97. Deutscher Bibliothekartag in Mannheim 2008
Wissen bewegen. Bibliotheken in der Informationsgesellschaft

Hrsg. von Ulrich Hohoff; Per Knudsen. Bearb. von Stefan Siebert.


- Frankfurt am Main: Klostermann, 2009. 377 S.
(Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie: Sonderband; 96)
ISBN 978-3-465-03606-7

Susanne Riedel weist in ihrer Eröffnungsansprache auf die Synonyme für das „raffinierte Motto“ des 97., den Begriff Wissen bewegen, hin: „Das Wissen wird bewegt, indem es vermittelt, weitergegeben, transportiert, transferiert, übertragen und erweitert wird … Bevor ein Nutzer damit in Berührung kommt, wird es erschlossen, gespeichert, aufbereitet, zugänglich gemacht … Und es gibt noch eine weitere Bedeutung von bewegen: bewegt sein oder bewegt werden als emotionale Regung.“ (S. 11-12) Dieser letzte Gesichtspunkt führt uns zu dem exzellenten Eröffnungsvortrag von Jürgen Babendreier. Der Autor hat mit seinen Beiträgen vom frühen Kämpfer für Restitution1 bis hin zum entschiedenen Vertreter einer Bibliotheksarchitektur2 großen Anteil an der bibliothekshistorischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Der Titel seines Beitrages: „Das Buch in der Bewegung“. Er beschäftigt sich mit „Positionen zur Bücherverbrennung“, denen der Politiker und der Bibliothekare (z.B. Wolfgang Herrmann, Joachim Kirchner und Hugo Andres Krüß).

Die fünf Vorträge des ersten Kapitels Wer bewegt das Wissen? weisen auf Schwerpunkte bibliothekarischer Arbeit zu Beginn des 21. Jahrhunderts hin. Barbara Lison behandelt die politische Ebene und nennt ihren Beitrag „Zwischen Föderalismus und Kommunalverfassung“. Das sieht ein wenig nach Ohnmacht aus, und die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen (z. B. Lobbying, Kampagnen sowie neue Imagebildung durch ansprechende Darstellung der Erfolge und Leistung) sind sicher ohne ein nationales Bibliotheksgesetz schwierig zu verwirklichen. Rafael Ball hat es da etwas leichter, wenn er die „Wissenschaftskommunikation im Wandel“ beschreibt und die Bibliotheken auffordert, die Wissenschaftskommunikation „mit adäquaten Mitteln, Strukturen und Dienstleistungen“ zu unterstützen, „Wissenschaftskommunikation bedeutet nichts anderes als Bibliotheken im Wandel“ (S. 53). Klaus Ceynowa sieht in seinem Beitrag „Massendigitalisierung für die Wissenschaft – das Konzept der Bayerischen Staatsbibliothek“ die Digitalisierungsstrategie als einen Beitrag zum Kernauftrag – „den einzigartigen Gesamtbestand für zukünftige Generationen zu bewahren und zugleich den Zugriff für die gegenwärtige Generation zu optimieren“ (S. 67). Petra Hätscher fragt in ihrer leider viel zu kurzen Zusammenfassung einer Tagung von Referentinnen und Referenten großer deutscher Bibliotheken „Wer bewegt das Wissen: Wo stehen wir in zehn Jahren?“. Abschließend vermittelt Mary Lee Kennedy „Information in innovation: making a difference in education“ Erfahrungen aus den USA.

Von den weiteren 25 in den Sammelband aufgenommenen Beiträge, die wohl auch unter dem auf dem Titelblatt ausgewiesenen zweiten Motto des Bibliothekartags Bibliotheken in der Informationsgesellschaft zu subsumieren sind, kann nur auf einige Themen hingewiesen werden.

In Wissensorganisation und Wissensvermittlung (acht Vorträge) fand der Rezensent auch zwei kurze Beiträge zur internationalen Zusammenarbeit. Birgit Stumm beschreibt in „Wie baut man ein Kooperationsnetz für ein EU-Projekt auf?“ Kriterien bei der Antragstellung und Umsetzung von Projekten. Hella Klausner berichtet über den „Aufbau erfolgreicher Netzwerke: Internationale Erfahrungen“ und nennt mehrere Beispiele.

Zum Thema Recht (vier Vorträge) fielen dem Rezensenten die Beiträge von Ulrike Fälsch über die „Leistungsorientierte Bezahlung im öffentlichen Dienst“ und von Claudia Holland zu „Reformen im Beamtenrecht: zum aktuellen Rechtsstand nach der Föderalismusreform“ auf.

In dem Kapitel Technik und Technologie (zwei Vorträge) beschäftigt sich Raoul Borenius mit der Software „Shiboleth als technische Grundlage für föderative Angebote“.

Aus dem Kapitel Management und betriebliche Steuerung (sieben Vorträge) sollen drei Themen herausgegriffen werden, die für die Bibliotheken zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine besondere Rolle spielen: Renate Vogt „Qualitätsentwicklung durch kollegiale Beratung“, Thomas Stierle „Vom Messen allein wird nichts besser“ und Jochen Rupp „Veränderungsmanagement in Bibliotheken: erfolgreiche Maßnahmen“.

Abschließend widmet sich das Kapitel Kulturelles Erbe (vier Vorträge) u. a. mit digitalen Dokumenten: Jens Ludwig „Wege ins Archiv: ein Leitfaden für die Informationsübernahme in das digitale Langzeitarchiv“ und Gerald Steilen „Zentrales Verzeichnis digitalisierter Drucke“.

Fazit: Wissen bewegen als Motto für einen Bibliothekartag ist eine großartige Idee und zeigt das neue Selbstbewusstsein der Bibliothekare. Man kann nur hoffen und wünschen, dass auch die Politiker die Arbeitsergebnisse der Bibliotheken in dieses Motto einordnen!

Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
Ostendorfstraße 50
12557 Berlin
dieter.schmidmaier@schmidma.com


1. Vgl. u. a. Displaced books: Bücherrückgabe aus zweierlei Sicht. Beiträge und Materialien zur Bestandsgeschichte deutscher Bibliotheken im Zusammenhang von NS-Zeit und Krieg. Hannover, 1999. S. 62-64.

2. Bibliotheken in der NS-Zeit: Provenienzforschung und Bibliotheksgeschichte / Hrsg. Stefan Alker; Christina Köster; Markus Stumpf. Wien, 2008. S. 15-41. Vgl. Rez. in B.I.T.online 12 (2009) 1, S. 97.