Uhlig, Christian: Der Sortimentsbuchhandel. Ein Lehrbuch.
– Völlige Neubearbeitung des Werkes von Friedrich Uhlig

20., völlig neu bearbeitete Aufl.


- Stuttgart: Dr. Ernst Hauswedell & Co. 2008. – 454 S.
ISBN 978-3-7762-0908-2. € 36,00

Veranlasst vom Bildungsausschuss des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig legte Friedrich Uhlig 1934 in 4. Auflage eine Neubearbeitung der Schrift „Der Sortiments-Lehrling : Eine Einweisung in die buchhändlerische Arbeit“ vor, versehen mit einem Anhang über Prüfungsordnung und Richtlinien für die buchhändlerische Gehilfenprüfung. Die 124 Seiten kosteten damals 2 Reichsmark. Im vorigen Jahr erschien nun bei Hauswedell die 20. Auflage dieses Standardwerkes, nach 75 Jahren neu verfasst vom Sohn des Autors Prof. Dr. Christian Uhlig, und auf 454 Seiten angewachsen.

Es dürfte in Deutschland kaum einen vergleichbar dauerhaften Titel berufsbildender Literatur geben, da die Eingriffe des Staates in die Inhalte und Abläufe der Berufsausbildung in stetiger Folge zu berücksichtigen sind und damit Lehrbüchern nur eine kurze Aktualität zubilligen. Für die praktikable Handhabung eines Lehrbuchs ist aber die enge Bindung an die staatlichen Ausbildungsvorgaben unabdingbar. Deshalb entspricht auch die20. vorliegende Auflage dieser Anforderung und orientiert sich an den „Lernfeldern“ der Ausbildungsverordnung für den Beruf „Buchhändler“.

Der Autor Prof. Dr. Christian Uhlig, Gründungsdekan des Studienganges Buchhandel und Verlagswirtschaft an der HTWK Leipzig, will mit dem Lehrbuch vier Ziele erreichen: den Auszubildenden Berufswissen und Prüfungsleitfaden vermitteln; den Ausbildern die Inhalte der verbindlichen Lernfelder darlegen; den im Buchhandel und in angrenzenden Berufen Tätigen sowie den an Hochschulen ohne buchhandelspraktische Vorbildung Studierenden ein informierendes Handbuch anbieten; für Berufsorientierung und Berufsberatung ein umfassendes Informationsmittel zur Verfügung stellen.

Diese Ziele verlangen z. T. unterschiedliche Niveauebenen, bedingen manche unterschiedliche Sichtweisen und widersprechen manchmal den Anforderungen an ein konsequentes Lehrwerk. Andererseits geben die unterschiedlichen Ziele die Möglichkeit, einzelne Kapitel auszubauen und theoretisch zu fundieren, was der Qualität des Lehrbuchs zugutekommt.

Eingangs stellt der Verfasser Buch und Buchhandel vor und schließt Erörterungen zu Rechtsfragen der Medienwirtschaft an. Im Anschluss an die Darlegung der Betriebsformen des Buchhandels werden die technologische Kette Warenbezug–Lagerwirtschaft–Marketing–Warenabsatz abgehandelt, die bibliografischen Informationsmittel vorgestellt sowie die Leitungsinstrumente Betriebsorganisation und Betriebskontrolle erörtert. Abschließend werden Verlagswesen und Medienherstellungstechniken charakterisiert, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels vorgestellt einschließlich der Aus- und Weiterbildungseinrichtungen aller Ebenen sowie empfehlenswerte Fachbücher aufgelistet.

Mit diesem Themenumfang enthält das Lehrbuch die Basis des beruflichen Grundwissens des Buchhändlers. Da der Buchhandel nach Uhlig (S. 5) „Teil der Medienwirtschaft ist, durch die Inhalte bzw. Informationen wirtschaftlich verbreitet werden“, ist er Basis und Partner des Bibliotheks- und Informationswesens und insofern tangiert der Inhalt dieses Lehrbuchs auch Bibliotheksmitarbeiter. So bietet die unter 0.5 gegebene Zusammenfassung zu „Buchhandel und Recht“ z. B. zum Kaufvertrag, Wettbewerb, Preisangaben, Preisbindung, Handelsbräuche, Verkehrsordnung, Urheberrecht, Verlagsrecht, Jugendschutz, Steuern, Unternehmensformen verlässliche Grundinformationen. Auch der Abschnitt über die Betriebsformen des Buchhandels gibt einen guten Überblick über den Bucheinzelhandel heute. Der Abschnitt „Beschaffung/Bezug“ ist stark technologisch ausgerichtet, und klärt umfassend alle organisatorischen Aspekte.

Dass der Autor den Verkaufsraum der Buchhandlung als „Warenlager“ behandelt (3. „Lagerwirtschaft“) ist für Außenstehende stark gewöhnungsbedürftig. Unter „Lagerhaltung“ definiert Uhlig: „Das Warenlager ist Kernbereich jeder Buchhandlung für ihre absatzwirtschaftlichen Bemühungen. Aus Kundensicht sagen Umfang, Struktur und Präsentation des Sortiments viel über die Qualität der Firma aus …“(S. 144). Der Autor schreibt auch von Ladengestaltung und Warenpräsentation, Ordnung und Kundenführung im Laden, Anordnung des Lagers, Freihandsystem, Sachgebietssystematik für Laden und Lager, Kundenorientierung im Selbstbedienungssystem, Kundenlager, Ersatz- bzw. Reservelager usw. Der Autor betont richtig, dass „das Lager“ einerseits kundenbezogen und andererseits betriebsbezogen organisiert werden muss. Aber er entscheidet sich nur zögerlich für die Kundensicht auf die Selbstbedienungsbuchhandlung. So bleiben die Hinweise zur „Lagerzusammensetzung“ unbestimmt. Medien unterliegen aus Kundensicht einem Bedarfs-, besser Aktualitätszyklus, nicht aber einem „Lebenszyklus“ – die Heinoldsche Vierfeldertafel hingegen gibt treffende Hinweise zur „Verkäuflichkeit von Printmedien“(S. 147). Die auf den S. 147–148 dargelegten Kriterien für die „Sortimentsbildung“ sind tatsächlich wichtig – aber wie sind sie zu handhaben? Der Versuch, Grundsätze der Präsentation des Sortiments mittels der Unterschiede von „nicht-spezifischem Bedarf“ und „konkreterem Bedarf“ (S. 148) zu erklären, überzeugen nicht.

Von großem Interesse sind die Erläuterungen (S. 150 ff) der 2007 eingeführten neuen Warengruppensystematik, die in einer vierstelligen WG-Nummer verschlüsselt ist und für die Erschließung der Medien und das Kundengespräch verwendet werden kann.

Bei der Erläuterung der „Lagerordnung“ argumentiert der Verfasser stärker kundenfreundlich. Der auf S. 156 zweigeteilte „Oberste Grundsatz“ der Lagerordnung ist nur hinsichtlich der Kundenorientierung akzeptabel. Zur „Lagerkontrolle“ gibt der Verfasser eine Fülle praktikabler Hinweise hinsichtlich Lagerpflege, -ergänzung, Remission. Die betriebswirtschaftlichen Kontrollrechnungen werden gut nachvollziehbar dargelegt, lediglich die weggelassenen Literaturgruppen 8–11 in der Tabelle 9 sind für ein Lehrbuch ärgerlich. Auf S. 172 soll geprüft werden, ob „die optimale Zahl von Exemplaren der gängigen Titel vorrätig ist“ – aber wie kann das Optimum bestimmt werden? Abschließend begründet der Verfasser die für ein EDV-gestütztes Warenwirtschaftssystem erforderlichen Komponenten und Module.

Das 4. Kapitel hat „Marketing/Absatz“ zum Inhalt, der durch „Der Kunde ist König“ bestimmt wird. Hier werden die theoretischen Grundprämissen konsequenter Kundenorientierung mit der Spezifik des Buchhandels eng verknüpft, meist in der Form eines praktischen Angebotskatalogs. Besonders ausführlich und lesenswert ist der Abschnitt Werbung, weil er theoretisch fundiert handlungsorientiert informiert und zugleich Probleme erörtert. Ziele, Formen, Träger, Mittel, Planung, Zeit und Ort, Erfolgskontrolle sind die Schwerpunkte, auch spezielle Medienwerbung, Schaufenster, Ladentür, Ladengestaltung, Werbebrief, Prospekte, E-Mail, Anzeigen, Internet, Kundenbesuche, Lesungen, Buchpräsentationen, Gemeinschaftswerbung sind lesenswerte Stichworte.

Der Abschnitt über „Kundenorientierte Kommunikation“ versucht zunächst, Hinweise zur Orientierung über die Medieninhalte zu geben. Die vorgestellte Relevanzprüfung (Abb. 43) setzt voraus, dass die Bücher vorliegen, die Bestellung also bereits realisiert worden ist. Hinsichtlich der wissenschaftlichen und Fachliteratur orientiert der Verfasser auf den Erwerb von Kenntnissen der Wissenschaftskunde – womit aber die beschriebene Prüfung auf Relevanz nicht geleistet werden kann. Hierzu wäre z. B. die Zuordnung zu differenzierten Produkttypen (S. 399 ff) hilfreich. Zur Orientierung über Belletristik werden praktische Hinweise gegeben.

In dem Abschnitt Kundenbedienung sind eine Fülle von Erfahrungen verarbeitet worden. Die zur Ergründung von Kundenmotivation herangezogene Maslow-Pyramide (S. 222) wird vom Kommentator gründlich missverstanden! Insgesamt wünscht man diesem Kapitel eine fundierte Überarbeitung unter Nutzung der Erkenntnisse über das Kundenverhalten am Regal, über die Fragetypen und das mögliche bzw. wünschenswerte Reagieren darauf usw.

Das 5. Kapitel beschäftigt sich mit den bibliografischen Informationsmitteln, ihren Arten und Formen, der Titelbeschreibung, den Grundsätzen formaler und sachlicher Ordnung und der Vorstellung einzelner bibliographischer Informationsmittel. Zu knapp wird die „Elektronische Suche“ (S. 262 ff) behandelt.

Das 6. Kapitel beschreibt eingangs sehr knapp den Laden und die Büroorganisation. Anschließend werden gut nachvollziehbar betriebliches Rechnungswesen, Inventur und Bewertung sowie die Jahresbilanz behandelt sowie Kalkulation, Erfolgsstatistik und Controlling.

Im 7. Kapitel gibt der Verfasser einen Überblick über das Verlagswesen und die Print-Herstellungstechniken. Ein Abschnitt über CD/DVD fehlt. Abschließend werden die bibliografischen Benennungen entschlüsselt und Publikationsformen vorgestellt. Auf diese hätte die Relevanzprüfung (Abb. 43) verweisen können.

Unter 8. „Die buchhändlerische Verbandsorganisation“ werden der Börsenverein und seine Gliederung und Wirtschaftsbetriebe benannt und unter „Nachwuchsförderung“ Berufsausbildung, Weiterbildung und Hochschulstudiengänge vorgestellt.

Ein umfangreiches und aktuelles Literaturverzeichnis und ein ausführliches Register runden das Lehrbuch ab.

Das Lehrbuch „Der Sortimentsbuchhandel“ von Christian Uhlig informiert umfassend über den Bereich, mit dem Bibliotheks- und Informationswesen am engsten verbunden ist und von dem die Vielzahl von veröffentlichten Medien zur Informationsvermittlung bezogen werden. Deshalb sollte es zur Information und Nutzung für Mitarbeiter, Auszubildende, Praktikanten usw. in Bibliotheken und anderen Informationseinrichtungen zur Verfügung stehen.


Prof. em. Dietmar Kummer
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