„Alle Macht den Bibliotheken“

Bericht von der Londoner Konferenzmesse Online Information 2008

Foto: Vera Münch
Deutlich luftiger als in Vorjahren: Während die Online Information Conference ausgebucht war, wies die 2-in-1-Messe Online Information und Information Management Solutions (IMS) deutliche Lücken auf. Der Konzentrationsprozess schlägt sich nieder, aber auch die Preise. Viele Aussteller haben ihre Standgrößen reduziert.

von Vera Münch

„Alle Macht den Bibliotheken“, das  Zitat im Titel stammt nicht aus London, sondern aus Frankfurt. Es ist die augenzwinkernde Antwort von Dr. Elisabeth Niggemann, Generaldirektorin der Deutschen Nationalbibliothek, auf die Frage, was sie von den globalen Aktivitäten des Online Computer Library Center (OCLC) hält. Die amerikanische Bibliotheksorganisation breitet ihr Netz Schritt für Schritt über die gesamte Bibliothekswelt aus. Welche Ziele die Organisation verfolgt, mit welchen Argumenten sie um Unterstützung ihrer Ideen wirbt, und wie der Einkauf von Software für Bibliotheken in Zukunft aussehen könnte, erläuterte OCLC Präsident Jay Jordan im Interview am Rande der Online Information 2008. Aber auch darüber hinaus gab es auf Messe und Konferenz vom 2. bis 4. Dezember wieder spannende Informationen aus der und über die internationale Informationsbranche.

1967 in Nordamerika gegründet, um Computer für eine effizientere Arbeitsorganisation in Bibliotheken einzusetzen, geht OCLC seit über 40 Jahren Partnerschaften mit gleichgesinnten Organisationen aus aller Welt ein. Auf diese Weise ist OCLC zur weltweit größten Bibliotheksservice-Organisation geworden. Der WorldCat, in den die OCLC Mitglieder gemeinsam ihre Daten einspeisen, hat bereits jetzt mehr als 110 Millionen bibliografische Einträge und mehr als eine Milliarde Besitznachweise.

Enge Kontakte und Kooperationen mit der Deutschen Nationalbibliothek und anderen großen deutschen Bibliotheken, gibt es schon seit etlichen Jahren. Niggemann sitzt im „Board of Trustees“, dem Vorstand der Organisation. Dr. Klaus Ceynowa, Stellvertretender Generaldirektor der Bayrischen Staatsbibliothek und Berndt Dugall, Direktor der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main sind Mitglieder des OCLC Members Council, der Vertretung der Mitgliedsbibliotheken.

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Informationsmanagement aus sozialer Sicht: Angesichts der zunehmenden Macht von Internet-Interessensgruppen und Inhalte-produzierender Nutzer empfahl Konferenzmanager Adrian Dale, einmal den Blickwinkel von methodisch-technischer zu sozialwissenschaftlicher Sicht zu wechseln.

Blogger warnen vor OCLCs „Griff nach der Macht“

Beginnend mit dem Erwerb der Mehrheitsbeteiligung an PICA im Jahre 1999 hat OCLC in den letzten zehn Jahren seine Aktivitäten in Europa erheblich ausgeweitet. Jordan begründete im Interview in London den strategischen Vorstoß mit einem Wirtschaftsgesetz: „Wenn man effizient sein will, muss man versuchen, für eine einfache Idee die größte Wirkung zu erzielen. Das heißt, globaler agieren.“ Der beste Weg dazu sei, so Jordan, „gut eingeführte Firmen zu akquirieren und Serviceeinrichtungen zusammenzuführen, um die beste Expertise zu nutzen.“ OCLC macht beides schon seit geraumer Zeit sehr konsequent. Die Übernahmen der Bibliothekssoftwarehersteller PICA, Sisis, FDI und Amlib sind die prominentesten Beispiele. Auch die erste Mitgliederversammlung (Members Council) auf europäischem Boden während der Online Information 2007 spiegelte die Strategie.

Dieses offensive Agieren auf dem Weltmarkt und die klar ausgesprochene Zieldefinition hat OCLC in den letzten Monaten Kritik eingebracht, zum Beispiel die zur Messe verbreitete Aufforderung einer Internet-Nutzergruppe, „OCLC's Griff nach der Macht zu stoppen“. Jordan bewertete die Kritik als einen bisher erfolglosen Versuch, der Öffentlichkeit mitzuteilen, was die Organisation will und tut: „Wir versuchen, OCLC zu entmystifizieren. OCLC ist eine non-profit-Organisation, die aus verschiedenen Gründen, etwa staatsrechtlichen, in manchen Ländern Profit erwirtschaftende Unternehmen betreibt. Die Gewinne fließen jedoch der gemeinnützigen Muttergesellschaft zu, die im Besitz von Bibliotheken ist. Sie investiert die Gelder in Projekte, die Bibliotheken zu Gute kommen“.

Bibliothekssoftware als Service – zum Mieten nach Bedarf

Zur Frage, in welche Richtung OCLC bei der Forschung und Entwicklung steuert, nahm Jordan ebenfalls Stellung – auch wenn er sich an dieser Stelle etwas bitten lies. Durch die bereits erwähnten Akquisitionen hat OCLC mit SISIS-SunRise, LBS, OLIB und Amlib nun vier Softwarelösungen für Managementsysteme auf dem Markt. Danach befragt, wie es hier weitergehen soll, sagte der OCLC-Präsident, dass alle Systeme weiter gepflegt werden sollen. Langfristig strebe OCLC eine „Konvergenz von Funktionen auf einer großen zentralen Plattform“ an, wie Jordan sich ausdrückte. Das bedeutet, die Bereitstellung von Bibliotheksmanagementsoftware als Softwareservices im Web nach dem Baukastenprinzip (Software as a Service – SaaS). SaaS sind Softwaredienste zur Ausführung bestimmter Aufgaben, die nach Art von Fertigteilen oder Halbzeugen als Module im Web bereitgestellt werden. Aus diesem Baukasten sollen sich Bibliotheken nach Bedarf online bedienen können, also die Werkzeuge dann kaufen oder mieten, wenn diese tatsächlich gebraucht werden. „Unser Ziel ist die Schaffung einer Infrastruktur, die einen Netzwerk-basierten Arbeitsablauf ermöglicht, um somit die Geschäftsprozesse in den Bibliotheken zu optimieren.“ Er deutete an, dass die bestehenden Funktionalitäten von Bibliotheksmanagementsystemen erhalten und durch die Neupositionierung an eine Netzwerkumgebung rechtzeitig verbessert werden. Jordan folgerte „durch dieses Bemühen werden wir garantieren, dass unsere bestehenden Bibliotheksmanagementsysteme von diesen neuen Web-Services profitieren werden.“

Foto: Vera Münch
Transparenter Auftritt: Für seine Kundengespräch hatte FIZ Karlsruhe auf dem STN International-Messestand ein modern-durchsichtig gestaltetes Areal eingerichtet.

Niggemann rät zum Mitmachen

Die Generaldirektorin der Deutschen Nationalbibliothek stützt die von Jordan beanspruchte positive Auswirkung von OCLC auf Bibliotheken und entkräftet die Befürchtungen nach zu großer Machtkonzentration mit folgendem Argument: „OCLC hat als Teil der globalen Strategie die internen Organisationsstrukturen aktiv umgestaltet. Über die Zusammensetzung der Gremien ist jetzt eine deutlich stärkere Einbindung und Mitsprache von Mitgliedsbibliotheken aus anderen Ländern gewährleistet.“ Niggemann rät Bibliotheken, sich am OCLC-Netzwerk zu beteiligen: „Ich kann nur sagen, alle Macht den Bibliotheken! Wir haben die qualitätsgeprüften Daten und wir haben die Dokumente dazu. Wir stehen für Nachhaltigkeit, Qualität und Authentizität der Dokumente und Daten.“

FIZ Karlsruhe fordert Diskussion von Informationsqualität

Qualitätssicherung durch Professionalität in der Wissensvermittlung war auch beim deutschen Aussteller FIZ Karlsruhe das wichtigste Thema zur Londoner Messe. Sabine Brünger-Weiland, Geschäftsführerin von FIZ Karlsruhe, sieht hier großen Aufklärungsbedarf: „In einer Zeit, in der das Internet Anwendern vorgaukelt, man könne jede benötigte Information mit wenigen Mausklicks auf den Bildschirm holen, ist eine öffentliche Diskussion von Informationsqualität und Informationskompetenz dringend geboten.“ Mit der zunehmenden Nutzung von elektronischen Informationen in Forschung und Wirtschaft erlange der Qualitätsaspekt eine immer größere Bedeutung. „Informationsdienste, die für wichtige Entscheidungen in Unternehmen und Instituten herangezogen werden, müssen zuverlässig sein – sowohl in Bezug auf die Inhalte, als auch auf die Methodik und Technik ihrer Erschließung und die softwaretechnische Weiterverarbeitung der Daten“, erklärte die Managerin in London. Ein guter wissenschaftlicher Informationsdienst erfordere einen qualitätskontrollierten Produktionsprozess über den gesamten Informationslebenszyklus hinweg. Brünger-Weilandt ist überzeugt: „Mit der Größe der Datenbestände werden Treffergenauigkeit – Precision – und Vollständigkeit – Recall – zu Schlüsselfaktoren der Wissensbeschaffung.“ Sie forderte in London: „Die professionelle Informationsbranche muss das Problem Informationsqualität thematisieren, damit es ins öffentliche Bewusstsein dringt.“

FIZ Karlsruhe kündigte dazu für 2009 eine Initiative zum Anstoß einer breiten öffentlichen Diskussion von Informationsqualität und Informationskompetenz an.

Der Nutzer macht Druck: „Here comes Everybody“

Welche Entwicklungen die Fachinformationsbranche dazu bewegen, Informationsqualität auf die Agenda zu setzen, zeigte gleich der Eröffnungsvortrag der Konferenz: „Durch Web 2.0 kann jeder beliebige Netzbenutzer publizieren und mit seiner Botschaft wiederum jeden beliebigen Netzbenutzer erreichen“, erklärte Clay Shirky, amerikanischer Autor des Bestsellers „Here comes Everybody“, Untertitel „The Power of Organizing without Organizations“. Shirky erforscht soziale und ökonomische Effekte des Internets. Er behauptet: „Die mächtigste Nebenwirkung des Publizierens durch Jedermann ist, dass jede Information eine Online-Interessensgemeinschaft zum Leben erwecken kann.“ Jedes Stück Information sei eine latente Community. Der Sozialforscher fordert dazu auf, Communities im Internet Regeln zu geben, um deren soziales Verhalten zu gewährleisten. „Die technischen Funktionen einer Website sind mit wenigen Worten erklärt. Verhaltensregeln für Communities sind viel wichtiger – und viel länger“. Sie aufzustellen und ihre Einhaltung zu überwachen nennt Shirky „Social Coordination“, soziale Koordination. Er sieht diese Aufgabe nicht nur bei den Initiatoren von Community Seiten, sondern auch in der professionellen Wissensvermittlungsszene angesiedelt.

Die interessantesten Produkte der Messe

Weitkämper's XSEARCH HitEngine: Das Ende der Return-Taste
Die Weitkämper Technology GmbH aus dem bayrischen Seehausen am Staffelsee lieferte die konkurrenzlos spannendste technische Neuentwicklung auf der Messe. Die mit der Verarbeitung von 37.000 Anfragen pro Sekunde gigantisch schnelle Suchmaschine XSEARCH-HitEngine liefert fließenden Respons auf die Eingabe, das heißt, mit jedem Buchstaben, der eingegeben wird, verändert sich die in Echtzeit angezeigte Trefferliste näher zum gesuchten Ergebnis hin.
http://www.weitkamper.de/content/view/230/179/

Collexis Software für interaktive Informationsverknüpfungen
Collexis macht aus dem Inhalt großer Datenbanken wie PubMedCentral „Knowledge Dashboards“ eine Art Schalttafel oder Instrumentenbrett zur interaktiven Steuerung von Informationsverknüpfungen mit dem Ziel, so neues Wissen zu gewinnen.
http://www.collexis.com

Thomson Collexis Dashboard
Collexis-Partner Thomson hat ein Demo Portal ins Web gestellt, auf dem das Instrumentenbrett zur Informationsverknüpfung ausprobiert werden kann. Gespeist wird das Thomson Collexis Dashboard aus dem Web of Science.
http://thomson.collexis.com

Elsevier's Illumin8
Illumin8 ist ein neues Werkzeug zur Informationsaggregation; nach Unternehmensdarstellung die erste integrierte „corporate Technology Intelligence solution“, um simultan auf Webcontent, wissenschaftlichen Content und Patentinformation zugreifen zu können.
http://www.illumin8.com/home.php

Personalisierte, benutzerdefinierte Google-Suchmaschine
Mit „Google – Benutzerdefinierte Suche“ (Google Custom Search Engine) zeigte der Suchmaschinengigant in London die Beta-Version eines Werkzeug zur Erstellung einer persönlichen oder unternehmensspezifischen Suchmaschine vor. Sie nutzt semantische Tools.
http://www.google.com/coop/cse/onthefly

Personalisierte, benutzerdefinierte Microsoft-Suchmaschine
Microsoft hat das auch – den Microsoft Live Search Webservice zum Aufbauen eigener Suchmaschinen mit personalisierbaren Suchmakros.
http://search.live.com/macros

Google Knol Wissensplattform
Google Knol ist eines der jüngsten Kinder von Google. Die Plattform soll „Wissensträgern die Möglichkeit geben, ihr Wissen zu teilen.“ Klingt ein wenig nach Wikipedia, ist aber anders aufgezogen. Der einzige, der die eingestellten Texte verändern darf, ist der Autor selbst. Über Community-Werkzeuge kann man mit ihm kommunizieren.
http://knol.google.com

Neuer Buchscanner für 2.400 Seiten pro Stunde
Zum ersten Mal war in London ein echter Buchscanner ausgestellt, der APT Bookscan 2400RA. Er wirkte zwischen den Ständen der Softwareschmieden und Informationsvermittler irgendwie fehl am Platz, war aber dennoch permanent von Interessenten umringt. Kirtas Technologies Inc., New York, ist nach eigener Aussage Weltmarkführer und führend in Qualität, Hochgeschwindigkeit und zerstörungsfreier Massendigitalisierung von Büchern.
www.kirtaseurope.com

Etwas veröffentlichen heißt, etwas bewirken

Der Forscher warnte davor, die soziale Macht der neuen Technologie zu unterschätzen. Jedes Werkzeug, das Kollaboration ermögliche, sei potenziell politisch. Anhand von Beispielen stellte er dar, wie solche zum Teil ad-hoc gebildete Interessensgemeinschaften Druck erzeugen und Unternehmen und Regierungen beunruhigen oder ihnen helfen können. So hätten sich Studierende per Internet auf dem Roten Platz in Moskau zum Eis essen verabredet. Die unangemeldete Versammlung einiger weniger junger Menschen, die daraufhin an einem bestimmten Tag zu einer festgelegten Uhrzeit auf dem Roten Platz Eis am Stiel schleckten, wurde von der Polizei gewaltsam aufgelöst. Negative Erfahrungen mit der Macht einer Community machte die HBSC Finanzgruppe mit einer Anwerbeprämie für qualifizierte Bewerber. Weil die Zielgruppe über diesen Bestechungsversuch total bestürzt war und massiv protestierte, musste die HBSC die Prämienauslobung vom Netz nehmen. Umgekehrt funktioniert die Online-Meinungssteuerung aber auch. Wie, das zeigte Shirky am Beispiel der amerikanischen Fernsehshow „Dolls unite!“. Nachdem die Prognosen zur Zuschauerakzeptanz für die Sendung nicht allzu rosig ausgefallen waren, formten die Marketingstrategen noch vor der Erstausstrahlung eine Interessensgruppe und sicherten die Show so im Voraus ab. Das Experiment gelang. Skirky's Credo: „Publishing is for Acting“ – frei übersetzt: Eine Veröffentlichung ist dazu da, um etwas zu bewirken.

Konferenz ausgebucht, Messe schwächelt

London 2008 war ein Konglomerat aus tiefgehenden Fachthemen des Informationsgewerbes und den sozialen Risiken, Chancen und Einflüssen des Web 2.0, das in diesem Zusammenhang zunehmend als soziales oder Social Web bezeichnet wird. Neben dieser neuen Welt des gesamtgesellschaftlichen Informationsaustausches rund um den Globus mit seinen schier unendlichen, von Nutzern eingegebenen Informationen und seinem immer größerer Einfluss auf Informationsbeschaffung, Meinungssteuerung und Kaufverhalten spielten semantische Technologien zur Unterstützung eines professionellen Informationsmanagements in Unternehmen, Forschungseinrichtungen, akademischen und öffentlichen Bibliotheken die größte Rolle. Während die Konferenz mit rund 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus über 70 Ländern wie schon im vorausgegangenen Jahr ausgebucht war, schwächelte die Messe. Zwischen den Ständen der circa 230 Aussteller gab es deutliche Lücken, die der Veranstalter mit einem Restaurationsbereich und vier großen Messeständen füllte. Diese dienten als Vortragsräume für das kostenlose Seminarprogramm, rund 110 teils sehr interessante Informations- und Weiterbildungsangebote zu unterschiedlichsten Fragen der Branche. Ein Teil der Präsentationen ist auf der Messe-Website zum kostenlosen Herunterladen bereitgestellt (URL im Kasten unten rechts).

Produktinnovationen musste man auf der Messe suchen und die aktuellen Strömungen in der Informationswirtschaft, in der informationswissenschaftlichen Forschung und bei den Bibliotheken blieben lange verborgen. Normalerweise ist in London nach wenigen Stunden klar, wohin die Reise im nächsten Jahr geht und wer die wegweisenden Produktinnovationen im Gepäck hat.

Netzwerken wird zum wichtigsten Thema

Erst gegen Messeschluss, nach vielen Gesprächen und Vorträgen, zeichnet sich dann doch noch ein aktueller Trend in der Informationsbranche ab: Im Mittelpunkt der Aktivitäten des Informationsgewerbes steht eine weltumspannende Organisation der Literatur- und Wissensvermittlung nach berufsständischen Werten und Normen; umgesetzt durch das Zusammenrücken und Zusammenwirken der traditionellen Branchenteilnehmer.

Bibliotheksdienstleister, Fachverbände, Zentralbibliotheken und Fachinformationsanbieter wollen durch die internationale Vernetzung, durch professionelle Prozessorganisation und berufsständische Qualitätssicherung eine zuverlässige Informationsversorgung sicherstellen und sich damit gleichzeitig tragfähige Brücken in die eigene Zukunft bauen.

Bei der Produktentwicklung geht es vor allem um die bestmögliche Ausnutzung vorhandenen Wissens durch hochentwickelte Werkzeuge für Analyse und Informationsaggregation. Die interessantesten Produkte der Messe sind im Kasten rechts kurz zusammengefasst. Etwas ausführlicher berichtet die Zeitschrift Information, Wissenschaft und Praxis (IWP) der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und Praxis (DGI) in Ausgabe 2/2009.

Goportis erntet erste Früchte erfolgreichen Netzwerkens

Was erfolgreiches Netzwerken bringen kann, konnte man in London auf dem Gemeinschaftsstand von Goportis und FIZ CHEMIE Berlin erfahren. Ulrich Korwitz, Leitender Bibliotheksdirektor der ZB MED und 2009 Sprecher des Goportis-Steuerkreises, berichtete, dass die im letzten Jahr auf der Messe neu vorgestellte Kooperation der drei deutschen Zentralbibliotheken Technische Informationsbibliothek (TIB) Hannover, Deutsche Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED), Köln und Bonn, Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW), Kiel und Hamburg, gute Fortschritte gemacht hat.

GOPORTIS: Gastgeber der ILDS

Die ZB MED hat für Goportis die ILDS 2009 – 11th Interlending and Document Supply Conference – nach Hannover geholt. Sie steht unter dem Motto „Strategische Allianzen und Partnerschaften in der Fernleihe und Dokumentenlieferung“. Termin ist 20. bis 22. Oktober.
http://www.ilds2009.de

Foto: Elke Roesner, Marketingleiterin ZB Med
Goportis entwickelt sich gut: Ulrich Korwitz, Leiter der ZB MED und turnusmäßiger Sprecher von Goportis berichtete B.I.T.online-Autorin Vera Münch in London über die Fortschritte der Bibliothekskooperation. In der Mitte, Nicole Petri, Marketingleiterin der TIB Hannover.

Die als rechtliche Grundlage für die enge Kooperation der Einrichtungen notwendigen Formalien, an denen Ministerien auf Bundes- und Länderebene (BMWI, BMG, BMBF, drei Länderministerien) beteiligt sind, konnte mit der Vertragsunterzeichnung durch die verantwortlichen Gremien erfolgreich abgeschlossen werden. Korwitz erzählte, Goportis hätte parallel dazu auch schon sein großes Potential unter Beweis stellen können: „Wir haben bereits eine Million Bestellungen abgewickelt.“ In diesem Zusammenhang bestätigte er auch, dass Goportis darüber nachdenkt, die Dienste von Subito mit zu nutzen.

Zentralbibliotheken verknüpfen ihre Kompetenzen

Auf die Frage, wie die Zusammenarbeit der Bibliotheken in der Praxis aussieht, antwortete der Leiter der ZB MED: „Wir stellen der Kooperation unsere unterschiedlichen Kompetenzen zum gegenseitigen Nutzen zur Verfügung, betreiben gemeinsam Lizenzverhandlungen und stellen Leute ein, die wir gemeinsam finanzieren.“ Dabei ergänze man sich sehr gut. Köln sei stark in Open Access Fragen, Hannover habe große Kompetenzen zur Retrievalsoftware Lucene und Kiel kenne sich sehr gut mit Repositorien aus. Die drei Bibliotheken vermitteln DOIs (Digital Object Identifier) über die TIB als Registrierungsagentur und alle drei engagieren sich für die Langzeitarchivierung digitaler Medieneinheiten. Goportis hat drei Mitarbeiter eingestellt. Teamleiterin ist Christine Burblies an der TIB Hannover, unter deren Führung auch das Internetportal vascoda für wissenschaftliche Information und fachübergreifende Recherche entwickelt wurde. Man darf gespannt sein, wie sich die Zusammenarbeit weiter entwickelt.

Bibliotheksservice unter 0800er-Nummern

2009 will Goportis sich nach Korwitz' Aussage stärker auf die Wissenschaft und Forschung ausrichten. Bisher hätte man sich auf die Industrie konzentriert. Man habe bereits als besonderen Service 0800-Nummern für den Kundendienst eingerichtet. Aus technischer Sicht beschäftigen sich die Kooperationspartner intensiv mit der intelligenten Aggregation und Aufbereitung vorhandener Daten unter leistungsstarker Analyse- und Visualisierungssoftware mit semantischen Techniken und Methoden. Korwitz gab sich überzeugt: „Wir sehen, da geht der Zug hin.“

Öffentliche Bibliotheken auf gleiche Höhe bringen

Am aktuellen Stand der Goportis-Entwicklung und den Zukunftsplänen der Portalkooperation sowie dem Engagement der großen Bibliotheken im Rahmen von OCLC konnte man einen großen Fortschritt bei der Transformation von Bibliotheken zu Servicezentren erkennen. Die großen und die akademischen Bibliotheken sind effizient vernetzt und geben ihren Kunden mit elektronischen Diensten die Möglichkeit, 24 Stunden pro Tag sieben Tage in der Woche in Selbstbedienung die Bestände zu durchforsten und gewünschte Literatur online zu bestellen. Die meisten öffentlichen Bibliotheken in Europa hinken noch weit hinterher. Wie breit die Kluft ist, lies sich am Programm und den Vorträgen der Konferenz ablesen.

URLs zum Bericht

Messe und Konferenzinformationen allgemein
http://www.online-information.co.uk/index.html

Downloads zu den kostenlosen Seminaren auf der Messe
http://www.online-information.co.uk/online08/seminars_2008.html

Konferenzgruppen auf LinkedIn und Facebook
http://www.linkedin.com/groups?gid=130921
http://www.facebook.com/group.php?gid=16895699146

Bestellseite für Konferenz-Proceedings
http://www.online-information.co.uk/online08/conferenceproceedings.html

OCLC – Deutsche Homepage
http://www.oclc.org/de/de/default.htm

FIZ Karlsruhe's Initiative Informationsqualität
http://www.fiz-karlsruhe.de/press_room1.html?&L=1

Goportis Kooperation der Zentralbibliotheken
http://www.goportis.de

Aufgeteilt in drei Schienen, hatten die Veranstalter ein sehr breites Spektrum an Informationsangeboten zusammengestellt. Während die Informationsangebote für Information Professionals zum Teil hoch komplexe aktuelle Themen wie die Verbesserung der Suche durch neue Werkzeuge mit integrierten semantischen Technologien behandelten, konnte man in den allgemeinen Bibliotheksblocks zum Teil noch echtes Basiswissen des Internet-Zeitalters lernen, beispielsweise die Funktionsweise und Möglichkeit der automatischen Informationslieferung per RSS-Feed durch externe Dienstleister. Auch dem Aufbau von Bibliothekswikis waren Vorträge gewidmet. Konferenzleiter Adrian Dale kommentierte die thematische Breite mit dem Satz: „Wir müssen die öffentlichen Bibliotheken auf Level bringen. Sie haben ein wirkliches Problem.“ Der Veranstalter sei bemüht, auch diesen Bedarf abzudecken.

Konferenzdokumentation in Tagungsband, Wikis und Websites

Die erste Themenschiene der Konferenz behandelte Web 2.0 aus wirtschaftlicher Sicht und unter verschiedenen Anwendungsaspekten. Im Track 2 kamen Suche, Suchmaschinen und die große Frage zur Sprache, wie man semantische Technologien nutzen kann, um besser Ordnung ins Chaos des Informationsuniversum zu bringen. Der dritte Block beschäftigte sich mit der herausfordernden neuen Welt für Bibliotheken und Verlage sowie dem „Überleben und Aufblühen von Information Professionals im neuen Informationszeitalter“. Das genaue Programm ist auf der Website der Online Information 2008 bereitgestellt. Zu den Präsentationen gibt es einen Konferenzband. Er kann über die Konferenzhomepage bestellt werden. Im Konferenzband ist der überwiegende Teil der Vorträge (oder zumindest die Folien dazu) veröffentlicht. Einige Vortragende verwiesen aber auch auf eigene Wikis oder Community-Seiten, auf denen sie ihre Publikationen zum Download bereitstellen, sodass die Proceedings leider nicht vollständig sind. Auf ein Wiki soll hier abschließend noch besonders hingewiesen werden, weil sich dort viele Vorträge zu den neuen Anforderungen an Bibliotheken und zur Transformation von der herkömmlichen Bibliothek zum kundenorientieren Medienzentrum finden lassen. Jenny Levine, Internet Entwicklungs-Spezialistin und Strategie-“Guide“ bei der American Library Association (ALA) legt ihre Vorträge auf dem Wiki http://theshiftedlibrarian.pbwiki.com/ zum kostenlosen Abruf für Interessierte ab. (Wundern Sie sich nicht, wenn Sie auf „My Wiki“ begrüßt werden – Sie sind schon richtig, es fehlt nur – leider noch sehr typisch für nutzergenerierte Inhalte – die Angabe, wer den nun eigentlich „I“ / „Ich“ ist). In dem Wiki findet sich auch der Eröffnungsvortrag „Neue Medien – Wege und Ansätze für Bibliotheken“ von Levine zum Konferenzblock „Neue Wege, neue Medien und neue Ansätze für Bibliotheken“, mit dem sie das „8. Zeitalter für Bibliothekare“ einläutete. Es ist das Zeitalter des „Participatory Librarianship“– - das von den Benutzern mitbestimmte Bibliothekswesen. Es verändert nicht nur die Strukturen der Wissensvermittlung, sondern auch Beruf und Berufsbild von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren. Auf der nächsten Buchmesse im Oktober in Frankfurt wir sich vermutlich abzeichnen, wie stark die Veränderungen wirklich sind. Und ganz bestimmt gibt es dann dazu auf der Online Information 2009 vom 1. bis 3. Dezember 2009 wieder Ratschläge und Beispiele, was auf die Zunft in Zukunft zukommt.


Autorin

Vera Münch ist freie Journalistin und PR-Beraterin

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