Viel gewagt, viel gewonnen!

Eindrücke vom Mannheimer Bibliothekartag 2008


von Wilfried Sühl-Strohmenger

Nach Aussage des EBLIDA-Präsidenten Gerald Leitner war der Mannheimer Bibliothekartag 2008 mit rund 3.100 Teilnehmer(inne)n der größte nationale Bibliothekskongress in Europa. Nicht nur deswegen kann die Veranstaltung als sehr beeindruckend und gelungen beurteilt werden, sondern vor allem wegen der reibungslosen Organisation, der großzügigen Räume und Flächen im Kongresszentrum Rosengarten und der gelösten Atmosphäre während der gesamten Veranstaltung.

Viel gewagt, viel gewonnen: Mannheim erprobt neue Bibliothekartagsorganisation

In organisatorischer Hinsicht betrat Mannheim in mehrfacher Hinsicht Neuland – und das mit bemerkenswertem Erfolg:

Der Mannheimer Bibliothekartag – ein Besuchermagnet

Mannheim lockte die Bibliothekare(-innen) aus allen Sparten und Himmelsrichtungen in Scharen an. Die wichtigsten Zahlen des Mannheimer Bibliothekartages in Kürze1:

Rund 90 ausländische Gäste aus den europäischen Nachbarländern, aber auch aus den USA, Australien, Israel und osteuropäischen Ländern nahmen am Mannheimer Bibliothekartag teil. Auf dem Empfang der Stadt Mannheim wurden die ausländischen Gäste von der Bürgermeisterin Frau Gabriele Warminski-Leitheußer herzlich begrüßt. Seitens Bibliothek & Information International von BID dankte Hella Klauser den Gästen für ihr Kommen und der Stadt Mannheim für den freundlichen Empfang. Anwesend waren auch die IFLA-Präsidentin Claudia Lux (Berlin) und der EBLIDA-Präsident Gerald Leitner (Wien), der namens der ausländischen Gäste ein Grußwort sprach.

Zu den positiven Besucherzahlen beigetragen hat eventuell auch der von den Vorsitzenden der veranstaltenden Verbände BIB und VDB, Ulrich Hohoff und Susanne Riedel, erstmals im Vorfeld eines Bibliothekartags veröffentlichte offene Brief an die bibliothekarische Fachöffentlichkeit: „Fortbildung kostet Zeit und Geld, keine Fortbildung kostet die Zukunft!“ (sh. auch Bibliotheksdienst 42.2008, H. 5, S. 531-32).

Zu den positiven Besucherzahlen beigetragen hat eventuell auch der von den Vorsitzenden der veranstaltenden Verbände BIB und VDB, Ulrich Hohoff und Susanne Riedel, erstmals im Vorfeld eines Bibliothekartags veröffentlichte offene Brief an die bibliothekarische Fachöffentlichkeit: „Fortbildung kostet Zeit und Geld, keine Fortbildung kostet die Zukunft!“ (sh. auch Bibliotheksdienst 42.2008, H. 5, S. 531-32).

Die sehr gut besuchte Eröffnungsveranstaltung im Mozartsaal mit dem herzlichen Grußwort des Mannheimer Oberbürgermeisters Dr. Peter Kurz, der eindrucksvollen Ansprache von Susanne Riedel (BIB-Vorsitzende), dem originellen Festvortrag von M. Cotta-Schoenberg (Direktor der UB Kopenhagen) „Libs in Space“ und der kreativen musikalischen Begleitung durch die Gruppe tastethemusic mit eigens für diesen Anlass komponierten Stücken versetzte die Teilnehmer(innen) gleich zum Start des Bibliothekartages in ausgesprochen gute Kongresslaune. Und die trug auch die folgenden Tage, fand einen weiteren Höhepunkt beim Festabend im Mannheimer Schloss und hielt sogar noch am Freitag bis zur Abschlussveranstaltung.

Ohne die Firmen wäre der Bibliothekartag nur die Hälfte wert …

Eine weitere stark frequentierte Eröffnung galt der Firmenausstellung bereits am Dienstagmittag, mit Grußansprachen von A. Bein (Swets) und U. Hohoff (VDB). Die Ausstellungsfläche erreichte, wie die Zahl der Aussteller, in Mannheim neue Rekordmarken. Dies ging keineswegs zu Lasten der Räume für Fortbildungsveranstaltungen, sondern ganz im Gegenteil: Firmenstände und Besucherströme fanden aufs Glücklichste zusammen in den weitläufigen, dennoch gut überschaubaren vier Ebenen des Rosengartens. Den Teilnehmer(innen) wurde auf ihren Wegen zu den sie interessierenden Schwerpunkt- und Fortbildungsveranstaltungen sowie zu den Arbeitssitzungen und Firmenvorträgen wieder einmal deutlich bewusst, wie wichtig die ausstellenden Firmen für Innovationen in den öffentlichen wie wissenschaftlichen Bibliotheken sind. Ohne sie wären unsere Bibliothekartage vielleicht nur die Hälfte wert, ergänzen sie doch vieles praktisch und sichtbar, was die Vorträge notgedrungen abstrakt darstellen müssen.

Inhaltliche Einstimmung auf hohem Niveau – die Schwerpunktveranstaltungen

Mit drei Schwerpunktthemen, die zwischen Dienstag und Donnerstag jeweils mit hochkarätigen Sprechern und Moderatoren aufwarten konnten, gelang es, den Bibliothekartag auf zentrale Aspekte seined Mottos „Wissen bewegen“ einzustimmen: Wo stehen die Bibliotheken heute? Wo stehen wir in 10 Jahren? Where do we stand internationally?

Von der BID-Sprecherin Barbara Lison, dem Leiter der Forschungsbibliothek Jülich Rafael Ball, der Leiterin der Stadtbibliothek Heilbronn Monika Ziller und dem Stellvertreter des Generaldirektors der BSB München Klaus Ceynova bis hin zu Petra Hätscher, Direktorin der UB Konstanz, und Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, um nur einige Namen zu nennen, hatten sich namhafte Vertreter(innen) des deutschen und des internationalen Bibliothekswesens in Mannheim eingefunden, um eine Standortbestimmung wie gleichzeitig eine Zukunftsvorstellung zu entwickeln und gemeinsam zu diskutieren. Die internationale Verortung des deutschen Bibliothekswesens war dann ganz und gar Sache internationaler Experten: Unter der Moderation von J. Peters (Emerald Group) referierten M. L. Kennedy (Havard Business School, Boston Mass.), Richard Levy (Melbourne), Christine Reid (Learning Resources Manager, University of Strathclyde, Business School), Graham Bulpitt (Kingston-upon-Thames) und Oren Beit-Arie (Ex Libris, Hamburg). Die auch unter internationalen Gesichtspunkten zukunftsfähige Bibliothek muss sich demnach nicht nur um neue Organisationsformen für sich ändernde Geschäftsprozesse auf allen wichtigen Bibliotheksfeldern kümmern, sondern auch die Nutzerorientierung nachhaltig verstärken, vor allem hinsichtlich übersichtlicher, komfortabler Informationsarchitekturen der virtuellen Bibliothek.

Gespickt mit bibliothekarischen Leckerbissen – das Fortbildungsprogramm

Neben den drei Schwerpunktthemen (1-3) gab es sechs Themenkreise für das Fortbildungsprogramm: (4) Wissensorganisation und Wissensvermittlung, (5) Recht, (6) Wissensmarkt, (7) Technik und Technologie, (8) Management und betriebliche Steuerung sowie (9) Kulturelles Erbe. Nahezu alle zentralen Problemfelder bibliothekarischer Praxis kamen zur Sprache, auf einem durchweg anspruchsvollen Niveau dargeboten von den jeweiligen Spezialist(inn)en, aber auch von zahlreichen „Newcomern“.

Im Abseits!

Nur unter Einsatz alter Pfadfindertugenden (oder eines modernen „Navi“?) konnte man einige der Firmenaussteller beim Mannheimer Bibliothekartag finden! Spaß beiseite! Tatsache ist, dass einige der Aussteller im Abseits platziert waren. Diejenigen, die in Ebene 0 (sprich: für die Teilnehmer unsichtbar im Keller!) oder in den hinteren Seitengängen der oberen Stockwerke ihre Standplätze zugeteilt bekamen, hatten wenig zu tun: kein „Laufpublikum“ verirrte sich dorthin, nur fest Entschlossene machten sich auf die Suche nach ihnen. Schade besonders auch für diejenigen Firmen, die sich das erste Mal bei einem Bibliothekartag präsentierten und interessante Produkte und Ideen im Gepäck hatten.

In Ebene 0 stand beispielsweise der Brandschutzexperte Dipl.-Ing. Michael Mayer von der Marioff GmbH aus Raunheim (www.hi-fog.de) die ganzen Tage für Gespräche zur Verfügung. Die Firma entwickelte u.a. das HI-FOG Hochdruckwassernebel Lösch-System, das beim Wiederaufbau der Bibliothek Herzogin Anna Amalia ausgewählt wurde. Direkt gegenüber präsentierte Geschäftsführer Christian Freisem von seni-on aus Marktheidenfeld (www.seni-on.de) als Spezialanbieter seniorengerechter Spiele eine umfassende Produktpalette, um den Alltag für Senioren abwechslungsreich zu gestalten. Ein immer aktueller werdendes Thema auch für Öffentliche Bibliotheken! Und ganz oben in einer der Seitengänge wollte Lothar Dallwitz von der MICROBOX GmbH aus Bad Nauheim (www.microbox.de) den am Stand aufgebauten book2net Buchscanner vorführen, der weltweit, u.a. in der British Library und dem National Archive of Sweden eingesetzt wird und sich durch eine beeindruckende Bildqualität auszeichnet.

Die Veranstalter des nächsten Bibliothekartages in Erfurt, die in Mannheim von Stand zu Stand gingen und Anregungen sammelten, versprachen, dass es in Erfurt kein Abseits geben werde! (A. Beyreuther)

Das großzügige Raumangebot im Rosengarten führte nirgends zu nennenswerten Überfüllungen. Voll im Trend lagen die Sektionen zu Web 2.0/Bibliothek 2.0/Verbund 2.0, zur Auskunft, Beratung, Öffentlichkeitsarbeit, zu Shibboleth, zu E-Books, aber auch zum Fachreferat, zur Informationskompetenz und zu Bibliotheken als Bildungspartnern der Schule, um nur einige Themen beispielhaft herauszugreifen. Weitere Stichworte, die beim Durchblättern bzw. der Durchsicht des Programms ins Auge springen sind: Berufsfragen, Bestandsentwicklung, Digitalisierung, Konsortien und Lizenzierung, Kooperationen, Langzeitarchivierung, Metadaten, Nationallizenzen, Netzwerke, OPAC-Entwicklung und Kataloganreicherung, Open Access, Portale, RFID, Standardisierung, Urheberrecht, Verbundsysteme. Die eine oder andere Terminschneidung zum gleichen Themenkomplex ließ sich nicht immer vermeiden, sollte aber in Zukunft noch mehr minimiert werden. Im Folgenden sei exemplarisch über einige Themenkreise berichtet, an denen der Verfasser teilgenommen hat.

Die Veranstaltung zu „Shibboleth“ trug den Titel: Einsatzmöglichkeiten und Beispiele des Single-Sign-On-Verfahrens Shibboleth im Rahmen einer föderativen Umgebung: Praxisberichte. Sie wurde von Ato Ruppert (Freiburg) moderiert, der das für die Nutzung beliebig verteilter Ressourcen mit einem einzigen Account zentrale AAR-Projekt (Authentifizierung, Autorisierung, Rechteverwaltung) im Auftrag des DFN-Vereins mit seinem Freiburger Team realisiert und national wie international „vermarktet“, um dadurch zu Vertragsabschlüssen mit den großen Verlagen und Informationsanbietern zu kommen. Über Shibboleth als technische Grundlage für föderative Angebote, die Funktionalität und die Angebote informierte R. Borenius (Stuttgart), den Einsatz von Shibboleth im Kontext von Nationallizenzen und virtueller Heimatorganisation war Thema eines Beitrags von G. Steilen (Göttingen), über den landesweiten Dienst ReDI in Baden-Württemberg und die lokale Single-Sign-On-Anwendung myLogin in der Universität Freiburg orientierte B. Oberknapp (Freiburg), während F.-J. Jochem (Mannheim) das integrierte Identitätsmanagement mit Shibboleth an der Universität Mannheim vorstellte. Kein Zweifel: Mit Shibboleth wird der Zugang zu den im Rahmen einer Föderation (in Deutschland: DFN-AAI) angebotenen Informationen (lizenzpflichtige Inhalte) für die verschiedenen Nutzergruppen der Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen in Zukunft deutlich einfacher.

Sehr gut besucht war die von Thomas Wolf (Heidelberg) moderierte Veranstaltung zu neuen Trends in der Auskunft, in der Öffentlichkeitsarbeit und bei der Nutzerforschung, mit Vorträgen zur Problematisierung der nutzergestützten Web 2.0-Dienste im Verhältnis zu professioneller Erschließung und professionellen Services (Sühl-Strohmenger), sodann Vorstellung des Chatbots INA (S. Wolf, Berlin und K. Marschall, Hamburger Bücherhallen) und des Einsatzes von Corporate Blogs in der Öffentlichkeitsarbeit (U. Engelkenmeier, Dortmund), ferner J. Steinberg (Konstanz) zu InfoDesk, G. Richter (Göttingen) zu Usability und Hans C. Hobohm (Potsdam) / Klaus U. Werner (Berlin) zu einer Nutzerstudie bezogen auf die neue Philologische Bibliothek der FU Berlin.

Unter dem Motto „Chatten und chatten lassen“ wurde der Chatbot INA vorgestellt, der die Volltexteingabe gestattet und ähnlich Askademicus (Dortmund) und Stella (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg) als „Internet Navigations Assistentin“für die Kommunikation der Bibliothek mit ihren Nutzern eingesetzt wird. Es handelt sich um ein Firmenprodukt, das laufend programmiert werden muss und 12 emotionale Ausdrücke beherrscht. Die Hauptfragen, die INA als Chatbot der Hamburger Bücherhallen beantwortet, beziehen sich auf die Öffnungszeiten, die Anmeldung als Nutzer, auf die Bibliothekskonten und auf Verlängerungen.

Nach Engelkenmeier ist unter Öffentlichkeitsarbeit jedwede Art von Kommunikation zu verstehen, die die Bibliothek einsetzt, um Interessen und Leistungen zu artikulieren. Das netbib-Weblog ist Tagebuch und hat zugleich Dialogfunktion. Communities of Interest nutzen es, Blogger sind eine Zielgruppe. Gute Chancen ergeben sich mit dem Einsatz von Corporate Blogs: Man kann schnell und direkt informieren, in einen Dialog mithilfe der Kommentarfunktion treten, dadurch das „Verständnis“ steigern, durch RSS zielgenaue Information verbreiten, das Beschwerdemanagement unterstützen (Nutzerfeedback) und auch ein Agenda Setting betreiben.

Mit dem Einsatz von Corporate Blogs in Bibliotheken sind allerdings auch Risiken verbunden, beispielsweise besteht Spamgefahr, unerwünschte Werbung könnte eingeschleust werden, der Zeitaufwand könnte zu hoch werden und man hat Probleme der Evaluation eines solchen Blogs. Zu fragen ist bezüglich des Einsatzes eines Weblogs in der Bibliothek auch, ob Kommentare erlaubt sein sollen, über welche Themen geschrieben wird und wer schreiben soll, wie es mit den Personalressourcen steht und dem zeitlichen Aufwand. Der Blog der UB Dortmund umfasst zurzeit die Rubriken: Aktuelles, neue Dienstleistungen, Änderungen bei Dienstleistungen, Öffnungszeiten, Themen (wie Urheberrecht) u.a. Seit 28.11.206 ist der UB-Blog online und erbrachte seitdem folgende Nutzungen: 137 Beiträge, 68 Tags, 8 Beiträge pro Monat, 138 Kommentare, 90 Kommentierer, 160 Feedleser. Jeder sechste Beitrag wird kommentiert. Blogsuchmaschinen können verwendet werden, um heraus zu bekommen, wer die Blogs wie nutzt: Persönliche Blogs, Biblioblogs, Massenmedien-Blogs, studentische Blogs usw.

Jan Steinberg (BSZ Konstanz) berichtete über das Relaunch der Deutschen Internetbibliothek auf Basis von InfoDesk. Unterschieden werden thematische Links sowie fachliche und formale Fragen, die in einem entsprechenden Formular eingetragen werden. Die Beantwortung der Emails erfolgt aufgrund einer Auflistung der gestellten Fragen, sodass man sieht, ob die betreffende Frage schon zugewiesen wurde. Für die Weiterleitung werden fachlich-thematische Kriterien zugrunde gelegt. Positiv zu vermerken ist die bessere Organisation zwischen den teilnehmenden Einrichtungen. Möglich ist jetzt ein Auskunftsdialog, mit Rückfragen, sodann sind Textbausteine für die Begrüßung u.a. eingebracht. Die Basis der Optimierungen bildet freie Software, dann eine browserbasierte Webanwendung, sodass lokale Installationen nicht mehr notwendig sind. Es gibt ein automatisches Routen, d.h. die Verteilung der eingehenden Fragen auf der Basis eines Bibliotheksprofils. Shibboleth und das Single-Sign-On-Verfahren werden eingesetzt, die Integration in die DFN-Föderation ist erfolgt. Der Umfang der über die DIB an InfoDesk gerichteten Fragen beläuft sich auf etwa 12 bis 13 zum Beispiel bei der SLUB Dresden, seit Juli 2006 sind insgesamt rund 4.500 Fragen beantwortet worden.

Gerd Richter (SUB Göttingen) sprach über Web Usability „Wenn zwei Welten sich begegnen“. Bibliotheksangebote sind häufig zu versteckt, die Pfade sind zu lang, deshalb halten sich viele Nutzer lieber an Google. Usability-Prüfungen führen Benutzer und Bibliothek zusammen, insbesondere bei der Nutzung des Webangebots. Hingewiesen wurde auf das betreffende DFG-Projekt mit Beteiligung der SUB Göttingen und der UB Gießen. Die wichtigste Zielgruppe umfasst die Studienanfänger, die keine Online- und keine Bibliothekskenntnisse haben. Handlungstheoretischer Ansatz. Hypertextrezeption als Folge von Spielzügen. Methoden der Usability-Prüfung (u.a. Benutzertest). Zentrale Faktoren für Nutzungsprobleme sind laut Richter das sprachliche Wissen, dass die Pfade stets in einem bestimmten Nutzungskontext beschritten werden. An welcher Stelle muss welches Wissen verfügbar sein? Erforderliches Wissen kann lokal oder global verfügbar gemacht werden. Zur Gestaltung empfiehlt er, unterschiedliche Benutzertypen zu berücksichtigen, Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung des Web-Angebots erkennbar zu machen, existierende Benutzergewohnheiten und -strategien aufzugreifen und auf der Einstiegsseite Nutzungsintentionen der Benutzer antizipieren und Benutzerpfade eröffnen.

In ihrem gemeinsamen Vortrag schilderten Hans U. Hobohm und Klaus U. Werner die Nutzungssituation in der neu erbauten Philologie-Bibliothek der FU Berlin, die nicht nur eine starke Anziehungskraft auf die primäre Nutzergruppe dieser Fakultät ausübt, sondern auch zahlreiche Studierende anderer Fächer anzog, die über weniger gut ausgestattete Bibliotheken verfügen. Dies führte zu untragbarer Überlastung der Philologie-Bibliothek, wie auch eine entsprechende Nutzerbefragung des Studiengangs Bibliotheksmanagement der FH Potsdam ergab. Die originelle Lösung des Problems bestand nach K. U. Werner darin, dass auf die Universitätsleitung dahingehend eingewirkt wurde, die betreffenden dezentralen Bibliotheken der FU deutlich besser auszustatten und deren Attraktivität für die Studierenden nachhaltig zu erhöhen.

Die VDB-Kommission für Fachreferatsarbeit hatte eine ausgesprochen gut besuchte Veranstaltung zum bislang eher stiefmütterlich behandelten Feld der Projekte in der Fachreferatsarbeit organisiert, die Klaus D. Oberdieck (Braunschweig) moderierte. Norbert Lossau (SUB Göttingen) ergriff die Gelegenheit und referierte generell über Aufgaben und Herausforderungen des Fachreferats. Insbesondere betonte er zusätzliche Aufgaben, das Übernehmen fachfremder Referate, die Zeitschriftenevaluation usw. Die Erstberatung für alle Entwicklungen im Bereich digitales Informationsmanagement, das Engagement in wissenschaftlichen Fachgesellschaften sowie das Verständnis des „Field Librarian“ in der Fakultät sieht Lossau als wichtige Anforderungen an das Fachreferat der Zukunft. Teamfähigkeit, Flexibilität bei Aufgabenübernahmen, Finanzierung von Fortbildungen, wissenschaftliche Fachkompetenz, Kontakte zu Bibliotheks-/Fakultätsleitungen.

Marcus Schröter stellte die Ergebnisse einer Befragung zu Projekten in der Fachreferatsarbeit vor, die von der VDB-Kommission für Fachreferatsarbeit im Vorfeld des Bibliothekartages bundesweit durchgeführt hatte.

Die DINI-AG Elektronisches Publizieren veranstaltete eine umfangreiche Session zum Thema „Open Access durch Vernetzung“ (Moderation: S. Gradmann, Berlin). Am Nachmittag ging es zunächst um die voranschreitende nationale und europäische Vernetzung bei Open Access (B. Schmidt, Göttingen), sodann thematisierte M. Bagheer (Göttingen) urheberechtliche Aspekte: Lizenzen für Open Access Content – Einsatz und Varianten (Universitätsverlage, Creative Commons u.a.). Die Verbindung von Open Access, Bibliotheken und E-Journals war Thema eines Vortrags von I. Meinecke (Hamburg) über die elektronische Veröffentlichung von fünf GIGA-Zeitschriften (German Institute of Global and Area Studies) im Rahmen der Hamburg University Press. Die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg ist in dieses auf verschiedene Schultern verteilte Open-Access-Projekt eingebunden.

Die Sektion „Qualitätsentwicklung durch kollegiale Beratung“, veranstaltet von der DBV-Managementkommission, wurde von P. Hätscher (Konstanz) moderiert. Ausführlich berichtet wurde über eine gemeinsame Aktion der Universitätsbibliotheken Aachen, Bielefeld, Düsseldorf, Heidelberg, Köln, Konstanz und Münster, die jeweils zweitägige wechselseitige Bibliotheksbesuche zum Zweck der Qualitätsentwicklung vereinbart hatten. In der Veranstaltung referierten Ulrike Eich (Aachen), Beate Tröger (Münster), Volker Wittenauer (Heidelberg), Adalbert Kirchgäßner (Konstanz) und Joachim Kreische (Düsseldorf) über die Vorbereitung solcher Besuche, den Ablauf der kollegialen Beratung und über die positiven Effekte solcher Hospitationen, sowohl aus der Sicht der Auftrag gebenden als auch aus der Sicht der beratenden Bibliothek.

In der Sektion „Neue Portale und Software für die Wissensorganisation und den direkten Zugang zum Wissen“ (Moderation: A. Osterode, Berlin) hielten K. Herm und S. Volz (Berlin-Dahlem) einen Vortrag über die Suchraumerweiterung des OPAC, beschrieben anhand der Suchmaschine ALBERT des Wissenschaftsparks Albert Einstein / WAE Potsdam, der im KOBV-Verbund katalogisiert. Die Suchmaschine eröffnet den Zugang zu Büchern, E-Books, E-Journals, Open-Access-Journals, Current Content und mehr, geht also deutlich über die traditionell von Bibliothekskatalogen erfassten Medien hinaus. Neue Quellen können zielgruppenspezifisch hinzugefügt werden, die Volltextanbindung ist genauso realisiert wie das Abonnement von Inhaltsverzeichnissen ausgewählter Zeitschriften per RSS-Feeds.

Über DigiBib Release 6 beim HBZ berichtete H. Jansen (Köln). Insbesondere ergeben sich für die Nutzer jetzt verkürzte Wege, indem beispielsweise die jeweilige Verfügbarkeit gleich in der Trefferliste angezeigt werden kann, durch die Möglichkeit eines nachträglichen Logins sind die Hürden niedriger, die verwendete Sprache ist verständlicher (statt „Verfügbarkeitsrecherche“ besser: „Wie komme ich dran?“), und auch die Präsentation der Oberfläche orientiert sich näher am Bedarf. Als weitere Verbesserungen der DigiBib werden die Integration von Web 2.0-Anwendungen, von weiterem Content und weiteren Diensten (Google Maps, CrossRef usw.) sowie von Shibboleth in Aussicht gestellt.

Obwohl auf den undankbaren Freitagmorgentermin gesetzt, fand die Sektion zum Thema „Bixomanie – Evaluationen auf dem Prüfstand“, veranstaltet von der Kommission für Management und betriebliche Steuerung“ (BIB/VDB) und moderiert von Dieter Klages (Bremen) ein zahlreiches, interessiertes Publikum. Anschaulich berichtete Joachim Kreische (ULB Düsseldorf) über die Problematik des BIX im Alltag einer Universitätsbibliothek, Karl Südekum schilderte die nicht nur positiven Folgen einer guten BIX-Bewertung anhand des Beispiels der UB Würzburg und Sebastian Mundt (Hochschule der Medien Stuttgart) analysierte die Vor- und Nachteile des BIX im Vergleich mit anderen in wissenschaftlichen Bibliotheken eingesetzten Evaluationsinstrumenten.

Gespannt durfte man insbesondere auf den Vortrag von Andreas Knapp, Mitglied des Rechnungshofes Baden-Württemberg, über die kürzlich erfolgte Prüfung der neun Universitätsbibliotheken des Landes durch den Landesrechnungshof sein. Ohne Powerpoint-Unterstützung, dennoch sehr anschaulich, beschrieb Knapp die Ziele der Prüfung – Einsparpotentiale beim Personaleinsatz in den Bibliotheken und deren verschiedenen Standardprozessen zu ermitteln – sowie das zugrunde gelegte Benchmarkingmodell: Die jeweils effizienteste Bibliothek wird als Maßstab für die anderen herangezogen. Ergeben hätte sich demnach ein Einsparpotential, das bei den einzelnen Universitätsbibliotheken zwischen 11 und 35 Prozent anzusetzen wäre. In der Diskussion räumte Knapp zwar ein, dass man die jeweils recht spezifischen Rahmenbedingungen der Bibliotheken sehen müsste und dass ein guter Nutzerservice hohe Priorität genieße, dennoch müsste der Personaleinsatz wirtschaftlich erfolgen. Letztlich sei es aber Sache der jeweiligen Universität, wie viel Wert ihr die Dienstleistungen ihrer Hochschulbibliothek seien und wie viel sie dementsprechend zu investieren bereit ist.

Der von EBSCO Information Services GmbH und BOND GmbH großzügig gesponserte Festabend im Mannheimer Schloss (Ehrenhof) bildete zweifellos einen Höhepunkt des Bibliothekartages. Dazu trug zum einen das atemberaubende Ambiente des kurpfälzischen Barockschlosses mit dem Ehrenhof und der Öffnung des Schlossmuseums exklusiv für die Festabendgäste bei, zum anderen bezauberte die Allround-Künstlerin Christiane Machajechi, Stipendiatin der Kunststiftung Baden-Württemberg, mit ihrer frechen bis komischen Performance poetischer Texte alle, die ihr zuschauten und zuhörten.

Und am Schluss: der erfolgreiche Weg zum Bibliotheksgesetz

Den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion zum Bibliotheksgesetz, an der unter der Moderation von Ulrich Hohoff (VDB) Georg Ruppelt (Direktor der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover), Steffen Reiche (Bundestagsabgeordneter der SPD), Ulrich Grünhage (Fraktionsgeschäftsführer der CDU im Thüringer Landtag), Sabine Homilius (Direktorin der Stadtbücherei Frankfurt a. M.) und Harald Pilzer (Direktor der Stadtbibliothek Bielefeld) teilnahmen. Ein Bericht über den Verlauf dieser Diskussion erübrigt sich hier, weil unser Magdeburger Kollege Erik Steinhauer in seinem (auch ansonsten sehr informativen) bibliotheksrechtlichen Blog eine detaillierte Darstellung geliefert hat.2


Anmerkungen

1. Dem Kollegen Per Knudsen (UB Mannheim) danke ich herzlich für diesbezügliche Informationen.

2. Siehe Steinhauer, Eric: Podiumsdiskussion zum Bibliotheksgesetz auf dem Bibliothekartag in Mannheim. http://bibliotheksrecht.blog.de/2008/06/


Autor

Dr. Wilfried Sühl-Strohmenger ist Leiter der Dez.Inf.-Dienste und Bibliothekssysteme der

Universitätsbibliothek Freiburg i. Br.
Werthmannplatz 2
79098 Freiburg i.Br.
suehl@ub.uni-freiburg.de