Auf dem Wege in die Informationsgesellschaft:
Bibliotheken in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts

Hrsg. von Peter Vodosek; Werner Arnold

Die Rezension soll am Beispiel der vorliegenden Veröffentlichung an die großen Verdienste des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Bibliotheks-, Buch- und Mediengeschichte und seiner Vorläufer auf dem Gebiet der Forschungen zur zeithistorischen Bibliotheksgeschichte erinnern.

Das Unternehmen begann im Jahre 1988 mit der Tagung Bibliotheken während des Nationalsozialismus¹, ein waghalsiges Unterfangen, weil zu diesem Zeitpunkt immer noch große Vorbehalte für eine lückenlose Aufklärung existierten. Ein Jahr später schon folgte der zweite Teil². Chronologisch schloss sich daran 1990 die Entwicklung des Bibliothekswesens in Deutschland 1945 bis 1965³ an, veranstaltet zu einem Zeitpunkt, da am 3. Oktober 1990 nach friedlicher Revolution in der DDR die Wiedervereinigung Deutschlands gefeiert wurde. 1996 folgte eine Tagung zum Thema Geschichte des Bibliothekswesens in der DDR⁴, 2002 zu Bibliotheken, Bücher und andere Medien in der Zeit des Kalten Krieges⁵ und nun als sechste „und wohl letzte Veranstaltung mit zeitgeschichtlicher Thematik“(S. 7) die Bibliotheken in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Damit scheint dieser Zyklus abgeschlossen zu sein. Die Arbeitsergebnisse der jeweiligen Tagungen wurden in umfangreichen Bänden publiziert.

In besonderer Weise gilt der Dank der Herzog August Bibliothek mit dem unermüdlichen Organisator vor Ort Werner Arnold, dem Bibliothekshistoriker und Vordenker Peter Vodosek, dem Verlag Harrassowitz und den Referentinnen und Referenten, die neben ihrer beruflichen Haupttätigkeit bereit waren, historisches Neuland zu betreten. Ohne sie alle wäre dieses Unterfangen nicht denkbar gewesen.

Die Resonanz ist groß: In allen einschlägigen Veröffentlichungen zur Entwicklung des Bibliothekswesens in Deutschland seit 1933 werden Beiträge zitiert, Bestätigungen zu den Arbeitsergebnissen finden sich auch auf nationalen und internationalen Kongressen (s. a. S. 7-8).

Peter Vodosek zitiert im Vorwort den österreichischen Historiker Erich Zöllner: „Die Zeithistoriker folgen der Geschichte so dicht auf dem Fuß, dass sie demnächst die Zukunftsforscher überholen werden.“ (S. 7) Die behandelten 1970er und 1980er Jahre zeigen diese Grenze zur Zukunft, denn die Bibliotheken begeben sich auf den Weg in die Informationsgesellschaft. Dies beweisen die 12 Beiträge.

Den Einstieg gibt der erste Beitrag „Die ´68er Generation´ im Bibliothekswesen: neue Ideen und Konzepte“ (Wolfram Henning) mit der Kommentierung der Ideen und Konzepte des Bibliothekswesens nach der Revolte von 1968.

Der Rezensent hat die Beiträge zu fünf Komplexen zusammengefasst:

• Bibliothekspläne und Gutachten – das sind die Bibliothekspläne 1969 und 1973 (Konrad Umlauf), der Bibliotheksplan Baden-Württemberg 1973 (Elmar Mittler) und das Gutachten „Öffentliche Bibliothek“ 1973 (Günter Beyersdorff).

• Alte und neue Bibliotheken mit alten und neuen Aufgaben – die Aufgaben der alten und der neuen Bibliotheken unter besonderer Berücksichtigung der Strukturveränderungen in den drei Sektoren der Buchaufstellung, des Managements und der Vernetzung (Uwe Jochum), der neue Bibliothekstyp Fachhochschulbibliothek (Reinhard Altenhöner), die neuen Aufgaben der Regionalbibliotheken (Werner Arnold) sowie der Weg der Bibliotheken von den Zentralkatalogen zum Verbund (Ronald M. Schmidt).

• Vereine und Verbände – „die Bemühungen um Koordinierung, Bündelung und Vereinigung bibliothekarischer Interessenvertretung und Vereinsarbeit“ (S. 239) durch die Deutsche Bibliothekskonferenz und die Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände (Birgit Dankert)

• Elektronische Datenverarbeitung – Der Siegeszug der EDV, ein Rückblick auf das erste Vierteljahrhundert des Einsatzes der Datenverarbeitung von 1965 bis 1990 (Siegfried Schmidt)

• Dokumentation und Information – die „drei Etappen der Fachinformationspolitik“ (S. 130) von 1960 bis 1990 (Hans-Christoph Hobohm).

Eine wichtige Ergänzung zu den hier behandelten Themen sind Festschriften, wie, um nur einige zu nennen, die für Harro Heim⁶, Rudolf Frankenberger⁷ und Hermann Holzbauer⁸.

Ein Beitrag zum Bibliothekswesen in der DDR hätte dem Ganzen gut getan, denn auch in den Bibliotheken der DDR hat es in dem hier behandelten Zeitraum zahlreiche Veränderungen gegeben.

Dem vorliegenden abschließenden Band ist eine weite Verbreitung zu wünschen, denn er enthält wieder wichtige Themen zur Entwicklung deutscher Bibliotheken seit 1945.

Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
Ostendorfstraße 50
12557 Berlin
dieter.schmidmaier@schmidma.com

1. Bibliotheken während des Nationalsozialismus / Hrsg. Peter Vodosek; Manfred Komorowski. T. 1 Wiesbaden: Harrassowitz, 1989.

2. Bibliotheken während des Nationalsozialismus / Hrsg. Peter Vodosek; Manfred Komorowski. T. 2 Wiesbaden: Harrassowitz, 1992.

3. Die Entwicklung des Bibliothekswesens in Deutschland 1945-1965 / Hrsg. Peter Vodosek; Joachim-Felix Leonhard. Wiesbaden, 1993.

4. Geschichte des Bibliothekswesens der DDR / Hrsg. Peter Vodosek; Konrad Marwinski. Wiesbaden: Harrassowitz, 1999.

5. Bibliotheken, Bücher und andere Medien in der Zeit des Kalten Krieges / Hrsg. von Peter Vodosek und Wolfgang Schmitz. Wiesbaden, 2005. – Vgl. Rez. in B.I.T.online 9 (2006) 3, S. 271.

6. Die neue Bibliothek: Festschrift für Harro Heim zum 65. Geburtstag / Hrsg. Günther Pflug; Hansjochen Hancke. München, 1984.

7. Schritt zur neuen Bibliothek: Rudolf Frankenberger zum Abschied aus dem Dienst / hrsg. Otto Weippert. München, 1998.

8. Entwicklungen und Bestände. Bayerische Bibliotheken im Übergang zum 21. Jahrhundert: Hermann Holzbauer zum 65. Geburtstag. Wiesbaden, 2003.