Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek: nach dem Brand in neuem Glanz

Im Auftrag der Klassik Stiftung Weimar hrsg. von Walther Grunwald; Michael Knoche; Hellmut Seemann; mit Fotografien von Manfred Hamm


- Berlin: Otto Meissners Verl., 2007. 182 S.
ISBN 978-3-87527-114-0, € 39,00

Erinnerungen an die Jahre 2004 bis 2006 - Am 2. September 2004 stand die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Flammen. Die Bibliothek erlitt durch diesen Großbrand einen Totalverlust von 50.000 Bänden, darunter viele unersetzbare, weitere 62.000 Bände wurden zum Teil stark durch Wasser und Brand beschädigt. Die Katastrophe in Weimar wurde zu einer nationalen Angelegenheit. Durch die umfangreiche Berichterstattung in allen Medien war das Bibliothekswesen plötzlich in aller Augen und Ohren. Der Bund, das Land Thüringen, zahlreiche Einzelpersonen, Stiftungen und Unternehmen gaben Geld für die Wiederbeschaffung oder Restaurierung1 von Büchern und für den Wiederaufbau des Gebäudes. Zum zweiten Jahrestag des Brandes legte der Direktor der Bibliothek, Michael Knoche, einen umfassenden Bericht vor, der zu großem Optimismus Anlass gab2 und in dem eine Zielstellung formuliert wurde: Am 24. Oktober 2007, dem 268. Geburtstag der Namenspatronin in ihrem 200. Todesjahr, wird die Bibliothek wiedereröffnet. So geschah es und glich doch einem Wunder.

Nach nur 1147 Tagen wurde das zum Weltkulturerbe der UNESCO zählende historische Gebäude der Herzogin Anna Amalia Bibliothek durch den Bundespräsidenten feierlich wiedereröffnet. Experten sind sich einig, dass dies in vielerlei Hinsicht ein Meisterwerk ist - von der Bereitstellung der Gelder für den Wiederaufbau über die Bauplanung und die Bauausführung bis zur Eröffnung.

Aus diesem erfreulichen Anlass erschien zum 24. Oktober 2007 die vorliegende offizielle Publikation, die die große Aufbauleistung und den Bau mit all seinen Besonderheiten vorstellt.

Acht Autoren, darunter der für die Restaurierung der Bibliothek verantwortliche Architekt, Walther Grunwald, und der Direktor der Bibliothek, Michael Knoche, dokumentieren die Geschichte und die Baugeschichte der Bibliothek, die musealen Kostbarkeiten in der Bibliothek sowie die Kunstausstattung des zentralen Bibliotheksraumes. Im Mittelpunkt steht auf 107 Seiten das Faszinosum Gebäudesanierung in allen Details und mit allen Änderungen zur früheren Nutzung. Kein Detail wurde vergessen, z. B. der Brand und seine Folgen, die Mauerwerkstrocknung, das geänderte Nutzungskonzept, die Umwidmung von Räumen, die Gebäudetechnik ("wird versteckt und bleibt in tausend Details sichtbar", S. 121), die restauratorischen Arbeiten, der Rokokosaal, der Renaissance-Festsaal (er hat "erstmalig wieder das Aussehen wie zur Erbauungszeit 1563", S. 53) und der Sonderlesesaal. Das alles wird abgerundet durch Geleitworte und eine großartige emotionale Einführung des Präsidenten der Klassik Stiftung Weimar, Hellmut Seemann unter dem Titel "Nach dem Brand in neuem Glanz".

Insgesamt 240 Abbildungen in Farbe und Duoton, darunter zahlreiche von Manfred Hamm meisterhaft gestaltete Fotos3, ergänzen den Text großzügig. Sie zeigen auch, dass es Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte dauern wird, bis die Räume wieder jene Patina angelegt haben, die die Bibliotheksbenutzer vor dem Brand erleben konnten.

Es ist ein opulentes Werk (220 x 300 mm) in vorzüglicher Gestaltung (Ganzleinen mit fünffarbigem Schutzumschlag). Der Wunsch von Hellmut Seemann wird in Erfüllung gehen: "Möge es von dem, was in verzweifelter Lage möglich ist, wenn alle vom selben Feuer der Begeisterung erfüllt sind, denen, die nach uns kommen, lebendiges Zeugnis ablegen." (S. 12)

Erinnerungen an das Jahr 2007 - Der Thrill der Katastrophe ist vorbei4. Wenigstens zwei Generationen wird es dauern, Verlorengegangenes zu ersetzen. Dazu wird Geld benötigt, viel Geld. Die Quellen aber beginnen zu versiegen. Auf die öffentliche Hand wagen die Weimarer Bibliothekare nicht zu hoffen. Die Festrede von Bundespräsident Horst Köhler anlässlich des Festaktes zur Wiedereröffnung der Bibliothek5 war m. E. die beste Rede, die je ein deutsches Staatsoberhaupt über Bibliotheken und Bibliothekare gehalten hat, und sie kann Wirkung zeigen für die Schaffung eines nationalen Bibliotheksgesetzes, aber Geld wird dadurch nicht fließen. Bei dem schlechten baulichen Zustand anderer Bibliotheken stellen sich Experten aber auch die Frage: Wann brennt die nächste Bibliothek?6


Anmerkungen

1. Auch Veröffentlichungen über die Bibliothek unterstützten dies wie Kratzsch, Konrad: Kostbarkeiten der Anna Amalia Bibliothek Weimar, 3. Aufl. Leipzig, 2004. 288 S. sowie ... auf daß von Dir die Nachwelt nimmer schweigt: die Anna Amalia Bibliothek in Weimar nach dem Brand, Weimar, 2004. 128 S.

2. Knoche, Michael: Die Bibliothek brennt: ein Bericht aus Weimar, Göttingen, 2006. 144 S.

3. Daneben zu legen ist ein Foto, das Candida Höfer drei Wochen vor dem Brand vom Rokokosaal aufgenommen hat, abgedruckt in der Beilage der Zeitschrift Die Zeit, ZEITmagazin Leben, 43/2007 S. 27.

4. Siemes, Christof: Musste sie erst brennen, um so schön zu werden? In Weimar wird die Anna Amalia Bibliothek wiedereröffnet, In: Die Zeit vom 18.10.2007, S. 53.

5. "Ein Freudentag für die Kulturnation" - Festrede von Bundespräsident Horst Köhler anlässlich des Festaktes zur Wiedereröffnung der Anna Amalia Bibliothek. 24.10.2007. Weimar. 5 S. http://www.bundespraesident.de/-,2.641428/Festrede-von-Bundespraesident-.htm - vgl. auch Gabriele Beger in: B.I.T.online 10 (2007) 4, S. 289.

6. Krause, Friedhilde: Wann brennt die nächste Bibliothek? Zum Brand der Anna Amalia Bibliothek in Weimar. In: Marginalien 178 (2005) S. 36-47.


Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
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