Editorial
„Jede Woche in der Bibliothek“
Bundeswirtschaftsminister Dr. Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg 2007 im B.I.T.online-Interview

Rund drei Viertel der Deutschen begrüßen laut einer Umfrage den Amtsantritt des neuen Bundeswirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg, meldet die Deutsche Presseagentur. 76 % der Bundesbürger sind der Meinung, dass mit der Amtsübernahme des 37-jährigen ein Generationswechsel gelungen sei, ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid.

Im B.I.T.online-Interview antwortete der damalige Bundestagsabgeordnete auf die Frage, wie sein Verhältnis zu Bibliotheken sei und wann er zuletzt eine Bibliothek besucht habe: „Nachdem ich zu der in meinem Umfeld möglicherweise seltenen Spezies eines extensiven Lesers zähle, führt mich mein Weg mindestens wöchentlich in Bibliotheken.“ Guttenberg sieht das Medium Buch als weiterhin „essentiell“ an und „hoffentlich dauerhaft Verdrängungsoptionen spottend“. Er erkennt den Beitrag der Bibliotheken zur Demokratie in der Gewährung freien Zugangs zu Informationen, das Widerspiegeln kritischer Medien und durch internationale Vernetzung, mahnt aber die Bibliotheken, selbstkritisch über gewisse Kommunikationsdefizite nachzudenken, kurz: Verbesserungsbedarf in der Außenwirkung. Das vollständige Interview finden Sie in Heft 4 des B.I.T.online-Jahrgangs 2007, natürlich auch online.

Die damaligen Gesprächspartner Ronald Kaiser und Wolfgang Ratzek haben sicher nicht geahnt, dass aus dem Bundestagsabgeordneten so schnell der Bundeswirtschaftsminister werden würde. Sie haben aber einen guten Riecher bewiesen, daher herzlichen Glückwunsch dazu.

In der derzeitigen deutschen IFLA-Präsidentschaft heißt die Parole „Bibliotheken auf die Tagesordnung“. Was liegt da näher, als die Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers anzunehmen und jetzt erst recht forsch auf potentielle Bibliotheksfreunde zuzugehen; vielleicht können die Bibliothekare ja auch den Minister gewinnen, sich für Bibliotheken bei seinen Ministerkollegen einzusetzen.

Über Kommunikationsdefizite nachgedacht hat in diesem Heft Sandra Reiss, speziell über Online-PR. Dabei stellt sie grundsätzlich fest, dass Bibliotheken und Bibliothekare viel zu wenig über Ziele und ihre eigene Motivation berichten, während sie ihre Dienstleistungen sehr gut präsentieren. So fehlt allzu häufig die verbindende Klammer vom Selbstverständnis der Bibliotheken zu ihren Dienstleistungen. Dies könnte zum Beispiel daran liegen, dass Internetpräsenzen häufig nicht dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit zugeordnet werden, sondern dem EDV-Bereich.

Jenny Oltersdorf spitzt den Einsatz von RFID in öffentlichen Bibliotheken in der Frage zu, ob dieser Bibliothekskunden ausgrenzen würde. Menschen mit defizitären Sprachkenntnissen und auch Menschen mit Aktivitätsbeschränkungen würden stärker automatisierte Bibliotheken nicht mehr nutzen können, außerdem würden manche die Privatsphäre gefährdet sehen. Hier fragt man sich allerdings, ob diese Fragen wirklich neu sind, jede neue Technik wird nicht von jedem gleich schnell und leicht angenommen, trotzdem haben sich technische Veränderungen auch in Bibliotheken durchgesetzt. Die Nutzer wurden mitgenommen und nicht ausgegrenzt.

Aber, liebe Leserinnen und Leser, meine Aufforderung und Bitte: Lesen Sie diesen Artikel und zusätzlich in der Rubrik Bautrends zur „Technik in Bibliotheken“ und schreiben Sie dann, wenn Sie möchten, einen Leserbrief!

Nicht ganz ernst nehmen sollten Sie die Glosse von Georg Ruppelt, die etwas Neues in der Welt der bibliothekarischen Fachzeitschriften darstellt, gleichzeitig ein amüsanter Rückblick in die frühere, in die „alte“ Welt der Bibliotheken. Es gibt noch viele Bibliothekare, die sie erlebt haben. Gibt es auch welche, die erzählen wollen, so wie Georg Ruppelt?

Wir leben in einer Welt der starken Sätze. Unser Wirtschaftsminister ist in jeder Woche in der Bibliothek (hoffentlich jetzt immer noch), die Generaldirektorin der Deutschen Nationalbibliothek, Dr. Elisabeth Niggemann, fordert „Alle Macht den Bibliotheken“ in einem Interview auf der Londoner Konferenzmesse Online Information 2008, auf der sie zur Befürchtung vieler Bibliothekare über die OCLC-Strategie durch Vera Münch befragt wird. Was es sonst Neues gab auf der Online 2008 berichtet sie in ihrem wirklich lesenswerten Artikel.

Es sendet Ihnen noch aus stürmischen Wintertagen sonnige Frühlingsgrüße

Christoph-Hubert Schütte
Chefredakteur