Spanien:
Digitalisierung von 1,5 Mio. handgeschriebenen Registerbüchern

von Ulrike Weigelt

Sie klang spannend – die Meldung über das geplante Großprojekt des spanischen Innenministeriums. Sie weckte Interesse. Nicht nur kaufmännisches. „Wie kann man dieses Projekt logistisch bewältigen? Wie ist die Qualitätssicherung mit den Projektanforderungen zu vereinbaren?“ Dieses waren nicht die einzigen Fragen, die im Oktober 2007 in der Bonner ImageWare Components GmbH diskutiert wurden. Die Hochrechnung war schnell gemacht: 1,5 Mio. Bücher mit jeweils ca. 600 Seiten. Das Scan-Projekt mit einem Umfang von ca. 900 Mio. meist farbiger Seiten bis A3-Überformat würde zu den Massendigitalisierungsprojekten in Europa gehören, die Maßstäbe setzen. Darüber war sich das Team um Geschäftsführer Rüdiger Klepsch schnell einig.

Präzises Scannen

Auf mehr als 1.000 Ämter sind die handbeschriebenen Registerbücher aus den Jahren 1954 bis 1980 verteilt. Sie beinhalten Heirats-, Geburts-, Sterbe- und Scheidungsurkunden, von denen immer wieder Kopien erbeten und gefertigt werden.

Abgesehen von den unterschiedlichen Buchformaten haben die spanischen Behördenmitarbeiter/innen mit einer variierenden Papierqualität zu tun. Manchmal ist das Buch in einem sehr stabilen und gut erhaltenen Zustand. Oftmals halten sie aber auch brüchiges Papier in den Händen oder müssen Kopien von Seiten mit handschriftlichen Besonderheiten in Schriftart, -intensität und -farben sowie Zusatzvermerke bzw. farbige Stempel ziehen.

Die Bearbeitungszeiten für die Recherche, das Aus- und anschließende Zurückheften von Dokumenten und das Hinterlegen in Papierarchiven sind nicht die kürzesten. Häufig sind zudem noch mehrere Kopierversuche nötig, um die Kopie dem Original nahe zu bringen. Alles in allem ein kostenintensiver Arbeitsablauf, den man zeitlich und kostenseitig verringern möchte. Parallel steht das Ziel einer Langzeitarchivierung, um die Dokumente im Rahmen der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen recherchierbar zu halten und vor dem Verfall zu schützen.

Graustufen oder Farbscanner?

In einer Pilotphase, im Herbst 2007, legten die spanischen Projektverantwortlichen die Qualitätskriterien für die Ausschreibung fest. Im Verlauf dieser Pilotphase wurde dem Auftraggeber klar, dass es bei dem geplanten finanziellen und zeitlichen Investitionsvolumen das Ziel sein muss, den Qualitätsansprüchen einer Langzeitarchivierung zu genügen. Und hier sind die Farbechtheit und eine (fast) identische Kopie des Originals entscheidend. Daher wechselte man vom zunächst geplanten Einsatz von Graustufen-Scannern bei der Ausschreibung auf den Einsatz von Farb-Buchscannern.

Der Auftrag, der in mehrere Lose unterteilt war, wurde an drei spanische Dienstleister bzw. Systemhäuser, vergeben. Zwei dieser Firmen sind Partner der ImageWare Components GmbH.

Die Datenbasis

Vor dem Projektstart gab es bereits für jedes Registerbuch ein digitales Inhaltsverzeichnis. Diese Basisdateien wurden zunächst in die von ImageWare entwickelte BCS-2® Scansoftware eingelesen. Die anschließend gescannten Seiten wurden (und werden) nun diesen elektronischen Inhaltsverzeichnissen zugeordnet.

Den Ablauf muss man sich wie folgt vorstellen: Zunächst wird eine Doppelseite gescannt und anschließend eine virtuelle Seitenteilung und -indexierung vorgenommen. Die so gewonnen Daten werden den vorhandenen digitalen Inhaltsverzeichnissen zugeordnet.

Um die Farbechtheit zu gewährleisten und dem Thema Qualitätskontrolle Rechnung zu tragen, kommen Farbreferenztargets (Farbreferenzvorlagen) zum Einsatz, die jedem Scan beigefügt werden. Durch das Ausmessen der Farbfelder können Farbabweichungen direkt festgestellt und in nachgelagerten Routinen korrigiert werden.

Das Ergebnis sind elektronische Registerbücher mit jeweils ca. 600-700 MB. Diese Registerbücher werden auf externe Datenträger (USB Festplatten) gespeichert und zur zentralen Datenerfassung weiter geleitet. Hier wird jedes elektronische Buch durch die Datenerfasser/innen geöffnet und die neuen Images in die eigene Verarbeitungssoftware übernommen.

Im Laufe des Projektes erhalten die Registerämter komplette elektronische Registerbücher, welche die Inhaltsverzeichnisse, die Images und auch die Daten aus der Verarbeitungssoftware beinhalten.

Im Alltag bedeutet das eine deutliche Entlastung für die Behördenmitarbeiter/innen, die nun per Knopfdruck Urkunden bzw. Kopien ausstellen können. Die zeitliche Einsparung ist aber nicht nur auf Behördenseite spürbar – auch die Einwohner, die Urkunden bzw. Kopien dieser benötigen, profitieren von den elektronischen Büchern.

Projektbesonderheiten

Die spanischen Registerämter verfügen meist nur über kleine, enge Räume, in die nicht alle handelsüblichen Buchscanner passen. Manchmal war und ist es ein kleines Kunststück, die Räume so auszustatten, dass mehrere Geräte und Scanoperatoren Platz finden.

Auch die Öffnungszeiten der Registerämter sind eine Herausforderung an die Logistik und Organisation, denn gescannt werden darf nur während der Öffnungszeiten. Um den Zeitrahmen des Projektes einhalten zu können, setzt das ein gut geschultes Scan-Personal sowie kurze Einrichtungs- bzw. Installationszeiten der Buchscanner voraus.

Und genau dieser Punkt nahm Ende 2007 in der Bonner Projektcrew eine planerische Schlüsselstellung ein. „Wie kann man die spanischen Partner bei der Einarbeitung der Scanoperatoren unterstützen? Wie können Fehlscans minimiert werden? Wie stellt man eine optimale Auslastung der Geräte sicher?“

Die Lösung dieser Fragen lag in einer intensiven, mehrtägigen technischen Schulung der spanischen Partner bei ImageWare in Bonn, mit dem Ergebnis, dass die „spanischen Trainer“ im Anschluss die Scanoperatoren vor Ort betreuen konnten.

Dass nicht alles wie am Schnürchen laufen kann, soll nicht verheimlicht werden. „In solch ein Mammut-Projekt muss man hineinwachsen.“, sagt Geschäftsführer Rüdiger Klepsch. „Neben der vereinbarten Basisbetreuung gab es schon den einen oder anderen zusätzlichen Flug unserer Support-Mitarbeiter nach Spanien. Wie überall steckt der Teufel im Detail, und es wäre unrealistisch zu behaupten, dass alles vorhersehbar und kalkulierbar wäre.“

Die Realisierung des Projektes bedeutet für ImageWare ein Vertiefen der Erfahrungen aus mehr als 10 Jahren nationaler und internationaler Digitalisierungsprojekte. Und in Spanien? Hier wird noch immer mit ca. 45 Bookeye® Buchscannern digitalisiert.

Ob und wann sich an die elektronische Langzeitarchivierung der Registerbücher weitere Digitalisierungsprojekte in Spanien anschließen, ist heute noch offen. Wichtige Faktoren aus Sicht aller Projektbeteiligten sind die enge Verbindung während des Projektes und eine ehrliche Manöverkritik nach Abschluss dieses großen Digitalisierungsvorhabens.


Autorin

Ulrike Weigelt

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