Netzwerk: Digitale Langzeitarchivierung

Bericht über die 2. Arbeitssitzung "Österreichisches Wissensnetzwerk"

von Sigrid Reinitzer

Am 30. Januar 2008 hielten das Bundeskanzleramt Österreich, das Österreichische Staatsarchiv und die Österreichische Nationalbibliothek die 2. Arbeitssitzung zur Thematik der digitalen Langzeitarchivierung ab. Im April 2007 war ein Symposium der genannten Einrichtungen vorausgegangen, bei dem beschlossen wurde, ein Österreichisches Wissensnetzwerk Digitale Langzeitarchivierung (Dig:LA) zu gründen. Experten aus Archiven, Bibliotheken, Museen, Forschungseinrichtungen, Verwaltung und Wirtschaft sollten ihre Erfahrungen im Bereich Dig:LA zusammenführen und gemeinsam nutzen, um Doppelarbeiten zu vermeiden und für alle Einrichtungen, die Langzeitarchivierung für ihre digitalen Dokumente benötigen, gemeinsame Pläne zu entwickeln und die besten Ergebnisse zu erreichen. Das Netzwerk Dig:LA wurde als Diskussionsplattform eingerichtet und konnte in virtueller Form oder auch in Form von Tagungen als Arbeitsgespräch stattfinden. Die 1. Arbeitssitzung des Österreichischen Wissensnetzwerkes Digitale Langzeitarchivierung fand am 15. Oktober 2007 statt und beschäftigte sich mit den grundsätzlichen Fragen zu den Themenbereichen Digitalisierung wie deren Formate und Arbeitsprozesse (http://www.austria.gv.at/site/5753/default.aspx). Die Organisation des Österreichischen Wissensnetzwerkes Digitale Langzeitarchivierung, Projekt Dig:LA im Bund, besteht aus folgenden Arbeitsgruppen: Museen, Archive, Bibliotheken, Digitalisierung, Querschnittsmaterie Langzeitarchivierung (Q-LA), weitere Arbeitsgruppen können bei Bedarf eingerichtet werden.

Zur 2. Arbeitssitzung kamen 15 Referentinnen und Referenten aus Deutschland, der Schweiz und Österreich und berichteten über ihre Erfahrungen in ihren jeweiligen Arbeitsgebieten und über die derzeitige Situation der digitalen Langzeitarchivierung. Es kamen etwa 120 Interessenten in das Österreichische Staatsarchiv, um die neuesten Aspekte der Langzeitarchivierung digitaler Medien zu erfahren. Manfred Matzka, Sektionschef im Bundeskanzleramt, Lorenz Mikoletzky, Generaldirektor des Staatsarchivs und Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Nationalbibliothek begrüßten die Teilnehmer (http://www.austria.gv.at/site/5885/default.aspx).

Aufgezeigt wurde, dass die Langzeitarchivierung für jede digitale Information und daher speziell für die digitale Bibliothek ein immer wichtigeres Thema wird, Chancen bietet, weil die Information viel mehr Menschen zur gleichen Zeit zugängig gemacht werden kann, aber zugleich ein deutliches Gefahrenpotential aufweist, weil die Information leicht verändert oder gar zerstört werden kann. Die Fragen der digitalen Langzeitarchivierung können auf einer speziell eingerichteten Wiki-Plattform erörtert werden, allerdings wird diese noch nicht im gewünschten Umfang genutzt.

Besprochen wurden weiters die Möglichkeiten der Nutzung und Bewahrung digitaler Daten im Rahmen von Portallösungen. Die Fragen der Finanzierung weiterer Projekte zur Thematik der digitalen Langzeitarchivierung wurden schwerpunktmäßig vorgestellt. Das Programm brachte Berichte über Digitalisierung und Archivierungssysteme. Zu den beiden Impulsreferaten der Vortragenden aus der Schweiz und Deutschland gab es eine zusätzliche Fragerunde, wobei einzelne Aspekte wie die Fragen der privaten Archive, der unterschiedlichen Medien (museale Objekte, Bücher, Fotos, Videos) und der Finanzierung diskutiert wurden.

Krystina W. Ohnesorge vom Schweizerischen Bundesarchiv berichtete unter dem Titel "Vom digitalen Dossier zur digitalen Archivierung" über die elektronische Geschäftsverwaltung GEVER in der schweizerischen Bundesverwaltung und über die digitale Archivierung im Bundesarchiv, wofür das strategische Projekt ARELDA ausgearbeitet wurde. Ende Jänner 2008 hat der Schweizerische Bundesrat den Aktionsplan zum Umgang mit elektronischen Akten, Daten und Dokumenten verabschiedet. Bis Ende 2011 soll die schrittweise Umstellung auf GEVER in der Schweiz erfolgen. Das geplante E-Archiv muss ermöglichen, dass die Dateien erhalten und benutzbar bleiben. Als Lösung wird eine homogene Speicherinfrastruktur angestrebt, weiters archivtaugliche Dateiformate sowie offene, standardisierte, möglichst generische Umgebungen. Als archivtaugliche Dateiformate wurden im Vortrag folgende aufgezählt: TEXT - unstrukturierte Textdaten; PDF/A - druckbare Dokumente; CSV - tabellarische Daten; SIARD - relationale Datenbanken; TIFF - Rasterbilder; WAVE - Audiodaten.

Bereits 2005 wurde in der schweizerischen Bundesverwaltung mit einem Datenbank-Archivierungsprozess begonnen, wobei der tatsächliche Nutzen von ARELDA aufgezeigt werden konnte, indem der gesamte Archivierungsprozess für relationale Datenbanken definiert und implementiert wurde. Die daraus gewonnenen Erfahrungen werden u.a. im EU-Programm PLANETS eingebracht. Bis 2011 sollen das Konzept und die Realisation des webbasierten Zugangs zu allen digitalen Findmitteln und Unterlagen sowie zu allen digitalisierten Unterlagen, wie Bild und Ton möglich sein.

Gerald Maier und Christian Keitel vom Landesarchiv Baden-Württemberg stellten die Arbeit ihrer Einrichtung unter folgendem Titel vor: Die Archivierung der digitalen Unterlagen im Landesarchiv Baden-Württemberg. Die digitalen Archivalien werden gemeinsam mit den analogen Archivalien nachgewiesen, wobei das bestehende Signaturenschema zum Einsatz gelangt. Als Unterscheidungsmerkmal erhalten die digitalen Objekte den Zusatz DO. Das digitale Magazin "DIMAG" hat sich als archivisches Repository (OAIS - Open Archival Information System) individuell entwickelt. Die Archive haben im Unterschied zu Bibliotheken im Signaturenschema den Inhalt des Dokuments fest eingebunden, die Dokumente der Archive werden zumeist seltener angefordert als Bücher in Bibliotheken und Archive müssen auf Langzeitarchivierung stets besonderen Wert legen. Als Standards für Orientierung und Austausch werden OAIS, PREMIS (PREservation Metadata: Implementation Strategies) und METS (Metadata Encoding & Transmission Standard) verwendet. Die Erhaltung archivischer Informationspakete erfolgt durch Speicherung von Primärdaten sowie durch Erfassung und Speicherung von einem Minimalset von Metadaten. Wichtig ist insbesondere die Integritätssicherung, betonten die Vortragenden.

Susanne Fröhlich und Berthold Konrath vom Österreichischen Staatsarchiv stellten die Frage: "Digitale Langzeitarchivierung als Paradigmenwechsel?" Sie zeigten Chancen, Risiken und Herausforderungen der digitalen Langzeitarchivierung am Beispiel des Österreichischen Staatsarchivs, das jährlich Schriftgut (ca. 1 Million Akten) von ca. 9.000 Dienststellen/Usern übernimmt, dazu gehört auch das digitale Schriftgut der Bundesdienststellen in Form des Elektronischen Aktes (ElAkimBund, EiB). Wichtig ist die Strukturierung aller Daten und die Berücksichtigung bereits bestehender Standards und Referenzprojekte wie XML (Extensible Markup Language), PDF/A, EDIAKT-II, OAIS, ISAD(G) (International Standard Archival Description (General), PREMIS, TRAC, METS, MoReq2 (Model Requirements for the Management of Electronic Records). Eine Machbarkeitsstudie wurde Anfang 2007 durchgeführt, die Umsetzung des Projekts "digLAimBund" (=digitale Langzeitarchivierung im Bund) erfolgt vom Mai 2007 bis April 2008, wobei hierbei die Erfordernisse des Österreichischen Staatsarchivs konkretisiert, die Ziele definiert und die Vergabeunterlagen erarbeitet werden. Die Ausschreibung und Implementierung sind für die Jahre 2008/2009 vorgesehen, der Betrieb ist dann ab ca. 2009 bzw. bis 2011 geplant. Als Standort für die digitalen Daten ist St. Johann im Pongau vorgesehen, wo ein eigenes Wartungsteam eingesetzt werden soll. Man ist übereingekommen, dass die Lagerung digitaler Daten keine Archivaufgabe darstellt und für die Datensicherung sind eigene Techniker vorgesehen. Ziele wären u.a., eine Zertifizierung für die Langzeitarchivierung anzustreben, das Archivinformationssystem zu erweitern und das Archiv in die Produktionssysteme der Akten und deren Entwicklungsstufen stärker einzubinden. Das moderne Archiv soll viel stärker service- und kundenorientiert sein und barrierefrei eine tägliche Nutzung von 24 Stunden ermöglichen.

Herbert Hutterer, ebenfalls vom Österreichischen Staatsarchiv, berichtete anschließend über die Bereitstellung digitaler Unterlagen für Behörden und Öffentlichkeit und stellte die Frage "Aus der Ferne beseh'n ist alles schön?" Auch hier wird der umfassende Zugriff auf das gesamte digitale Schriftgut für alle Benützer betont, d.h. nicht nur für die Archivare und die Produzenten der Akten, sondern auch für die Öffentlichkeit. Hierfür wird eine spezielle Infrastruktur vorbereitet. Zu beachten sind der Datenschutz und die Schutzfrist von 30 Jahren für Sachakten. Die Informationen sollen über einen Web-Shop bestellt und eingesehen werden, allerdings erst, wenn die Bearbeitung durch den Archivar abgeschlossen ist. Die Bezahlung soll mit Kreditkarten, per Nachnahme und pay-cards möglich sein. Die digital nachgewiesenen Archivalien sind unter folgender URL zu suchen: http://www.archivinformationssystem.at. Die Ergebnisliste bietet eine Bestandsübersicht.

Siegfried Steinlechner vom Österreichischen Rundfunk (ORF) berichtete über "BAM-Austria, erste Schritte auf dem Weg zu einer gemeinsamen Lösung". Er zeigt auf, dass diese Arbeitsgruppe, die aus Fachleuten von Bibliotheken, Archiven und Museen besteht, keine Lösungen anbietet, keine nationale Strategie entwickelt sondern Themen aufgreift und diskutiert, die für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser drei Bereiche von Bedeutung sind.

Daniela Hackl von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG)/Bereich Europäische und internationale Programme, berichtete im Rahmen der "eContentplus Förderung 2008" über verbesserten Service und noch mehr digitale Inhalte für die European Digital Library (EDL). Kernpunkte ihres Referats waren der politische Hintergrund der i2010-Initiative und die EDL sowie die digitalen Bibliotheken in der eContentplus Ausschreibung 2008 (http://www.ffg.at/content.php?cid=176).

Jürgen Rattenberger, IKT-Experte ebenfalls von der FFG, berichtete über das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm Informations- und Kommunikationstechnologien Herausforderung "Digitale Bibliotheken". Der Referent zeigte auf, welche Unterstützungsmöglichkeiten für die Teilnahme am 7. EU-Forschungsrahmenprogramm und die Partnersuche durch die FFG geboten werden.

Heinrich Berg vom Wiener Stadt- und Landesarchiv stellte WAIS vor, das Wiener ArchivInformationsSystem. Er zeigte die schrittweise Entwicklung mit den verschiedenen EDV-Protokollsystemen seit dem Jahr 1984 auf bis hin zur elektronischen Aktenführung im Jahr 1998. 2002/3 wurde die Arbeitsgruppe ARCHe installiert, die mit der Thematik der digitalen Langzeitarchivierung beauftragt wurde.

Josef Riegler vom Steiermärkischen Landesarchiv zeigte Aspekte der Erstellung und langfristigen Nutzung von digitalisiertem Archivgut - Zwischen Informationsverlust und Datenflut. Als erstes Ziel wird der digitale Lesesaal aufgezeigt, der noch persönliche Anwesenheit im Archiv erforderlich macht, daran schließt sich der virtuelle Lesesaal, der eine gute logische und intuitive Unterstützungsfunktion bei der Arbeit bietet und keine persönliche Anwesenheit mehr erforderlich macht.

Michaela Brodl von der Österreichischen Nationalbibliothek stellte beispielhaft Digitalisate in akustischer Form vor: "Klangerlebnisse der Zeitgeschichte. Zur Digitalisierung analoger Tondokumente in der Österreichischen Nationalbibliothek". Digitalisiert werden derzeit analoge Tondokumente, insbesondere solche, die vor Datenverlust und Zerfall des Trägers geschützt werden müssen. 2007 wurden digitalisiert: 23 Walzen, 12 Selbstschnittfolien, 160 Schellacks, 800 Stunden Aufnahmen auf Tonband oder Kassette aus der Musiksammlung, dem Literaturarchiv und dem Österreichischen Volksliedwerkes.

Die Veranstaltung schloss mit der Bitte an Referenten und Teilnehmerinnen, dass mehr Informationen in die Plattform Dig:LA-WIKI eingebracht werden sollen. Für die Kommunikation des Netzwerks Dig:LA wird die Mailing-Liste dig_langzeitarchiv@labs.cio.gv.at verwendet. Die 3. Arbeitssitzung "Österreichisches Wissensnetzwerk" Dig:LA findet am 15. Oktober 2008 in der Österreichischen Nationalbibliothek statt.


Autorin

Hofrätin Dr. Sigrid Reinitzer

Bibliotheksdirektorin a.D.
1. stv. Vors. d. österr. UNESCO-IFAP-Rates
Mitglied der AG BAM-Austria
Schubertstr. 26a
A-8010 Graz
E-Mail: sigrid.reinitzer@uni-graz.at