Sigrid Pohl und Konrad Umlauf:
Warenkunde Buch. Strukturen, Inhalte und Tendenzen
des deutschsprachigen Buchmarkts der Gegenwart

2., erneuerte Auflage auf der Warengruppen-Systematik 2007


- Wiesbaden: Harrassowitz, 2007

Seit 1997 wird im deutschen Buchhandel eine sog. Warengruppen-Systematik eingesetzt, die, von den Barsortimentern entwickelt, dazu dient, die vielfältigen Waren des Buchhandels systematisch zu gruppieren und damit für den Buchhändler eine Orientierung im Buchmarkt unter verschiedenen Gesichtspunkten möglich zu machen.

Die Anforderungen an eine solche Systematik haben sich in den letzten Jahren stark erweitert. Auch wenn sie nach wie vor Grundlage ist, um sich in der Fülle des Buchmarktes so zurechtzufinden, dass die unterschiedlichen Fragestellungen der Kunden kompetent aufgegriffen werden können (vgl. dazu S. 13f. im vorliegenden Titel), ist sie heute zudem Basis für statistische Erhebungen und Auswertungen aller Art, bis hin zum Monitoring einzelner Segmente des Buchhandels.

Insbesondere diese neuen Anforderungen, der Börsenverein spricht von einem Wechsel der Perspektive hin zu Marketingaspekten1, haben dazu geführt, dass die Systematik erheblich umgestellt werden musste. In die Überarbeitung einbezogen waren Vertriebsleiter und Buchhändler; die Abstimmung erfolgte zwischen Barsortimenten, dem Internetbuchhandel und den Filialisten, und die Fachausschüsse verabschiedeten die neue WGS als neuen Branchenstandard ab 2007. Die redaktionelle Betreuung und Pflege der WGSneu hat der VLB als Dienstleister übernommen.

Eine Neuauflage des vorliegenden Titels war mithin dringend erforderlich; ist die Einarbeitung in die Warensystematik doch grundlegend für jeden (angehenden) Buchhändler: sie dient, wie bereits erwähnt, zur Orientierung; sie bietet vielfältige Möglichkeiten, die Kunden gezielt zu beraten, sie ist wertvolles Hilfsmittel zum Bibliografieren und Instrument der Sortimentspflege bzw. der Beobachtung und Stärkung eines eigenen Profils.

Den Autoren, beide seit vielen Jahren im Bereich Buchhandel und Bibliothek praktisch, lehrend und forschend tätig, ist mit diesem Titel ein guter Wurf gelungen: Das Buch führt natürlich und in erster Linie ein in die Feinheiten der Warengruppen-Systematik, die neuen Entwicklungen, auch die Schwierigkeiten der Systematik-Umstellung werden offen angesprochen. Von Interesse hierbei insbesondere die Problematik der Schaffung der neuen Hauptwarengruppe Sachbuch, die den schon bislang vorhandenen Hauptgruppen Fachbuch und Ratgeber quasi "zur Seite"2 gestellt wird und die Verlage (sie sind es, die ihre Titel in die WGS einzupflegen haben) vor Abgrenzungsprobleme stellen wird. Wann ist ein Titel kein Ratgeber mehr, sondern bereits ein Sachbuch, und ab wann ist die Warengruppe Fachbuch richtig gewählt3? Und auch die recherchierenden Buchhändler werden nun unter Umständen mehrfach suchen müssen.

Deutlich wird der Handbuchcharakter des Titels vor allem auch im Vergleich zur durch den Börsenverein publizierten "nackten" neuen Warengruppen-Systematik; diese umfasst knappe 20 Seiten mit recht spärlichen Erläuterungen zu den einzelnen Haupt- und Untergruppen und dürfte so nur bereits erfahrenen Systematikanwendern ausreichen.

Die Stärke und der Gewinn des vorliegenden Titels liegen jedoch darin, dass die Autoren nicht nur das Ziel verfolgen, die Systematik und deren Aufbau anschaulich mit Beispielen und Erläuterungen zu vermitteln, das ist sicherlich ein wichtiges Anliegen und wird immer dann relevant sein, wenn der Buchhändler oder Verleger eine Ware oder eine Anfrage systematisch korrekt einordnen will.

Eigentlich jedoch ist für die Autoren die neue WGS "nur" das Gerüst, um - über die vollständige Systematik hinweg - den gesamten Warenmarkt des Buchhandels in seinen Segmenten zu überblicken, zu beschreiben und Informations- wie Präsentationshinweise zu geben. Die Hauptwarengruppe Belletristik enthält bspw. nicht nur eine Erläuterung dessen, welche Arten von Titeln dort einzuordnen bzw. zu erwarten sind, sondern führt zugleich kurz ein in literarische Gattungen und deren Unterklassen, gibt dort jeweils Beispiele für typische Verlage und bekannte Titel, zeigt auf, welchen Umsatz-Anteil belletristische Titel im Sortiment erreichen, nennt wichtige Literaturpreise, Rezensionsorgane und Bestsellerlisten usw.

Quasi en passant vermitteln die Autoren so Grundlagenwissen weit über die WGS hinaus, die in die Bereiche Buch- und Medienkunde hineinreichen und in kompakter und gedrängter Form auch für Bibliothekarinnen und Bibliothekare relevante Kenntnisse aufzeigen. Das Buch eignet sich damit durchaus auch zum Nachschlagen, nicht auf wissenschaftlich-theoretischem Niveau, sondern für den handlungsorientierten praktischen Alltagsgebrauch. Die Dynamik des Buchmarktes, Tendenzen und Nachfrageverschiebungen und damit einhergehende Neugewichtungen einzelner Warensegmente werden im Schnelldurchlauf thematisiert.

Nicht gänzlich können die Autoren ihr Anliegen einlösen, auch die jeweils geeignete Präsentationsform oder Hinweise für ein umsatzsteigerndes Marketing zu geben. Vorrangig in den Ausführungen zum Warengruppenindex (WG0), der die Waren nach der Editionsform gruppiert (Hardcover, Softcover bis hin zu Nonbooks und PBs - Papier, Bürobedarf, Schreibwaren) finden sich Passagen, die Möglichkeiten vorteilhafter und von den Kunden goutierter Warenpräsentation bieten (bspw. die Vor- und Nachteile von Drehsäulen im Taschenbuchbereich oder Varianten, das Kalenderangebot attraktiv zur Geltung zu bringen) und darauf aufmerksam machen, welche Warengruppen einen stark saisonalen Charakter haben.

Fazit: Die zweite Auflage "Warenkunde Buch" wird ihrem Anspruch, nicht nur Warenkunde zu sein, sondern auch Strukturen, Inhalte und Tendenzen des deutschsprachigen Buchmarktes der Gegenwart für die buchhändlerische Praxis aufzuzeigen, gerecht. Die Materialfülle, die dem Leser geboten wird, ist überwältigend und zeugt von profunder Kenntnis; die dahinter stehende umfangreiche Arbeit des Sichtens und Zusammentragens kann wahrscheinlich kaum ermessen werden. Auch Bibliothekarinnen und Bibliothekaren kann der Titel empfohlen werden, nicht nur, um ein besseres Verständnis des Buchhandels insgesamt zu erhalten, sondern auch zur Auffrischung ihrer Kenntnisse des Buchmarktes und als Anregung für einen nachfragebezogenen Bestandsaufbau.


Prof. Dr. Haike Meinhardt
Fachhochschule Köln
haike.meinhardt@fh-koeln.de


Anmerkungen

1. Vgl. hierzu Warengruppen-Systematik neu (WGSneu) - Version 2.0. Einheitlicher Branchenstandard ab 1. Januar 2007 (Stand: 15.07.06); http://www.buchnrw.de/display.php?text_id=726

2. Das ist nicht wörtlich zu verstehen; der neuen Hauptgruppe "Sachbuch" konnte aus in der Systematik liegenden Gründen nur eine recht weit entfernte Systemstelle gegeben werden.

3. Kriterien wie: Ratgeber = handlungs- oder nutzenorientiert für den privaten Bereich, Sachbuch = wissensorientiert mit primär privatem Nutzwert oder Fachbuch = handlungs- bzw. wissensorientiert mit primär beruflichem oder akademischem Nutzwert, sind ziemlich relativ und interpretationsbedürftig.