Sondersammlungen im 21. Jahrhundert:
Organisation, Dienstleistungen, Ressourcen

Special collections in the 21st century: Organisation, services, resources
Im Auftrag der Klassik Stiftung Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek
hrsg. von Graham Jefcoate; Jürgen Weber


- Wiesbaden: Harrassowitz Verl., 2008. XIV, 172 S.
(Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen; 54)
ISBN 978-3-447-05743-1. € 58,00

Der Band ist das Ergebnis der internationalen Tagung Zwischen Kulturmanagement und Forschung: Sondersammlungen im 21. Jahrhundert; Organisation, Dienstleistungen, Ressourcen, die vom 22. bis 25. November 2005 in Weimar stattfand und von der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek der Radboud Universiteit Nijmwegen und der Initiative Fortbildung für wissenschaftliche Spezialbibliotheken und verwandte Einrichtungen e.V. organisiert wurde.

Die Tagung griff eine Diskussion auf, die vorwiegend in den angloamerikanischen Bibliotheken geführt und von deutschen Bibliothekaren neidvoll beobachtet wurde. So war es ein für das deutsche Bibliothekswesen wichtiges Ereignis, dass sich 77 Teilnehmer aus neun Ländern – Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Rumänien, Schweden, der Schweiz und den USA – in Weimar versammelten und über Sammlungen in den Bibliotheken berieten, „die nicht nur für Forschung und Lehre Quellenwert haben, sondern auch zum kulturellen Erbe der Bibliotheken gehören.“ (S. VII).

Der Band enthält 14 Beiträge von Referenten aus sechs Ländern, acht in englischer und sechs in deutscher Sprache, ergänzt um eine vorzügliche zweisprachige Einleitung, einem Register der erwähnten Institutionen, biographischen Notizen zu den Autoren und Autorinnen sowie drei Anhänge (Anhang 1 und 2 formulieren das Selbstverständnis der Sondersammlungen in US-amerikanischen und europäischen Bibliotheken, Anhang 3 listet die spezifischen Kompetenzen auf, die aus Sicht der British Library von Bibliothekaren, die in Sondersammlungen arbeiten, erwartet werden).

Wer sich zuvörderst mit dem Begriff „Sondersammlungen“ beschäftigen will, der muss ein wenig suchen und wird fündig insbesondere auf den Seiten VII (einleitende Bemerkungen durch die Herausgeber), 11 (Auffassungen der British Library und US-amerikanischer Bibliotheken), 25-26 (deutsche Definition) und 46 (Statement der Association of Research Libraries) sowie in Anhang 1 und 2.

Der Rezensent sortiert die Beiträge, die in der Reihenfolge abgedruckt wurden, der auch die Gliederung der Tagung zugrunde lag (S. IX), nach folgenden fünf Gesichtspunkten:

  1. Allgemeine Beiträge, die auch über die Mitarbeiter in den Sondersammlungen hinaus von großem Interesse sind, z. B. in der bibliothekarischen Aus- und Fortbildung und für die Träger bibliothekarischer Einrichtungen: Paul Raabe über die Sondersammlungen als kulturelle Aufgabe am Beispiel der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel – Graham Jefcoate über die Sondersammlungen im 21. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Aufgaben der Kuratoren und der Erwartungen der Nutzer – Jürgen Weber über die Ergebnisse einer Umfrage unter deutschen Bibliotheken über den aktuellen Zustand der Sondersammlungen – Dominique Stutzmann über die Ursachen und Modalitäten der konfliktreichen Zusammenarbeit zwischen den Forschern und den Bibliothekaren in den Sondersammlungen – Hans Zotter über die Sondersammlungen im 21. Jahrhundert als Teaching Library.

  2. Vorwiegend länderbezogene Beiträge als wichtige Grundlage für einen internationalen Erfahrungsaustausch: Alice Prochaska sowie Alice Schreyer über die Herausforderungen und Chancen für die Sondersammlungen in den USA – Chantal Kejsper über die Zukunft der Sondersammlungen in der Nationalbibliothek der Niederlande – Ronald Milne über die Anwendung der vergleichsweise neuen Methode der sammlungsspezifischen Erschließung („collection level description“ oder „collection description“) in einer Reihe von Projekten an Universitäts- und Hochschulbibliotheken Großbritanniens.

  3. Der Blick auf die Mitarbeiter in den Sondersammlungen: Robert Arpots über die alten und neuen Aufgaben von Bibliothekaren, die in Sondersammlungen arbeiten.

  4. Die Begriffe Digitalisierung und Virtualisierung erfasst auch die Bestände in Sondersammlungen: Thomas Stäcker über die Vernetzung digitaler Altbestände – Maria Effinger über die virtuellen Fachbibliotheken als Bausteine im DFG-System der überregionalen Schwerpunkte allgemein und am Beispiel der Universitätsbibliothek Heidelberg – Alice Prochaska über strittige Eigentumsfragen wie die Ansprüche auf Eigentum, die mit besonderen nationalen, kulturellen, gruppenspezifischen und ethnischen Aspekten begründet werden sowie der Umgang der Kuratoren mit diesen Fragen.

  5. Fundraising als eine wichtige zusätzliche Finanzierungsquelle: Richard Ovenden über Fundraising für Sondersammlungen.

Nicht alle hier abgedruckten Beiträge wurden auf der Tagung gehalten, und einige auf der Tagung gehaltene wurden in den Band nicht aufgenommen.

Nicht gehalten wurden der Beitrag von Paul Raabe über Sondersammlungen als kulturelle Aufgabe (dies war der Festvortrag anlässlich der Verleihung des John Jacob Astor Award an Alice Schreyer und Alice Prochaska 2006 in Berlin) und der Vortrag von Alice Prochaska über Sondersammlungen in den USA.

Nicht aufgenommen wurde leider der Eröffnungsvortrag von Armin Klein, „der sich mit den Bedingungen des Kulturmanagements der öffentlich getragenen bzw. geförderten Kultur im Unterschied zum kommerziell orientierten Kulturbetrieb auseinandersetzte“ (S. IX)1, die beiden öffentlichen Abendvorträge von Volkhard Knigge „Sammeln in Buchenwald“ mit einer „Analyse des lange Zeit vorherrschenden Desinteresses und der Verwahrlosung solcher Stätten und ihrer Sammlungen“ (S. X) und von Jochen Brüning „Die mannigfaltigen und unentwickelten Schätze, die ich mir gesammlet“. Sie standen den Herausgebern nicht für die Veröffentlichung zur Verfügung.

Der leider erst jetzt veröffentlichte Tagungsband ist für alle Mitarbeiter in den Sondersammlungen Wissenschaftlicher Bibliotheken von unschätzbarem Wert und eine gute Vorstufe für eine Monographie auf diesem wichtigen Gebiet bibliothekarischer Arbeit2.


Anmerkungen

1. Beide öffentliche Abendvorträge und ein Teil der Vortragsmanuskripte und Präsentationen sind elektronisch verfügbar unter: http://www.initiativefortbildung.de/html/schlaglichter_sondersammlungen2005.html Kleins Vortrag wurde in überarbeiteter Form veröffentlicht in: Unternehmertum und Führungsverhalten im Kulturbereich. Münster, 2006. S. 93-106.

2. Mit dem Thema beschäftigt sich (mit gleichem Stand 2005) auch: Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland: eine Einführung / Engelbert Plassmann; Hermann Rösch; Jürgen Seefeldt; Konrad Umlauf. Wiesbaden: Harrassowitz Verl., 2006. z.B. S. 138-146. Vgl. Rez. in: B.I.T.online 9 (2006) 4, S. 371-372.


Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
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