Der Brockhaus Deutschland. Land im Herzen Europas – das Lexikon

Hrsg. v. d. Lexikonred. d. Verl. F. A. Brockhaus, Mannheim


- Mannheim, Leipzig F. A. Brockhaus 2009, 991 S., Kt., Ill.
(Brockhaus-Sachlexikon) i. Schuber
ISBN 978-3-7653-1571-8. € 49,95

Rechtzeitig zum Deutschlandjahr 2009, wie es in der Pressenotiz des Verlages heißt, erscheint dieser Themenband Deutschland. Nur, was das Deutschlandjahr ist oder sein soll, wird in dem Lexikon nicht erläutert, stattdessen empfiehlt der Verlag zu „googeln“, was aber bei allen Suchmaschinen nichts anderes ergab, als dieses Schlagwort bei Brockhaus selbst. Nun, vor 60 Jahren wurde z. B. die Berliner Blockade eingestellt, auch die DDR gegründet und schließlich vor 20 Jahren die Mauer geöffnet – aber sind das Gründe oder gar feierliche Anlässe, ein so opulentes Werk von fast 1000 Seiten herauszubringen, das sich würdig in die Reihe der anderen Brockhaus-Sachlexika einreiht, wie zur Geschichte, Kunst, Oper, Pädagogik, Philosophie u. a.

Auch dass dem Stichwort Deutschland im Lexikon nur eine halbe Spalte gewidmet ist, ist enttäuschend, ist es doch das Heimatland für viele, Gastland für nicht wenige, bedeutendes Reise- und Kulturland im Herzen Europas! Wenigstens ist dieses Stichwort mit einem Lesetipp versehen (H. Heine: Deutschland – ein Wintermärchen), was zum Leidwesen bei fast allen Stichwörtern fehlt, an weiterführende Literaturangaben ist schon gar nicht zu denken.

Aber vieles Interessante findet sich zwischen den Buchstaben A-Z, oder genauer, wie es im Vorwort steht: zwischen Aachen und Zwönitz. Nur, da die Lexikoneintragungen bei Zwischenahn enden, müssen sich die etwa 10.000 Einwohner von Zwönitz im Erzgebirge ausgeschlossen fühlen, ebenso wie die vom sächsischen Zwochau oder Zwota im Vogtland.

Auch die „Zwölftonmusik“ hätte man erwähnen müssen, die ja Anfang des 20. Jahrhunderts nicht nur in Wien sondern auch in Deutschland eine bedeutende Rolle spielte, mit der sich zahlreiche berühmte Musiker wie Arnold Schönberg, Alban Berg oder Anton Webern auseinandersetzten.

Aber die Auswahl der Biografien hat in jedem Lexikon seine Tücken, 200 sollen es sein, sicher viel zu wenig, zumal viele bedeutende Personen, die großen Einfluss hatten auf und in Deutschland, sind in Sachartikeln versteckt, so z. B. Justus Frantz bei dem Schleswig-Holstein Musik Festival, oder Henri Nannen bei der Kunsthalle Emden, oder schließlich Johann Carl Fuhlrott beim Neandertaler und v. a. m.

Den größten Raum nehmen die etwa 5000 Artikel über Städte, Ortschaften und Regionen ein, die von 1000 Fotos aus allen Winkeln der Republik begleitet werden. Das Kartenmaterial ist sehr zurückhaltend und beschränkt sich meist auf die Bundesländer. Sie sind aber wegen der eingegebenen Kartensignaturen und farbig ausgewiesenen Naturparks so unübersichtlich, dass sogar die Landesgrenzen kaum erkennbar sind.

200 Infokästen bieten Hintergrundwissen, Amüsantes, sowie touristische und kulturelle Highlights , die alle zusammen zeigen wollen, wie dieses Land funktioniert und was seine Menschen bewegt. So bietet dieses Brockhaus-Sachlexikon einen Überblick über fast alle Deutschland betreffenden Fach- und Sachgebiete und ein informatives Basiswissen, vornehmlich für ein Laienpublikum, aber auch für Lehrer, Studenten und Schüler.

Bei einem so traditionsreichen Fachverlag mit einer Reihe großer Lexika fragt man sich natürlich nach der Quelle der Stichworte, die meist nicht ohne Rückgriff auf das große Repertoire des Verlages erfolgen und im Ergebnis zu Teilpublikationen der großen Verlagsprojekte führen, nach dem Prinzip der Wiederverwertung identischer oder leicht veränderter Information. Ein oberflächlicher Vergleich aber zeigte, dass hier, im Unterschied zu bisher erschienenen Sachlexika, überwiegend Eigenes und Neues anzutreffen ist. Texte und Abbildungen scheinen hier nicht nur neu erarbeitet, sondern sind vor allem bei den Ortsnamen und Personen erheblich erweitert: auch ist eine Fülle von neuen Begriffen eingeführt, wie Ampelmännchen, Baumärkte, Berliner Mauer, Die Linke, Schießbefehl u. v. a.

So bietet der Brockhaus Deutschland neben den anderen „Brockhäusern“ in zig Bänden zahlreiche zusätzliche Informationen, allerdings, wie gesagt, vornehmlich für ein Laienpublikum. Ob seines günstigen Preises, sicher aufgrund moderner Produktionsmethoden erreicht, wird das Lexikon wohl auch von mancher Privatperson erworben werden. Trotzdem wird es in den meisten Öffentlichen Bibliotheken anzutreffen sein und auch Wissenschaftliche Bibliotheken werden sich nicht zieren, es zu erwerben.


Dr. Rolf Fuhlrott
Berliner Str.9a
76185 Karlsruhe
fuhlrott@ubka.uni-karlsruhe.de