Exzellent und initiativ...

Universitätsbibliothek der TU München setzt Maßstäbe

von Klaus Engelhardt

Motto: Die richtige Information zur richtigen Zeit in der richtigen Form am richtigen Ort!

Die Exzellenzinitiative der Bundesregierung hat Bewegung in die Hochschullandschaft gebracht. Neun Universitäten schmücken sich mit dem Prädikat "Eliteuniversität". Doch Elite wäre nicht möglich ohne exzellente universitäre zentrale Einrichtungen, besonders ohne die Universitätsbibliotheken. Und wer in den meisten dieser mit innovativen Lösungen vertreten ist, könnte sich - inoffiziell versteht sich - als "Eliteanbieter" bezeichnen. So etwas gibt es.

Lesesaal der ehemaligen Teilbibliothek Architektur (Bild: Albert Scharger/TU München)

Die Universitätsbibliothek (TUB) der Technischen Universität München (TUM - sie ist seit Ende 2006 eine der ersten drei "Exzellenzuniversitäten"), gehört seit Jahren zu den vielbeachteten Trendsettern in Kundennähe, interner wie externer Qualitätsentwicklung und Servicevielfalt unter den europäischen Universitätsbibliotheken.

Dies war nicht immer so. Schaut man nur zehn bis fünfzehn Jahre zurück, zeichneten sich alle bundesdeutschen Universitäten durch eine fast unüberschaubare Zahl an Insellösungen im Bibliotheksbereich aus. Jede Fakultät, jedes Institut, jeder Lehrstuhl hatte eine eigene Bibliothek und diese Besitzstände wurden zäh verteidigt. Die TUM machte da keine Ausnahme. Über 200 Bibliotheken oder Literatursammlungen unterschiedlichster Größe pochten auf ihr Existenzrecht. Und weil das Individuelle Trumpf war, wurde auch eine Vielzahl von Kombinationen aus Hard- und Software für die Verwaltung der Bestände gepflegt, keineswegs immer mit Spitzenergebnissen bei den Antwortzeiten bezüglich Suche und Bestellung von Literatur. Von der Redundanz in den Beständen ganz abgesehen, was der gesamtwirtschaftlichen Situation im Literatur- und Zeitschriftenbereich ebenfalls keine Spitzenposition einräumte. Von Exzellenz weit und breit noch keine Spur.

So fiel es der Politik letztlich nicht schwer, auch die Universitätsbibliotheken recht rigiden Sparzwängen zu unterwerfen, wobei in Bayern konsequent vorgegangen wurde. Für die TUB bedeutete dies, Jahr für Jahr personellen Aderlass zu verkraften bei ständig steigender Zahl an Nutzern und deren Ansprüchen an erweiterte Services. So wuchs in den letzten Jahren die Zahl der Wissenschaftler an der TUM um fast 20 Prozent, während die TUB in gleicher Zeit 11 Prozent an Stellen verlor. Andere Universitätsbibliotheken haben sich bis heute nicht aus dieser unheilvollen Scherenbewegung befreien können. Anders die TUB.

(Bild: Ina Schmalfuß)

An der Technischen Universität ergriff man die Initiative. Man stellt sich der Kernfrage, wie eine moderne, service- und zukunftsorientierte Bibliothek einer international aufgestellten Technischen Universität aussehen sollte. Zunächst ging es nur um eine grundlegende Bestandsaufnahme und Prozessanalyse. Dadurch, dass für die Ergebnisauswertung mit Booz, Allen & Hamilton eine externe Beratungskompetenz ins Boot geholt wurde, konnten besonders viele Fragen generiert werden, was zur wichtigen Sensibilisierung aller Beteiligten führte.

Die TUB leitete einen Prozess ein, der auch heute noch ein Dauerbrenner ist und bleiben soll. In umfassenden, alle Mitarbeiterbereiche und Standorte der TUB einschließenden Teamsitzungen, Workshops, Schulungen, Qualitätszirkeln und sonstigen Aktivitäten rückte die Belegschaft der TUB nicht nur eng zusammen, sondern entwickelt in hohem Maße Veränderungsbereitschaft, Eigeninitiative und das wichtige Wirgefühl. Es gelang der TUB aus sich heraus eine Kultur des Wandels zu entwickeln und umzusetzen. Die von den verschiedenen Teams der TUB erarbeiteten Überlegungen, Anregungen und Änderungsvorschläge wurden inzwischen in ein Leitbild der Universitätsbibliothek der TUM gegossen, welches in hohem Maße von den Mitarbeitern gelebt wird. Bestandteil dieses Leitbildes ist auch eine ausgeprägt flache Hierarchie in der Organisation.

Dieser lebendige, im Vergleich zur allgemeinen Landschaft der Universitätsbibliotheken nun definitiv nicht triviale Prozess ist die Erfolgsgrundlage der TUB. Heute werden mit weniger Mitarbeitern als früher merkbar umfangreichere und komplexere Services geboten. Qualität und Kundenorientierung sind keine Worthülsen, es sind Eigenschaften des Dienstleisters TUB. Da ist es auch folgerichtig, dass die Aktivitäten der TUB nicht auf den regionalen Bereich beschränkt blieben. Sie ist Teil auch internationaler Netzwerke, in denen sie aktive Rollen spielt.

Eine solch beispielhafte Entwicklung war weder selbstverständlich noch ist der Prozess abgeschlossen. Das TUB-Team hat sich selbst zum Leitmotiv erhoben, Erreichtes und den eigenen Leistungsstandard stets in Frage zu stellen und weiter zu entwickeln - und dies unter erschwerten Bedingungen. Man muss wissen, dass die TU München keine Campusuniversität ist. Ihre Fakultäten und Institute sind über drei Städte verteilt, München, Garching und Weihenstephan (Freising). Entsprechend komplex ist die räumliche Verteilung der TUB. Sie besteht aus neun in Kompetenz, Kundennähe und Serviceerbringung gleich zu behandelnden Teilbibliotheken. Den einzigen Unterschied kann man noch im Umfeld der Teilbibliothek "Stammgelände" im Stadtinneren von München ausmachen, weil sich hier auch die TUB-Verwaltung befindet.

Die fachlichen Schwerpunkte der neun Teilbibliotheken sind Chemie, Maschinenwesen, Mathematik/Informatik, Medizin, Physik, Sportwissenschaften, Sozialwissenschaften, Biowissenschaften, Elektro- und Informationstechnik, Architektur und Bauwesen. Diese verteilte Struktur stellt ganz besondere Anforderungen an die Entwicklung effizienter Services.

Nicht zuletzt der geografischen Landschaft der TUB wegen war es schon lange wesentliches Ziel, an allen Standorten gleich schnelle und direkte Services bei der Dokumentenlieferung zu bieten. Kein leichtes Unterfangen, stehen doch funktional bedingt verschiedene Services mit eigener Lieferkomponente im Einsatz: DokumenTUM, Medea3 und subito.

dokumenTUM stellt einen webbasierten, universitätsinternen Bestell- und Lieferservice dar. Das System ermöglicht den Nutzern, Zeitschriftenaufsätze, die in die in gedruckter Form in irgendeiner der Teilbibliotheken liegen, online zu bestellen und sie sich dann an ihren Arbeitsplatz liefern zu lassen.

Mit Medea3 wurde seiner Zeit auf Bibliotheksverbundseite die Fernleihe von Aufsatzbestellungen auf elektronische Dokumentenlieferung umgestellt. Medea, ein eigens für den Bibliotheksbereich unter Softwareentwicklung der ImageWare Components GmbH, Bonn, realisiertes System, welches in vielen Bibliotheken läuft, weist eine Reihe von Vorteilen gegenüber den klassischen Lieferwegen bei Kopienbestellung auf. Die TUB ist mit dieser elektronischen Fernleihe direkt an den zentralen Medea3-Server des Bibliotheksverbundes Bayern (BVB) angekoppelt.

Die TUB wurde im Oktober 2004 aktive Lieferbibliothek und Mitglied der Initiative subito-Dokumente aus Bibliotheken e.V. Alle TUB-Teilbibliotheken wurden dazu mit Graustufen-, Color-Aufsichtscannern bzw. Flachbettscannern ausgestattet. Im Einsatz sind inzwischen neun Bookeye Buchscanner, einer von Minolta und drei HP-Flachbettscanner. Als Software für das Dokumentenliefersystem wurde MyBib eDoc® der ImageWare GmbH ausgewählt, welches ja bereits als Plattform für Medea3 und dokumenTUM dient.

MyBib eDoc® verbindet alle drei Dienste unter einer Oberfläche zum Scannen, Verwalten, Liefern und stellt so einen wichtigen Teil der Infrastruktur für die Dokumentenlieferung an der Universitätsbibliothek der TU München dar. Die technische Infrastruktur hierfür besteht aus dem MyBib eDoc®System und den Scanarbeitsplätzen in den neun Teilbibliotheken. Die Möglichkeiten, die dadurch den Studierenden und Mitgliedern der TUM geboten wurden, sprachen sich schnell herum. Die Auslastung dieses Dienstes hat sich überaus schnell entwickelt.

Die TUB war zusammen mit der USB Köln die erste subito-Lieferbibliothek, die auf MyBib eDoc® von ImageWare aufsetzte und damit bestens fuhr. Schon nach zwei Nutzungsjahren, 2006, war die TUB "Vizeweltmeister" bei subito, eine fulminante Entwicklung, nahmen doch zu diesem Zeitpunkt bereits 32 Bibliotheken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz am Dienst teil.

Insgesamt bietet die TUB mit MyBib eDoc® einen Service, der für die Scanoperatoren sehr komfortabel ist. Es wird noch ein weiterer außergewöhnlicher Service geboten, der das Gesamtsystem für den Nutzer so erfolgreich macht: Bestellungen, die mit Literaturlieferungen in die einzelnen Standorte verbunden sind, also nicht elektronisch abgewickelt werden können, werden einmal täglich in einem TUB-spezifischen, kommerziellen Kurierdienst an die jeweiligen Standorte geliefert, schnell und verlässlich. Die so optimierte standortunabhängige Ausleihe ist nicht mehr wegzudenken.

Es kommt nicht von ungefähr, dass die TU München zu den ersten drei Exzellenzuniversitäten des Landes gehörte. Sie bot im Zusammenspiel aller Parameter bei der Auswahl Ende 2006 entsprechend gute Ergebnisse. Ein Teil dieses großen Erfolges darf sich mit Fug und Recht auch die Universitätsbibliothek zuschreiben, denn ohne eine fundierte Wissens- und Kenntnisversorgung müsste das Rad stets neu erfunden werden. Die Universitätsbibliothek hat in den letzten Jahren hart und erfolgreich dafür gearbeitet, den Nutzern die Services zu bieten, die eine Basis für den Gesamterfolg der TU München möglich machten. Das haben inzwischen auch unabhängige Experten bestätigt. Seit April 2007 ist die TUB die erste Universitätsbibliothek in Deutschland, die nach dem internationalen Qualitätsstandard DIN EN ISO 9001:2000 zertifiziert wurde, ein weiteres Feld, in dem die TUB nun Maßstäbe setzt. Nicht zuletzt Systeme wie das beschriebene MyBib eDoc® sind dabei wichtige Beststandteile des Erfolges.

Man kann trefflich über das Für und Wider der Exzellenzinitiative diskutieren und es gibt manche Schnelldenker, die darin nur ein politisches Schaulaufen sehen zur Profilierung einiger Universitäten. Doch das ist gewiss zu schnell gedacht. Schon allein die Beteiligung am Wettbewerb selbst für die ausgeschiedenen Universitäten hat dort nachweislich positive Effekte erzeugte; denn dadurch wurde eine vorher nicht gekannte Aufbruchstimmung und neuer Schwung in die Universitäten gebracht. Insbesondere aber wurde das strategische Denken gestärkt und viele neue Ideen geboren. Selbst schon das Generieren von Fragen zu Lehre und Forschung ist ein positiver Effekt. Und betrachtet man die Sieger, so hat dies nun schon gar nichts mit Schaulaufen zu tun, es sein denn, man würde die gewonnenen Finanzmittel nur dafür ausgeben, was ja zumindest in der Politik kein ganz unbekanntes Vorgehen wäre. Nehmen wir nur die TUM, so werden die ihr allein aus der Exzellenzinitiative zufließenden ca. ? 150 Mio. bis zum Jahre 2011 beste Möglichkeiten bieten, Stärken auszubauen und Schwächen zu eliminieren. Von diesem wirtschaftlichen Aspekt ganz abgesehen zeigt sich der Erfolg der Initiative heute schon darin, dass sie an den Universitäten mehr bewegt hat als jedes noch so treffliche Hochschulgesetz zuvor - und darunter waren keineswegs nur Knaller.


Dr. Klaus Engelhardt

Waldziegelhütte 26
66914 Waldmohr
ke@dr-k-engelhardt.de