Aktion Lesestart:

Heidelberg schenkt Kindern Zukunft

von Ingrid Kohlmeyer

"Man kann gar nicht früh genug anfangen, das Vorlesen in den Familienalltag einzubauen", erklärt Manfred Lautenschläger, der als Unternehmer und Vorsitzender seiner gleichnamigen Stiftung seit Jahren auch Projekte der Stiftung Lesen fördert, hat er doch als Vater seinen Kindern immer vorgelesen und weiß daher aus eigener Erfahrung, wie wichtig Bücher, Lesen und Vorlesen für die Entwicklung eines Kindes sind.

Seit gut 20 Jahren weisen Hirnforscher immer wieder daraufhin, wie bedeutsam es ist, kleinen Kindern so früh wie möglich Anreize zu bieten, um sie zu fördern und ihre kognitive Entwicklung voranzubringen. Ein ideales Medium für diese Zwecke ist das Bilderbuch, das schon Babys mit allen Sinnen wahrnehmen und begreifen können. Andere Untersuchungen - z.B. durch das Statistische Bundesamt - ergaben, dass leider nur in jeder dritten Familie mit Kindern bis zu zehn Jahren vorgelesen wird. Das heißt im Klartext, in zwei Dritteln dieser Familien findet kein Vorlesen statt! Besonders ausgeprägt ist dieses Verhalten in sozial schwachen und bildungsfernen Schichten und darunter leiden am meisten die Kinder.

Lesestart - Phase 1

Im Januar 2007 setzten nun in Heidelberg die Manfred Lautenschläger Stiftung, die Universitätsfrauenklinik und die Stadtbücherei unter der Federführung der Stiftung Lesen diese Forschungsergebnisse in die Praxis um: Lesestart - Phase 1 begann. Alle frischgebackenen Eltern von Babys, die in der Frauenklinik auf die Welt kamen, erhielten ein kostenloses Lesestart-Set. Es bestand aus einer Stofftasche, die Vorlesematerialien, Vorleseratgeber, ein Fühl-Bilderbilderbuch, ein hübsches Poster fürs Kinderzimmer sowie ein kleines Tagebuch, in das man die ersten wichtigen Ereignisse im Leben des Kindes eintragen kann, enthielt. Hinzu kam auch ein Schreiben, in dem die Stadtbücherei auf ihr großes Angebot an Bilder- und Vorlesebüchern hinwies und einen Büchereiausweis zu vergünstigten Konditionen anbot. Dazu die damalige Direktorin der Stadtbücherei Heidelberg Regine Wolf-Hauschild: "In den Lesestart-Materialien wird unter anderem betont, wie wichtig Rituale für Babys und Kinder sind. Wir würden uns sehr freuen, wenn dazu auch der Büchereibesuch mit einem Kind zählt. Denn wo sonst kann man so ungestört in einem Meer von Bilder- und Kinderbüchern stöbern und sie dann auch noch ausleihen."

Zum Auftakt der Aktion Lesestart, die auf zwei Jahre angelegt ist, gab es eine Pressekonferenz mit Vertretern der beteiligten Institutionen: Stiftungsvorsitzender Manfred Lautenschläger, Heinrich Kreibich, Geschäftsführer der Stiftung Lesen, Professor Dr. Christof Sohn und Dr. Holger Maul von der Universitätsfrauenklinik sowie die Direktorin der Stadtbücherei Regine Wolf-Hauschild. Die Presseresonanz der regionalen und überregionalen Zeitungen war sehr erfreulich und trug stark zur Verbreitung des wichtigen Leseförderungsprojektes bei. Hinzu kommt noch, dass die Heidelberger Universitätsfrauenklinik weit über die Stadtgrenzen hinaus einen exzellenten medizinischen Ruf genießt - und damit neben Heidelberger Eltern auch weiter entfernt lebende Mütter und Väter mit dem Lesestart-Set beschenkt wurden. So konnte bereits im Juni 2007 das 500. Set verteilt werden. Die junge Mutter freute sich - wie auch alle anderen Eltern vor ihr - über die Vorlesematerialien.

Vorbild für das Heidelberger Projekt ist ein sächsisches Modellprojekt, das die Stiftung Lesen gemeinsam mit dem Sozialministerium des Freistaates Sachsen, dem Bundesfamilienministerium und dem Ravensburger Buchverlag durchführt.

Lesestart - Phase 2

Am 1. Februar 2008 setzte sich das Projekt mit Lesestart - Phase 2 fort. Rund 1500 Kinder wurden im letzten Jahr in der Universitätsfrauenklinik geboren. Genau so viele Eltern erhielten auch im Rahmen des Projektes das kostenlose Lesestart-Set. Nun geht's in die 2. Runde: alle Eltern bekommen - sozusagen als Geschenk zum 1. Geburtstag ihres Kindes - das zweite Set mit neuen, weiterführenden Informationen zum Thema "Sprach- und Leseentwicklung" in der Stadtbücherei geschenkt.

Auch dieses Mal sind alle Materialien (wie beim 1. Mal in ansprechendem Design) in einem praktischen Stoffbeutel zusammen getragen: ein Bilderbuch, das dem Alter des Kindes entspricht; der 2. Teil des Ratgebers von Bettina Mähler "Mach mit. Lies vor" mit vielen anregenden Vorlesetipps; die "Lesestart-Leselatte" (entwickelt von Ute Hachmann, Stadtbibliothek Brilon), die Eltern und ihrem Kind - passend zu jeder Größe - viele Anregungen bietet; Aufkleber mit dem Känguru und weitere Informationen zum Vorlesen runden das Päckchen ab. Die Stadtbücherei hat auch diesem Set wieder ein Schreiben hinzugefügt, in dem sie nun besonders auf ihr aktuelles Angebot an Bilderbüchern, Erziehungsratgebern für Eltern sowie Hörbüchern und CDs mit Kinderliedern hinweist, ein vergünstigter Büchereiausweis ist auch wieder dabei.

Bei der Pressekonferenz zum Start der 2. Runde nahm neben den Initiatoren des Projektes auch ein Elternpaar mit ihrem Kind teil. Sie erhielten stellvertretend für alle anderen Eltern das 2. Lesestart-Set. Beide freuten sich sehr über die Materialien ("Bei uns gehört Lesen eigentlich schon immer zum Alltag.") und erzählten, dass das Fühlbilderbuch aus dem 1. Set zum Lieblingsbuch ihres Sohnes geworden sei - was durch dessen unbefangenen Umgang mit dem Buch überzeugend bewiesen wurde. Sie begrüßten diese Leseförderungsinitiative, denn dadurch seien sie motiviert worden und hätten viele Anregungen zum Vorlesen und Beschäftigen mit ihrem Sprössling bekommen.

Für die große Überraschung während der Pressekonferenz sorgte allerdings Manfred Lautenschläger: er sagte spontan die weitere Finanzierung dieses außerordentlichen Leseförderungsprojektes zu! Jährlich werden dafür 25.000 ? investiert. Sabine Bonewitz von der Stiftung Lesen und Büchereidirektorin Ingrid Kohlmeyer bedankten sich ganz herzlich und freuten sich sehr über die Fortführung dieser Aktion.

Auch Sabine Bonewitz konnte Positives berichten: erste Auswertungen des Modellprojektes, das seit drei Jahren in Sachsen läuft, zeigen, dass gerade bei "buchfernen" Familien das Vorleseverhalten sich durch die "Lesestart-Aktion" geändert habe: "Heute lesen zehn Prozent mehr ihren Kindern vor." Das ist nach so kurzer Zeit ein schöner Erfolg.

Immer mehr Eltern, die in der Universitätsfrauenklinik bei der Geburt ihres Kindes das 1. Lesestart-Set erhielten, kommen nun in die Stadtbücherei, um sich das Folge-Set abzuholen und sich als neue Benutzer anzumelden.

So beweist diese Kooperation zwischen der Manfred Lautenschläger Stiftung, der Universitätsfrauenklinik und der Stadtbücherei unter der Federführung der Stiftung Lesen, dass jeder Partner gewinnt - besonders jedoch Eltern und ihre Kinder. Außerdem hat die unkomplizierte Zusammenarbeit mit Sabine Bonewitz von der Stiftung Lesen viel zum Erfolg des Heidelberger Projektes beigetragen - herzlichen Dank dafür.


Autorin

Ingrid Kohlmeyer
Büchereidirektorin der Stadtbücherei Heidelberg
Poststraße 15
69115 Heidelberg
ingrid.kohlmeyer@heidelberg.de