Langzeitarchivierung in der Nationalbibliothek von Neuseeland

Der Erhalt des kulturellen Erbes:
eine Aufgabe für die Gegenwart und eine Verpflichtung für die Zukunft

von Yanif Levi

Durch die explosionsartige Vermehrung der digitalen Daten innerhalb der letzten Jahrzehnte sind sich Bibliotheken, die Industrie und andere renommierte Institutionen des Archivierungsumfeldes der Notwendigkeit, diese Daten zu erhalten, zunehmend bewusst. Die Nationalbibliothek von Neuseeland, Te Puna Matauranga o Aotearoa, hat erkannt, dass Langzeitarchivierung ein wichtiger Bestandteil ihrer Mission ist – und einer, der umgehende Maßnahmen erfordert. In Zusammenarbeit mit der Ex Libris™ Group, Sun und einer internationalen Peer-Review-Gruppe von Experten aus Industrie und anerkannten Bibliotheken übernimmt die Nationalbibliothek von Neuseeland eine Vorreiterrolle bei der Lösung des Problems der Langzeitarchivierung und der Einrichtung von Best Practices zu diesem Thema.

„Das Problem des Erhalts von digitalen Informationen für die Zukunft ist nicht nur und in erster Linie ein Problem der Feinabstimmung eines kleinen Satzes an technischen Variablen. Es ist kein klar definiertes Problem … vielmehr handelt es sich um das umfassendere Thema, wie wir uns selbst und als Gesellschaft über die Zeit hinweg organisieren, um uns in einer digitalen Welt gut zurechtzufinden. Es ist ein Problem … die unterschiedlichen systematischen Instrumente vorzusehen … die uns ermöglichen, Ängste zu bezwingen und unsere kulturellen Güter ganz einfach und selbstverständlich in die Zukunft zu übertragen.“

Garrett, J. & Waters, D. (Hgs.). (1996). Preserving digital information: Report of the Task Force on Archiving of Digital Information. Washington, DC: Commission on Preservation and Access and the Research Libraries Group. http://www.oclc.org/programs/ourwork/ past/digpresstudy/final-report.pdf.

Das National Library of New Zealand Act 2003 legte den Grundstein, der der Nationalbibliothek ermöglichte, eine Vorreiterrolle in der digitalen Langzeitarchivierung einzunehmen. Das Gesetz lieferte der Bibliothek den offiziellen Auftrag, digitale Inhalte zu sammeln und zu erhalten, so dass der Zugang zum dokumentarischen Erbe von Neuseeland jetzt und auch in Zukunft sichergestellt ist.

„Das Hauptziel des Gesetzes besteht darin, das digitale Erbe von Neuseeland dauerhaft verfügbar zu machen“, erklärt Penny Carnaby, Nationalbibliothekarin und Leiterin der Nationalbibliothek von Neuseeland. „Wie können wir als Nation in 50 oder 100 Jahren zurückblicken und wissen, was damals geschah? Wir wollen in der Zukunft nicht scheitern, nur weil wir eine Lücke in der Geschichte von Neuseeland lassen, wenn wir heute das Problem der digitalen Datensicherung zu langsam oder überhaupt nicht angehen.“

Nach der Genehmigung der Mittelbeschaffung im Jahre 2004 führte die Nationalbibliothek von Neuseeland das NDHA-Programm (National Digital Heritage Archive) ein, um das Problem der Langzeitarchivierung zu lösen und die erforderliche Struktur, Strategie, Planung und Technologie vorzusehen, um den Erhalt des kulturellen Erbes von Neuseeland in digitaler Form in die Realität umzusetzen.

„Die strategische Grundlage hinter dieser Initiative sind eine Technologie und eine Änderung der Abläufe, die alle Aspekte der Verantwortlichkeiten und Dienstleistungen der Bibliothek untermauern“, so Carnaby weiter. „Es werden unglaublich viele Informationen in gedruckter und in elektronischer Form produziert. Jedoch machen die elektronischen Daten mittlerweile den Großteil aller einmaligen, originären Informationen aus, so dass die Lücke zwischen den beiden Formen zugunsten der digitalen Materialien immer größer wird.“

Das NDHA wird als Speicherort der Nationalbibliothek für digitale Materialien wie Websites, CDs, DVDs, Bilder und digitalisierte Kopien von gedruckten und audiovisuellen Dateien, die zusammen ihre Sammlung des digitalen Erbes ausmachen, dienen. Das NDHA wird diese Daten in ihrer ursprünglichen Form bewahren und sicherstellen, dass die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden, damit diese auch zukünftig angesehen, angehört und genutzt werden können, selbst wenn die ursprüngliche Technologie irgendwann veraltet ist.

Auf der Suche nach einer Lösung

Obwohl Langzeitarchivierung für nationale Bibliotheken und andere Archivinstitutionen weltweit ein Thema von wachsendem Interesse ist, gab es für Neuseeland nur wenige Best Practices, die bereits umgesetzt wurden, und auf die man hätte zurückgreifen können, als es um die Einrichtung eines voll betriebsfähigen, großformatigen Sicherungssystems ging. Tatsächlich ist die Nationalbibliothek von Neuseeland sogar eine derjenigen Institutionen, an die sich andere wandten, wenn sie um Rat bei der Erhaltung von digitalen Materialien suchten. Die Bibliothek war zum damaligen Zeitpunkt bereits an Initiativen wie beispielsweise der Entwicklung von Schemata zum Erhalt von Metadaten, einem Tool zur Extrahierung von Metadaten und dem Web-Harvesting unter der Leitung eines Kurators beteiligt.

Der erste Auftrag für das Team des NDHA-Programms bestand darin, operative Richtlinien für ein Langzeitarchivierungssystem zu finden. Dieses System sollte gleichzeitig die Integrität und die Authentizität der digitalen Materialien, die in der Nationalbibliothek abgelegt sind, übergreifend sicherstellen. Ebenso war erforderlich, dass der Schutz und die Zugänglichkeit dieser Materialien vom heutigen Stand für alle Zeiten in den Verantwortungsbereich der Bibliothek fielen.

Um diese Ziele zu erreichen, wurden mehrere grundlegende Anforderungen festgelegt:

Das Team brauchte über ein Jahr, um ein ausführliches Anforderungsprofil zu erstellen. Dieses stellt man jetzt auch anderen Organisationen, die ebenfalls ein Langzeitarchivierungssystem einrichten wollen, zur Verfügung.

Kaufen, selbst entwickeln oder kooperieren?

Obwohl mehrere Institutionen in unterschiedlichen Teilen der Welt in begrenztem Umfang mit Archivierungslösungen, Pilotprojekten und Tests experimentiert haben, war die Nationalbibliothek von Neuseeland nach einer Überprüfung der kommerziell erhältlichen bzw. digitalen Open-Source-Archivierungssysteme nicht in der Lage, eine funktionstüchtige Lösung zu finden, die den hohen Anforderungen eines großformatigen, umfassenden Langzeitarchivierungsprogramms wie denen des NDHA entsprach. Daher blieb nur die Option, ein eigenes System mit erfahrenden Partnern, zu entwickeln.

„Die Nationalbibliothek soll das kulturelle und das wirtschaftliche Leben von Neuseeland bereichern … indem sie beispielsweise Dokumente sammelt, erhält und schützt, besonders diejenigen, die sich auf Neuseeland beziehen. Sie macht diese Dokumente allen Menschen in Neuseeland auf eine Art und Weise zugänglich, die ihrem Status als dokumentarisches Erbe und Taonga entsprechen; ….“
(Abschnitt 7 des National Library Act)

„Unsere Erfahrung und die von anderen Institutionen haben gezeigt, dass maßgeschneiderte, eigen entwickelte Software, für aufgabenkritische Anwendungen, mit der Zeit unerschwinglich würden und deshalb eine Entscheidung für eine kommerzielle Software-Lösung empfehlenswert ist. Wir erkannten, dass eine Lösung nach Maß – mit hohen Einrichtungs- und laufenden Optimierungskosten – ein hohes Risiko für unsere Organisation darstellen würde“, erklärt Graham Coe, strategischer Berater für Innovationen bei der Nationalbibliothek. „Unsere bevorzugte Option für die Reduzierung des Risikos war, uns an den Entwicklungskosten eines Anbieters zu beteiligen und im Gegenzug die kommerziellen Nutzungsrechte für das Produkt zu erhalten.“

Die Bibliothek entschied sich, eine führende Rolle bei der Entwicklung einer Lösung zur Erhaltung des kulturellen Erbes in Zusammenarbeit mit kommerziellen Anbietern – Ex Libris und Sun – und in Abstimmung mit Archivierungsexperten von ähnlichen Organisationen in der ganzen Welt zu übernehmen. Die durch diese Partnerschaft entwickelte Lösung ist das erste kommerzielle funktionsfähige System seiner Art für Organisationen, die wertvolle digitale Sammlungen archivieren und einen dauerhaften Zugang zu diesen bieten wollen.

Einer der ersten Schritte bestand darin, eine internationale Peer-Review-Gruppe (PRG) einzurichten, die als unabhängiger Berater für die Partnerschaft fungieren sollte. Die Gruppe besteht aus namhaften Meinungsführern und Innovatoren mit institutionellem Know-how im Bereich der digitalen Langzeitarchivierung und des permanenten Zugangs von internationalen Bibliotheken und akademischen Gemeinschaften.

Im Anschluss an die umfangreichen Recherchen der Nationalbibliothek von Neuseeland und die Informationen, die man von der PRG erhielt, entschied sich die Bibliothek in Zusammenarbeit mit der Ex Libris Group, ein standardbasiertes, kommerzielles, digitales Archivierungs- und Sicherungssystem zu entwickeln, das mit der Hardware von Sun läuft. „Uns war klar, dass wir sowohl Software- als auch Hardware-Partner beteiligen mussten, die unsere Vision hinsichtlich der immensen Bedeutung, das digitale Gedächtnis einer Nation für alle Zeiten zu bewahren und die Geschichten einer Nation zu erzählen, teilten“, erklärt Penny Carnaby von der Nationalbibliothek.

Software-Architektur

Die Zusammenarbeit mit der Nationalbibliothek von Neuseeland hat sich für die Strategie von Ex Libris bei der Produktentwicklung, die auf den nachfolgend dargestellten drei Hauptprinzipien basiert, als perfekte Ergänzung erwiesen:

In Zusammenarbeit mit der Nationalbibliothek von Neuseeland und unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Peer-Review-Gruppe begann Ex Libris mit der Entwicklung eines digitalen Langzeitarchivierungssystems, das den Kern der NDHA-Softwarearchitektur bilden würde. Das System verfügt über eine modulare Architektur, die für Vielseitigkeit in der Hardware- und Speicherkonfiguration sorgt und die Skalierbarkeit und Anforderungen zur Fehlertoleranz dieser großformatigen Archivierungsmaßnahme unterstützt.

„Das NDHA wird eine bahnbrechende Lösung anbieten, um der weltweiten Forderung nach digitalen Archivierungstechnologien nachzukommen“, so Leiterin Carnaby. „Wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit mit der Ex Libris Group zum Nutzen der internationalen Bibliotheksgemeinde.“

NDHA-Softwarearchitektur

Der Weg zur Langzeitarchivierung

Zu einer Zeit, in der viele Organisationen auch weiterhin über das Problem des Datenerhalts diskutieren, hat die Nationalbibliothek von Neuseeland bereits eine Führungsrolle beim Einschlag eines Kurses in Richtung einer praktischen Lösung übernommen, die als Modell für großformatige, langfristige, digitale Archivierungsprogramme und -systeme dienen kann.

Die Nationalbibliothek von Neuseeland, Sun und Ex Libris mit Flankierung einer Peer-Review-Gruppe führen das Neuseeland Projekt durch, um diese Vision in die Realität umzusetzen. Als ein Ergebnis der Entwicklung dieser offenen Systemlösung werden auch andere Institutionen die Möglichkeit haben, von der neuseeländischen Initiative zu profitieren. Die Nationalbibliothek von Neuseeland ist bereit, ihre Erfahrungen, z.B. die Geschäftsanforderungen, ihre funktionellen Spezifikationen und andere Materialien mit Bibliotheken und Institutionen, die eine digitale Archivierungslösung implementieren wollen, zu teilen.

„Wenn jede Nation die Verantwortung dafür übernehmen würde, ihre nationalen Sammlungen zu speichern, würde das kombinierte Archiv den Menschen in der Zukunft ein komplettes digitales Bild unseres Erbes zur Verfügung stellen. Dies ist eine Möglichkeit für Nationalbibliotheken, eine führende Rolle in dieser Hinsicht einzunehmen“, so Steve Knight, stellvertretender Direktor der National Digital Library der Nationalbibliothek von Neuseeland. „All dies kann effektiv durch ein Archivierungsnetzwerk zur Verfügung gestellt werden, das die Vision eines allumfassenden internationalen Gedächtnisses realisierbar machen würde.“

Status des Projektes: Die Beta-Version der Langzeitarchivierungslösung ist von Ex Libris ausgeliefert worden und wird zurzeit von der Nationalbibliothek von Neuseeland intensiv getestet. Eine Auslieferung der Version 1 ist für November 2008 geplant.


Autor

Yaniv Levi

Digital Products Manager

Ex Libris Ltd.
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91484 Israel