärtig elfköpfigen Crew von Vorstand und Beirat leben und arbeiten in Berlin.