Library 2.0 : Initiatives in Academic Libraries

ed. by Laura B. Cohen


- Chicago, IL: American Library Association /
Association of College and Research Libraries, 2007. – XI, 167 S.: Ill.
ISBN 978-0-8389-8452-9. $ 35

Ist Bibliothek 2.0 nicht ein wenig hip, bringt eigentlich nichts für die eigentliche Arbeit in einer Bibliothek? Oder vielleicht nur für die Öffentlichkeitsarbeit, eher für Öffentliche Bibliotheken geeignet, nicht aber für Wissenschaftliche Bibliotheken? Solches war auf dem Bibliothekartag in Mannheim zu vernehmen. – Nun, wer die zwölf Fallstudien gelesen hat, die dieses Buch bietet, wird nicht mehr der Ansicht sein, dass das Fingerspielereien einer kleinen technischen Exotenschar sind, die dem Bibliothekswesen ihre persönlichen Vorlieben aufdrängen.

Die hier enthaltenen Praxisbeispiele aus den USA, Australien und Schweden zeigen, wie man mit Hilfe von Bibliothek 2.0 die Nutzerorientierung und Präsenz der Bibliothek auf dem Campus stärkt, herkömmliche Bibliotheksdienste besser ausrichtet, Lernumgebungen gestaltet und stimuliert und die Bibliothek zu den Nutzern bringt. Die Fallstudien bieten einen guten Einblick in die Praxis, es wird die Einbettung von Diensten wie RSS, Weblogs, Wikis, Chat, Youtube, Flickr und anderen geschildert und gezeigt, es wird geschildert, wie man in sozialen Foren (z. B. Facebook) oder in Second Life Nutzer aufsuchen und Dependancen schaffen kann, um Anknüpfungspunkte für Nutzer zu bieten, es wird aber auch dokumentiert, wie man herkömmliche Dienste (beispielsweise den Online-Katalog) so gestaltet, dass er stets eine Rückbindung zu Hilfetexten/Fragemöglichkeiten bietet, aber auch aussagekräftiger bei der Beschreibung der dargestellten Ergebnisse wird (beispielsweise durch eine Schlagwort-Wolke). Hip? Es ist Praxis, die hier ausgebreitet wird!

Die Beiträge behandeln diese Praxis oft aus zwei Perspektiven: Zum einen wird die technische Umsetzung informativ bis eingehend geschildert, zum anderen wird stets näher darauf eingegangen, wie die neuen Dienste von den Nutzern angenommen wurden. Was durch die Bank weg beeindruckend ist, wie ansprechbar die Kolleginnen und Kollegen sind. Wer sichtbar sein will, muss auch ansprechbar sein! Symptomatisch dabei ist, dass beispielsweise im Bereich der Auskunft oft der Chat eine herausragende Rolle spielt, während in Deutschland Kolleginnen und Kollegen oft ein Aber gegen diesen Dienst haben, weil man dann stets verfügbar sein muss (was mitnichten der Fall sein muss).

Dass die Herausgeberin und die Autoren die dargestellten Inhalte ernst nehmen, sieht man auch daran, dass parallel zur Buchveröffentlichung ein Wiki eingerichtet worden ist (http://acrl.ala.org/L2Initiatives/), in dem zumindest für die nächsten zwei Jahre Aktualisierungen der im Buch dargestellten Projekte dokumentiert werden sollen. Hier kann man manche Materialien ansehen, welche das Buch nicht bieten kann (beispielsweise Videofilme über Second Life der australischen Bibliothek), man hat die Links für die geschilderten Bibliotheksdienste zur Hand, man kann die Aktualisierungen auch per RSS abonnieren, um sich auf dem Laufenden zu halten, man kann auch biographische Informationen und Kontaktdaten der Autorinnen und Autoren abrufen.

Bemerkenswert an mehreren Studien ist, dass zum Teil Dienste geschildert werden, die nicht genuin dem Web 2.0 zugerechnet werden können, sondern der Philosophie, die dahintersteht. Nicht die Technik an sich zählt, sondern die Ausrichtung der Dienste, der Geist, in dem sie eingesetzt werden. Dass die Dienste nicht nur einer Recherche genügen, sondern auf „Finability“ ausgerichtet sind, dass nicht nur einzelne Nutzer unterstützt werden, sondern Interessengemeinschaften gefördert werden („communities of interest“). Sehr sympathisch auch, dass die Beiträge die Geschichte einer Entwicklung aufzeigen. Die Herausgeberin schreibt im Vorwort (S. XI): „The library profession is in the early stages of coming to terms with Library 2.0. This compendium paints a picture of libraries in a state of exploration and experimentation.“ Das ist das Prinzip des „perpetual beta“, des ständigen Ausprobierens von Konzepten, Diensten und Maßnahmen. Bleibt zum Schluss hervorzuheben, dass das Bild kontrastreich ist und in klaren Farben gemalt wurde.


Dr.Jürgen Plieninger
Bibliothek des Instituts für Politikwissenschaft
Universität Tübingen
juergen.plieninger@uni-tuebingen.de