Gasteditorial  
 
Eine wohl gewachsene, fruchtbringende und anerkannte Hybride
- B.I.T.online ist zehn Jahre alt geworden

Zehn Jahre sind eine kurze Zeit - etwa für Bäume oder für Bibliotheken. Zehn Jahre sind eine lange Zeit - zum Beispiel für Menschen, besonders wenn sie jung sind, und sie sind auch eine lange Zeit für neu gegründete Zeitschriften.

Der Verfasser dieses Editorials kann sich gut daran erinnern, wie er Anfang der achtziger Jahre mit der Idee einer regionalen Bibliothekszeitschrift hausieren ging und viele ablehnende Reaktionen verkraften musste, etwa folgenden Inhalts: "Zwei Jahre Überlebenschance gebe ich Ihnen, mehr nicht; wenn Sie wider Erwarten fünf Jahre schaffen, wären Sie über'm Berg." Sehr beliebt und für den optimistischen Zeitschriftengründer ungemein ermutigend waren auch Hinweise auf die reiche (!) Anzahl an Bibliothekszeitschriften ("Noch eine!?") oder auf die allgemein bekannte Tatsache, dass Bibliothekare ohnehin nicht oder aber immer weniger läsen? Nun, die Zeitschrift wurde doch gegründet und ist auch am Ende des dritten Jahrzehnts ihres Bestehens recht lebendig, wenn auch in einem durchaus beabsichtigten begrenzten regionalen Rahmen.

Von Anfang an weiter ausgreifen wollten die Gründer der Zeitschrift für Bibliothek, Information und Technologie mit aktueller Internetpräsenz: B.I.T.online, das waren von Bibliotheksseite die unten genannten Herausgeber und verlagsseitig Erwin König, als sie 1998 das junge Pflänzchen in die Informations- und Bibliothekslandschaft setzten. Internationalität (dazu gehören Abstracts in drei Sprachen) und Intermedialität waren und sind ein Anspruch, den die Zeitschrift seit zehn Jahren erfüllt. Die Zeichen einer Zeit erkennend und nutzend, in der die Idee von Hybridbibliotheken Platz zu greifen begann, wurde dieses neue Pflänzchen von den Herausgebern als Hybride gedacht und gemacht - eine gedruckte Zeitschrift "mit aktueller Internetpräsenz" (deutlicher und kürzer als ihr Untertitel kann man es nicht ausdrücken).

Auf eine den Gründervätern und -müttern und dem Wiesbadener Verlag vermutlich oft gestellte Frage antworteten im Editorial des ersten Heftes mit dem Titel "Warum eine neue Zeitschrift?" die Herausgeber Rolf Fuhlrott, Sigrid Reinitzer, Christoph-Hubert Schütte und Willi Treichler u. a.: "In unserer schnelllebigen Zeit ist das, was heute geschrieben wird, morgen schon veraltet und oft sogar schon überholt, wenn es gedruckt wird. Daher werden wirkliche immer mehr durch neue Medien abgelöst; das Elektronische ersetzt das Print-Medium."

Die Editoren beschreiben dann mit offenkundigem Behagen die Mehrfach-Bedeutung des Titels (B.I.T., bit) und das in ihm eingeschlossene inhaltliche Profil der neuen Zeitschrift: "Damit wird gesagt, dass alle für den Leser wichtigen Belange des Bibliothekswesens angesprochen werden, allerdings schwerpunktmäßig der Bereich der Information mit Fragen zur EDV, Telekommunikation, Multimedia und Internet sowie der Bereich der Technologie, der bei der äußeren Hülle, dem Gebäude, beginnt und sich fortsetzt über Innenausstattung, Einrichtung und Geräte und damit schließlich in den Informationsbereich mündet mit der Datenverarbeitung in multimedialer Form. Auch soll das Spektrum nicht allein auf Bibliotheken begrenzt bleiben, sondern auch alle verwandten Gebiete, insbesondere die Schwesterbereiche des Archiv- und Dokumentationswesens mit einbeziehen." (1/1998; S. 7.)

Diese Zielrichtung der Zeitschrift machte sie von Anfang an auch zu einem Fenster in die Welt der Wirtschaft und des Handels, die durch Anzeigen wie durch redaktionelle Beiträge in jedem Heft kräftig präsent ist. Einmal abgesehen davon, dass das Anzeigengeschäft die Zeitschrift lebensfähig und unabhängig etwa von staatlicher Unterstützung macht, abgesehen auch davon, dass die große Anzahl und die Vielfalt der Inserenten Sorgen um wirtschaftliche Einflussnahme von vornherein nicht aufkommen lässt, abgesehen davon also hat B.I.T.online mit dieser Fensterfunktion durchaus auch eine Leerstelle auf dem bibliothekarischen Informationsmarkt besetzt - ein Informationsmarkt der übrigens seit grauer Vorzeit mindestens einmal im Jahr auch real und fast im Wortsinne stattfindet. Die Rede ist von den Bibliothekartagen und Kongressen, den hoch ragendsten Eichen im ehemals wild wuchernden Paradiesgärtlein des bibliothekarischen Tagungsgefüges.

Auf diesem Gebiet hat sich unsere Jubilarin ebenso Verdienste um Bibliotheken und Bibliothekare wie um die einschlägige Wirtschaft erworben, indem sie nämlich wiederum eine Leerstelle besetzte - die Leerstelle der aktuellen Tagungsberichterstattung nämlich. B.I.T.online Kongress News heißen die seit dem Jahr 2000 auf Kongressen und Bibliothekartagen und mittlerweile auch auf anderen Veranstaltungen in Deutschland, aber auch im europäischen Ausland tagungstäglich erscheinenden Blätter. Sie sind in hohem Maße informativ, flott gemacht, gut zu lesen - und, besonders wichtig, sie werden gelesen.

Dies liegt vor allem an zwei engagierten Personen. Da ist zunächst einer der Herausgeber der Zeitschrift: Im tagungsfreien Leben Ingenieur, würdiger Bibliotheksdirektor und viele Jahre auch berufspolitisch aktiv legt er auf Kongressen etc. diese Verkleidung ab und lässt seiner wahren Berufung als rasender Reporter und unerbittlicher Interviewer freien Lauf. Ihm zur Seite steht kalmierend Verleger Erwin König mit seinem Redaktionsteam, das sich um die Sache, aber auch um das leibliche und geistige Wohl des Tagungsreporters und seiner Diskutanten sorgt, das Blatt macht und die technischen Voraussetzungen für den nächsten Tag schafft zu einer Zeit, wenn die Tagungsteilnehmer bereits längst feiern.

In diesem Zusammenhang seien einige Worte über die für B.I.T.online redaktionell Verantwortlichen gesagt. So aufgeschlossen und progressiv die Zeitschrift sich auf alle möglichen, besonders auch zukunftsorientierte Themen einlässt, so kontinuierlich gediegen tritt sie in Form und Inhalt auf. Dies liegt gewiss auch in der Kontinuität und der Kompetenz des Herausgebergremiums begründet, mit Rolf Fuhlrott (als Chefredakteur), Sigrid Reinitzer (Graz), Christoph-Hubert Schütte (Karlsruhe) und bis 2007 Willi Treichler (Bern). Unterstützt werden die Herausgeber von so genannten "Korrespondierenden Mitarbeitern". In der Anfangsphase waren dies Clemens Deider, Robert Klaus Jopp (übrigens verwechselt Heft 1 die beiden im Porträt, was sie aber offensichtlich verkraftet haben) und Irmgard Lankenau. Zehn Jahre später wird der Kreis der Korrespondierenden Mitarbeiter gebildet von Rafael Ball, Clemens Deider, Ute Krauss-Leichert, Wolfgang Ratzek, Barbara Schneider-Kempf und Wilfred Sühl-Strohmenger.

Auf die viel zu früh im Alter von 52 Jahren 2004 verstorbene Kollegin Irmgard Lankenau erschien im Heft 2 eben diesen Jahres ein bewegender Nachruf von Joachim Ringleb und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universitätsbibliothek Koblenz-Landau sowie Rolf Fuhlrott für die Herausgeber und den Verlag, in dem "Abschied genommen" wird "von einer strahlenden Frau, deren Liebenswürdigkeit alle noch lange in Erinnerung behalten werden". (2/2004, S. 90 - 91.)

Von Beginn der Zeitschrift an hat sich B.I.T.online interessiert und engagiert der Belange aller Verbände des Bibliotheks- und Informationswesen angenommen. Dem Verfasser dieses Editorials, der in den zehn Jahren des Bestehens der Zeitschrift u. a. DBV-Vorsitzender und zunächst Stellvertretender Sprecher, dann sechs Jahre lang Sprecher des Dachverbandes BDB bzw. BID war, ist es ein Bedürfnis, sich zum ersten runden Geburtstag unserer Hybride bei allen Beteiligten für die ausführliche, informative, kritische, dabei aber immer faire Berichterstattung zu bedanken!

Zur aktiven Unterstützung der bibliothekarischen Berufsverbände und vor allem des bibliothekarischen Nachwuchses gehört neben der allgemeinen und der speziellen Tagungsberichterstattung durch die Zeitschrift auch der 1999 installierte Innovationspreis, der an Absolventen bibliothekarischer und dokumentarischer Studiengänge geht, und zwar unter dem Motto "Kreatives Potential in der Ausbildung besser nutzen". Heute ist der BIB Kooperationspartner, damals wurde der Preis in Kooperation mit dem VdDB vergeben. Das war doch der Verein, wie hieß er noch ? - zehn Jahre sind eine lange Zeit!

Zehn Jahre sind eine lange Zeit für Menschen, zehn Jahre sind eine kurze Zeit für Bibliotheken - aber sie können ereignisreich sein auch für letztere, und wie!

Die rasante Entwicklung im Bibliotheks- und Informationswesen, vor allem im technischen Bereich, an der Deutschland einen durchaus gewichtigen Anteil hat, spiegelt die Zeitschrift in all ihren Facetten wider, und zwar sowohl in den umfangreicheren Fach- und Nachrichtenbeiträgen, den Reportagen und Interviews wie in den knappen "Digital News" oder in den Rubriken "Kurz notiert", "Neue Produkte" und "Rezensionen". Über die eigentliche Fachinformation hinaus gehen die fast jedem Heft vorangestellten Editorials, meist verfasst vom Herausgeber und Chefredakteur Rolf Fuhlrott, gelegentlich auch von einem Gast.

Hier werden dann auch aktuelle bibliotheks- oder kultur- und bildungspolitische Themen angeschnitten. Natürlich sind die Motti der großen Bibliothekskongresse in Leipzig 2000, 2004 und 2007 Gegenstand der Erörterung; immer wieder einmal wird über das E-book berichtet; die Rechtschreibreform, Pisa und die Leseförderung werden diskutiert und auch die Zukunft des Buches; unnötige Anglizismen im Deutschen sind Gegenstand der Kritik und ebenso der unwürdige Streit um den Verkauf von Handschriften in Baden-Württemberg. Ein Editorial widmete sich den Auswirkungen des Sputnikschocks von vor 50 Jahren auf das Bildungssystem, ein anderes (literarisches) dem Bibliothekswesen auf dem Mars. Und natürlich wurde das bibliothekarische Großereignis in Deutschland schlechthin, der IFLA-Kongress in Berlin 2003 mit seiner bis dato nicht übertroffenen Teilnehmerzahl, nicht nur im Editorial gewürdigt, sondern über mehrere Hefte hinweg mehrsprachig und mit redaktionellem Eros. Dies gilt u. a. ebenso für die aktuelle deutsche IFLA-Präsidentinnenschaft, für Bibliotheken 2007, für die Arbeit der Enquête-Kommission des Bundestages zu Kultur- und Bildung und natürlich für die Weimarer Rede des Bundespräsidenten.

Seit zehn Jahren bietet B.I.T.online fachspezifische, besonders technisch orientierte Information und Anregung - doch nicht ausschließlich. Die Zeitschrift nimmt Anteil an bibliothekspolitischen wie allgemeinen kultur-, wissenschafts- und bildungspolitischen Diskussionen der Zeit. Sie blickt über ihren ohnehin weiten Tellerrand hinaus und hat die hard- wie die software im Blick. Sie fixiert das, was sie erblickt und erkennt, auf Papier und elektronisch.

Zum Schluss dieses Editorials und zum Beginn des neuen Jahrgangs sei es noch etwas barock-beziehungsreicher und damit für den Duktus nicht nur dieser Zeitschrift ungewöhnlicher formuliert: Einer wohl gewachsenen, ansehnlichen Hybriden gratulieren wir zum zehnjährigen Jubiläum ihrer "Anpflanzung"! Wir gratulieren einer Zeitschrift, die, wie die Palme, vielfältigen Nutzen stiftet und die die Arbeit der fruchtbringenden Gesellschaft der Bibliothekare und Informationsfachleute wirkungsvoll begleitet und fördert.

Möge sie weiter wachsen, blühen und gedeihen - Vivat! Crescat! Floreat!

Dr. Georg Ruppelt