Geschäftsmodelle für elektronische Medien
Teil II: Neue Ansätze im Praxistest1


Abstracts

1 Problemstellung
2 Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen durch nutzungsorientierte Komponenten
3 Marktgesteuerte Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen
4 Fazit und Perspektiven

von Hildegard Schäffler

1 Problemstellung

Der vorangegangene Beitrag von Adalbert Kirchgäßner befasst sich mit grundlegenden Bestimmungsgrößen für Geschäftsmodelle elektronischer Medien. Die vorliegende Darstellung stellt darauf aufsetzend die Frage, welchen Veränderungen Preis- und Geschäftsmodelle angesichts der dynamischen Entwicklung des digitalen Publikationsmarktes unterliegen und welche Konsequenzen sich daraus für wissenschaftliche Bibliotheken ergeben.

Vor diesem Hintergrund werden exemplarisch vier verschiedene Szenarien heranzogen, in deren Kontext neue Geschäftsmodelle erprobt bzw. entwickelt werden. Dabei handelt es sich in zwei Fällen um Ansätze, die mit nutzungsorientierten Komponenten arbeiten, nämlich einerseits Modellversuche zur pauschalen Lizenzierung einer Kernmenge von Zeitschriften mit ergänzendem Pay-per-View und andererseits ein Preismodell für Zeitschriftenkonsortien, das in Abkehr vom historischen Umsatzvolumen vornehmlich Nutzungszahlen zur Preisbestimmung heranzieht. Mit Hilfe der beiden anderen Beispiele soll aufgezeigt werden, wie die Weiterentwicklung des Marktes, im vorliegenden Fall in Bezug auf die Open-Access-Bewegung und die noch junge Gattung der E-Books, die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen evoziert.

2 Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen durch nutzungsorientierte Komponenten

Der Einsatz von Nutzungszahlen bei der Gestaltung von Geschäftsmodellen hat bislang noch keine besonders große Verbreitung gefunden. Die beiden ausgewählten und unten beschriebenen Beispiele heben auf zwei Varianten nutzungsorientierter Modelle ab, die sich als Weiterentwicklung von Konsortialmodellen für elektronische Zeitschriften verstehen.

2.1 JISC Business Models Trials

Die Idee einer Flexibilisierung von Geschäftsmodellen für elektronische Zeitschriftenpakete ist nicht neu. Ausgangspunkt ist dabei die häufig vorgebrachte Kritik, dass Abschlüsse über umfangreiche Titelpakete nicht unerhebliche Budgetanteile binden, zu einer Verdrängung von nicht in Paketen gebundenen Angeboten der Bibliotheken führen können und gleichzeitig eine Mischung aus stärker und schwächer genutzten Titeln darstellen.2 Bereits in der von Alice Keller im Jahr 2001 vorgelegten Delphi-Studie zur Zukunft elektronischer Zeitschriften wurde von den befragten Experten prognostiziert, dass Modelle, bei denen eine Kernmenge an Zeitschriften für den pauschalen Zugriff definiert und für die übrigen Titel eine Pay-per-View-Komponente eingesetzt wird, erheblich an Bedeutung gewinnen werden.3

Ein detaillierter Praxistest für dieses Modell wurde im Jahr 2006 im Auftrag des britischen Joint Information Systems Committee (JISC)4 durchgeführt. Ausgangspunkt hierfür war eine von der Firma Rightscom durchgeführte Studie, die Modelle zur Flexibilisierung des Paketbezugs elektronischer Zeitschriften zunächst theoretisch beschrieb.5 Erarbeitet wurden dabei einige Ansätze, die in einer Anschluss-Studie mit Blick auf die damit verbundenen technischen und administrativen Konsequenzen praktisch erprobt wurden.6

Durchgeführt wurde der Praxistest im Jahr 2006, die Veröffentlichung der Ergebnisse stammt aus dem Jahr 2007. Die für diesen Zweck konkret ausgewählten Modelle wurden gegenüber der Ausgangsstudie im Detail variiert und auf zwei Modelle reduziert, die einen bedarforientierten Ansatz verfolgen. Zum einen wurde das sogenannte „Pay-per-view Converting to Subscriptions“ betrachtet, d. h. eine Kernmenge an Zeitschriften wird im unbeschränkten und pauschal vergüteten Zugriff angeboten, während Artikel aus nicht-subskribierten Randtiteln im Pay-per-View-Verfahren heruntergeladen werden können. Wenn durch Downloads aus einer bestimmten Zeitschrift der Abonnementpreis des Titels erreicht ist, dann wird die Zeitschrift im Pauschalzugriff freigegeben. Das zweite Modell lief unter der Bezeichnung „Core Plus Peripheral (Core+)“, d. h. neben der Kernmenge an abonnierten Zeitschriften konnten Aufsätze aus nicht-subskribierten Titeln ohne eine solche Deckelung wie im ersten Modell durch Pay-per-View heruntergeladen werden. Aufgebaut wurde ein Testszenario mit fünf Verlagen (British Medical Journals (BMJ), Elsevier, Institution of Mechanical Engineers (IMechE), Oxford University Press (OUP), Royal Society of Chemistry (RSC)) und zehn Universitätsbibliotheken. Im Rahmen des Tests wurde das eingesetzte Finanzvolumen gedeckelt, wobei die Downloadpreise pro Artikel zwischen GBP 3,50 bis GBP 22 lagen.

Die Ergebnisse des Praxistests lassen sich unter drei Überschriften zusammenfassen: Administration, Inhalte und Kosten.

Die Umsetzbarkeit eines solchen Modells steht und fällt zunächst mit der Qualität der Nutzungszahlen. Da tatsächlich auf der Ebene einzelner Downloads abgerechnet wird, müssen die in der Regel vom Verlag gelieferten Zahlen korrekt sein. Durch die zunehmende Vereinheitlichung von Nutzungszahlen zumindest bei größeren Verlagen nach dem COUNTER-Standard7 erscheint dieser Aspekt grundsätzlich handhabbar. Generell wurde allerdings festgestellt, dass sich der administrative Aufwand auf Bibliotheks- und Verlagsseite erhöht, da Kerninhalte ausgewählt und Einzelabrechnungen vorgenommen werden müssen. Auch die Deckelung des Abonnementpreises bei „Pay-per-view Converting to Subscriptions“ verursacht entsprechenden Verwaltungsaufwand.

Die Auswahl einer „Core Title List“ auf lokaler Ebene erhöht sicherlich die inhaltliche Flexibilität, lässt sich aber sinnvoll nur dann ermitteln, wenn auf möglichst langjährige Zahlenreihen aus vorangegangenen Paketverträgen zurückgegriffen werden kann. Die Definition einer solchen Kernmenge an Zeitschriften über mehrere Institutionen hinweg ist, wie auch die konkrete Praxis bei Konsortialmodellen zeigt, die mit einer solchen vom Konsortium zusammengestellten Liste nicht-subskribierter Inhalte im Pauschalzugriff arbeiten, ist hingegen keinesfalls trivial. Abgesehen vom angesprochenen administrativen Aufwand müssen hier angesichts unterschiedlicher Interessensschwerpunkte der beteiligten Einrichtungen entsprechende Kompromisse gefunden werden.

Bezogen auf den Kostenaspekt ist die zentrale Variable des Modells der Preis pro Download, der mit jedem Verlag einzeln verhandelt werden muss und auch im Modellversuch nicht vereinheitlicht werden konnte. Die oben genannte Preisspanne zeigt zunächst, dass selbst der niedrigste Wert den Durchschnittspreis pro Download in einem gut genutzten Konsortialpaket zumindest bei der Mehrzahl der Teilnehmer überschreitet.8 Die Kosten pro Zugriff müssten sich in einem derartigen Modell also an solchen Werten orientieren und nicht an den marktüblichen Pay-per-View-Preisen der Verlage. Hinzu kommt, dass ein solches Modell ohne finanzielle Deckelung nicht umsetzbar ist, da ansonsten keinerlei Planungssicherheit für den Bibliotheksetat bestünde. Im Modellversuch wurde der Finanzrahmen begrenzt, nicht aber die Frage adressiert, wie dieses Problem in einer konkreten Lizenzsituation gelöst werden soll. Schränkt man die Zahl der möglichen Zugriffe ein, so hat man es mit dem Grundproblem eines jeden nutzungsorientierten Modells zu tun, nämlich mit der Gefahr, dass Nachfrage „bestraft“ wird. Dies gilt insbesondere bei großen und interdisziplinär ausgerichteten Universitäten, zumal wenn die Bibliothek sich aktiv um die Vermittlung von Medienkompetenz bemüht. Das letztlich wesentliche Ergebnis der Untersuchung ist die Erkenntnis, dass unabhängig vom jeweils gewählten Preis pro Download die Kosten insgesamt höher sind als bei einem traditionellen Paketmodell. Die vermeintliche Flexibilität schlägt also auf der Basis zu hoch angesetzter Pay-per-View-Preise um in ein nicht berechenbares Kostenvolumen, das nur beherrschbar wird, wenn es auf Kosten der Nachfrage und damit der Qualität der Literaturversorgung gedeckelt wird. Anders als bei dem im Beitrag von Adalbert Kirchgäßner skizzierten Modell einer Kostenübernahme der Dokumentlieferung durch die Bibliothek, bei dem ein Nachfragerückgang zu verzeichnen ist, lassen sich die Pay-per-View-Zugriffe im vorliegenden Modell ja weiterhin ohne Medienbruch zu den pauschal lizenzierten Titeln abrufen. Die Ergebnisse der britischen Studie legen den Schluss nahe, dass das untersuchte Modell zumindest unter den aktuellen Rahmenbedingungen keine Alternative zu den klassischen Paketlösungen darstellt, wenn man das erreichte Niveau der Literaturversorgung aufrechterhalten will, was freilich nicht gleichzusetzen ist mit einer Aussage über deren nachhaltige Finanzierbarkeit.

2.2 Das nutzungsbasierte Geschäftsmodell der American Chemical Society

Das zweite Beispiel für ein nutzungsorientiertes Modell setzt an einer anderen Stelle an als das von JISC durchgeführte Pilotprojekt. Ausgangspunkt ist hier die Beibehaltung des konsortialen Paketgedankens unter Abkehr vom historischen Umsatzvolumen als Berechnungsgrundlage. Die American Chemical Society (ACS) setzt seit dem Jahr 2008 ein solches Geschäftsmodell ein, dessen Grundprinzipien und Auswirkungen auf die beteiligten Bibliotheken im Folgenden behandelt werden.9

Ausgangspunkt für die Modelländerung war ein klassischer Konsortialansatz, bei dem gegen einen Aufpreis auf den jeweils lokal erzielten Umsatz der Zugriff auf das Gesamtpaket aller ACS-Zeitschriften gewährt wurde. Mit der Umstellung des Geschäftsmodells ab 2008 wurde beim Paketbezug die E-only-Version zunächst als primär angesehen und eine Deep-Discount-Option, also der stark rabattierte ergänzende Bezug von Printversionen, angeboten. Um eine Ablösung vom historischen Umsatzvolumen bewerkstelligen zu können, wurden alle Teilnehmer an einem Konsortium in bestimmte Größenklassen eingruppiert. Während sich beispielsweise für den US-Markt hier differenzierte Kriterien nach der Carnegie-Klassifikation10 angeboten haben, mussten in anderen Märkten in Ermangelung eines ähnlichen Standards abweichende Parameter herangezogen werden. Für Deutschland wurden hierfür Tiers, also Preiskategorien, definiert, die sich im Wesentlichen an Nutzungszahlen orientierten. Darüber hinaus wurde global betrachtet eine nach der Wirtschaftskraft einer Region differenzierte Preisgestaltung vorgenommen.

In der konkreten Umsetzung dieses Modells musste zunächst die Einteilung nach Tiers vorgenommen werden. Herangezogen wurden pro Standort jeweils die Nutzungszahlen des Vorjahrs, soweit sie dem Trend der zurückliegenden Jahre entsprachen. Dieses Nutzungsniveau war ausschlaggebend für die Einordnung in eine bestimmte Gruppe. Wichtig dabei ist, dass die Eingruppierung mittelfristig stabil bleibt, d. h. keine jährliche Anpassung nach den konkret sich verändernden Nutzungszahlen vorgenommen wird, sondern der Trend der Vorjahre eine Ausgangsklassifikation bestimmt und in den Folgejahren nur eingegriffen wird, wenn sich die Rahmenbedingungen an einer Institution signifikant verändern. Auf diese Weise können die Nachteile eines nutzungsbasierten Modells in Bezug auf negative Konsequenzen intensiver Nutzung und Nutzerschulungen zumindest abgemildert werden. Ein weiterer Faktor zur Abschwächung der Effekte einer solchen Umstellung war im vorliegenden Fall die Deckelung des Preises pro Download bezogen auf ein Konsortium und damit der absoluten Beträge sowie die Einführung eines Migrationsplans, in dessen Rahmen sich der Umstieg über mehrere Jahre erstreckt.

Wie hat man sich die Auswirkungen des neuen Modells vorzustellen? Die am Beispiel einer konkreten Konsortialkonstellation gemachten Beobachtungen lassen sich nicht zwingend auf alle Konsortien übertragen, stellen aber sicherlich einen gewissen Trend dar. Abgefedert durch den Migrationsplan bewegt sich die Preissteigerung bezogen auf das Konsortium insgesamt im marktüblichen Rahmen, allerdings nur, wenn das Einsparpotential durch Umstieg auf E-only berücksichtigt wird. Klar erkennbar ist ein Umverteilungseffekt auf Standortebene. Die Veränderung des Modells zugunsten von Preiskategorien, die sich aus Nutzungstrends ableiten, wirkt sich überdurchschnittlich ungünstig auf diejenigen Standorte aus, bei denen sich hohe Nutzungszahlen und ein historisch – möglicherweise durch Privatabonnements gestützter – relativ niedriger Abonnementstand gegenüberstehen. Diese Verteuerung bei den größeren Standorten stützt im Übrigen die These, dass es eben gerade nicht die kleineren Einrichtungen sind, die von den klassischen Konsortialmodellen grundsätzlich am meisten profitieren, sondern die größeren Hochschulen zwar in absoluten Beträgen mehr bezahlen, aber auch ein erheblich größeres Nutzungspotential haben.

Der beschriebene Umstieg zeichnet sich unbestritten dadurch aus, dass er sich von der zunehmend weniger aussagekräftigen historischen Umsatzsituation ablöst und das Nachfragepotential für das angebotene Titelpaket besser widerspiegelt. Gleichzeitig ist dieser Umstieg allerdings speziell an den größeren Standorten über die Jahre mit einer teils erheblichen Preissteigerung verbunden. Überhaupt kann ein solcher Umstieg nur sinnvoll vorgenommen werden, wenn die finanziellen Auswirkungen gedeckelt werden. Hierzu sind differenzierte Kriterien zur Eingruppierung erforderlich, bei denen Nutzung ein Gesichtspunkt sein kann, der das Nachfragepotential einer Einrichtung charakterisiert. Allerdings können die Nachteile einer solchen Orientierung an Nutzungszahlen nur dann ausgeglichen werden, wenn auf der Basis langjähriger Zahlenreihen, die ja mittlerweile für viele Verlagspakete vorliegen, relative Tendenzen ermittelt werden, die für eine Klassifikation herangezogen werden, wie dies im vorliegenden Fall zumindest im Ansatz ja auch geschehen ist. Es bleibt das Grundproblem, dass auf Verlagsseite kaum Bereitschaft besteht, das Umsatzvolumen insgesamt zu verändern, sondern letztlich nur eine Umverteilung zwischen den Standorten nach anderen Kriterien vorgenommen wird, wenn das Paket inhaltlich intakt bleiben soll. Auf diese Weise wird es finanziell immer Gewinner und Verlierer einer solchen Umstellung des Geschäftsmodells geben. Die Reduktion der Inhalte in einem Paketmodell gegen Herabsetzung des Preises ist eine andere Spielart der Modifikation von Konsortialansätzen,11 die im vorliegenden Zusammenhang nicht näher betrachtet wird. Auch die American Chemical Society bietet eine solche Option an, d. h. der Preis kann reduziert werden, wenn die Titelmenge verkleinert wird. Allerdings kann beim Paketpreis nur dann wirklich eingespart werden, wenn die Titelzahl signifikant reduziert wird, was angesichts eines fachlich kompakten Pakets wie im vorliegenden Fall vielfach bereits an die Substanz von Kerntiteln heranreichen würde.

Eine andere Möglichkeit zur Abschwächung des standortspezifischen Preissteigerungseffekts ist die Umverteilung der Kosten im Konsortium, wie sie im Beitrag von Adalbert Kirchgäßner beschrieben wird. Dies ist eine konsortialintern zu lösende Frage, die sich an den jeweiligen Rahmenbedingungen und Konsortialstrukturen orientieren wird, die aber das Grundproblem eines gesetzten Gesamtvolumens letztlich nicht lösen kann.

3 Marktgesteuerte Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen

Die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen für elektronische Ressourcen steht naturgemäß auch im Kontext einer dynamischen Marktentwicklung, die immer wieder neue Publikationsformen und Gattungen hervorbringt. In welcher Weise sich dieser Zusammenhang darstellen kann, wird im Folgenden exemplarisch anhand der Open-Access-Entwicklung und der noch jungen Gattung der E-Books illustriert.

3.1 Hybridmodell Springer Open Choice im Rahmen von Lizenzverträgen

Die vielschichtige Open-Access-Bewegung,12 die in den letzten Jahren als Reaktion auf den in Teilen oligopolistisch organisierten wissenschaftlichen Publikationsmarkt erheblich an Fahrt gewonnen hat, soll im vorliegenden Kontext unter dem speziellen Gesichtspunkt der Frage diskutiert werden, wie Verlage im Rahmen ihrer Geschäftsmodelle auf diese Entwicklung reagieren.

Betrachtet werden soll hierbei das sogenannte Hybridmodell, also die Möglichkeit für Autoren, gegen Gebühr im Kontext einer Verlagszeitschrift zu publizieren und den eigenen Beitrag dabei frei zugänglich anzubieten. Anders als bei der Option auf Zweitverwertung durch die Autoren in institutionellen Repositorien wird bei Hybridansätzen der Aufsatz innerhalb der Verlagszeitschrift im Open Access veröffentlicht. Dieses Modell wird mittlerweile von einer ganzen Reihe von Wissenschaftsverlagen angeboten, die dies gleichzeitig mit der Ankündigung verbinden, bei einem zu definierenden Anteil solch frei zugänglicher Artikel, die ja von den Autoren bezahlt werden, den Subskriptionspreis für alle Bezieher zu senken.13

Betrachtet man dieses Modell im Kontext von institutionellen oder konsortialen Lizenzabschlüssen, so gibt es mittlerweile eine Reihe von Pilotverträgen, bei denen das Hybridmodell in eine entsprechende Lizenz integriert wird. So ist das Open-Choice-Modell von Springer seit einiger Zeit Bestandteil einer lokalen Lizenz der SUB Göttingen, aber auch von Konsortiallizenzen in den Niederlanden, bei der Max-Planck Digital Library14 und seit kurzem auch der California Digital Library.15 Das Grundprinzip dieser Abschlüsse besteht darin, es den Wissenschaftlern der beteiligten Einrichtungen zu ermöglichen, ihre Beiträge zu vergünstigten Konditionen im Open-Choice-Modell zu publizieren. Wie sich genau die Vertragskonstellation auf die Open-Choice-Bedingungen auswirken, ist jeweils Verhandlungssache und vom Gesamtkontext abhängig.16

Da Modelle dieser Art relativ neu sind und sich zumindest bei Springer noch in einer Art Pilotphase befinden, kann an dieser Stelle nur eine vorläufige Bewertung vorgenommen werden. Während es etwas fragwürdig erscheint, ob sich das Hybridmodell zumindest mittelfristig substantiell auf die Subskriptionspreise für die Allgemeinheit der Bezieher auswirken wird, ist die Verbindung des Modells mit einer lokalen oder konsortialen Lizenz sicherlich bedenkenswert. Als nicht akzeptabel wäre dabei ein Ansatz zu betrachten, bei dem die Einführung einer solchen Komponente negative Auswirkungen auf die übrigen Konditionen hätte. Es kann sich eigentlich nur um eine Zusatzkomponente handeln, die den Wissenschaftlern der betroffenen Einrichtungen eine günstige Möglichkeit zur Publikation im Open Access im Originalkontext bietet. Nicht zu unterschätzen ist sicherlich der administrative Aufwand, der auf beiden Seiten aufzuwenden ist, um etwa die berechtigten Autoren zu identifizieren. Letztlich muss es darum gehen, für die Evaluation solcher Pilotabschlüsse Erfolgsfaktoren zu definieren. Dazu zählen neben der administrativen Handhabbarkeit insbesondere positive Auswirkungen auf den Anteil der Open Access-Publikationen in den Hybridzeitschriften mit einer entsprechenden Konsequenz für die Subskriptionspreise sowie insgesamt die Beförderung des Open-Access-Gedankens.

Die Verankerung von Open Access im Rahmen sogenannter Hybridmodelle ist nur einer von mehreren möglichen Ansätzen, wie Verlage auf diese Entwicklung reagieren. Ob es sich dabei um ein Erfolgsmodell handelt, werden nicht zuletzt größer angelegte Pilotansätze der oben beschriebenen Art zeigen.

3.2 E-Books

Der zweite Beispielbereich, bei dem die Marktentwicklung die Beschäftigung mit neuen Geschäftsmodellen notwendig erscheinen lässt, sind die E-Books. Bei dieser noch relativ jungen Mediengattung besteht ein nicht unerhebliches Entwicklungspotential in Bezug auf mögliche Geschäftsmodelle, wie anhand von drei Aspekten verdeutlicht werden soll.17

Betrachtet man zunächst das Verhältnis von gedruckter zu elektronischer Ausgabe, so ist festzustellen, dass die Relation zwischen Print- und E-Book-Preis stark variiert. Stichproben bei einer Reihe von Aggregatoren haben ergeben, dass es hierfür keinen typischen Prozentsatz gibt, sondern dass eine erhebliche Spanne festzustellen ist, die zwischen einem deutlich günstigerem und einem deutlich höherem Preis für das E-Book im Verhältnis zum gedruckten Buch schwankt. Abgesehen von Kombipreisen, die ggf. bei Nachschlagewerken angeboten werden, haben wir es hier also im Unterschied zu den elektronischen Zeitschriften tendenziell mit einer Entkoppelung von Print- und E-Preis zu tun. Dies muss nicht unbedingt negativ bewertet werden, zumal ja in anderen Zusammenhängen vielfach die starke Bindung der Geschäftsmodelle für E-Ressourcen an traditionelle Printprodukte beklagt wird. Andererseits führt dieser Ansatz zu doppelten Kosten, wenn zusätzlich zur elektronischen Verfügbarkeit, ggf. aufgrund eingeschränkter Zugriffsrechte, unzureichender Funktionalitäten oder verspätetem Erscheinen der E-Version noch Printausgaben angeschafft werden. Die Einführung von Deep-Discount-Preisen zumindest in bestimmten Kontexten könnte hier einen möglichen Lösungsansatz darstellen.

Eine eher umgekehrte Tendenz, nämlich die Orientierung an der Printwelt, stellt man teilweise bei den Geschäftsmodellen für elektronische Lehrbücher fest. Allen Ansätzen in diesem Bereich liegt letztlich immer die Frage der Verlage zugrunde, wie sich die bei Printlehrbüchern übliche Staffelung beim institutionellen Erwerb und der private Verkaufsmarkt in einem Geschäftsmodell für Bibliotheken abbilden lassen. Dass die elektronische Verfügbarkeit zumindest mittelfristig dazu führen kann, dass potentiell weniger Printexemplare gekauft werden, soll nicht bestritten werden, derzeit scheint dies aber noch keinesfalls der Fall zu sein.18 Letztlich herrscht in Bezug auf Lehrbücher im Bereich der E-Books zumindest bei einigen Verlagen eine gewisse Verunsicherung, die nicht selten dazu führt, dass bestimmte Literatur gar nicht in elektronischer Form angeboten oder mit Nutzungseinschränkungen versehen wird, die eine prohibitive Wirkung entfalten. Es darf angenommen werden, dass Bibliotheken im Zusammenhang mit Lehrbüchern durchaus bereit wären, typspezifische Geschäftsmodelle zu akzeptieren, die mit einer virtuellen und beiden Seiten angemessen erscheinenden Staffelung arbeiten, damit ein wirtschaftlicher Vertrieb der Ressourcen möglich bleibt. Aber an der einen oder anderen Stelle würde man sich doch mehr Mut zum kreativen Umgang mit der Ablösung von der Printwelt wünschen. Mit der exklusiven Beibehaltung der Printversion oder dem Einsatz restriktivster DRM-Mechanismen ist es jedenfalls nicht getan.

Ein weiteres Feld, bei dem sich Geschäftsmodelle bei E-Books in der Entwicklung befinden, sind die Konsortialansätze, die noch nicht von allen Verlagen angeboten werden. Hierbei bildet sich allmählich eine interessante Variante heraus, bei der Konsortialteilnehmer individuelle Titel oder Paketmodule auswählen können, auf die umsatzbezoge Rabatte gewährt werden. Solche Ansätze finden sich beispielsweise bei Aggregatoren oder Verlagen, die Fachpakete vertreiben. Abweichend von gängigen Zeitschriftenkonsortien gibt es hier also keine gemeinsame Titelliste, sondern die inhaltliche Auswahl erfolgt standortspezifisch, während sich die Rabatte aus dem insgesamt erreichten Umsatzvolumen ableiten. Dieses Modell kommt dem Bedürfnis der Standorte nach spezifischer Inhaltsauswahl entgegen und wahrt gleichzeitig den Vorteil des Rabatts bei gemeinsamem Vorgehen. Nicht ganz trivial, aber lösbar sind administrative Probleme bei der Organisation von Sammelbestellungen, da für das Erreichen bestimmter Rabattstufen jeweils ein Zeitrahmen gesetzt werden muss und darauf zu achten ist, dass Frühbesteller keine Nachteile haben.

Die drei skizzierten Aspekte von Geschäftsmodellen bei E-Books zeigen, dass bei dieser relativ jungen Gattung zum einen das Spannungsfeld zwischen Print- und E-Version noch nicht abschließend geklärt ist, zumal sich im Unterschied zu Zeitschriften der Vertriebsmarkt außerhalb der Bibliotheken erheblich komplexer darstellt. Auf dem Gebiet des gemeinschaftlichen Einkaufs werden hingegen gerade mit Blick auf das verstärkte Bedürfnis nach individueller Titelauswahl Modelle erprobt, die sich auch mittelfristig als praktikabel erweisen könnten.

4 Fazit und Perspektiven

Die betrachteten Beispiele zeigen, dass es durchaus vorstellbar ist, dass nutzungsbasierte Elemente in Geschäftsmodellen für E-Ressourcen und Zeitschriften im Besonderen an Bedeutung gewinnen werden, auch wenn vielleicht nicht in der von JISC untersuchten Ausprägung. Diese Entwicklung ist dann im Prinzip positiv, wenn die Zielsetzung darin besteht, das historische Umsatzvolumen als Kalkulationsgrundlage durch die Einführung anderer Parameter sukzessive abzulösen. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass die uneingeschränkte Verwendung von Nutzungszahlen, die nicht durch andere Komponenten modifiziert wird, nicht zielführend ist und sich entsprechend negativ auf diejenigen Bibliotheken auswirkt, die ihre digitalen Angebote offensiv bewerben. Nutzungszahlen können dann sinnvoll einsetzt werden, wenn sie als eine von mehreren möglichen Bestimmungsgrößen relativen Aufschluss über das Nachfragepotential geben.

Darüber hinaus erfordert die Weiterentwicklung des Marktes neue Denkansätze. Dabei geht es nicht nur um die zunehmende Bedeutung von Open-Access-Modellen und deren mögliche Verquickung mit Verlagsmodellen, sondern auch um neue Mediengattungen wie insbesondere die E-Books. Letztere befinden sich in einer Phase, in der von Verlagsseite noch nach Modellen gesucht wird, die eine möglichst verlustfreie Migration aus der Print- in die E-Welt ermöglichen bzw. Geschäftsfelder in beiden Publikationsformen offenhalten sollen. Dieser Versuch ist allerdings derzeit nicht in allen Fällen innovationsfördernd.

Bei allen oben beschriebenen Beispielen für mögliche Neuansätze aber lässt sich immer wieder das gleiche Grunddilemma feststellen. Bibliotheken sehen sich angesichts der Etatentwicklung, die unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weniger denn je Anlass zu Optimismus gibt, entsprechenden finanziellen Engpässen gegenüber. Die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen führt dabei aktuell nicht zu einer Reduktion von Umsatzvolumina, sondern allenfalls zu deren Umverteilung. Bei nutzungsorientierten Modellen kann es zu Verschiebungen innerhalb einer Gruppe kommen. Ein echter Rückgang der Kosten lässt sich aber nur erreichen, wenn man substantielle Einschnitte beim inhaltlichen Umfang des Angebots vornimmt.


Autor

Dr. Hildegard Schäffler

Leitung Referat Zeitschriften und Elektronische Medien
Bayerische Staatsbibliothek
Ludwigstr. 16
80539 München
hildegard.schaeffler@bsb-muenchen.de


Anmerkungen

1. Der Beitrag geht auf einen Vortrag zurück, der auf dem VÖB-Kongress „E-Welten in der Bibliothek“ am 25.09.2008 in Krems gehalten wurde.

2. Vgl. dazu beispielsweise Kirchgäßner, Adalbert: „Geschäftsmodelle für wissenschaftliche Zeitschriften“. In: GMS Medizin – Bibliothek – Information 8:1 (2008), www.egms.de/pdf/journals/mbi/2008-8/mbi000107.pdf.

3. Vgl. dazu Keller, Alice: Elektronische Zeitschriften im Wandel: eine Delphi-Studie. Wiesbaden: Harrassowitz, 2001, S.113-120. Entsprechende Experimente wurden auch an verschiedenen Bibliotheken durchgeführt, u.a. an der Universitätsbibliothek Bielefeld mit dem Verlag Elsevier. Vgl. dazu www.ub.uni-bielefeld.de/news/2005/2005_1.htm [Stand 24.04.2009].

4. Hier ist auch das britische Konsortium NESLi2 angesiedelt. Vgl. dazu www.nesli2.ac.uk.

5. Vgl. dazu Rightscom Ltd: Business Models for Journal Content: Final report. London, 2005, www.nesli2.ac.uk/JBM_o_20050401Final_report_redacted_for_publication.pdf [Stand 24.04.2009].

6. Vgl. dazu Content Complete Ltd: JISC Business Models Trials. London, 2007, www.jisc-collections.ac.uk/projects_and_reports.aspx [Stand 24.04.2009].

7. Vgl. dazu www.projectcounter.org

8. Zugrunde gelegt werden hier Werte aus Konsortialpaketen, die im Bayern-Konsortium angeboten werden.

9. Bei ACS läuft dieses Modell unter der Bezeichnung „value-based pricing“. Vgl. dazu pubs.acs.org/page/4librarians/vbp/index.html [Stand 01.05.2009].

10. Vgl. dazu www.carnegiefoundation.org/classifications/

11. Modellhaft beschrieben in Gatten, Jeffrey N. / Sanville, Tom: „An Orderly Retreat from the Big Deal: Is it Possible for Consortia?” In: D-Lib Magazine 10:10 (2004); www.dlib.org/dlib/october04/gatten/10gatten.html [Stand 27.04.2009].

12. Einen guten Überblick über die vielfältigen Aktivitäten und Varianten von Open Access bietet die Informationsplattform open-access.net, abrufbar unter open-access.net/de.

13. Einer der wenigen Verlage, bei dem dies tatsächlich umgesetzt zu werden scheint, ist Oxford University Press. Auf den Webseiten kann man lesen: „In keeping with our pricing policy, for 2009 we have again made adjustments to online-only subscription prices for journals that offer the optional Oxford Open model. These changes reflect the amount of open access versus non-open access content published within each journal during 2007, and have resulted in some Oxford Open journals experiencing a price reduction to the online-only subscription compared to 2008“ [Stand 25.04.2009]. Der Verlag Walter de Gruyter definiert in der im Frühjahr 2009 eingeführten „Open Library“ die Messlatte für die Senkung der Preise, bezogen auf Zeitschriften und Bücher: „If the publisher’s calculation for a specific book was for example a sales line of 10.000 Euro and a minimum of 20% of the income is generated through open access fees, the price of the book will be lowered by 20 %.“ www.degruyter.de/cont/glob/openAccess.cfm [Stand 28.04.2009].

14. Vgl. hierzu eine von der MPG herausgegebene Pressemitteilung: www.mpg.de/english/illustrationsDocumentation/documentation/pressReleases/2008/pressRelease20080204/genPDF.pdf [Stand 25.04.2009].

15. Eine entsprechende Pressemitteilung der California Digital Library vom Januar 2009 ist abrufbar unter www.cdlib.org/SpringerUCOpen_AccessPressReleasefinal.pdf [Stand 25.04.2009].

16. Im Falle der Max-Planck-Gesellschaft ging dem Abschluss eine Kündigung des Konsortialvertrages mit Springer voraus, da man sich zunächst nicht auf angemessene Konditionen für die Verlängerung verständigen konnte.

17. Einen Überblick zur aktuellen Situation auf dem E-Book-Markt geben Hammerl, Michaela / Kempf, Klaus / Schäffler, Hildegard: „E-Books in wissenschaftlichen Bibliotheken: Versuch einer Bestandsaufnahme.“ In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 55:2 (2008), S.68-78.

18. Vgl. dazu beispielsweise die Untersuchungen von Oliver Obst, u.a. Vortrag gehalten auf dem 96. Deutschen Bibliothekartag in Leipzig 2007, „Nutzungsaspekte von e-Books (Online-Büchern), www.opus-bayern.de/bib-info/volltexte/2007/396/ [Stand 28.04.2009].